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Antrag 83/II/2025 Statistik heilt keine Seele – Bedarfsplanung reformieren, Kassenplätze schaffen

9.10.2025

„Berlin ist überversorgt.“ So lautet die offizielle Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung zur psychotherapeutischen Versorgung in der Hauptstadt. Überversorgt – obwohl in vielen Berliner Bezirken Patient*innen über ein halbes Jahr auf einen Therapieplatz warten. Überversorgt – obwohl Kinder, Jugendliche und Studierende häufig keine Behandlung erhalten, bevor sich ihre Symptome verschärfen oder chronifizieren. Überversorgt – obwohl laut der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in der Versorgung hunderttausende Therapieplätze bundesweit fehlen. Was läuft hier schief?

 

Die Antwort liegt in einem veralteten, starren und realitätsfernen System: Die Bedarfsplanung für psychotherapeutische Kassensitze in Deutschland basiert bis heute auf einem statistischen Schlüssel aus dem Jahr 1999. Laut § 101 SGB V sowie der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA wird der Bedarf ausschließlich anhand der Bevölkerungszahl eines Planungsbezirks berechnet – derzeit mit einem Richtwert von 1 Psychotherapeut*in pro 3.344 Menschen in Städten und 1:6.084 auf dem Land. Ein Versorgungsgrad über 110 % gilt dabei bereits als „Überversorgung“ – auch wenn real hunderttausende Menschen keine Hilfe bekommen.

 

Diese Berechnung ignoriert zentrale Einflussfaktoren: Morbidität, Altersstruktur, Sozialstruktur, psychische Belastung, Wartezeiten oder regionale Besonderheiten spielen keine Rolle. So kommt es dazu, dass trotz enormer Nachfrage keine neuen Kassensitze genehmigt werden – obwohl Wartezeiten regelmäßig mehr als 20 Wochen betragen.

 

Laut dem G-BA-Gutachten von 2018 fehlen bundesweit mindestens 2.400 Kassensitze, allein in Berlin wären nach Berechnungen der Bundespsychotherapeutenkammer mehr als 300 zusätzliche Sitze notwendig, um die Versorgung zu sichern. Gleichzeitig sind viele Praxen überlastet, neue Kassensitze können aber kaum gegründet werden – sie müssen teuer auf dem Sekundärmarkt gekauft werden, oft für 150.000–250.000 €, was den Zugang zusätzlich finanziell selektiv macht.

 

Deshalb fordern wir:

 

  • Eine grundlegende Überarbeitung und Modernisierung des Bedarfsberechnungsschlüssels: Neuevaluation alle drei Jahre unter Einbeziehung der Krankenkassendaten (ICD-F-Codes), Altersverteilung, Armutsquote, Migrationsanteil, Wartezeiten und psychischer Belastung. In Ausnahmefällen, wie z.B. einer pandemischen Lage, in der die psychische Belastung innerhalb der Bevölkerung stark ansteigt, muss es auch möglich sein, kurzfristig neue (und auch temporäre Kassensitze) zur Bewältigung der Situation zu schaffen
  • Eine deutliche Senkung des Versorgungsschlüssels in Berlin zu 1 Kassensitz pro 2.000 Menschen.
  • Flexible Kassensitzmodelle mit halben Sitzen, Tandemsitzen und Modellen gemeinsamer Versorgung in Teamstrukturen (z. B. Sozialpsychiatrische Zentren).
  • Reformierung der Vergabepraxis: In Regionen mit systematisch überhöhten Wartezeiten muss es auch bei rechnerischer Überversorgung möglich sein, neue Sitze zu vergeben.
  • Sicherzustellen, dass bis zu einer Reform des Vergabesystems, sozial schwache Haushalte ohne hohen bürokratischen Aufwand und Nachweis über Absage von Psychotherapeut*innen ohne Kassensitz, den Zugang zu psychotherapeutischer Behandlung von qualifiziertem Personal erhalten.
  • Transparenz über die Verfügbarkeit von Therapieplätzen und Gruppenangeboten in Form von einem landesweiten Register stärken
  • Eine Ausweitung und ausreichende Finanzierung von Zentren und Ambulanzen für Psychotherapieist zur Entlastung von Kassensitzen und besonders zur ausreichenden Versorgung während Notständen oder anderweitigen Engpässen in der Versorgungsinfrastruktur sicherzustellen
  • den Berliner Senat auf, bei der Vergabe von Geldern durch das Land in Infrastrukturprojekte, welche durch das zukünftige Länder- und Kommuneninfrastrukturierungsgesetz (LuKIFG) an das Land Berlin gehen, die psychotherapeutische Versorgung priorisiert wird.

 

Antrag 84/II/2025 Clearingstelle stärken: Zugang zu medizinischer Versorgung für alle

9.10.2025

In Berlin leben ungefähr 60.000 Menschen ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Seit 2018 unterstützt eine Clearingstelle Betroffene mit Beratung und Kostenübernahmen für notwendige Behandlungen. Doch die Finanzierung bleibt unsicher und strukturelle Hürden erschweren die Unterstützung. Daher fordern wir die SPD-Abgeordneten im Abgeordnetenhaus und den Senat auf, folgende Maßnahmen umzusetzen:

  1. Die Clearingstelle in Berlin wird verstetigt und somit dauerhaft gesichert ausfinanziert.
  2. Mit den Berliner Sozialämtern und den Berliner Krankenhäusern werden verbindliche Vereinbarungen zur Refinanzierung von Notfallbehandlungen für nicht krankenversicherte Personen geschlossen. 
  3. Bürokratische Hürden und Kompetenzersplitterungen in den Behörden werden abgebaut und Anträge wie vorläufige Leistungsgewährungen im Krankheitsfall schneller bearbeitet.
  4. Es wird geprüft, ob eine elektronische Gesundheitskarte oder eine Berlin City ID Card die aktuell gedeckelten Einzelfall-Behandlungsscheine ersetzen können.

Antrag 86/II/2025 Drogenkonsum im öffentlichen Raum – Mehr Konsumräume, Sozialarbeit und Anlaufstellen

9.10.2025

Drogenkonsum im Öffentlichen Raum ist tägliche Realität in Berlin. Um Betroffenen mehr Unterstützung zu bieten und die Auswirkungen für Anwohnende besser einzudämmen, fordern wir die zuständigen Stellen auf, folgende Maßnahmen zu prüfen, fortzusetzen oder auszubauen:

 

Mehr Drogenkonsummobile für Berlin

Wir brauchen deutlich mehr Drogenkonsum-Mobile berlinweit. Langfristig sollte in jedem Bezirk mindestens eines einsetzbar sein, inklusive begleitender Sozialarbeit.

 

Ein Drogenkonsummobil ermöglicht den hygienischen Konsum von mitgebrachten Substanzen unter medizinischer Begleitung. Es wird begleitet durch Sozialarbeit bzw. Beratungsangebote. Wir haben in Tempelhof-Schöneberg gute Erfahrungen mit dem Drogenkonsum-Mobil, beispielsweise an der Apostel-Paulus-Kirche. Aufgrund der wenigen Mobile und geringer Kapazitäten wurde der Standort allerdings wieder aufgegeben.

 

Wir fordern daher zeitnah wieder ein Drogenkonsum-Mobil für Tempelhof-Schöneberg mit begleitender Sozialarbeit.

Insgesamt muss die mobile Street Work Arbeit im Bereich Drogen auskömmlich finanziert und ausgebaut werden.

 

Drogenkonsumräume ermöglichen

Neben Drogenkonsum-Mobilen braucht es auch Drogenkonsumräume in Berlin. Die Mobile haben den Vorteil, flexibel auf örtliche Veränderungen reagieren zu können. Eigentlich sind feste Orte aber mindestens genauso wichtig. Sozialarbeit und Beratung, aber auch ein zu Ruhe kommen der Suchterkrankten, was ihnen solche Angebote überhaupt erst möglich machen könnte, lassen sich am besten mit festem Standort und geeigneten Räumlichkeiten organisieren. Diese fehlen aber.

 

Anreize an private Vermieter*innen, an soziale Träger als Drogenkonsumraum zu vermieten, sind eine Möglichkeit. Wir müssen aber auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen stärker in die Pflicht nehmen, ihre Gewerbeflächen an solche Projekte zu vermieten.

 

Anlaufstellen an Bahnhöfen

Drogenkonsum im öffentlichen Raum findet besonders viel rund um Bahnhöfe statt. Hier ist mit den zuständigen Stellen und Deutscher Bahn sowie BVG zu prüfen, ob es niedrigschwellige Anlaufstellen, Beratungsangebote, Rückzugsräume oder gar Drogenkonsumräume (die mit Sozialarbeit begleitet sind) direkt in freien Räumen an Bahnhöfen ermöglichen kann.

 

Transparenz und Kommunikation für die Nachbarschaften

An Orten mit zunehmendem Drogenkonsum im öffentlichen Raum sollten die zuständigen Stellen immer schnell reagieren, auf Hinweise von Anwohnenden eingehen und möglichst auch Transparenz über getroffene Maßnahmen herstellen. Eine gute Kommunikation mit der Nachbarschaft beugt Konflikten vor und schafft Klarheit. Sei es durch Informationsschreiben oder das Angebot einer Kiezversammlung: Die Menschen wollen ernst genommen werden in ihren Sorgen und gleichzeitig helfen Informationen, beispielsweise durch Träger der Sozialarbeit, beim Verständnis, welche Möglichkeiten und Grenzen es gibt, um mit Drogenkonsum im öffentlichen Raum vor Ort umzugehen.

 

Mit diesen Angeboten kann es gelingen, dass Drogenkonsum weniger im öffentlichen Raum mit all den bekannten Nutzungskonflikten stattfindet und die Suchterkrankten mehr Unterstützung finden. Gleichzeitig sind natürlich auch ordnungspolitische Maßnahmen oder auch eine verstärkte Reinigung an Orten mit zunehmendem Drogenkonsum oft notwendig und eine Entlastung für die Anwohnenden. Sie lösen alleine aber nicht die Probleme vor Ort und müssen immer von unterstützenden Angeboten begleitet sein.

Antrag 92/II/2025 Für eine inklusive Gesellschaft: Abbau von Barrieren für Menschen mit (Hör-)Behinderung in Politik und Alltag – Teil 2

9.10.2025

 

Ausschluss der Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „Alternative für Hörgeschädigte“ (AfH)

In der Gehörlosen-Community existiert mit der „Alternative für Hörgeschädigte“ (AfH) ein AfD-nahes Netzwerk mit Online-Präsenz. Ziel der AfH ist es, Inklusion abzuschaffen und rechtsextreme Narrative zu verbreiten. Damit widerspricht sie klar der UN-Behindertenrechtskonvention. Unsere Haltung ist eindeutig: Barrierefreiheit und Inklusion gehören zusammen.

Wir schließen jede Zusammenarbeit mit der AfH, ihren Kanälen sowie mit Thomas Krämer (gehörloser AfD-Befürworter) aus.

 

Barrierefreie Kommunikation bei Katastrophen

Während der Corona-Pandemie und bei Katastrophen wie im Ahrtal 2021 fehlte oft eine rechtzeitige und vollständige Übersetzung in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Auch aktuelle Extremwetterereignisse zeigen, dass barrierefreie Informationen lebensnotwendig sind. Schriftsprache reicht nicht aus, da sie für viele Gehörlose wie eine Fremdsprache ist – ohne DGS droht Informationsausschluss und damit Lebensgefahr.

 

Wir fordern:

 

  • Bereitstellung tauber oder hörender Gebärdensprachdolmetscher*innen bei Ansprachen der Bundesregierung in TV und sozialen Medien. Beiträge müssen leicht auffindbar sein.
  • Fortführung der barrierefreien Berichterstattung zu Katastrophenschutz und Klimaschutz in DGS.
  • Umsetzung nach „Deaf Design“-Technologie, BITV 2.0 und den Empfehlungen des DGB e.V.

 

Barrierefreie Wissens- und Fernsehfilme in DGS

Viele Kinder und Jugendliche kennen und schätzen Wissenssendungen wie LöwenzahnDie Sendung mit der Maus oder Checker Tobi. Für gehörlose Kinder und Jugendliche sind diese Inhalte aber oft nur eingeschränkt zugänglich, da Schriftsprache für viele wie eine Fremdsprache wirkt. Untertitel allein reichen deshalb nicht aus – vollständige barrierefreie Angebote in Deutscher Gebärdensprache (DGS) sind notwendig, um Sprachdeprivation zu vermeiden und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Positive Beispiele einzelner DGS-Übersetzungen zeigen den Bedarf und das Potenzial. Barrierefreie Wissensfilme fördern nicht nur die Bildung, sondern können in Krisen wie Naturkatastrophen lebensrettend sein.

 

Wir fordern:

 

  • Kindersendungen in DGS bereitzustellen und ihre Sichtbarkeit in Fernsehen und sozialen Medien (z. B. durch PIN-Einstellungen, Werbebeiträge, Logos) zu sichern.
  • Auch Erwachsenensendungen in DGS barrierefrei zugänglich zu machen.
  • Umsetzung nach „Deaf Design“-Technologie, BITV 2.0 und den Empfehlungen des Deutschen Gehörlosenbundes e.V.
  • Finanzielle Unterstützung des Bundes, damit Wissensfilme kontinuierlich barrierefrei (Untertitel und DGS) produziert werden.

 

Stell dir vor, der Arzt erzählt dir etwas, aber du verstehst ihn nicht

Menschen mit Hörbehinderungen haben das Recht, bei ärztlichen Behandlungen in Deutscher Gebärdensprache (DGS) oder mit geeigneten Kommunikationshilfen zu kommunizieren. In der Praxis wird dieses Recht jedoch häufig nicht umgesetzt: Dolmetscher*innen stehen oft nicht zur Verfügung, und die Verantwortung wird auf Familienmitglieder abgewälzt. Dies belastet die Angehörigen stark und gefährdet die Vertraulichkeit ärztlicher Informationen.

Da familiäre Unterstützung langfristig abnimmt, drohen gehörlose Patient*innen zudem als „nicht entscheidungsfähig“ eingestuft zu werden, wenn Kommunikation scheitert. Um solche Situationen zu vermeiden, müssen Dolmetscher*innen verfügbar sein und Ärzt*innen Grundkenntnisse in DGS erwerben. Auch alternative Kommunikationswege müssen genutzt werden, bis eine Dolmetschung gewährleistet ist.

 

Wir fordern:

 

  • Einsatz professioneller Gebärdensprachdolmetscher*innen zur Entlastung der Familien.
  • Stärkung der Entscheidungsfähigkeit gehörloser Patient*innen durch sichere Kommunikationsmittel.
  • Pflichtweiterbildung von Ärzt*innen in Grundkenntnissen und spezifischen Fachbegriffen der DGS.
  • Übergang zu Präsenzdolmetschung, wenn Patient*innen die digitale Verdolmetschung ablehnen.

 

Kultur und Geschichte Gehörloser fördern und Gebärdensprache für Inklusion etablieren

Die Geschichte Gehörloser ist durch Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt geprägt. Der Mailänder Kongress 1880 entzog ihnen das Recht auf Gebärdensprache und führte zu jahrzehntelanger „Sprachdeprivation“. Unter dem Nationalsozialismus wurden Gehörlose verfolgt, zwangssterilisiert und in Konzentrationslager gebracht.

Seit den 1980er-Jahren hat sich eine lebendige Gehörlosenkultur entwickelt, die Identität und Sprache stärkt. Mit der rechtlichen Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache wurde ein wichtiger Schritt vollzogen. Kultur, Erinnerung und soziale Absicherung gehören jedoch stärker in den Mittelpunkt staatlicher Förderung. Dies ist auch eine Frage der Generationsgerechtigkeit: Ältere Gehörlose leiden bis heute unter den Folgen von Diskriminierung, jüngere brauchen bessere Unterstützung für ihr Engagement.

 

Wir fordern, dass

 

  • die Erinnerungsstätte über den „Mailänder Kongress“ und die „grausame Lautsprachmethode“ in Berlin eingerichtet und ausgestellt wird, damit die Gesellschaft über die gehörlosen Menschen in ihrer Zeit und heute nachdenkt. Dort muss auch ein Ort für eine Schweigeminute sein. Es geht darum, die Folgen der Barrieren nach dem Mailänder Kongress zu mildern, sodass Barrierefreiheit für jüngere wie auch ältere Menschen gegeben wird.
  • die Erinnerungskultur auch zum Nationalsozialismus umgesetzt wird, da Menschen mit Hörbehinderung zwangssterilisiert und in KZs gefangen wurden. Eine Erinnerungsstätte in Berlin muss eingerichtet und ausgestellt werden. Wir müssen uns an Personen wie David Bloch (gehörloser Künstler und ehemaliger tauber KZ-Häftling) erinnern.
  • geprüft wird, ob das Ergebnis einer Antragsabstimmung zur Entschuldigung für den Oralismus gegenüber gehörlosen Menschen – die durch den Beschluss des Mailänder Kongresses betroffen waren –, zur Aufarbeitung der fehlenden Chancengleichheit sowie zur Opferentschädigung auch in Berlin, den Bundesländern und auf Bundesebene umgesetzt werden kann.

 

Barrierefreie digitale Kommunikation – Dolmetsch-Apps für Videokonferenzen

In den USA ermöglichen Apps wie Convo for Zoom oder ZP for Zoom bereits eine einfache und spontane Zuschaltung von Gebärdensprachdolmetscher*innen. Dadurch können Gehörlose ohne lange Vorausbuchungen barrierefrei an Meetings teilnehmen.

In Deutschland und Europa ist dieses Ziel noch weit entfernt, obwohl Videokonferenzen spätestens seit der Corona-Pandemie zum Alltag gehören – ob bei Arbeit, Schule, Familie oder Notfällen. Um gleichberechtigte Teilhabe zu sichern, braucht es vergleichbare technische Lösungen. Ein Dolmetsch-App muss die direkte Zuschaltung ermöglichen, von Bund und Ländern gefördert werden und eine einfache Kostenregelung enthalten. Auch andere Plattformen wie Jitsi, Teams oder Webex müssen in den Blick genommen werden.

 

Wir fordern, dass

 

  • eine Zoom-App für Gebärdensprachdolmetscher*innen entwickelt wird. Bund und Länder sollen dieses finanziell und logistisch unterstützen. Das Videotelefon in Deutscher Gebärdensprache kann dies unterstützen, um mit den anderen Videokonferenzen zu verbinden.
  • das Formular für die Kostenübernahme der Gebärdensprachdolmetscher*innen in den Bereichen Bildung, Arbeit und Familie vereinfacht wird.
  • die technische Integration eines Gebärdensprach-Apps in andere Meeting-Plattformen wie Jitsi, Microsoft Teams, Google Meet, Webex und GoToMeeting geprüft wird.

 

Design for All – Barrierefreiheit im Altbau verankern

Ein großer Teil des Berliner Wohnungsbestands stammt aus der Zeit vor 1948. Diese Wohnungen wurden ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gebaut. Bis heute sind sie weitgehend nicht barrierefrei, was den Alltag erheblich erschwert. Der notwendige Umbau ist teuer und verursacht zusätzlichen bürokratischen Aufwand für Betroffene, obwohl sie keine Verantwortung für den baulichen Mangel tragen.

Eine inklusive Wohnungspolitik muss daher den barrierefreien Umbau von Altbauten systematisch fördern – insbesondere in zentralen Lagen und in der Nähe von öffentlichem Nahverkehr. Dabei geht es um Rampen, Aufzüge oder Plattformlifts, barrierefreie Küchen und Bäder sowie digitale Zugangssysteme. Solche Maßnahmen entlasten nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern kommen auch einer alternden Gesellschaft zugute. Investitionen dürfen nicht zu höheren Mieten führen, sondern müssen sozial abgefedert werden.

 

Wir fordern, dass

 

  • das Land Berlin eine kluge Inklusionspolitik im Bereich Altbau/Bestandswohnungen verfolgt. Dazu gehören Maßnahmen für den Umbau der Bestandswohnungen (zB. Förderprogramme), die gemeinsam mit den Verbänden der Menschen mit Behinderungen, der Landesseniorenvertretung Berlin und dem Landesseniorenbeirat Berlin entwickelt werden;
  • die Mieten nach dem barrierefreien Umbau nicht steigen.

 

Barrierefreie Filme und Bücher für gehörlose Kinder

Nur etwa 10 % der gehörlosen Kinder wachsen mit gehörlosen Eltern auf und erleben dadurch barrierefreie Kommunikation im Alltag. Für die große Mehrheit – Kinder gehörloser Eltern – fehlen solche Möglichkeiten. Filme und Bücher sind meist nicht in DGS verfügbar; Untertitel reichen nicht aus, da DGS für viele Kinder die primäre Sprache ist.

Während in den USA Angebote in American Sign Language (ASL) längst verbreitet sind (z. B. über Disney+, PBS oder HBO Max), fehlen in Deutschland entsprechende Angebote fast völlig. Dadurch verpassen gehörlose Kinder wichtige Geschichten und Inhalte oder sind auf Erklärungen Dritter angewiesen. Auch barrierefreie Kinderbücher in DGS gibt es bislang nur in sehr geringer Zahl. Das führt zu eingeschränktem Wortschatz und Benachteiligungen im weiteren Leben. Barrierefreie Filme und Bücher in DGS sind deshalb entscheidend für Bildung, Teilhabe und kulturelle Entwicklung.

 

Wir fordern, dass

 

  • Investitionen in barrierefreie Filme und Bücher in Deutscher Gebärdensprache (DGS) vom Bund und der EU getätigt werden.
  • Partnerschaften mit europäischen und demokratischen Filmindustrien für barrierefreie Angebote bzw. Projekte in DGS und in anderen Gebärdensprachen schrittweise entwickelt und erweitert werden müssen, um DVD-Verkäufe, Kinobesuche und Streamingangebote in Plattformen wie Disney+, Hulu, WOW und YouTube zu erleichtern.
  • die Produktion von DVDs ohne Gebärdenspracheoption eingestellt und stattdessen auf zusätzliche Gebärdensprachoptionen fokussiert wird.

 

Bundesweites Gehörlosengeld einführen

Derzeit zahlen nur sieben von 16 Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) ein monatliches Gehörlosengeld. Die Beträge variieren erheblich – von 61,30 € in Sachsen-Anhalt bis zu 168,35 € in Berlin. Diese Ungleichheit führt zu Benachteiligungen und mangelnder Teilhabe.

Ein bundesweit einheitliches Mindest-Gehörlosengeld ist notwendig, um allen gehörlosen Menschen gleiche Unterstützung zu garantieren. Es muss regelmäßig angepasst und so gestaltet sein, dass es barrierefreie Anschaffungen (z. B. visuelle Feuermelder, Tess-Relay-Kosten, DeafSpace-Möbel) ermöglicht. Zudem soll es mit dem persönlichen Budget für Gebärdensprachdolmetscher*innen kombinierbar sein, um bürokratische Hürden zu reduzieren. Ein moderner, zweisprachiger Katalog (Deutsch/DGS) soll über das Gehörlosengeld informieren.

 

Wir fordern, dass

 

  • das Mindest-Gehörlosengeld von einer politischen Initiative des Bundes eingeführt wird, um die Situation in den restlichen Bundesländern, z. B. Schleswig-Holstein, zu verbessern.
  • es bundesweit „einheitlich“ und mit bestimmten Ausnahmen eingeführt wird. Das Landes-Gehörlosengeld darf nicht unter dem „einheitlichen“ Gehörlosengeld liegen.
  • das Mindest-Gehörlosengeld durch die Vorgabe des Bundes regelmäßig steigt und es gehörlosen Menschen ermöglicht, für ihre eigenen Bedürfnisse zur gegenständlichen Barrierefreiheit wirtschaftlich auszugeben (z. B. visuelle Feuermelder, Tische für DeafSpace, Tess-Relay-Kosten im privaten Bereich).
  • das Mindest-Gehörlosengeld mit dem persönlichen Budget für Gebärdensprachdolmetscher*innen kombinierbar wird, damit gehörlose Menschen dies einmal mit geringem bürokratischem Aufwand beantragen können.
  • mit einem modernen Katalog zum „Gehörlosengeld“ des Bundes beigetragen wird, dass gehörlose Menschen sich in Deutsch und in DGS informieren können.

     

    Antrag 96/II/2025 Keine Einführung eines Sonderregisters für trans*, inter*, nicht-binäre und agender Personen

    9.10.2025

    Die SPD-Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass:

     

    1. auf allen Ebenen auf jedwede Form von Register, Datenbanken oder Listen, die explizit TINA* (trans*, inter*, nichtbinäre, agender) Personen, ihre Geburtsnamen und/oder das ihnen bei Geburt zugewiesene Geschlecht ausweisen, verzichtet wird;
    2. ein konsequentes Offenbarungsverbot für TINA*- Personen ohne Schlupflöcher gesetzlich implementiert bleibt und keine Verordnungen oder Regierungshandeln dieses untergraben;
    3. keine zusätzlichen Datenblätter (z. B. mit früherem Geschlechtseintrag, Vornamen, Änderungsdatum oder Behördenvermerk) für trans*, inter* und nicht-binäre Personen erhoben oder übermittelt sowie personenbezogene Daten nur im unbedingt notwendigen Umfang, individualisiert und anlassbezogen, sowie ohne weitergehende Speicherung verarbeitet werden;
    4. wir nochmal die historische Verantwortung an diskriminierende Behördenpraxen in der Vergangenheit wie „Rosa Listen“ und „Travestiten-Karteien“ gegenüber der Öffentlichkeit und vor allem gegenüber politischen und Koalitionspartner*innen bekräftigen;
    5. die SPD aktiv politisches Handeln auf allen Ebenen nutzt, wie öffentliche Stellungnahmen, Anfragen, oder parlamentarische Initiativen, um den Entwurf der Verordnung des Bundesministeriums des Innern in dieser Form zu verhindern.

     

    Die SPD bekennt sich wiederholt und deutlich zu dem Grundsatz, dass kein Mensch aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität und -ausdruck diskriminiert werden darf. Das Selbstbestimmungsgesetz und der damit verbundene Grundsatz der Selbstzuweisung der Genderidentität, die Istanbul-Konvention und die Menschenwürde sind für die SPD nicht verhandelbare Grundsätze, unabhängig von politischen Koalitionen oder öffentlichen Diskursen.