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Antrag 62/II/2023 Irrweg der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beenden

18.08.2023

Wir fordern von der gesamten Bundesregierung, insbesondere den sozialdemokratischen Mitgliedern der Bundesregierung, der SPD-Bundestagsfraktion sowie den sozialdemokratischen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes, den beim EU-Gipfel der Innenminister im Juni 2023 begonnenen Irrweg der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zu beenden und sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen sowie im Trilog-Verfahren der Europäischen Union für folgende Punkte einzusetzen:

 

  • Verpflichtende Asylgrenzverfahren für Menschen aus Staaten mit einer geringen Schutzquote sind abzulehnen. Bei einer flächendeckenden Einführung von Grenzverfahren sind haftähnliche Zustände zu befürchten, die wiederum die zivilgesellschaftliche und anwaltliche Unterstützung erschweren und den Rechtsschutz einschränken. Unterbringungen und Camps an Außengrenzen wie in Moria, dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen! Daher darf es keine de facto Inhaftierungen geben: Alle Einrichtungen müssen im laufenden Asylprozess jederzeit und an jedem Schritt unverzüglich verlassen werden können.
  • Es müssen jederzeit die rechtsstaatlichen Standards für Asylverfahren gesichert werden. Es darf nicht sein, dass Menschen innerhalb dieser Asylgrenzverfahren kein reguläres Asyl- Verfahren durchlaufen. Das höhlt das Grundrecht auf Asyl grundlegend aus und widerspricht damit auch der Genfer Flüchtlingskonvention. Bei der Prüfung und Entscheidung von Asylanträgen muss weiterhin in jedem Fall ein rechtsstaatliches Einzelfallverfahren stattfinden. Ablehnungen und folgende Abschiebungen von Asylbeantragenden auf Grund von Anerkennungsquoten lehnen wir vehement ab.
  • Es braucht einen echten solidarischen Verteilmechanismus innerhalb der EU.
  • Die vorgesehenen Asylrechts- und Einreiseeinschränkungen für begleitete geflüchtete Kinder dürfen nicht umgesetzt werden. Insbesondere sind dabei Aspekte abzulehnen, die klare Benachteiligungen für Kinder und Jugendliche mit ihren Familien, wie der Gefahr einer Inhaftierung von Minderjährigen und der Ausschluss des Familiennachzuges zur Folge haben.
  • Vulnerabilität muss fachlich adäquat durch unabhängige Stellen geprüft werden. Medizinische und psychologische Betreuung ist dauerhaft sicherzustellen.
  • Analog zur deutschen Regelung sollten Geflüchtete eine unabhängige Verfahrensberatung an die Seite gestellt bekommen. Hilfsorganisationen brauchen jederzeit Zugang zu Orten der Unterbringungen.
  • Es muss ein verpflichtendes Menschenrechts-Monitoring durch Nichtregierungsorganisationen in allen Phasen des Asylprozesses geben. Der Zugang und die Transparenz müssen vollumfänglich gewährleistet sein.
  • Die Bundesregierung muss sich in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten für den Einsatz und Ausbau der Seenotrettung mit ärztlicher Versorgung einsetzen, um das Sterben von flüchtenden Menschen auf dem Mittelmeer ein für alle Mal zu durch humanitäre Maßnahmen zu beenden. Dazu braucht es auch eine staatlich organisierte europäische Seenotrettung. Hilfsorganisationen dürfen nicht kriminalisiert und diffamiert werden; sie sollen aufgenommene Geflüchtete unmittelbar in europäische Häfen ausschiffen dürfen. Es dürfen keine Menschen mehr sterben, weil ihnen eine reguläre Einreise unmöglich gemacht wird.
  • Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen – auch unter Beteiligung von Frontex – müssen aufhören. Solange diese Grenzschutzorganisation besteht, muss die Frontex-Politik an den europäischen Grenzen im Sinne humanitärer Hilfe überarbeitet und geändert werden. Die Bundesregierung muss sich entschieden aktiv gegen Push-Backs einsetzen.
  • Frontex ist gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat rechenschaftspflichtig. Frontex muss von einem ständigen parlamentarischen bzw. unabhängigen Kontrollgremium überwacht werden, nach dem Vorbild von Europol. In diesem muss Frontex regelmäßig, transparent und umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichten und weiteren Berichtswünschen nachkommen.
  • Grundsätzlich sind Rückführungen in nicht sichere Herkunftsländer abzulehnen. Rückführungen in sogenannte sichere Drittstaaten, wie im Kompromiss vorgesehen, in denen Geflüchtete sich auf ihrer Flucht aufgehalten haben, lehnen wir auch ab. Dass nicht mehr der Fluchtgrund, sondern nur noch der Reiseweg über den Ausgang des Verfahrens entscheiden, darf nicht Realität werden. Mindestens muss jedoch gewährleistet sein, dass diese durch die EU zu „sicher“ erklärten Drittstaaten vollumfänglich die Genfer Flüchtlingskonvention anwenden. In diesem Zusammenhang muss auch eine enge Verbindung zwischen Geflüchteten und Drittland bestehen. Methoden, wie die Aufweichung der Einstufung dieser Verbindung, damit die Menschen an einem Asylantrag gehindert werden, müssen strikt unterbunden werden. Grundsätzlich sprechen wir uns jedoch in jedem Fall gegen das aus der Verantwortung ziehen der EU, Asylverfahren an Drittstaaten sowie gegen Asylabkommen mit menschenrechtlich fragwürdigen Partnerstaaten mit aller Klarheit aus.

 

Sollten diese Punkte nicht erfüllt sein, fordern wir sowohl von der Bundesregierung als auch den sozialdemokratischen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes, einem etwaigen Kompromiss nicht zuzustimmen. Die angeführten Punkte sind essenzielle Bestandteile für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem, welches den Demokratie- sowie Menschenrechtsstandards der EU entspricht. Ein Unterlaufen dieser Standards muss mit allen Kräften verhindert werden. Sollte die Reform gleichwohl in Kraft treten, fordern wir die Bundesregierung auf, dagegen im Wege der Nichtigkeitsklage vor dem EuGH vorzugehen, um diejenigen Vorschriften zu beseitigen, die mit den europäischen Grundrechten unvereinbar sind. Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion fordern wir dazu auf, darauf hinzuarbeiten, die Bundesregierung gesetzlich zu diesem Schritt zu verpflichten. Falls ein entsprechendes Gesetz an den Koalitionspartner*innen scheitern sollte, so sollen ihre Abgeordneten zumindest eine Subsidiaritätsklage gegen die Reform anstrengen.

 

Langfristig muss die Bundesregierung unmissverständlich Abstand von populistischem Vorgehen und Narrativen nehmen, die die Aufnahme von Geflüchteten verweigert. Sie muss sich klar für die Aufnahme geflüchteter Menschen aussprechen und sich gemäß der sozialdemokratischen Leitlinie „Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität“ und in ihrer Rolle als europäischer Player für dieses Verständnis in der Europäischen Union starkmachen. Eine Fiktion der Nichteinreise ist zu jeder Zeit abzulehnen.

 

Auch auf nationaler Ebene muss umfassend gehandelt werden. Die Kommunen müssen massiv gestärkt werden, was bedeutet, diese angemessen finanzielle, strukturell und personell zu stärken. Gleichzeitig muss die Integration zu einer öffentlichen Pflichtaufgabe werden, wofür eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen werden muss.

Antrag 103/I/2023 Änderung des Patientenfürsprecher_innengesetzes

27.04.2023

Die sozialdemokratischen Abgeordneten im Abgeordnetenhaus von Berlin sollen sich dafür einsetzen, dass das § 30 des Lan­deskrankenhausgesetzes (LKG) und § 12 des Gesetzes für psy­chisch Kranke (PsychKG) (Gesetz zur Aufgabe der Patientenfür­sprecher:innen) dahingehend geändert wird, dass, wenn ausrei­chend Bewerber:innen vorhanden sind, Patientenfürsprecher:in­nen nur in einem Bezirk tätig sein dürfen. Ferner soll das Gesetz dahingehend verändert werden, dass Patientenfürsprecher:innen nur in einem Krankenhaus tätig sein dürfen.

Antrag 101/I/2023 Kein catchiger Titel, aber dafür catchige Krankheiten: für Testmöglichkeiten von STIs

27.04.2023

Sexuell übertragbare Krankheiten (STIs) kommen immer häufiger vor: In Deutschland hat sich die Zahl der Syphilis-Fälle in den Jahren von 2009 bis 2019 verdoppelt und seit 2001 sogar vervierfacht. Dass einige STIs auch über Oralsex übertragbar sind, ist oft unbekannt. Aufgrund der leichten Übertragbarkeit wäre es wichtig, sich vor allem bei wechselnden Sexualpartner*innen regelmäßig auf STIs zu testen, auch wenn keine Symptome auftreten. Leider ist das aufgrund verschiedener Hindernisse nicht die Lebensrealität vieler Menschen:

Zum einen sind STIs weiterhin tabuisiert. Zudem sind STI-Tests nicht leicht zugänglich: Wenn man im Internet nach STI-Tests in Berlin sucht, erhält man viele kommerzielle Angebote wie private Testzentren oder Testkits für zu Hause, die über 100 Euro kosten.

Zwar gibt es bereits einige sehr gute Angebote, zum Beispiel von der Berliner Aidshilfe oder dem Checkpoint (einem Zentrum für sexuelle Gesundheit mit Test- und Behandlungsangebote für STIs sowie Beratungsangebote zu sexueller Gesundheit, Chemsex/Substanzkonsum und queeren Themen), bei dem die Kosten für HIV-Tests, die meist zwischen 5 und 25 Euro liegen, erstattet werden können.

Bislang gibt es außerdem die Möglichkeit von STI-Tests in den Gesundheitsämtern von vier Bezirken (Mitte, Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf) mit telefonischer Voranmeldung. HIV-Tests dort kosten 10 Euro für Zahlungsunfähige.

Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist allerdings in der Regel an das Vorliegen von Anzeichen einer STI gebunden bzw. wenn bei dem*der Sexpartner*in bereits eine STI festgestellt wurde. Es ist allerdings nicht immer so, dass die Anzeichen einer STI bemerkt oder als solche wahrgenommen werden. So können diese unbemerkt an weitere Personen übertragen werden. Es ist daher wichtig präventiv die Möglichkeit zu haben, unabhängig vom Geldbeutel, einen STI-Test zu machen bevor es zur unbemerkten Verbreitung bzw. auch Schäden durch Nicht-Behandeln der Infektion kommt. Auch die vorhandenen Strukturen und Angeboten müssen gestärkt und ausgebaut werden, um Hürden wie lange Anfahrtswege und überlastete Testkapazitäten zu senken.

Ein anonymes Testangebot bereitzustellen ist heutzutage noch für viele Menschen wichtig. Offene, niedrigschwellige Testangebote bieten in der Regel anonyme Tests an. Sie auszubauen ist daher ein wichtiges Anliegen. Gerade auch, weil es ebenso Menschen gibt, die ohne gesetzliche Krankenversicherung ihr Leben bestreiten müssen und daher diese niedrigschwelligen Testangebote benötigen.

Epidemiologische Kennziffern verdeutlichen, dass FINTA*-Personen sowie queere Menschen am häufigsten an STIs leiden. Hinzu kommt auch, dass selbige oftmals sowieso schlechteren Zugang zu medizinischer Infrastruktur haben. Die Ausweitung der Testmöglichkeiten stellt auch eine Möglichkeit da, die bestehende Stigmatisierung durch sexuell-übertragbare Krankheiten weiter einzudämmen und mehr Aufmerksamkeit für STIs zu erzeugen.

Aus diesem Grund fordern wir, dass…

  • das Testangebot für sexuell-übertragbare Krankheit so ausgebaut wird, dass in jedem Bezirk mindestens eine Möglichkeit zur Testung besteht. Dies soll möglich sein, durch unabhängige, gemeinnützige und finanzierte Stellen, um die Kostenlosigkeit zu gewährleisten. Entsprechend soll § 1 Gesundheitsdienst-Zuständigkeitsverordnung (GDZustVO) angepasst werden.
  • Es soll ein gesetzlicher Anspruch geschaffen werden, sodass STI-Tests auch ohne Anlass, also ohne Symptome bzw. STI-Nachweis bei Sexpartner*in, von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.
  • Das Land Berlin wird aufgefordert die Förderung von Projekten, welche STI-Tests anonym und niedrigschwellig anbieten in dem Maße zu erhöhen, sodass diese zukünftig höhere Kapazitäten für Tests bereitstellen können und diese kostenfrei in Anspruch genommen werden können
  • die STI-Testung in ärztlichen Praxen mit infektiologischem Schwerpunkt für alle jederzeit zugänglich ist und die Kosten für die Tests vollständig von der Krankenkasse getragen werden.
  • der Zugang zur HIV-Prophylaxe PrEP (Präexpositionsprophylaxe) und die dauerhafte und vollständige Kostenübernahme durch Krankenkassen allen, unabhängig vom Sexualverhalten, ermöglicht wird.
  • Zielgruppenspezifische finanzielle Mittel für mehr Aufklärung und Informationen zu Testzentren.

zusätzlich in allen Bildungseinrichtungen nicht-stigmatisierende Bildungsangebote und Ansprechpersonen eingerichtet werden und auch außerhalb von Bildungseinrichtungen Aufklärungsangebote ausgebaut werden.

Antrag 98/I/2023 Maßnahmen im Wettrennen gegen Antibiotikaresistenzen

27.04.2023

Die SPD-Mitglieder insbesondere in den Ausschüssen für Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft, werden aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den weltweit bedrohlichen Anstieg der Antibiotika-Resistenzen durch eine strukturelle und finanzielle Förderung der versorgungsnahen Forschung und Produktion zur Vermeidung nosokomialer (= in Gesundheitseinrichtungen erworbener) Infektionen durchgreifend zu bekämpfen. Es sollten alle weiteren Maßnahmen ergriffen werden, um den drohenden Anstieg von Antibiotika-Resistenzen einzudämmen.

 

Die Anwendung von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin sollte zukünftig ausschließlich auf einer indikationsbasierten Basis erfolgen. Im Hinblick auf den Einsatz in der Tierhaltung kann notfalls der Einsatz von Antibiotika jedoch in einem mit der Tierindustrie abgestimmten Stufenplan in den nächsten Jahren ganz eingestellt werden. Dahingehend bereits vorhandene EU-Gesetzgebung muss flächendeckend durchgesetzt, zuverlässig kontrolliert und, wo möglich, ausgeweitet werden.

Antrag 96/I/2023 Versorgung sichern – Zugang zu Misoprostol wiederherstellen!

27.04.2023

Wir fordern, die Versorgung mit Misoprostol in Deutschland in den jeweils benötigten Dosierungen dauerhaft zu gewährleisten und so den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen.