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Antrag 90/I/2021 Konsequente Haltung gegen das russische Regime jetzt!

18.03.2021

Nicht erst seit der Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat der Kreml seine Brutalität gezeigt. Die Liste der vergifteten, getöteten, bedrohten, verhafteten und ins Exil getriebenen Kreml-Kritiker*innen und Menschenrechtsbrüche ist lang. Dennoch handelt das russische Regime brutaler denn je. Dies wird nicht zuletzt auch durch die zahlreichen Inhaftierungen und die massive und repressive Polizeigewalt als Reaktion auf regierungskritische Proteste nach der Verurteilung Nawalnys sichtbar. Nach der Veröffentlichung von regierungskritischem Material durch Nawalny, welches erstmalig auch Putin direkt angreift und seine luxuriösen Lebensumstände offenlegt, regte sich vor allem bei vielen jungen Menschen in Russland die Empörung und der Wunsch nach mehr Mitbestimmung in der Politik. Als Antwort kennt der Kreml nur eine noch härtere Repression durch den Staat. Proteste werden verboten und die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten wird hoch bestraft.

 

Die personenbezogenen Sanktionen durch die Bundesregierung und weitere Staaten der Europäischen Union sowie der Weltgemeinschaft sind nicht ausreichend, um Russlands Regime zu einer Abkehr von der staatlichen Repression und Verletzung von Menschenrechten, geschweige denn zu einem Kurswechsel zu bewegen. Der Kreml hat durch die neusten Ereignisse wiederholt gezeigt, zu welchen Maßnahmen er bereit ist, wenn sich Widerstand gegen Putin und seine Gefolgschaft in der russischen Bevölkerung rührt.

 

Wir unterstützen das Streben nach Demokratie und Beteiligung durch die russische Bevölkerung, unabhängig davon, dass einzelne Kritiker*innen wie Nawalny auch kritisch zu betrachten sind. Nur durch freie, gleiche und demokratische Wahlen kann echte Partizipation erreicht und Menschenrechte durchgesetzt werden. Dass das russische Regime ohne weitere große Konsequenzen Attentate auf Bürger*innen im In- und Ausland verüben kann, ist nicht hinnehmbar. Ein Kurs des „Weiter so“ gegenüber dem russischen Regime reicht gegen einen Machthaber Putin, der nur die Sprache des Geldes und der Macht versteht, nicht aus. Worten müssen Taten folgen! Die Bundesregierung und die Regierungskoalition unter der Beteiligung der SPD müssen entschieden für Menschenrechte einstehen und diese aktiv verteidigen.

 

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion sowie die Mitglieder der Bundesregierung auf, sich klar gegen die Menschenrechtsverletzungen durch den Kreml zu positionieren und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln weitere entsprechende Maßnahmen zur Sanktionierung wie durch eine Nicht-Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 einzuleiten, die aber nicht die Zivilbevölkerung wirtschaftlich treffen soll, sondern sich an die Machthaber*innen richtet. Dabei dürfen wirtschaftliche Interessen nicht zum Mittelpunkt der Debatte werden, sonst drohen Deutschland und die Europäische Union zu Mittätern zu werden.

Antrag 37/I/2021 Mut zur demokratischen Neugestaltung - Keine faulen Kompromisse im novellierten Berliner Hochschulgesetz!

17.03.2021

Das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) ist für die Lebensrealität der rund 200.000 Studierenden, der Mitarbeiter*innen und Professor*innen an staatlichen Hochschulen in Berlin von zentraler Bedeutung. So reguliert es nicht nur alle Bereiche der Forschung und Lehre (bspw. Anzahl der Prüfungsversuche), sondern auch Organisationsstruktur, demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten und Beschäftigungsbedingungen.

 

Soziale, demokratische und nachhaltige Hochschulen kann es in Berlin gegen ein restriktives Hochschulgesetz nicht geben. Gleichzeitig unterstreicht die anhaltende Pandemiesituation die Relevanz von sozial gerechter Bildung, studierendenfreundlichen Studienbedingungen und funktionierenden Forschungsstandorten – aus diesem Grund ist die laufende Novelle des BerlHG außerordentlich wichtig.

 

Bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode besteht die Chance, mit einem progressiven BerlHG mannigfaltige Missstände an Berliner Hochschulen zu beseitigen, Demokratisierung zu fördern und Selbstbestimmung von Studierenden anzuerkennen. In dieser Absicht waren in den vergangenen Monaten zahlreiche Initiativen zu erkennen: Nicht nur die Landes-Asten-Konferenz, in der sich die Berliner Asten und RefRat auf Landesebene koordinieren, hat ein tragfähiges “Forderungspapier der Berliner Studierendenschaften” vorgelegt. Auch die Fachgremien der R2G-Koalitionsparteien selbst haben mit den “Hochschulpolitische(n) Leitlinien für die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes” als Ergebnis eines partizipativen Diskussionsprozess ein Papier vorgelegt, das umfassende Ideen für eine modifizierte soziale, nachhaltige und innovative Hochschullandschaft in Berlin aufzeigt. Als Juso-Hochschulgruppen Berlin und Jusos Berlin unterstützen wir den Vorstoß des Berliner Senats, das BerlHG zu novellieren und erwarten, dass die Forderungen der Studierendenschaften sowie der Fachgremien der Regierungsparteien dabei anerkannt werden. Die gesetzliche Verankerung einiger, bestimmter Maßnahmen ist dabei besonders notwendig und uns besonders wichtig:

 

Abschaffung der Erprobungsklausel – Echte Veränderung wagen!

Die Erprobungsklausel, die zeitweise abweichende Regelungen von der gesetzlichen Vorgabe ermöglicht, ist nach mehr als 20 Jahren andauernder Erprobungsphase im novellierten BerlHG abzuschaffen! Die Verlagerung von Zuständigkeiten der gewählten Hochschulgremien beispielsweise hin zu den Hochschulpräsidien, die die Erprobungsklausel gewährt, gehört endlich beendet. Die “Unternehmerische Hochschule” hat den nicht-professoralen Mitwirkungsrechten an Hochschulen in den letzten Jahren erheblichen Schaden zugefügt. Um den Eigenheiten der vielen Berliner Hochschulen Rechnung zu tragen, können flexible Gestaltungsmöglichkeiten in den entsprechenden Paragraphen selbst geregelt werden.

 

 Studentische Selbständigkeit anerkennen, Generalverdacht beseitigen!

Ein besonderes Augenmerk legen wir auf das selbstbestimmte Studium! Jede*r soll so studieren können, wie es in die jeweilige Lebenssituation passt. Das veraltete, verschulte System soll endlich der Vergangenheit angehören und unterschiedliche Studienformen, endlich umfassend möglich werden! Universität und Hochschule soll ein Ort der persönlichen, kreativen und intellektuellen Entfaltung und des Austausches sein und kein reines Siebverfahren. Deshalb fordern wir ein Teilzeitstudium für Alle, das Verbot von Anwesenheitspflicht, die Abschaffung der Begrenzung von Prüfungsversuchen und ein Ende jeder Zwangsexmatrikulation! Auch die geringe Anzahl angebotener Prüfungstermine verhindern ein selbstbestimmtes Studium. Wenn Studierende ein Semester oder ein Jahr warten müssen, um eine Prüfung zu wiederholen, verzögert sich ihr Abschluss immer weiter nach hinten. Im neuen BerlHG müssen daher mindestens zwei Termine pro Prüfung festgeschrieben werden, aus denen Studierende frei wählen können. Viele Studierende bringt eine Verlängerung der Studienzeit in eine finanzielle Notlage, sodass durch Nebenjobs ein universitäres Leben nicht existieren
 kann. Durch die Bologna-Reform ist es für viele Studierende quasi unmöglich, fachexterne Module anerkennen zu lassen sowie der zeitliche Aufwand freiwillig neben dem Studium häufig oft zu hoch. Ein wirklich freies Studium setzt auf Eigeninitiative, Selbstbestimmung und Motivation, nicht auf repressive Pflichten und Leistungsdruck!

 

Wichtig ist uns überdies die Einrichtung einer fachbereichsübergreifenden Beschwerdestelle, der Studierende die Verletzung ihrer bspw. Im BerlHG und in Prüfungsordnungen zugesicherten Rechte melden können. Die derzeitige Situation, statt einer Beschwerdestelle vielfach die eigenen Prüfer*innen ansprechen zu müssen, höhlt die Rechte der Studierenden massiv aus.

 

Hochschulen der Gleichheit, Hochschulen der Vielfalt!

Die Hochschulen müssen alle Geschlechter anerkennen und entsprechend ihrer Unterrepräsentation auf jeder Ebene fördern. Ergänzungsausweise die es Transmenschen ermöglichen, ihre Identität auch außerhalb der behördlichen Ausweise mitzuteilen, von Studierenden sind zu respektieren. Als wichtige und überfällige Maßnahme sehen wir insbesondere die Implementierung einer 50%igen Quote für nicht männliche Personen bei der Vergabe von studentischen Hilfskräfte-Stellen an. Zudem fordern wir, dass diese Quote auch bei allen weiteren Einstellungen, insbesondere bei der Vergabe von (tenure-track-)Professuren (die die Chance auf Lebenszeitprofessuren einräumt und Befristungen aushebelt) anzuwenden ist.  Diversitäts- und Frauenbeauftragte sind in ihren Rechten zu stärken.

 

Kein Maulkorb für Studierende!

Hochschulen sind für uns Orte lebendiger Meinungsvielfalt. Der Charakter Berliner Hochschulen entstammt insbesondere der Prägung durch studentische Protestbewegungen. Daher blicken wir kritisch bspw. nach NRW, wo die schwarz-gelbe Koalition jüngst die Sanktionsmöglichkeiten der Hochschulen gegenüber Studierenden per Ordnungsmaßnahme ausgedehnt hat.

 

Für uns ist klar, dass Ordnungsmaßnahmen niemals dahingehend missbraucht werden dürfen, studentische Meinungsäußerungen zu unterbinden. Die Wahrung einer freien, dem kritischen Diskurs zugewandten Universität, steht für uns nicht zur Disposition.

 

Deswegen wollen wir als erstes Bundesland für die Einführung des allgemeinpolitischen statt eines hochschulpolitischen Mandats bei der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes kämpfen. Asten sollen keinen impliziten Druck fühlen ihre politischen Meinungsäußerungen im Vorfelde zu zensieren. Hochschulpolitik ist Gesellschaftspolitik und lässt sich nicht auf Hochschulen beschränken!

 

Hochschulen endlich demokratisieren – Für Mitwirkungsrechte von Studierenden!

Die Viertelparität bleibt unsere zentrale Forderung. Die bedeutet, dass alle Statusgruppen (Student*innen, Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sowie nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter*innen) in allen hochschulpolitischen Gremien jeweils über die gleiche Stimmenanzahl verfügen. Ohne angemessene Mitwirkungsrechte für alle Statusgruppen ist keine Hochschuldemokratie vorstellbar!

Darüber hinaus halten wir an der bereits im Leitlinienpapier festgeschriebenen Forderung fest, dass die Kommissionen für Lehre und Studium (im Folgenden: LSK) gesetzlich zu Regelkommissionen werden. Sie sind in das Verfahren der Studien(-gangs-)entwicklung frühzeitig zu integrieren, ihr Votum darf nicht übergangen und ohne ihre Zustimmung kein Studienprogramm in die Akademischen Senate eingebracht werden. Die Umsetzung dieser Forderung stärkt die LSK erheblich und schafft einen Ausgleich zu der weiterhin in aller Regel professoral besetzten Vizepräsidentschaft für Lehre und Studium. Der im Gesetzesentwurf festgelegte studentische Vorsitz der LSK ist dabei nur eine symbolische Verbesserung der Situation, da er bereits jetzt in aller Regel besteht. Um etwa auch studentische Vizepräsident*innen zu ermöglichen, fordern wir die Abschaffung der hohen formellen Anforderungen an Bewerber*innen für das Vizepräsident*innenamt.

 

Forschung ist kein 2-Klassen-Geschäft!

Der Gleichstellung von Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW; früher: Fachhochschulen) und Universitäten auf dem Papier muss endlich eine tatsächliche Gleichstellung folgen. Wie deutschlandweit bereits in einigen Hochschulgesetzen etabliert, fordern wir daher das überfällige eigenständige Promotionsrecht für HAW. Über die traditionelle anwendungsbezogene Lehre gehört die Forschung in zahlreichen Fachrichtungen schon lange zum Profil der HAW. Die Promotionsmöglichkeit ist daher nicht nur folgerichtig, sondern auch als akademische Perspektive des wissenschaftlichen Mittelbaus der HAW unabdingbar.

 

Prekären Beschäftigungen ein Ende setzen!

Die Hochschulen müssen gute und faire Arbeitsbedingungen für Alle gewährleisten. Dabei gilt der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Alle bisherigen Studentischen Beschäftigten, die nach TV-Stud-III bezahlt werden und Aufgaben der TV-L übernehmen, müssen unverzüglich in den TV-L überführt werden. Die Einstellung Studentisch Beschäftigter als billige Arbeitskräfte für Sekretariatstätigkeiten o.ä. gehört ein Riegel vorgeschoben. Sofern längerfristige Tätigkeiten von Beschäftigten der Hochschulen übernommen werden, müssen zwingend unbefristete Arbeitsverträge geschlossen werden. Für alle Beschäftigten gilt, dass die Hochschule für die Ausstattung des Arbeitsplatzes zu sorgen hat. Dies ist besonders auch bei der Arbeit im Home Office oder für die mobile Arbeit zu gewährleisten.

 

Die Novellierung des BerlHG darf nicht zu einer Manifestation des hochschulpolitischen Stillstandes führen, sondern muss echte, progressive Fortschritte ermöglichen. Die Jusos Berlin und Juso-Hochschulgruppen Berlin fordern, dass in der laufenden Legislaturperiode ein BerlHG verabschiedet wird, welches Gleichberechtigung, Bildungsgerechtigkeit, Selbstbestimmung und Demokratie auf allen Ebenen der Berliner Hochschulen festschreibt.

 

Antrag 09/I/2021 Überwachung hat am Arbeitsplatz nichts verloren!

17.03.2021

Die Corona-Krise verlangt uns allen sehr viel ab. Die Auswirkungen der Krise sind in allen Lebensbereichen zu spüren. Wir befinden uns in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Finanzkrise 2007/2008, die Gräben zwischen den europäischen Staaten werden immer größer und die sozialen Auswirkungen der Krise spüren wir alle am eigenen Leib. Wir müssen auch weiterhin Kontakte massiv einschränken, Museen, Bars und Clubs haben geschlossen, sodass wir meistens in den eigenen vier Wänden verharren. Dies wird bei vielen noch weiter dadurch verstärkt, dass sie schon seit Monaten komplett von zu Hause aus arbeiten. Die Inanspruchnahme des mobilen Arbeitens hat seit dem Beginn der Krise stark zugenommen. Zurzeit arbeiten 24 Prozent der Beschäftigten mobil. Der Höhepunkt war letztes Jahr im April erreicht, als 27 Prozent der Beschäftigten mobil arbeiteten.

 

Mobiles Arbeiten bringt aber nicht nur Vorteile wie eine flexiblere Freizeitgestaltung und bessere Work-Life-Balance mit sich, sondern birgt auch eine Vielzahl von Risiken und Herausforderungen. So verschwimmt zum Beispiel die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit und der fehlende Kontakt zu Kolleg*innen bringt soziale und psychische Probleme mit sich. Viele Beschäftigte leiden aber auch unter ihren Vorgesetzten und Arbeitgebenden. Es ist bedauerlicherweise noch viel zu oft der Fall, dass sich Vorgesetzte nur über ihre Kontrollfunktion definieren und ihre Beschäftigten unter Druck setzen, anstatt eine kooperative und gestaltende Funktion einzunehmen. Mobiles Arbeiten führt dann zu einem gefühlten Kontrollverlust, da eine direkte Überwachung der Mitarbeitenden nicht mehr möglich ist. Beschäftigte, die von
 zu Hause aus arbeiten, werden viel zu häufig aufgrund von völlig veralteten Denkmustern und Führungsrollen von ihren Vorgesetzten misstrauisch beäugt. Aber anstatt, dass sich Arbeitgebende und Vorgesetzte auf die voranschreitende Digitalisierung einlassen, offen für neue Erfahrungen sind und ihre eigene Sichtweise anpassen, versuchen sie die alten Muster auch im digitalen Raum aufrecht zu erhalten – mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Die Digitalisierung macht es leichter denn je, Prozesse zu automatisieren und Entscheidungen von Algorithmen treffen zu lassen. Das Personalwesen ist hier keine Ausnahme: mit der Folge, dass eine massive digitale Überwachung von Arbeitnehmenden durch algorithmische Systeme droht.

 

So haben zum Beispiel derzeit digitale Überwachungstools durch die Pandemie Hochkonjunktur und immer mehr Arbeitgebende setzen auf solche Software, um die Leistung ihrer Beschäftigten zu überwachen. Die Funktionen solcher Programme variieren dabei sehr stark. Einige Programme überwachen die Anzahl der Tastaturanschläge oder Mausklicks, andere machen alle zehn Minuten einen Screenshot des Desktops, wieder andere machen regelmäßig Bilder über die Webcam, damit beurteilt werden kann, ob die Beschäftigten am Platz waren. Auch die Ortung der Mitarbeitenden per GPS gehört zur Ausstattung solcher Überwachungssoftware. Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeitenden wird durch eine harte Kontrolle ersetzt. Die gewonnenen Daten dienen aber nicht nur dazu, um zu überprüfen, ob Beschäftigte auch wirklich arbeiten, sie werden ferner von Algorithmen ausgewertet, um dezidierte Produktivitätsdaten über einzelne Beschäftigte zu erhalten. Auf Basis der individuellen Produktivitätsdaten können Unternehmen dann sogenannte „Beschäftigten-Scores“ erstellen, welche von den Arbeitgebenden und Vorgesetzten genutzt werden, um über Beförderungen und höhere Löhne der Beschäftigten zu entscheiden. Aber wie genau ein solcher Algorithmus eine Entscheidung trifft und welche Daten dafür von den Beschäftigten generiert werden, ist häufig unklar.

 

Solche Überwachungsprogramme nutzen häufig aber nicht technische Daten, um über die Produktivität von Beschäftigten zu entscheiden, sondern setzen auch immer öfter auf die gegenseitige Leistungsbewertung der Mitarbeitenden. Ein Beispiel für ein solches Überwachungsprogramm ist „Zonar”. Nach einer von der Hans Böckler Stiftung geförderten Studie, fungiert „Zonar“ dabei als ein großes Bewertungssystem, in dem alle Mitarbeitenden die Leistung von anderen Mitarbeitenden bewerten können. Dabei wird für die bewerteten Beschäftigten aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund und von wem sie bewertet wurden. Dadurch kann das System sehr einfach missbraucht werden, um ungeliebte Kolleg*innen zu bestrafen. Die Software wertet die einzelnen Bewertungen regelmäßig aus und teilt auf Basis dieser Beurteilung die Beschäftigten in Leistungsklassen ein. Die Einteilung erfolgt dabei aufgrund intransparenter Kriterien und wird als ungerecht erfunden. Führungskräfte nutzen diese Einteilung dann, um über höhere Löhne oder Beförderungen zu entscheiden und entgehen so ihrer eigenen Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten. Den meisten Beschäftigten wird eine durchschnittliche Leistung attestiert, was bedeutet, dass die Beschäftigten nur einen Inflationsausgleich für ihr Gehalt bekommen, was einer Lohnstagnation gleichkommt. Nur einige wenige Beschäftigte, die von dem Bewertungssystem als leistungsstark angesehen werden, dürfen aufsteigen. Es wird aber versucht, diese Anzahl so gering wie möglich zu halten. Der Druck auf die Beschäftigten wird dadurch extrem gesteigert. Es werden weder individuelle Arbeitszeiten noch unterschiedliche
Lebensrealitäten bedacht. Nur die Leistung der Beschäftigten zählt. Die Software und die damit einhergehenden Prozessen wurden nach öffentlicher Kritik angepasst. Auch der Name „Zonar“ wird nicht mehr verwendet. Dennoch zeigt die Studie, dass die Anwendung eines solchen Systems in Unternehmen jederzeit denkbar ist. Schlussendlich kommt es durch solche Systeme zu einer Entmenschlichung der Arbeitsbeziehung zwischen Beschäftigten und Führungskräften. Es entstehen Anreizsysteme, in denen Führungskräfte lieber Druck und Angst durch massive Überwachung auf ihre Beschäftigten ausüben, anstatt sie zu fördern und zu befähigen. Als Sozialist*innen dürfen wir dieser maßlosen Ausbeutung von Arbeiter*innen nicht länger zusehen.

 

 Deshalb fordern wir:

  •  Ein Verbot jeglicher Auswertung dienstlicher digitaler Software die die Produktivität der Mitarbeitenden überwacht.
  •  Eine öffentlichkeitswirksame Kampagne des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, welche die Beschäftigten über ihre Rechte im Home Office informiert.“
  •  Die bessere finanzielle und personelle Ausstattung der zuständigen Beauftragten für  Datenschutz, um Rechtsverstöße gegen geltende Datenschutzgesetze schneller zu prüfen“
  •  ein Verbot für die Anwendung von Algorithmen zur individuellen  Leistungsbestimmung von Arbeitnehmenden.

 

Antrag 219/I/2020 Schwerbehindertenausgleichsabgabe gemäß § 160 SGB IX erhöhen

1.10.2020

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundestagsfraktion und der sozialdemokratische Bundesminister für Arbeit und Soziales mögen sich dafür einsetzen, dass die Schwerbehindertenausgleichsabgabe gemäß § 160 SGB IX mindestens verdoppelt wird.

Antrag 213/I/2020 Die Besteuerung von gesetzlicher Rente muss auf den Prüfstand

1.10.2020

Die mit dem Alterseinkünftegesetz 2005 eingeführte Besteuerung von gesetzlichen Renten gehört auf den Prüfstand, um eine verfassungswidrige „Doppelbesteuerung“ auszuschließen.