Archive

Antrag 258/II/2019 Wem gehören Berlins Gehwege? Den Sharing-Trend in die richtigen Bahnen lenken!

23.09.2019

Ein gegenwärtiger Blick auf den öffentlichen Raum in der Stadt zeigt: Berliner*innen teilen den Gehweg nicht nur miteinander, sondern mit Cafétischen, Stromzapfsäulen und seit Neustem auch mit Sharing-Fahrrädern, E-Tretrollern sowie E-Motorrollern.

Wie viele Mietfahrräder, E-Tret- und -motorroller in der Hauptstadt auf Gehwegen, Plätzen, Parks und Straßen stehen, ist nicht bekannt. Allein bei den Mietfahrrädern wird von ca. 30.000 ausgegangen. Zum ohnehin maroden Zustand der Gehwege, kommt die stetig wachsende Zahl neuer Verkehrsmittel hinzu und führt vielerorts zu chaotischen und gefährlichen Zuständen: Neben hochstehenden Bodenplatten, nicht abgesenkten Bordsteinkanten und Cafétischen, stehen Mietfahrräder, Elektrotret- und -motorroller wild auf den Gehwegen und versperren zusätzlich Kinderwägen und Rollstühlen den Weg. Für Menschen mit beeinträchtigter Sicht oder Sehbehinderung sind sie gefährliche Hindernisse und Stolperfallen. Defekte Mietfahrräder und Elektrotretroller liegen achtlos umher. Ein neuer Nutzungskonflikt auf Berlins Gehwegen ist entstanden.

Diese Situation auf den Gehwegen steht sinnbildlich für den Wandel und Versuch neue Formen der Mobilität zu erschließen. Ausgangspunkt für die verschärfte Situation auf den Gehwegen ist die veränderte Situation auf den Straßen. Die Zunahme an Fahrzeugen bei gleichzeitig kaum erfolgter Anpassung der Infrastruktur erhöht den Druck auf die Gehwege. Es lässt sich festhalten, dass der Mobilitätswandel auf den Straßen auf Kosten des öffentlichen Raums und der Allgemeinheit vorangetrieben wird.

Wir verstehen den Gehweg als Teil des öffentlichen Raums und des Gemeinwohls. Wir verneinen die Kapitalisierung des öffentlichen Raums.

Ein Gehweg ist ein Straßenabschnitt, der einzig für den Fußverkehr vorgesehen ist. Er wird dem öffentlichen Raum zugeordnet, ist somit für alle öffentlich zugänglich und dient dem Gemeingebrauch. In Berlin umfasst der öffentliche Raum 892 Quadratkilometer. Dabei beträgt die Gehwegfläche 34,6 Quadratkilometer. Für uns ist klar: kein Profit mit dem öffentlichen Raum und zu Lasten der Allgemeinheit!

Sharing-Economy? Schlecht geteilt!

„Sharing-Economy“, zu Deutsch „die Wirtschaft des Teilens“, ist die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, durch Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken. Der Grundgedanke dieser Wirtschaftsform geht von der Prämisse aus, Güter nicht mehr selbst zu ihrem*seinem Eigentum zählen zu müssen und die meiste Zeit ungenutzt bleiben. Stattdessen sollen sie je nach Bedarf jederzeit zur Dauer der Nutzung ausgeliehen werden können. Zur Sharing-Economy gehören Konsumformen wie Online-Plattformen, Apps, Unterkünfte, Transportmittel wie zum Beispiel das Auto, Fahrrad, Tret- und Motorroller sowie finanzielle Dienstleistungen wie Crowdfunding.

Was auf den ersten Blick eine bessere Alternative zum vorherrschenden Kapitalismus zu sein scheint, ist jedoch aus sozialistischer und nachhaltiger Perspektive weitaus kritischer zu betrachten. Die Schattenseiten der Sharing-Economy haben mit unserer Utopie der Gesellschaft der Freien und Gleichen nur wenig zu tun:

Statt der öffentlichen Hand, wird das Eigentum der Sharing-Angebote wie beispielsweise Sharing-Fahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller hauptsächlich von Privatpersonen und Interessensgruppen bereitgestellt. Diese betreiben ihr Geschäftsmodell ausschließlich mit einem hohen Gewinninteresse und Profitdruck im öffentlichen Raum. Darüber hinaus erhalten nicht alle Berliner*innen den gleichen Zugang zu den Sharing-Angeboten. In der Innenstadt ist die Dichte der Sharing-Angebote größer als in anderen Teilen Berlins. Zudem sind die Angebote ausschließlich per Smartphone und meist nur unter Verwendung einer Kreditkarte nutzbar.

Des Weiteren müssen die Beschäftigungsformen der Sharing-Economy kritisch betrachtet werden: Jeden Abend sammeln vermeintlich Selbstständige die E-Fahrzeuge von den Gehwegen ein, um sie Zuhause zu laden und anschließend wieder an vorgegebenen Plätzen abzustellen. Für Kleinstbeträge transportieren diese Menschen mit eigenen Fahrzeugen eine begrenzte Zahl von Tretrollern und hängen sie in der eigenen Wohnung an ihr privates Stromnetz an. Hier wird der Kapitalismus auf den Kopf gestellt: die Arbeiter*innen müssen ihr eigenes Kapital einsetzen, um die Aufträge des Sharing-Unternehmens auszuführen. Oftmals bleibt dabei nicht einmal der Mindestlohn übrig. Von Sozialversicherung und langfristigen Jobperspektiven ganz zu schweigen. Für uns ist klar – hier wird schlecht geteilt: Arbeit, Risiko, prekäre Beschäftigung und Ressourceneinsatz bei den Arbeiter*innen, Profite bei den Unternehmen.

Bei jeder Fahrt erheben zudem Sharing-Anbieter Daten ihrer Nutzer*innen. Die Benutzung der Mietfahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller erfolgt hauptsächlich über Smartphone-Apps. Durch die Smartphone-App können die Sharing-Betreibenden auf den Standort der*des jeweiligen Konsumentin*Konsumenten zurückzugreifen. Mit den erlangten Informationen werden Bewegungsprofile erstellt, Werbebotschaften geschaltet und die Daten der Verbraucher*innen vermarktet. Für uns ist klar: kein Handel mit Verbraucher*innendaten! Das europäische Datenschutzrecht muss eingehalten werden – dies gilt auch für Sharing-Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union!

Daher fordern wir die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auf:

– eine Bestandsaufnahme zur Ermittlung der aktuell im Land Berlin stehenden Sharing-Fahrräder, Elektrotret- und Elektromotorroller sowie die Anzahl der Sharing-Anbieter durchzuführen. Die Bestandsaufnahme soll zum Ende des I. Quartals 2020 veröffentlicht und gleichzeitig dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Beratung bereitgestellt werden.

– ein Konzept zu Stellplätzen für Sharing-Fahrräder, E-Tretroller sowie E-Motorroller zu erarbeiten und einzuführen. Hierzu sollen bereits bestehende Fahrradstellplätze deutlich ausgebaut und Autoparkplätze im öffentlichen Raum zu Stellplätzen für Fahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller umgewandelt werden.

– die errichteten Stellplätze an Sharing-Unternehmen kostenpflichtig zu vermieten,

– in Berlin begrenzte Free-Floating Flotten zu erlauben. Die genaue Begrenzung der sogenannten Free-Floating Flotten soll aus der Bestandsaufnahme resultieren. Hierbei soll von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz eine empfohlene Anzahl an Sharing-Fahrrädern, E-Tretrollern und E-Motorrollern auf den öffentlichen Gehwegen für die spontane Nutzung zur Verfügung stehen. Nach ihrer Verwendung kann diese begrenzte Anzahl wieder auf den Gehwegen abgestellt werden. Alle  darüber hinausgehenden Sharing-Angebote müssen bei den eigens errichteten Stellplätzen abgestellt werden.

– das Bußgeld für ungeordnetes Abstellen zu erhöhen.

– Unerlaubt abgestellte bzw. den Gehweg versperrende E-Tret- und –motorroller, Fahrräder dürfen vom Land Berlin eingesammelt und verwahrt werden. Für das Einsammeln und Verwahren der Sharing-Fahrzeuge müssen die Sharingunternehmen täglich ein von der Senatsverwaltung festgelegtes Bußgeld zahlen. Weitere Maßnahmen sollen von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Absprache mit der Senatsverwaltung für Finanzen und dem Rat der Bürgermeister*innen erarbeitet werden,

– weitere  Parkverbotszonen in Berlin zu errichten. Wir begrüßen die Einführung von Parkverbotszonen am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte. Gleichwohl fordern wir die berlinweite Einführung von Parkverbotszonen an Mahnmalen und Sehenswürdigkeiten.

– die Sharing-Dienste zu verpflichten das Angebot in ganz Berlin gleichermaßen zu verteilen. Hier muss die Berliner Sozialdemokratie eingreifen: Allen Berliner*innen muss der gleiche Zugang zu gemeinschaftlichen Fortbewegungsmitteln gewährleistet werden!

– auch in der Sharing-Economy Gute Arbeit zu gewährleisten: kein Mindestlohndumping, keine Scheinselbständigkeit!

Langfristig streben wir an, den Verleih von Fortbewegungsmitteln in die öffentlichen Hand zu geben. So profitiert das Gemeinwohl von den Sharing-Angeboten – nicht rein profitorientierte Unternehmen.

 

Antrag 273/II/2019 Klimanotstand für Berlin ausrufen!

23.09.2019

Wir fordern, dass die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats sich dafür einsetzen, den Klimanotstand auszurufen und damit die Klimakrise und ihre Folgen als Probleme von höchster Priorität anzuerkennen.

Dadurch soll bei allen Entscheidungen des Abgeordnetenhauses und des Senats die Auswirkungen auf das Klima bedachtund Lösungen bevorzugt werden, die sich positiv auf den Klimaschutz auswirken und die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit berücksichtigen. Politische Entscheidungen sollen demnach auf Grundlage der Ergebnisse des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) geschlossen werden.

Seit dem Unterzeichnen des Pariser Klimaschutzabkommens 2016 ist wenig Praktisches geschehen, um eine Erwärmung des Planeten um 1,5 Grad Celsius zu verhindern, obwohl wir über die Folgen eines derartigen Temperaturanstieges informiert und uns der Auswirkungen für unser Leben bewusst sind. Noch können wir etwas daran ändern, dies muss aber schnell und konsequent geschehen. Es geht darum auch den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu überlassen. Deswegen protestieren Organisationen und Bewegungen wie Fridays For Future für eine Klimapolitik, die ihren Namen auch verdient, deswegen opfern Schüler*innen regelmäßig die Schulzeit, denn für welche Zukunft sollen sie lernen, wenn wir ihnen diese Zukunft nehmen? Mit ihnen müssen wir uns solidarisch zeigen.

Die Zeit des Abwägens ist vorbei, wir müssen jetzt handeln.

Eine engagierte und progressive Klimapolitik ist zutiefst solidarisch und sozialdemokratisch.

 

Antrag 280/II/2019 Bleibt auf dem Boden – Gegen Vielfliegerei im öffentlichen Dienst

23.09.2019

Die „Klimakrise“ ist eine reale Bedrohung für unsere Erde, ihre Bewältigung eine der Hauptaufgaben des 21. Jahrhunderts. Der Klimawandel bedroht die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und stellt für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Laut IPCC hat sich die Erde seit Beginn der Industrialisierung um ca. ein Grad Celsius erwärmt, das klingt wenig, hat jedoch katastrophale Auswirkungen auf unsere Umwelt.

 

Seit Monaten gehen junge Menschen und Wissenschaftler*innen auf die Straße, streiken, um ein Umdenken zu bewirken und angemessene politische Maßnahmen zu befördern. Über 27.000 Wissenschaftler*innen allein im deutschsprachigen Raum warnen vor den wissenschaftlich messbaren Folgen des Klimawandels und unterstützen darum Bewegungen, wie „Fridays For Future“.

 

Der Klimawandel wird wesentlich von Treibhausgasen und dem Ausstoß von Kohlendioxid vorangetrieben. Gerade Flugreisen belasten die Umwelt ungemein, dennoch sind sie nach wie vor billiger als Zugreisen und werden von vielen öffentlichen Einrichtungen bevorzugt finanziert. Ein zweistündiger Flug (ca. 268kg CO²) stößt dabei ca. 53,6mal mehr CO² aus, als eine fünfstündige Zugfahrt (ca. 3kg CO²). In einem ersten Schritt sollten öffentliche Einrichtungen ihre Dienstreisepraxis überdenken und Züge vor Flügen finanzieren. Dies ist noch nicht gängige Praxis!

 

In Fällen, in welchen sich Flugreisen nicht vermeiden lassen, können Kompensationszahlungen ein Weg sein, der Umwelt etwas zurückzugeben, auch wenn gar nicht fliegen der zu bevorzugende Weg sein sollte. Das Beispiel der Universität Hamburg belegt, dass Kompensationszahlungen rechtlich möglich und mit sehr geringem bürokratischem Aufwand umsetzbar sind. Das Kompensieren soll hierbei keineswegs als Entschuldigung oder Rechtfertigung für vermehrtes Fliegen betrachtet werden, auch wenn es den Eindruck einer Art „Ablasshandel“ erwecken kann. Es müssen weiterhin umweltfreundliche Alternativen zur aktuellen Reisepraxis gesucht und gefunden werden. Eine Kompensationszahlung ist aber dennoch ein guter Weg, vermeintlich nicht zu vermeidende Flugreisen in geringem Grad auszugleichen.

 

Wir fordern, dass Berliner Einrichtungen und Unternehmen  in öffentlicher Hand, sowie Verwaltungen Maßnahmen ergreifen, die zu einer entscheidenden Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid beitragen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Veränderung des Reiseverhaltens:

 

Dienstreisen, die eine Reisezeit von fünf Stunden mit dem Zug nicht unterschreiten, dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, dies gilt auch dann, wenn das Flugzeug das kostengünstigste Verkehrsmittel ist.

 

Für die mit dem Flugzeug durchgeführten Dienstreisen muss eine Kompensation der durch das Fliegen entstandenen Emissionen entrichtet werden. Diese Kompensationen müssen dabei durch die jeweilige Leitung getragen werden und dürfen nicht zu Lasten der reisenden Person gehen. Die Zahlungen sollen Klimaschutzprojekten zugutekommen, deren Klimaschutzwirkung bereits vorab in angemessener Weise zu überprüfen ist. Die Höhe der zu leistenden Kompensationszahlung richtet sich nach der jeweiligen Reiseentfernung und wird im Rahmen der Reisekostenabrechnung festgelegt.

 

Anfahrtswege zu Langstreckenflügen, die abseits der Berliner Flughäfen starten (z.B. Frankfurt am Main, München etc.), sollen nach Möglichkeit mit der Bahn als sog. „Zubringer“ zurückgelegt werden.

 

In allen öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen soll die Möglichkeit gegeben werden, in den entsprechenden Gebäuden, sofern nicht bereits vorhanden, eine Hard- und Softwareausstattung für Videokonferenzen zu implementieren. Die jeweilige Einrichtung gewährleistet eine Schulung in der Nutzung der neuen Anlage. Ziel einer solchen Ausstattung ist es, vom jeweiligen Standort aus die standortübergreifende Kommunikation reiseunabhängiger zu gestalten.

 

Eine umweltverträgliche Verkehrspolitik bedarf einer genauen empirischen Kenntnis des dienstlichen Reiseverhaltens der Angehörigen öffentlicher Einrichtungen. Der Senat wird aufgefordert, eine jährliche Dokumentation über die Dienstreisen der Mitglieder der Berliner Verwaltungseinheiten zu erstellen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Dokumentation soll dabei u.a. folgende Dimensionen berücksichtigen:

 

  • Art des benutzten Verkehrsmittels (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug etc.)
  • Ziel der Reise (konkreter Ort, Einteilung in Inland, innereuropäisches und außereuropäisches Ausland)
  • Durchschnittliche Fahrt- und Aufenthaltsdauer
  • Durchschnittliche Kosten
  • Bei Flugreisen eine Angabe darüber, ob „business“ oder „economy“ geflogen wurde
  • Zuordnung der reisenden Person zu ihrer jeweiligen Statusgruppe
  • Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geht es bei der Erfassung dieser Daten nicht um eine Auflistung der Flüge einzelner Personen, sondern um Aggregatsdaten.

 

Der Senat wird aufgefordert, das Ziel der Kohlendioxidreduktion bei allen zukünftigen Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen.

 

Der Senat wird aufgefordert, sich bei allen Vertragspartner*innen für eine Reform der Dienstreisepraxis einzusetzen. Dies gilt insbesondere für solche Dienstreisen, die in Zusammenhang mit Aufträgen des Landes Berlin stehen. Für solche Dienstreisen sollten die Punkte 1. und 2. Anwendung finden.

 

Bei allen Maßnahmen sollen individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen, bspw. Menschen mit körperlichen Einschränkungen, berücksichtigt werden.

 

Darüber hinaus sollen Konzepte entwickelt werden, die Maßnahmen zur Reduktion des Stromverbrauchs, energetische Sanierungen der Gebäude, ein umweltfreundliches Ernährungsangebot in den öffentlichen Mensen, und städtische Begrünungsmaßnahmen prüfen.

Antrag 296/II/2019 Lass mal ökologisch! - Für umweltfreundliche Hochschulen im Land Berlin

23.09.2019

Die „Klimakrise“ ist eine reale Bedrohung für unsere Erde, ihre Bewältigung eine der Hauptaufgaben des 21. Jahrhunderts. Der Klimawandel bedroht die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und stellt für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Laut IPCC hat sich die Erde seit Beginn der Industrialisierung um ca. ein Grad Celsius erwärmt, das klingt wenig, hat jedoch katastrophale Auswirkungen auf unsere Umwelt.

 

Seit Monaten gehen junge Menschen und Wissenschaftler*innen auf die Straße, streiken, um ein Umdenken zu bewirken und angemessene politische Maßnahmen zu befördern. Über 27.000 Wissenschaftler*innen allein im deutschsprachigen Raum warnen vor den wissenschaftlich messbaren Folgen des Klimawandels und unterstützen darum Bewegungen, wie „Fridays For Future“.

 

Der Klimawandel wird wesentlich von Treibhausgasen und dem Ausstoß von Kohlendioxid vorangetrieben. Gerade Flugreisen belasten die Umwelt ungemein, dennoch sind sie nach wie vor billiger als Zugreisen und werden von vielen öffentlichen Einrichtungen bevorzugt finanziert. Ein zweistündiger Flug (ca. 268kg CO²) stößt dabei ca. 53,6mal mehr CO² aus, als eine fünfstündige Zugfahrt (ca. 3kg CO²). In einem ersten Schritt sollten öffentliche Einrichtungen ihre Dienstreisepraxis überdenken und Züge vor Flügen finanzieren. Dies ist noch nicht gängige Praxis!

 

In Fällen, in welchen sich Flugreisen nicht vermeiden lassen, können Kompensationszahlungen ein Weg sein, der Umwelt etwas zurückzugeben, auch wenn gar nicht fliegen der zu bevorzugende Weg sein sollte. Das Beispiel der Universität Hamburg belegt, dass Kompensationszahlungen rechtlich möglich und mit sehr geringem bürokratischem Aufwand umsetzbar sind. Das Kompensieren soll hierbei keineswegs als Entschuldigung oder Rechtfertigung für vermehrtes Fliegen betrachtet werden, auch wenn es den Eindruck einer Art „Ablasshandel“ erwecken kann. Es müssen weiterhin umweltfreundliche Alternativen zur aktuellen Reisepraxis gesucht und gefunden werden. Eine Kompensationszahlung ist aber dennoch ein guter Weg, vermeintlich nicht zu vermeidende Flugreisen in geringem Grad auszugleichen.

 

Entsprechende Initiativen sind bereits an einigen Berliner Universitäten im Gange, auf welche sich dieser Antrag gründet.

Wir fordern, dass die Berliner Hochschulen Maßnahmen ergreifen, die zu einer entscheidenden Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid beitragen. Insgesamt sollten die Berliner Hochschulen bis zum Jahr 2022 klimaneutral werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Veränderung des Reiseverhaltens.

 

Diese Maßnahmen sind durch den Senat in den Berliner Hochschulverträgen sowie im BerlHG zu verankern.

 

Die formulierten Maßnahmen sollen dabei die Besonderheiten der einzelnen Hochschulen, Fächer und der einzelnen Statusgruppen berücksichtigen.

 

Dienstreisen, die eine Reisezeit von fünf Stunden mit dem Zug unterschreiten, dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen mit dem Flugzeug zurückgelegt werden dürfen; dies gilt auch dann, wenn das Flugzeug das kostengünstigste Verkehrsmittel ist.

 

Für die mit dem Flugzeug durchgeführten Dienstreisen muss eine Kompensation der durch das Fliegen entstandenen Emissionen entrichtet werden. Das Präsidium bzw. die jeweilige Hochschulleitung wird sich dabei in angemessener Weise an den Kompensationskosten beteiligen. Die Zahlungen sollen Klimaschutzprojekten zugutekommen, deren Klimaschutzwirkung bereits vorab in angemessener Weise zu überprüfen ist. Die Höhe der Kompensationszahlungen richtet sich nach der Entfernung der Reise und wird bei der Reisekostenabrechnung festgelegt.

 

Anfahrtswege zu Langstreckenflügen, die abseits der Berliner Flughäfen starten (z.B. Frankfurt am Main, München etc.), sollen nach Möglichkeit mit der Bahn als sog. „Zubringer“ zurückgelegt werden.

 

Es soll in allen Hochschulgebäuden ermöglicht werden, eine Hard- und Softwareausstattung für Videokonferenzen zu implementieren. Die Finanzierung der Ausstattung sollte zur Hälfte aus Mitteln des jeweiligen Präsidiums/ der jeweiligen Hochschulleitung kommen. Die Bereiche gewährleisten eine Schulung in der Nutzung der neuen Anlage. Ziel einer solchen Ausstattung ist es, vom jeweiligen Bereich aus die standortübergreifende Kommunikation reiseunabhängiger zu machen (z. B. Konferenz- und Gastvorträge, Arbeitstreffen, Gremienkommunikation etc.)

 

Eine umweltverträgliche Verkehrspolitik bedarf einer genauen empirischen Kenntnis des dienstlichen Reiseverhaltens der Mitglieder der Hochschule. Das Präsidium/ die Hochschulleitung erstellt eine jährliche Dokumentation über die Dienstreisen der Mitglieder der Hochschule, welche allen Angehörigen zur Verfügung zu stellen ist. Die Dokumentation soll u.a. folgende Dimensionen und Gliederungspunkte berücksichtigen:

 

  • Art des benutzten Verkehrsmittels (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug etc.)
  • Ziel der Reise (konkreter Ort, Einteilung in Inland, innereuropäisches und außereuropäisches Ausland)
  • Durchschnittliche Fahrt- und Aufenthaltsdauer
  • Durchschnittliche Kosten
  • Bei Flugreisen eine Angabe darüber, ob „business“ oder „economy“ geflogen wurde
  • Differenzierung nach Fachbereichen und anderen Einheiten der Hochschule
  • Zuordnung der reisenden Person nach Statusgruppen (Professor*innen, Mittelbau, Studierende, technische /administrative Beschäftigte)

 

Anmerkung: Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geht es bei der Erfassung der Daten nicht um eine Auflistung der Flüge von einzelnen Personen, sondern um Aggregatsdaten.

 

Das Präsidium/ die Hochschulleitung verankert das  Ziel der Klimaneutralität in den mit den Fachbereichen abzuschließenden Zielvereinbarungen

 

Das Präsidium/ die Hochschulleitung setzt sich bei den Drittmittelgeldgeber*innen (DFG, Volkswagen Stiftung, Thyssen Stiftung, BMBF etc.) für eine Reform der über die Förderinstitutionen abrechenbaren Dienstreisen ein. Dies betrifft zum einen die bewilligten Forschungsprojekte, zum anderen die im Auftrag der jeweiligen Förderinstitution getätigten Dienstreisen (von Gutachter*innen, Beschäftigten der Fördereinrichtung etc.). Für solche Dienstreisen sollten die Punkte 1. und 2. Anwendung finden.

 

Bei allen Maßnahmen müssen individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen, bspw. Menschen mit körperlichen Einschränkungen, berücksichtigt werden.

 

Darüber hinaus sollen Konzepte entwickelt werden, die Maßnahmen zur Reduktion des Stromverbrauchs, energetische Sanierungen der Gebäude, den Bezug von regenerativen Energieträgern, ein umweltfreundliches Ernährungsangebot in den öffentlichen Mensen, und Begrünungsmaßnahmen prüfen. Die umweltfreundliche Fahrzeugnutzung muss sichergestellt werden durch genügend sichere Fahrradstellplätze und den Ausbau der Radverkehrinfrastruktur auf den Campus. Dabei sollen hochschulverbundene Akteur*innen bspw. das Studierendenwerk und studentische Gremien miteinbezogen werden. Wir Jusos stehen an der Seite der Studierenden, die sich für die Umweltfreundlichkeit ihrer Hochschulen einsetzen und ihre Forderung nach nachhaltigen Hochschulen in den studentischen Vollversammlungen artikuliert haben.

Antrag 295/II/2019 Ausweitung des Pfandsystems

23.09.2019

Wir fordern die Ausweitung des Pfandsystems auf Produkte, die in Glas angeboten werden und bisher über Altglascontainer entsorgt werden. Dazu zählen sowohl Getränke als auch flüssige und eingelegte Lebensmittel.

 

Außerdem sollen Produkte, die bisher in Plastik, Konservendosen oder Tetrapaks verpackt werden, vermehrt in Glas oder anderen Mehrwegbehältnissen angeboten werden.

 

Die Umwelt leidet unter dem Verpackungsmüll, den die Menschheit erzeugt. Das bekannteste Beispiel dafür sind die Meere, in denen riesige Mengen von Plastik schwimmen und dadurch Vögel, Fische und andere Lebewesen beeinträchtigen mit der Folge von Krankheit und Tod.

 

Einwegverpackungsmaterialien sind sowohl in der Herstellung aus auch in der Entsorgung energieintensiv. Plastik wird teilweise aus Erdöl hergestellt, das sowohl in der Förderung als auch in der Verarbeitung schädlich ist für Umwelt und Gesundheit. Außerdem ist Plastik nicht biologisch abbaubar, sondern zerfällt in Kleinstteile (Mikroplastik), die nicht nur von Fischen und anderen Meereslebewesen aufgenommen werden, sondern in Nahrungsmitteln auch von Menschen aufgenommen werden und gesundheitliche Schäden verursachen können. Das Recycling von Plastik ist nur zu einem ungenügenden Anteil möglich und die Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung beschränkt. Auch Tetrapaks sind aufgrund der Beschichtung auf der Innenseite nur schwer in die einzelnen Stoffe aufzutrennen und damit kaum wiederverwertbar.

 

Viele Verbraucher*innen wollen dazu nicht länger beitragen und suchen nach Alternativen bei der Verpackung. Häufig fällt die Wahl dabei auf Glas. Das ist weder gesundheits- noch umweltschädlich, verbraucht aber ebenfalls viel Energie bei der Produktion.

 

Viele Produkte werden jedoch in Glasbehältern vertrieben, die nach nur einer einzigen Benutzung im Altglascontainer landen. Dort wird das Glas zwar eingeschmolzen und erneut eingesetzt, dieser Prozess benötigt aber ebenfalls viel Energie.

 

Für bestimmte Getränke und wenige Lebensmittel besteht bereits ein Pfandsystem. Die Erfahrung daraus zeigt, dass dieses Glas bis zu 50-mal wiederverwendet werden kann. Das bestehende System ist jedoch unübersichtlich, da keine einheitliche Regelung besteht und Unternehmen immer wieder Wege finden, es zu umgehen.

 

Wir fordern daher die Entwicklung eines neuen Pfandsystems. Dieses soll die bisherigen Regelungen allgemeinverbindlich machen. Einweg- soll zu Mehrwegverpackung werden. Außerdem sollen mehr Produkte in Glas angeboten werden, soweit die Lebensmittelsicherheit dadurch nicht unerheblich beeinträchtigt wird.

 

Hersteller*innen, Groß- und Einzelhandel sollen dabei verpflichtet werden, mehr Produkte in Mehrweg- anstatt Einwegverpackungen zu vertreiben. Ein zusätzlicher wirtschaftlicher Anreiz kann durch eine finanzielle Beteiligung der Hersteller*innen an den Kosten der Verwertung von Einwegverpackungen geschaffen werden.

 

Supermärkte sollen Eigenmarkenprodukte nach Möglichkeit in Mehrwegbehältnissen anbieten. Außerdem soll ein Rückgabesystem für diese sowie für Behälter anderer Hersteller*innen entwickelt werden. Insbesondere die Entwicklung von Standardbehältnissen trägt dabei zur Praktikabilität bei. Zusätzlich soll das Netz an Annahmestellen erweitert und weitere dezentrale Möglichkeiten zur Pfandrückgabe geschaffen werden.

 

Glas ist schwerer als andere Verpackungsmaterialien, insbesondere Plastik. Dadurch wird insbesondere der Transport energieintensiver. Dadurch könnte eine dezentrale und lokale Produktion gefördert werden. Dies ist aber nicht bei allen Produkten möglich. Vielleicht steigen aber auch nur die Transportfahrten und die damit einhergehenden Umweltbelastungen. Dann könnten mehrfach verwendbare Verpackungen aus leichten Materialien eine Alternative darstellen. In solchen Fällen können mehrfach verwendbare Verpackungen aus leichten Materialien eine Alternative darstellen. Bisher gibt es jedoch kaum fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse dazu, wie sich diese Unterschiede auswirken. Zudem fordern wir die Bundesregierung auf, die Forderungen für nachhaltige und ökologisch positive Ein- oder Mehrwegbehältnisse aktiv zu fördern und deren Herstellungsprozess ggf. zu subventionieren.

 

Wir fordern daher das BMU auf, eine Studie durchzuführen, die verschiedene Materialien als Ein- oder Mehrwegbehältnisse in einem Pfandsystem hinsichtlich ihrer ökologischen Bilanz vergleicht und dabei Herstellung, Dauer der Nutzbarkeit und Auswirkungen auf den Transport und die damit verbundenen Umweltbelastungen, sowie die Verwertung einbezieht.

 

Das Pfandsystem soll schließlich einheitlich geregelt werden durch ein Gesetz, auf dessen Grundlage die Beträge für die jeweiligen Pfandbehältnisse festgelegt werden und damit allgemein nachvollziehbar sind. Die Vertreter*Innen Deutschlands werden zudem aufgefordert, sich für ein Pfandsystem innerhalb der EU einzusetzen.