Antrag 280/II/2019 Bleibt auf dem Boden – Gegen Vielfliegerei im öffentlichen Dienst

Status:
Erledigt

Die „Klimakrise“ ist eine reale Bedrohung für unsere Erde, ihre Bewältigung eine der Hauptaufgaben des 21. Jahrhunderts. Der Klimawandel bedroht die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und stellt für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Laut IPCC hat sich die Erde seit Beginn der Industrialisierung um ca. ein Grad Celsius erwärmt, das klingt wenig, hat jedoch katastrophale Auswirkungen auf unsere Umwelt.

 

Seit Monaten gehen junge Menschen und Wissenschaftler*innen auf die Straße, streiken, um ein Umdenken zu bewirken und angemessene politische Maßnahmen zu befördern. Über 27.000 Wissenschaftler*innen allein im deutschsprachigen Raum warnen vor den wissenschaftlich messbaren Folgen des Klimawandels und unterstützen darum Bewegungen, wie „Fridays For Future“.

 

Der Klimawandel wird wesentlich von Treibhausgasen und dem Ausstoß von Kohlendioxid vorangetrieben. Gerade Flugreisen belasten die Umwelt ungemein, dennoch sind sie nach wie vor billiger als Zugreisen und werden von vielen öffentlichen Einrichtungen bevorzugt finanziert. Ein zweistündiger Flug (ca. 268kg CO²) stößt dabei ca. 53,6mal mehr CO² aus, als eine fünfstündige Zugfahrt (ca. 3kg CO²). In einem ersten Schritt sollten öffentliche Einrichtungen ihre Dienstreisepraxis überdenken und Züge vor Flügen finanzieren. Dies ist noch nicht gängige Praxis!

 

In Fällen, in welchen sich Flugreisen nicht vermeiden lassen, können Kompensationszahlungen ein Weg sein, der Umwelt etwas zurückzugeben, auch wenn gar nicht fliegen der zu bevorzugende Weg sein sollte. Das Beispiel der Universität Hamburg belegt, dass Kompensationszahlungen rechtlich möglich und mit sehr geringem bürokratischem Aufwand umsetzbar sind. Das Kompensieren soll hierbei keineswegs als Entschuldigung oder Rechtfertigung für vermehrtes Fliegen betrachtet werden, auch wenn es den Eindruck einer Art „Ablasshandel“ erwecken kann. Es müssen weiterhin umweltfreundliche Alternativen zur aktuellen Reisepraxis gesucht und gefunden werden. Eine Kompensationszahlung ist aber dennoch ein guter Weg, vermeintlich nicht zu vermeidende Flugreisen in geringem Grad auszugleichen.

 

Wir fordern, dass Berliner Einrichtungen und Unternehmen  in öffentlicher Hand, sowie Verwaltungen Maßnahmen ergreifen, die zu einer entscheidenden Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid beitragen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Veränderung des Reiseverhaltens:

 

Dienstreisen, die eine Reisezeit von fünf Stunden mit dem Zug nicht unterschreiten, dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, dies gilt auch dann, wenn das Flugzeug das kostengünstigste Verkehrsmittel ist.

 

Für die mit dem Flugzeug durchgeführten Dienstreisen muss eine Kompensation der durch das Fliegen entstandenen Emissionen entrichtet werden. Diese Kompensationen müssen dabei durch die jeweilige Leitung getragen werden und dürfen nicht zu Lasten der reisenden Person gehen. Die Zahlungen sollen Klimaschutzprojekten zugutekommen, deren Klimaschutzwirkung bereits vorab in angemessener Weise zu überprüfen ist. Die Höhe der zu leistenden Kompensationszahlung richtet sich nach der jeweiligen Reiseentfernung und wird im Rahmen der Reisekostenabrechnung festgelegt.

 

Anfahrtswege zu Langstreckenflügen, die abseits der Berliner Flughäfen starten (z.B. Frankfurt am Main, München etc.), sollen nach Möglichkeit mit der Bahn als sog. „Zubringer“ zurückgelegt werden.

 

In allen öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen soll die Möglichkeit gegeben werden, in den entsprechenden Gebäuden, sofern nicht bereits vorhanden, eine Hard- und Softwareausstattung für Videokonferenzen zu implementieren. Die jeweilige Einrichtung gewährleistet eine Schulung in der Nutzung der neuen Anlage. Ziel einer solchen Ausstattung ist es, vom jeweiligen Standort aus die standortübergreifende Kommunikation reiseunabhängiger zu gestalten.

 

Eine umweltverträgliche Verkehrspolitik bedarf einer genauen empirischen Kenntnis des dienstlichen Reiseverhaltens der Angehörigen öffentlicher Einrichtungen. Der Senat wird aufgefordert, eine jährliche Dokumentation über die Dienstreisen der Mitglieder der Berliner Verwaltungseinheiten zu erstellen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Dokumentation soll dabei u.a. folgende Dimensionen berücksichtigen:

 

  • Art des benutzten Verkehrsmittels (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug etc.)
  • Ziel der Reise (konkreter Ort, Einteilung in Inland, innereuropäisches und außereuropäisches Ausland)
  • Durchschnittliche Fahrt- und Aufenthaltsdauer
  • Durchschnittliche Kosten
  • Bei Flugreisen eine Angabe darüber, ob „business“ oder „economy“ geflogen wurde
  • Zuordnung der reisenden Person zu ihrer jeweiligen Statusgruppe
  • Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geht es bei der Erfassung dieser Daten nicht um eine Auflistung der Flüge einzelner Personen, sondern um Aggregatsdaten.

 

Der Senat wird aufgefordert, das Ziel der Kohlendioxidreduktion bei allen zukünftigen Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen.

 

Der Senat wird aufgefordert, sich bei allen Vertragspartner*innen für eine Reform der Dienstreisepraxis einzusetzen. Dies gilt insbesondere für solche Dienstreisen, die in Zusammenhang mit Aufträgen des Landes Berlin stehen. Für solche Dienstreisen sollten die Punkte 1. und 2. Anwendung finden.

 

Bei allen Maßnahmen sollen individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen, bspw. Menschen mit körperlichen Einschränkungen, berücksichtigt werden.

 

Darüber hinaus sollen Konzepte entwickelt werden, die Maßnahmen zur Reduktion des Stromverbrauchs, energetische Sanierungen der Gebäude, ein umweltfreundliches Ernährungsangebot in den öffentlichen Mensen, und städtische Begrünungsmaßnahmen prüfen.

Empfehlung der Antragskommission:
Erledigt bei Annahme 279/II/2019 (Konsens)