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Antrag 297/II/2019 Artenschutz

23.09.2019

Der Artikel 20a im Grundgesetz ist zu ergänzen, in dem der Artenschutz mit aufgenommen wird.

Antrag 94/II/2019 Recht auf Wohnen

23.09.2019

Die SPD setzt sich dafür ein, dass den Wohnungskonzernen die Entscheidungsgewalt über das Recht auf Wohnen aus den Händen genommen wird. Der Staat muss das Rechts auf Wohnen für alle Bürger unter seinen Schutz stellen.

 

Dafür setzt sich die SPD für folgende Forderungen ein:

 

  • Mieten sind stärker als bisher auf Mietwucher zu überprüfen;
  • ein Mietenstopp (ein Mietendeckel), um bezahlbare Mieten herzustellen;
  • staatliche Finanzierung von staatlichem Sozialwohnungsbau auf allen Ebenen;
  • Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit;
  • Maßnahmen zur Verhinderung der Bodenspekulation durch private Investoren
  • Im Falle des Widerstands von Wohnungskonzernen und Fonds gegen staatliche Eingriffe zum Schutz der Mieter bleibt nur die Vergesellschaftung der Wohnungskonzerne, „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ (Art.14.3)

 

 

 

Antrag 47/II/2019 Think Big, Think Social, Think Outside the Box: Neue Wege gegen die Berliner Wohnungskrise

23.09.2019

Die Bautätigkeit in Berlin muss erhöht werden. Der stetig wachsende Bedarf an neuem Wohnraum und das geringe Angebot für kleine und mittlere Einkommen in der Innenstadt müssen zu einer Intensivierung des Baus neuer Wohnungen führen. Der Erfolg von R2G wird maßgeblich von der erfolgreichen Bewältigung der Wohnungskrise abhängen. Deshalb müssen der politische Wille und die administrativen Fähigkeiten dringend gesteigert werden. Gleichzeitig müssen die Kriterien bei Neubauten überarbeitet werden, sodass dem steigenden Bedarf Rechnung getragen wird. So sollten beispielsweise die Kriterien bei der maximalen Höhe eines Gebäudes angepasst werden. Höhere Gebäude schaffen insbesondere in den Innenstadtlagen eine Maximierung an Wohnfläche auf begrenzter Baufläche.

Ein wichtiger Bestandteil bei der Planung von Neubauten muss auch die Anpassung auf die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise sein. So werden aufgrund der zunehmenden Extremwetterereignisse zum Beispiel große Grün- und Wasserflächen u.a. zur Kühlung benötigt. Verschattung muss künftig eine wichtigere Rolle spielen in der Planung spielen. Frischluftschneisen, die kühlere Luft vom Umland in die Stadt führen dürfen nicht bebaut werden, da sonst der natürlichen Luftzirkulation in der Stadt quasi den Motor abstellt. Die Planung von Gebäuden muss zudem die Reduktion der umweltschädlichen Auswirkungen und des Verbrauch von endlichen Ressourcen zum Ziel haben. Klar ist: der Mangel an Wohnraum und hohe ökologische Kriterien dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Think Big!

Für die Berliner Wohnungskrise müssen Lösungen gefunden werden, die ihrem Ausmaß gerecht werden. Privaten Wohnungsbesitz in kommunale Hand zu überführen, steigende Mieten einzufrieren und Zweckentfremdung entschieden zu bekämpfen sind alles dringend notwendige Maßnahmen. Die obszönen Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen und die Verzweiflung mittlerweile vieler Menschen, die sich von Zwischenmiete zu Zwischenmiete hangeln, zeigen jedoch, dass all diese Maßnahmen ohne die Schaffung von ausreichend neuem Wohnraum langfristig Tropfen auf heißem Beton bleiben. Wir brauchen Großprojekte, und zwar viele. Die erneut aufgeflammte Debatte um die Randbebauung des Tempelhofer Feldes und die Idee eines neuen Stadtquartiers in Buch sind dringend benötigte Impulse. Wir unterstützen die schnellstmögliche Umsetzung beider Ideen entschlossen. In einer Stadt, die (selbstverschuldeter Weise) immer noch unter den Traumata des BER und des Stadtschlosses leidet, stoßen Großprojekte jedoch schnell auf pauschale Gegenwehr. Zu kompliziert, zu teuer, unsinnig, Bauen ist schön aber bitte nicht bei mir vor der Tür. Wollen wir die Bürger*innen davon überzeugen, dass Rot-Rot-Grün als progressives Projekt diese Stadt nachhaltig gestalten kann, muss mit dieser Mentalität Schluss sein.

Auch die finanzielle Situation des Landes Berlin wirkt sich negativ auf etwaige Großprojekte aus. Aktuell hat Berlin verhältnismäßig große Handlungsspielräume. Mit dem Inkrafttreten der kommunalen Schuldenbremse ab 2020 verschwindet jedoch die volkswirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit, die aktuelle Niedrigzinsphase zu nutzen, um Kredite für große Zukunftsinvestitionen aufzunehmen. Zudem werden die Prognosen für die Einnahmen pessimistischer: für das Haushaltsjahr 2021 wird derzeit wieder eine Verschuldung prognostiziert. Für die Jusos bleibt nach wie vor das Ziel, die Schuldenbremse abzuschaffen. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, gibt es Wege auch trotz dieses Damoklesschwertes Großprojekte im Wohnungsbau voranzutreiben.

Ein Beispiel, wie Großprojekte im Wohnungsbau sozial, inklusiv und sowohl für die Mieter*innen als auch für den Staat finanzierbar gestaltet und umgesetzt werden können, ist die Seestadt Aspern in Wien. Auf sozialdemokratische Initiative und unter sozialdemokratischer Federführung entsteht in Wien ein komplett neues Stadtquartier, das Wohnraum für über 20.000 Menschen und über 25.000 neue Arbeitsplätze schafft. Die Mietwohnungen sind im Sinne des sozialen Wohnungsbaus preisgebunden. Die soziale Durchmischung wird durch einen Mix aus studentischem Wohnen, betreutem Wohnen, sozialem Wohnungsbau und regulärem Wohnungsbau aktiv gestaltet. Die Gebäude entsprechen höchsten energetischen und ökologischen Standards. Verkehrskonzepte wurden in den Planungen fest verankert. Parallel zum Wohnraum entsteht ein Netzwerk aus sozialer Infrastruktur mit Schulen, Kitas und Freizeitangeboten. Selbst die Läden, die sich in der planerisch eigens angelegten Einkaufsstraße ansiedeln, werden gesteuert, sodass nicht nur Einkaufsmöglichkeiten für ein bestimmtes, wohlhabendes Klientel entstehen.

Auch in der Finanzierung der Seestadt Aspern ist Wien neue Wege gegangen. Während öffentlich-private-Partnerschaften in Deutschland im Endeffekt meistens bedeuten, dass Private profitieren und der Staat auf den Mehrkosten sitzen bleibt, hat Wien ein Modell gefunden, in dem öffentlich-private-Partnerschaft heißt: Private bauen und der Staat bestimmt anhand seiner Bedürfnisse zu welchen Bedingungen. Das Grundstück der Seestadt ist im Besitz der Wien 3420 Aspern Development AG, welche gleichzeitig als eigenständiges Planungs- und Entwicklungsbüro für die Seestadt agiert. Die Wien 3420 gehört zu 73,6% der Wirtschaftsagentur Wien (ein Wirtschaftsförderungsfonds der Stadt Wien, der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG und der Wirtschaftskammer Österreich) und zu 26,4% der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft. Diese Partner haben das Geld zur Verfügung gestellt, mit dem das jetzige Grundstück der Seestadt gekauft und zusammengeführt wurde. Zur Entwicklung wurde das Areal anhand eines stadtplanerischen und architektonischen Masterplans in Gebäude-große Parzellen unterteilt. Diese Teilgrundstücke wurden dann jeweils in Wettbewerbsverfahren, in denen die gewünschten Kriterien wie soziale Durchmischung von der Wien 3420 vorgegeben wurden, für Private ausgeschrieben. Manche Parzellen wurden auch an kommunale Wohnungsbauunternehmen zum Bau traditioneller Wiener Gemeindebauten, oder an die Stadt Wien für den Schul- und Kitabau, abgegeben. So muss der Staat zwar in die Grundstücke der Seestadt investieren, den Wohnungsbau übernehmen aber zum Großteil private Unternehmen zu vorgeschriebenen Kriterien.

Für Berlin muss die Seestadt Aspern ein leuchtendes Beispiel sein. Wir fordern deshalb die Entwicklung neuer Stadtquartiere am Stadtrand unter sozialen Gesichtspunkten. Der Vorschlag eines neuen Stadtquartiers in Buch kann ein solches Projekt sein, darüber hinaus müssen jedoch alle weiteren Potenziale für ambitionierte Wohnungsbauprojekte identifiziert werden. Wir fordern deshalb die Gründung einer Berliner Immobilien Entwicklungs Agentur.  Anders als die Berliner Immobilien Management GmbH (BIM), die einzelne Liegenschaften lediglich verwaltet, soll diese Agentur nach dem Vorbild der Wien 3420 neue Stadtquartiere planen und entwickeln. Zum Erwerb der benötigten Grundstücke müssen alle öffentlichen Akteure in die Pflicht genommen werden. Die Investitionsbank Berlin (IBB), die Kreditbank für Wiederaufbau (KfW) und das Land Berlin sollen an der Agentur beteiligt werden und die nötigen finanziellen Mittel bereitstellen. Auch der Bund muss in Form der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) in die Pflicht genommen werden, um die Kommunen und Länder aktiv bei der Bewältigung der Wohnungskrise unterstützen. Die Industrie und Handelskammer Berlin (IHK) kann gegebenenfalls nach dem Beispiel der Wirtschaftskammer Österreich als Partner herangezogen werden. Durch eine solche Verteilung der Investitionen und finanziellen Last auf viele Schultern, wird eine einseitige und langfristig potentiell gefährdende Belastung des Berliner Landeshaushaltes vermieden. Die Grundstücke sind sowohl den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, als auch Privaten durch Wettbewerbsverfahren mit festgeschriebenen Kriterien wie Mietpreisbindung, sozialem Wohnungsbau und sozialer Durchmischung in Erbpacht zum Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen.

Think Social! 

Um sozialgerechten Neubau zu schaffen, müssen wir neue Maßstäbe setzen. Neben einer bezahlbaren Miete, müssen zur Einrichtung neuer Stadtquartiere auch Methoden wie beispielsweise das  Quartiersmanagement gehören. Nur durch den Aufbau nachbarschaftlicher Verbindungen werden aus den Neubausiedlungen Kieze.

Zudem ist darauf zu achten, dass innerhalb der neuen Quartiere, und auch generell innerhalb der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine noch stärkere Flexibiltät gewährleistet werden kann. Tauschportale sind erst der Anfang, denn es muss selbstverständlich werden, jederzeit den Wohnraum an die persönliche Situation anpassen und zum Beispiel auf altersgerechten Wohnraum zurückgreifen zu können.

Sozialer Neubau heißt für uns auch, dass er sozial gerecht verteilt wird. Wir fordern eine Strategie gegen Diskriminierung auf dem gesamten Wohnungsmarkt, unmittelbar in den landeseigenen Gesellschaften.

Think Outside the Box!

Unsere Lösungen gegen die Berliner Wohnungskrise dürfen nicht allein auf Großprojekte fixiert sein. Wir brauchen maßgeschneiderte Lösungen für jeden freie Fläche und müssen noch stärkere Bemühungen daran setzen, neue freie Flächen zu identifizieren und zu erschließen. Lösungen auf den Dächern dieser Stadt gehören hierbei genauso hinzu, wie kurzfristige Vermietung vor dem Abriss von Objekten. Wir fordern, eine höhere personelle Ausstattung der Verwaltung um solche Lösungen möglich zu machen.

Forderungen:

Die Planung neuer Stadtquartiere muss in Berlin zügig vorangetrieben werden. Ein großes Angebot von bezahlbaren Wohnungen, ein ausgewogener sozialer Mix und der Einbezug klimawissenschaftlicher und gesundheitswissenschaftlicher Forschungsergebnisse sollen hierfür die Maßstäbe sein.

Den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungsbaugenossenschaften und und anderen gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen soll der Zugang zu Bauflächen erleichtert werden. Hierfür müssen die rechtlichen und finanziellen Bedingungen weiter verbessert werden. Gleichzeitig müssen Kriterien entwickelt werden, die die Gemeinwohlorientierung festlegen.

Neue Stadtquartiere müssen so geplant werden, dass die Gebäude sich gegenseitig verschatten. Ebenso müssen die Fassaden und Dächer begrünt und größere Wasserflächen implementiert werden.

Wir fordern außerdem den Einsatz für eine Verbesserung der finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für bezahlbares Wohnen in der EU und einen verstärkten Austausch der Landesverwaltungen mit anderen anderen Großstädten bei der Konzeption und der Weiterentwicklung der Kriterien neuer Bauprojekte.

Wir unterstützen eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes unter Einbezug der Anwohner*innen und der Zivilgesellschaft.

Wir unterstützen den Bau eines kommunal gesteuerten Stadtquartiers in Buch.

Wir fordern die Gründung einer Berliner Immobilien Entwicklungs Agentur. Unter Beteiligung von IBB, KfW, dem Land Berlin sowie ggf. BImA und IHK soll diese Flächen für den Neubau neuer Stadtquartiere identifizieren und erwerben. Die Agentur soll neue Stadtquartiere planen und entwickeln, und Grundstücke sowohl den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, als auch Privaten unter sozialen Auflagen in Erbpacht zur Verfügung stellen.

Für alle größeren Neubauprojekte muss verpflichtend ein Konzept zum nachbarschaftlichen Zusammenwachsen vorhanden sein, das zum Beispiel Methoden wie das Quartiersmanagement beinhaltet

Innerhalb der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften muss die Anpassung des Wohnraums an die Lebenssituation leichter und besser werden. Wir fordern den Ausbau von Tauschbörsen und anderen Instrumenten

Wir kämpfen gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Daher fordern wir ein Konzept gegen Diskriminierung bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften

Antrag 259/II/2019 Digitale Infrastruktur als öffentliche Daseinsvorsorge begreifen!

23.09.2019

Die digitale Infrastruktur ist eine der Schlüsselinfrastrukturen unserer Zeit. Für die Digitalisierung und Transformation von Produktionsprozessen, das Internet der Dinge, Smart Cities, Dienstleistungsangebote im ländlichen Raum oder digitalen Medienkonsum sind funktions- und leistungsfähige Breitbandnetze die zwingende Voraussetzung. Dass öffentliche Daseinsvorsorge auch in öffentliche Hand gehört ist eine Grundüberzeugung der Sozialdemokratie. Wo sich jedoch in den Bereichen Krankenversorgung, Wasserversorgung, Stromnetze, ÖPNV oder Wohnen große öffentliche Debatten und Vorschläge wiederfinden, ist es im Bereich der digitalen Infrastruktur überraschend still. Nehmen wir die Wichtigkeit der digitalen Infrastruktur jedoch ernst, müssen wir auch diese als öffentliche Daseinsvorsorge begreifen. Der aktuelle, privat kontrollierte Zustand, ist nämlich desaströs.

 

Art. 87f (1) GG verpflichtet den Bund zur „flächendeckend angemessenen und ausreichenden“ Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Nach Art. 87f (2) GG sind diese Telekommunikationsdienstleistungen jedoch ausschließlich durch „privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen (Deutsche Telekom) und durch andere private Träger“ zu erbringen. Was ursprünglich die vermeintlichen Kräfte des freien Marktes aktivieren sollte, hat in der Realität jedoch verehrende Auswirkungen. Die Verlagerung der Telekommunikation in die private Domäne ist der Hauptgrund dafür, dass Deutschland trotz üppiger Bundesfördermittel von 4,5 Mrd. € im Breitbandausbau immer noch Entwicklungsland ist.

 

Es gibt zwei Fördermodi: sogenannte Wirtschaftlichkeitslückenförderung, und das sogenannte Betreiber*innenmodell. Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell bauen die Kommunen das Breitbandnetz nicht selbst aus. Stattdessen fließen die Fördermittel als Subventionen an private Telekommunikationsunternehmen. Rentiert es sich z.B. für ein Unternehmen nicht in den Breitbandausbau eines Dorfes mit 50 Einwohnern zu investieren, schließen die Fördermittel die Lücke, sodass es sich rentiert. Beim Betreiber*innenmodell baut die Kommune das Netz selbst, und verpachtet es anschließend für 20-30 Jahre an private Telekommunikationsunternehmen. Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fließen 75% der bewilligten Fördermittel in die Wirtschaftlichkeitslückenförderung. Anstatt öffentliche Infrastruktur zu schaffen, betreibt der Staat indirekte Unternehmenssubventionen.

 

Auch beim Betreiber*innenmodell eröffnet die grundgesetzlich geschützte Hoheitsposition privater Telekommunikationsunternehmen ihnen jedoch eine Vielzahl von Wegen den staatlichen Breitbandausbau zu verhindern oder zu sabotieren. Wenn eine Kommune ihr Breitbandnetz ausbauen möchte, stellt sie zunächst einen Antrag auf Förderung. Wird dieser bewilligt, können die privaten Telekommunikationsunternehmen innerhalb von 6 Wochen während der sogenannten „Markterkundungsphase“ ein Veto einlegen, falls sie, nach Eigenaussage, in den nächsten drei Jahren im ausgeschriebenen Gebiet selbst bauen möchten. Geschieht dies, darf die Kommune nicht bauen. Oft legen Private Veto ein, nur um nachträglich Gründe anzugeben, warum sie in den nächsten drei Jahren doch nicht bauen können. Außerdem wissen die Kommunen gar nicht verlässlich, in welchen Gebieten denn überhaupt bereits Breitband liegt. Das Breitbandnetz der privaten Telekommunikationsunternehmen zählt nämlich als Geschäftsgeheimnis. Oft melden sich die privaten Telekommunikationsunternehmen erst während des Ausschreibungsprozesses für den Bau und geben an, dass sie in Teilen der ausgeschriebenen Gebiete bereits Breitband verlegt haben. Geschieht dies, ist die Ausschreibung fehlerhaft und der Verwaltungsprozess muss von Null gestartet werden.

 

Selbst wenn die privaten Telekommunikationsunternehmen kein Veto einlegen, und im ausgeschriebenen Gebiet kein Breitband von ihnen liegt, binden sie vielerorts Baufirmen per Exklusivverträgen an sich. Selbst wenn Baukapazitäten existieren, was in der aktuellen Hochkonjunkturphase der Baubranche ohnehin eine Seltenheit ist, können diese deshalb oft von den Kommunen nicht abgerufen werden.

 

Besonders problematisch ist das Geschäftsgebaren der Deutschen Telekom, die den Kommunen Steine in den Weg legt. Durch die Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde die Telekom alleinige Inhaberin der Teilnehmeranschlussleitungen (TAL). Dieses, umgangssprachlich auch als „Letzte Meile“ bezeichnetes, Netzsegment verbindet die Vermittlungsstellen, welche grundsätzlich allen Internet Service Providern (ISPs) offenstehen, mit den Hausanschlüssen der Kund*innen. In Deutschland existieren viele sehr leistungsfähige, überregionale IP-Netze (Backbones). Betreiber*innen sind sowohl privatwirtschaftliche Unternehmen, aber auch öffentlich-rechtlich oder genossenschaftliche Träger*innen (wie z. B. das Deutsche Forschungsnetz). Praktisch profitieren Privathaushalte von dieser Infrastruktur nicht, da die TAL stets von der Telekom gemietet werden muss. Zudem ist die Zugangstechnik oft veraltet, es kommen i. d. R. die eigentlich nur für Telefonie konzipierten doppeladrigen Kupferleitungen zum Einsatz. Da die Deutsche Telekom auf neu gebaute TAL, die auf moderne Glasfasertechnik setzen (FTTC, FTTH) kein Monopol hätte, wird der Ausbau durch sie aktiv ausgebremst.

 

Wir fordern die Streichung von Art. 87f (2) GG. Damit wäre Telekommunikation im Sinne von Art. 87f (1) GG wieder als Hoheitsaufgabe des Bundes definiert.

 

Wir fordern die Re-Vergesellschaftung der „letzten Meile“. Der Ausbau und die Bereitstellung der TALs soll wieder Aufgabe des Staates werden. Dazu sind die entsprechenden Verwaltungseinheiten und Netzsegmente der Deutschen Telekom, sowie der TAL-Infrastruktur aller anderen ISPs zu vergesellschaften. Die Endpunkte sind niedrigschwellig an ISPs bereit zu stellen. Zur finanziellen Einbindung auch in den Ausbau schlagen wir langfristig eine genossenschaftliche Organisationsform vor. Als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge genießen alle Bürger*innen ein Grundrecht auf Bereitstellung einer breitbandigen TAL für ihren Haushalt. Der Ausbau hat grundsätzlich auf Basis von Glasfasertechnik zu erfolgen.

 

Wir fordern die Vergesellschaftung der Breitbandinfrastruktur weiterer privater Telekommunikationsunternehmen in jenen Gebieten, in denen sie die einzigen Anbieter*innen und Besitzer*innen von Breitbandleitungen sind. Die erworbenen Netze sind in das Netz der re-vergesellschaftlichten Telekom zu integrieren. So werden existierende regionale Monopolpositionen von privaten Telekommunikationsunternehmen aufgebrochen, und die ineffiziente parallele Verlegung mehrerer Netze vermieden.

 

Wir fordern, dass die Bundesmittel zur Breitbandförderung nur noch im sogenannten Betreiber*innenmodell ausgeschüttet werden. Öffentliche Steuermittel sollen zur Schaffung öffentlicher Infrastruktur ausgegeben werden, nicht als indirekte Unternehmenssubventionen.

Antrag 247/II/2019 Mobilität für Berlin – solidarisch, gerecht, nachhaltig

23.09.2019

Die wachsende Stadt Berlin stellt die Bürger*innen nicht nur beim Thema Mieten und Wohnen vor neue Herausforderungen. Auch im täglichen Verkehr zeigt sich, dass der Platz begrenzt ist und die Nutzer*innenzahlen ansteigen. Die Folge sind verstopfte Straßen, steigende Emissionen, überfüllte Busse und Bahnen sowie Nutzungskonflikte, die derzeit zu oft zugunsten des motorisierten Verkehrs gelöst werden. Aktuell sind jedoch alle Träger*innen des ÖPNV in Berlin am Limit. Jahrelanger Sparkurs zeigt in der wachsenden Stadt seine bitteren Auswirkungen: Volle Bahnen und Busse, Verspätungen sowie Ausfälle sind eher die Regel als die Ausnahme sowie verkürzte Bahnen aufgrund von Fahrzeug- und Personalmangel. Die seit Jahren steigenden Zahlen der erwerbstätigen Berliner*innen und Pendler*innen wirken sich auf diesen im besonders stark aus. Schon das Umsteigen vieler Fahrradfahrer*innen auf die öffentlichen Verkehrsmittel in den Wintermonaten, stellt diesen vor weitere Herausforderungen. In der heutigen Situation ist es kaum vorstellbar, dass der Umstieg weiterer erheblicher Gruppen von Verkehrsteilnehmer*innen auf öffentliche Verkehrsmittel überhaupt tatsächlich möglich wäre geschweige denn ohne dramatische Qualitätseinbußen realisierbat wäre. Nur durch verdichtete Taktzeiten, den Ausbau des Streckennetzes sowie die Gestaltung des Straßennetzes mit Fokus auf emissionsfreie Verkehrsträger kann ein sozial und klimagerechte Mobilität in unserer Stadt ermöglicht werden. Gleichzeitig kommt der Ausbau der Fahrradinfrastruktur weniger schnell als erhofft voran. Neue grüne Farbe schafft noch keinen sicheren Verkehrsraum für Fahrradfahrer*innen.

 

Unsere Vision für Berlin ist klar: Wir streben langfristig einen emmissionsfreien Verkehr in dieser Stadt und die bestmögliche Zurückdrängung des motorisierten Indidivualverkehrs aus der Innenstadt an. Wir möchten, dass die Berliner*innen so flächendeckend wie möglich auf Fahrrad und ÖPNV umsteigen und sie sich den öffentlichen Straßenraum zurückholen und diesen gestalten. Dabei ist unser Ansatz, vorgelagert Alternativen zu schaffen, welche die Mobilität in dieser Stadt allen Menschen ermöglichen und zu erhalten, bevor zu Verbotsinstrumenten gegriffen wird.

 

Die Diskussion um die zukünftige Mobilität in der Stadt wird derzeit viel zu oft verkürzt mit pauschalen Verbotsforderungen erstickt. Umfassende Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs ohne klimafreundliche, alternative Angebote halten wir für sozial unverträglich. Dies gilt insbesondere, wenn man die Stadt aus der Perspektive älterer und in der Mobilität eingeschränkter Menschen betrachtet. Aber auch Berliner*innen, die nicht im Innenstadtbezirken leben und täglich weite Strecken zurücklegen müssen, sind unter den jetzigen Gegebenheiten im Sinne einer ordnungsgemäßen Organisation ihres Alltags oftmals noch auf motorisierten Individualverkehr angewiesen. Auch nehmen  mobile Pflegedienste oder der Lieferverkehr im täglichen Leben dieser Stadt eine Sonderrolle ein und könnten ohne PKW-Verkehr nicht adäquat ersetzt werden. Um den motorisierten Individualverkehr wirksam zu verringern braucht es daher vor allem neue Anreize und Impulse, um auf den ÖPNV oder nicht-motorisierten Individualverkehr umzusteigen. Nur dadurch lässt sich die Zahl der PKWs auf Berlins Straßen gerecht und nachhaltig reduzieren.

 

Der ÖPNV in Berlin muss sich dringend und zwingend an die wachsende Stadt anpassen. Dazu gehört auch eine konsequente Erschließung der Randbezirke. Wir können die Mobilität von Bürger*innen, die vielfach aus den Innenstadtbezirken aufgrund von Mietsteigerungen wegziehen mussten, nicht privaten Dienstleister*innen überlassen, welche je nach Profitstreben, Sharinggebiete erweitern oder reduzieren. Die Stadt Berlin mit ihrem landeseigenen Unternehmen BVG ist in der Pflicht, die Mobilität in gleichwertiger Weise in allen Stadtbezirken sicherzustellen. Die Ausbaupläne für das Streckennetz des ÖPNV dürfen nicht mit Denkverboten angegangen werden. Die Fokussierung auf einzelne Verkehrsträger*innen ist der falsche Ansatz. Vielmehr braucht es einen langfristigen Ansatz, der neben Nachhaltigkeitsaspekte auch die weiter steigenden Nutzer*innenzahlen in den Blick nimmt. Die in dieser Diskussion regelmäßig reflexartig vorgebrachten Finanzierungsvorbehalte gegenüber einzelnen Verkehrsträgern halten wir für wenig zielführend.

 

Für einen so grundlegend neuen Ansatz von Mobilität muss viel investiert werden. Wir müssen Regelungen finden, wie wir für den Aus- und Neubau von ÖPNV, Fahrradschnellstraßen und Anpassungen der Straßenbreite zusätzliche Mittel generieren können.

 

Daher fordern wir:

– den konsequenten Streckenausbau bei U- und S-Bahn sowie Tram, der sowohl sinnvolle Lückenschlüsse im bestehenden Netz, Streckenverlängerungen als auch den vollständigen Neubau von Strecken, vor allem in bisher noch nicht erschlossenen Bezirken, vorsieht.

– den flächendeckenden barrierefreien Ausbau von U-, S-Bahn- und Tramstationen, um auch Menschen mit Kinderwägen, Rollstuhl und anderen Mobilitätseinschränkungen einen Umstieg auf den ÖPNV zu erleichtern

– die Erhöhung der Taktung bei der U- und S-Bahn mit dem Ziel eines 90 Sekunden-Takts nach dem Beispiel Moskaus

– den Aufbau von neuen Werkstattkapazitäten bei der BVG für Bus und U-Bahn, um zeitnah einen verlässlicheren Einsatz der Fahrzeuge und Wagen zu gewährleisten

– Ausbau von Fernbahnhöfen als zusätzlichen Anreiz, auch bei längeren Reisen auf klimafreundlichere Varianten umzusteigen

– politische Initiativen auf Landes-, Bundes- und Europaebene, um im extremen Bedarfsfall für den Fuhrpark des ÖPNV das Ausschreibungsverfahren zu verkürzen

– eine neue Ausbildungsoffensive bei der BVG, damit auch in der Zukunft ausreichend sowie gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen die Mobilität in Berlin sicherstellen

– den ambitionierten Ausbau der Fahrradinfrastruktur in Form von geschützten Radwegen, Radschnellwegen und Radparkhäusern an zentalen Bahnhöfen

– die  Erlaubnis für Radfahrer*innen, auch dann unter besonderer Vorsicht an Kreuzungen rechts abzubiegen, wenn die Verkehrsampel rot zeigt

– den Ausbau von Park + Ride Möglichkeiten am Stadtrand innerhalb des Tarifgebiets B / alternativ die Ausweitung des Tarifgebiets B auf ausgewählte Bahnhöfe im Unland mit Park + Ride Möglichkeit

– Anreize zur Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung von PKW mit mehreren Personen. Dies kann etwa durch die Freigabe von Spuren nur für PKW mit mehr als einer Person erfolgen

– Verpflichtende Ausweitung von Sharing-Angeboten auf das gesamte Stadtgebiet