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Antrag 87/I/2022 Für eine Rückgabe von kolonialer Raubkunst

17.05.2022

Die deutsche Außenpolitik ist noch immer von kolonialen Kontinuitäten geprägt. Erst 2021 erkannte die Bundesregierung die Kolonialverbrechen an den Herero, Damara, San und Nama in Namibia als Völkermord an, wobei nach wie vor keine Entschädigungen an die Hinterbliebenen des Völkermordes an den Herero, Nama, Damara und San gezahlt wurden; die internationalen Beziehungen sind bis heute durch Rassismus, neokolonialistischer Ideologie und weiße Vorherrschaft geprägt. Fehlende Reparationen und Wiedergutmachung sind Symptome davon. Auch der Museumsbesuch erinnert uns an die kolonialen Verbrechen: Bis heute steht dort Raubkunst – und das, obwohl diese meistens explizit von den Regierungen der ehemals kolonisierten Staaten zurückgefordert wird. Dabei ist es für uns unabhängig, ob die Besitzverhältnisse der künstlerischen Objekte sich dabei in den letzten Jahrhunderten auf legalem Wege geändert haben. Für uns bleibt es vielmehr wichtig, wo sie ihren Ursprung haben und wie die Kunstobjekte und oftmals das kulturelle Erbe eines Landes entwendet wurden. So bleibt ursprünglich erworbene Raubkunst für uns nach wie vor Raubkunst, welche in Museen nichts verloren hat.

 

Im Sinne einer dekolonialisierten Außenpolitik, unserer historischen Verantwortung und internationalen Beziehungen auf Augenhöhe, fordern wir, dass eine staatliche Stelle eingerichtet wird, die sich proaktiv mit der Raubkunst, die in deutschen Museen und Archiven zu finden ist auseinandersetzt.  Es soll weitestgehend aufklärt werden, wie die Kunst nach Deutschland gekommen ist und Kontakt zu den beraubten hergestellt werden um ihnen die gestohlene Kunst, sofern betroffene nicht aktiv auf Anspruch verzichte, ausgehändigt.

 

Es reicht nicht aus, ein Recht auf Rückforderung für die Regierungen der ehemals kolonisierten Staaten einzuführen, da dies die Logik der politischen Struktur des Globalen Nordens Akteuren des Globalen Süden aufzwingt. Die Hinterbliebenen der Herero, Nama, Damara und San leben auch heute noch in Armut im eigenen Land. Sie werden auch von den Verhandlungen zur Aufarbeitung ausgeschlossen, welche zwischen der deutschen und der namibischen Regierung geführt werden. Für einen respektvollen Umgang mit den Kulturen und Identitäten der ehemals Kolonisierten muss eine konsequent dekolonisierte Außenpolitik die Umstände und Strukturen in den ehemaligen Kolonien anerkennen und sich um die aktive Rückgabe von Raubkunst an die Beraubten bemühen.

 

Wir fordern alle Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, sich dafür einzusetzen, das Kulturschutzgesetz dahingehend zu konkretisieren. Es darf keine Verjährung geben.

Antrag 88/I/2022 Völkerstrafrecht stärken auf nationaler und internationaler Ebene

17.05.2022

Im Jahr 2022 Jahr feiern wir das 20-jährige Jubiläum des Inkrafttretens des Römischen, Statuts, der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag sowie das Bestehen des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) in Deutschland. Anlässlich dieses Jubiläums, des erfolgreichen Al-Khatib-Verfahrens in Koblenz, weiterer Verbrechen in Syrien sowie der Ukraine und anderswo, sowie des Bekenntnisses im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, die „Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen weltweit zu beenden“ sowie sich für die „Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts einzusetzen“, fordern wir die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dazu auf, Völkerstrafrecht auf nationaler wie internationaler Ebene konkret zu stärken.

 

Auf nationaler Ebene betrifft dies drei zentrale Punkte: das Schließen der Regelungslücken im deutschen Völkerstrafgesetzbuch und die Anpassung an das Römische Statut hinsichtlich der Straftatbestände des Verschwindenlassens sowie der sexualisierten, reproduktiven und geschlechtsbezogenen Gewalt; das Sicherstellen der stärkeren Beteiligung von Betroffenen und des besseren Zugangs der Zivilbevölkerung an Prozessen; und das Stärken der personellen und materiellen Ausstattung der für die Prozesse zuständigen Strafsenate der Oberlandesgerichte und der Generalbundesanwaltschaft sowie das Verbessern der internationalen Zusammenarbeit.

 

Auf internationaler Ebene gilt es, den Internationalen Strafgerichtshof und Beweissicherungsmechanismen zur Aufarbeitung von Straftaten politisch und finanziell umfassend, dauerhaft und nicht nur anlassbezogen, umfassend zu unterstützen.

 

Stärkung des Völkerstrafrechts auf nationaler Ebene

1. Verfolgen des Straftatbestands des Verschwindenlassens:

Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch erkennt den Tatbestand des zwangsweisen Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an (§ 7 I Nr. 7 a) VStGB), formuliert aber eine engere Definition im Vergleich zum Römischen Statut. Dies erschwert oftmals die Nachverfolgung und Verurteilung des Verbrechens, wie zuletzt beim Al-Khatib Verfahren in Koblenz, und muss daher angepasst werden.

 

Daneben muss das Wissen über und die Fähigkeit zur Kontextualisierung des Verbrechens geschärft werden, um entsprechende Ermittlungen und schließlich die Verfolgung zu gewährleisten. Hierfür sind entsprechende Schulungen für Ermittler*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen notwendig.

 

2. Abschaffung geschlechtsbezogener Verzerrungseffekte:

Um eine effektive Verfolgung von sexualisierter, reproduktiver und geschlechtsbezogener Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als Kriegsverbrechen in Deutschland zu ermöglichen, muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, sowohl den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB als auch den des § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB zu reformieren und jedenfalls an die Mindeststandards des Römischen Statuts anzugleichen.

  1. Der Tatbestand der sexuellen Sklaverei und der Auffangtatbestand „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ müssen in die Auflistung der Tathandlungen aufgenommen werden.
  2. Das Tatbestandsmerkmal der erzwungenen Schwangerschaft muss entsprechend der Definition in Art. 7 (2) (f) Römisches Statut erweitert werden. Wer eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält, muss bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen auch dann bestraft werden können, wenn dies in der Absicht geschieht, schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen.
  3. Der dem internationalen Strafrecht fremde Tatbestand der sexuellen Nötigung sollte gestrichen werden.

 

3. Stärkere Beteiligung von Betroffenen an Prozessen:

  1. Um zu gewährleisten, dass die Betroffenen von Völkerstraftaten an Strafverfahren teilnehmen können und die hierfür erforderliche anwaltliche Unterstützung erhalten, müssen Völkerstraftaten nach dem VStGB (§§ 6 – 13) in den in § 395 Abs. 1 StPO (Nebenklagebefugnis) und § 397a Abs. 1 StPO (Rechtsanspruch auf Verfahrensbeistand) enthaltenen Katalog der dort angeführten Straftaten aufgenommen werden.
  2. Die Kommunikation und Dokumentation von Strafverfahren zu Völkerstraftaten muss erheblich verbessert werden, um die weltweite Aufmerksamkeit über derart besondere Verfahren im Sinne des Menschenrechtsschutzes zu erhöhen und Betroffene stärker zu involvieren. So sollte die Außenkommunikation der deutschen Gerichte, etwa von Form von Pressemitteilungen oder soziale Medien, intensiviert und regelmäßig in die jeweilige Sprache der Betroffenen übersetzt werden. Außerdem sollte die Dokumentation durch Betroffene während der Prozesse ermöglicht und Übersetzungsangebote gewährleistet werden.
  3. Daneben muss das Angebot psychosozialer Begleitung der – oftmals schwer traumatisierten Opfer und Zeugen – ausgeweitet werden. Die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung nach § 406g StPO ist aktuell für die in § 397a StPO genannten Straftaten möglich. Dazu zählen die Verbrechen des VStGB nicht. Dies gilt es zu ändern.
  4. Ferner muss der Zeug*innenschutz verbessert werden. Als Vorbild können hier die Mechanismen des IStGH dienen.

 

Ausstattung der deutschen Gerichte verbessern und internationale Kooperation vertiefen

Es ist zu begrüßen, dass die personellen Mittel der Generalbundesanwaltschaft in den letzten Jahren erhöht wurden. Diese Mittel müssen jedoch weiter gestärkt werden. Um die Verfahren erfolgreich durchzuführen, muss insbesondere gewährleistet werden, dass auch die Spezialabteilungen innerhalb der einzelnen Anklagebehörden mit ausreichenden Personalmitteln ausgestattet sind. Im Interesse einer Effizienzsteigerung sollte geprüft werden, ob die Gerichtsbarkeit bei einem Oberlandesgericht gebündelt werden kann, das die Verfahren in Deutschland zentral bearbeitet.

 

Von zentraler Bedeutung für die Ermittlungen der Justizbehörden ist die Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Referat beim Bundeskriminalamt (Referat Völkerstrafrecht-Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV)) und den ZBKV-Ansprechstellen der Landeskriminalämter. Auf eine Stärkung dieser Stellen sollte hingewirkt werden.

 

Den Austausch mit der internationalen Strafgerichtsbarkeit und neuen Beweissicherungsverfahren wie dem von der UN-Generalversammlung geschaffenen IIIM- Mechanismus für Syrien oder dem vom UN-Menschenrechtsrat eingerichteten IIMM für Myanmar muss weiter vertieft werden. Der IIIM und IIMM könnte in einen permanenten Mechanismus umgewandelt werden, der bei Bedarf zur Anwendung käme, um Beweise zu sammeln und schließlich nationale und internationale Strafverfolgungsbemühungen zu unterstützen.

 

Daneben muss die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ausgebaut werden. Innerhalb der EU gilt es, die Kooperation im Rahmen des EU Genocide Networks zu stärken. Bei der Ermittlungszusammenarbeit können die EU-Agenturen, insbesondere Eurojust und Europol, einen wichtigen Beitrag leisten. Die Bundesregierung sollte ferner auf eine gemeinsame Initiative europäischer Staaten zur Stärkung der Strafgerichtsbarkeit sowie auf eine Harmonisierung der nationalen Völkerstraftrechtsansätze innerhalb der EU hinwirken.

 

An das Bündnis gegen Straflosigkeit im Rahmen der Allianz für Multilateralismus gilt es anzuknüpfen und konkrete Initiativen zu entwickeln und umzusetzen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt könnte die Alliance for Democracy sein.

 

Stärkung des Völkerstrafrechts auf internationaler Ebene

Dem Internationalen Strafgerichtshof kommt unverändert eine zentrale Position in der Verfolgung von Völkerstraftaten zu. Es ist dringend notwendig, dass die Bundesregierung an ihrer finanziellen und politischen Unterstützung des IStGH anknüpft und weiter ausbaut sowie andere Staaten kontinuierlich davon überzeugt, dies ebenfalls zu tun. Zudem sind Investitionen, etwa in digitale Technologien, zur zeitgemäßen Verbrechensaufarbeitung unerlässlich geworden. Neben der unzureichenden finanziellen Ausstattung für die große Bandbreite an Verfahren ist ein Grundproblem beim IStGH die fehlende Planungssicherheit des eigenen Personals aufgrund einer relativ kurzfristigen Budgetplanung. Die aktuellen Ermittlungsbemühungen zu den russischen Verbrechen in der Ukraine verdeutlichen die Notwendigkeit, Kapazitäten zur Nutzung, Auswertung und Überprüfung digitaler Informationen zu stärken. Neben der Mittelerhöhung muss die Bundesregierung zugleich auf die konsequente Umsetzung der aktuellen Reformprozesse des IStGH, einschließlich der Reform des Auswahlverfahrens der Richter*innen, drängen.

 

Daneben sollte sich die Bundesregierung weiterhin bilateral und multilateral dafür einsetzen, dass sich weitere Staaten dem IStGH anschließen. Bei zentralen internationalen Akteuren wie den USA als ständigem Mitglied des UN-Sicherheitsrats muss die Bundesregierung ihre Bemühungen fortsetzen, eine Unterstützung der Arbeit des IStGH etwa in Form von Überweisungen von unter das Völkerstrafrecht fallenden Fällen (Kriegsverbrechen, Genozidverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) durch den UN-Sicherheitsrat oder den UN-Menschenrechtsrat an den IStGH oder ein gleichwertiges Ad-hoc-Tribunal sowie durch Unterstützung von Ermittlungen des Chefanklägers des IStGH zu erreichen.

 

Neben der Unterstützung für den IStGH sollte sich Bundesregierung dafür engagieren, internationale Beweissicherungsmechanismen (aktuell für Syrien, Irak, Myanmar) zu stärken und darauf zu drängen, eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen zu gewährleisten.

 

Um die Kriegsverbrechen in Syrien, Jemen und jüngst in der Ukraine zu ahnden, sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, Prozesse entweder durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für den IStGH oder durch Schaffung eines Ad-hoc-Tribunals einzuleiten.

Antrag 111/I/2022 Steuerprivileg für vermietete Immobilien im Privatbesitz beseitigen

17.05.2022

Die SPD setzt sich dafür ein, das Steuerprivileg für vermietete Immobilien im Privatbesitz zu beseitigen.

Antrag 114/I/2022 Wir leben in einer reichen Gesellschaft, lasst uns diesen Reichtum gerecht verteilen – Erben für Alle!

17.05.2022

Vermögen sind in Deutschland extrem ungleich verteilt. Die wenigsten Menschen in Deutschland besitzen überhaupt nennenswerte Vermögenswerte und ein Teil besitzt sogar nur negatives Vermögen, also Schulden. Dagegen besitzt das vermögensreichste Prozent der deutschen Bevölkerung ca. 20 bis 35 Prozent des gesamtdeutschen Vermögens. Und den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung gehören fast 60 Prozent des Gesamtvermögens. Die übrigen 90 Prozent der Bevölkerung müssen sich dann mit 40 Prozent des Vermögens abgeben. Hier hört die extreme Vermögenskonzentration aber nicht auf. Aufgrund der ungleichen Verteilung besitzt die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung nur ca. 2,5 Prozent des Vermögens. Das heißt, dass jede zweite Person in Deutschland über kein nennenswertes Vermögen verfügt.

 

Diese ungleiche Verteilung schlägt sich auch in internationalen Vergleichen nieder. Beim Vergleich der internationalen GINI-Indexe, welche ein Maß der Ungleichheit in einem spezifischen Land angeben, zeigt sich, dass Deutschland sich im oberen Drittel der vermögensungleichen Länder bewegt. Doch wie setzt sich dieses Vermögen zusammen? Auch hier gibt es wieder eine große Ungleichheit zwischen den einzelnen Vermögensgruppen. So hat die untere Hälfte der Vermögensverteilung im Durchschnitt ein Vermögen in Höhe von 11.000 Euro, welches zum größten Teil aus Geldanlagen (z.B. Bargeld und Spareinlagen auf dem Bankkonto) besteht. Danach spielt auch noch das eigene Fahrzeug und Wohneigentum eine Rolle. Je größer das durchschnittliche Vermögen, desto mehr verändern sich die Vermögensbestandteile. So besteht das Vermögen der oberen 25 Prozent vor allem aus Wohneigentum. Hierbei liegt das durchschnittliche Vermögen bei ca. 330.000 Euro. Wenn aber die vermögensreichsten 1,5 Prozent der Bevölkerung mit einem Durchschnittsvermögen von 3,1 Millionen Euro näher betrachtet werden, fällt auf, dass hier vor allem ein weiterer Faktor den Hauptbestandteil des Vermögens ausmacht, nämlich Betriebsvermögen.

 

Vermögensungleichheit hat aber noch andere Dimensionen als die Ungleichheit zwischen den Top 10 Prozent der Bevölkerung und den restlichen 90 Prozent. So ist eine Vermögensbildung vor allem dem männlichen Teil der Bevölkerung vorenthalten. Frauen besitzen hingegen deutlich weniger Vermögen. Auch in heterosexuellen Partner*innenschaften besitzen Männer häufiger den Großteil des Vermögens. Dadurch kommt es oftmals zu Zementierung von veralteten Rollenverteilungen und Machtstrukturen.

 

Diese extrem hohen Vermögen kommen aber nicht aus dem Nichts und sind auch selten selbst erarbeitet. Vielmehr sind sie das Resultat von Erbschaften. Jedes Jahr werden in Deutschland rund 400 Milliarden Euro vererbt. Davon wurden im Jahr 2020 in Deutschland 602 Erbschaften oder Schenkungen von mehr als 10 Millionen Euro getätigt. Im Durchschnitt erbt eine Person im Laufe ihres Lebens rund 85.000 Euro. Das hört sich zwar zuerst nach viel an, aber wie auch schon die Vermögen sind Erbschaften und Schenkungen in Deutschland sehr ungleich verteilt. So erben die unteren 50 Prozent der Einkommensverteilung ca. 32.000 Euro im Schnitt, während die 1 Prozent einkommensstärksten im Schnitt 772.000 Euro erben. So kommt es dazu, dass die oberen 10 Prozent der einkommensstärksten Person ca. 50 Prozent der Gesamterbmasse in Deutschland ausmachen. Ähnlich sieht es auch bei den Vermögensschenkungen aus. Je höher das eigene Einkommen, desto eher werden auch Immobilien und Betriebe der nächsten Generation vermacht.

 

Wirtschaftliche und politische Macht begrenzen!

Hohe Vermögen sind Ausdruck illegitimer wirtschaftlicher Macht. Gesellschaftlich relevante Wirtschaftsgüter und Produktionsmittel werden durch Erbschaften auf Individuen übertragen, ohne dass diese jemals etwas dafür getan haben oder an der Entstehung des geerbten Vermögens beteiligt waren. Kein Vermögen wurde durch ein Individuum allein geschaffen. Es waren immer viele Menschen und die Gesellschaft an der Entstehung beteiligt. Durch die Übertragung der Verfügungs- und Entscheidungsgewalt können die Erb*innen in der Regel frei über das geerbte Vermögen verfügen – und es nach eigenem Gutdünken nutzen. Die Gesellschaft bleibt bei der Entscheidungsfindung außen vor. Diese individuelle wirtschaftliche Macht ist mit unserem Verständnis eines demokratischen Sozialismus nicht vereinbar: Nicht das Individuum sollte über relevante Wirtschaftsgüter und Produktionsmittel entscheiden, sondern die Gesellschaft! Deshalb sollten Erbschaften weitgehend an das demokratische Gemeinwesen – und somit an die Gesellschaft – zurückgegeben werden müssen.

 

Gleichzeitig verfügen Erb*innen über illegitime politische Macht. Durch Erbschaften werden nicht nur üppige Vermögen an die nächste Generation weitergegeben, sondern auch politische Macht. Diese hohe Konzentration von Vermögen entlang familiärer Stammbäume gefährdet unsere Demokratie und läuft den demokratischen Prinzipen zuwider. Die Vererbung von hohen Vermögen geht auf eine Zeit zurück, in der der Adel und der Klerus das gesamte relevante Vermögen besaßen. Feudale Strukturen wollen wir nicht mehr haben! Ein Blick in die USA genügt, um den Zusammenhang zwischen hohen Vermögen und politischer Macht zu verstehen: Amerikanische Milliardär*innen erkaufen sich durch Millionenspenden an politische Kandidierende politischen Einfluss und können ihre wirtschaftliche Macht nutzen, um den öffentlichen Diskurs zu ihren Gunsten zu gestalten. Eine progressive Erbschaftssteuer kann hier korrigierend eingreifen. Sie kann den politischen Einfluss durch hohe Vermögen reduzieren, die politische Ungleichheit senken und gleichzeitig den fairen demokratischen Willensbildungsprozess stärken. Es ist Zeit, wirtschaftliche und politische Machtverhältnisse zu demokratisieren!

 

Jedes Vermögen hat eine Geschichte – aber nicht immer eine positive!

Klaus-Michael Kühne (39,9 Milliarden Euro), Susanne Klatten (29 Milliarden Euro) und Stefan Quandt (23,3 Milliarden Euro) sind drei der fünf reichsten Deutschen und haben neben ihrem unvorstellbaren Vermögen vor allem den Ursprung desselben geerbt. Kühne ist der Erbe eines Logistikunternehmens, das während des dritten Reichs dank bester Verbindungen zu Gestapo die geraubten Besitztümer von vertriebenen und ermordeten Jüd*innen transportierte. Klatten und Quandt, die BMW-Erb*innen, profitieren bis heute von während der NS-Herrschaft durch Zwangsarbeit, Raub und Kriegsprofiten erwirtschafteten Geld. Damit sind sie nur die reichsten Beispiele in einer Erb*innengenerationen, deren Vermögen seinen Ursprung im Nationalsozialismus hat oder im dritten Reich stark vermehrt werden konnte. Auch Kolonialvermögen wird bis heute in den „alten Handelsfamilien“, die am meisten von der Ausbeutung deutscher Kolonien im Kaiserreich profitieren weitervererbt. Sarotti-Schokolade, Familie Wöermann aus Hamburg oder die Erb*innen der Helbig Brennereien sind einige prominente Beispiele, bei denen sich das blutig geraubte Vermögen der Kolonien bis heute auf den Konten der Erb*innen befindet.

Der Blick in den Ursprung vererbten Vermögens und in die deutsche Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, dass dieses Vermögen nicht in den Täter*innenfamilien verbleibt, sondern im besten Fall zurück in die Gesellschaft überführt wird. Unrechtmäßig erworbenes Vermögen darf nicht durch Vererbung und Abwälzung der Schuld auf die vorherigen Generationen legitimiert werden.

 

Chancengleichheitsfonds aufsetzen – Chancengleichheit fördern!

Es ist uns zudem ein Herzensanliegen, die Chancenungleichheiten junger Erwachsene abzubauen. Für diese Chancenungleichheiten ist kein*e junger Erwachsene*r verantwortlich, sondern sie in werden von ihren Eltern weitervererbt. Erbe und Schenkungen sind mitunter die größten finanziellen Starthilfen, die einem jungen Erwachsenen mit auf den Weg gegeben werden können. Denn eine Ausbildung oder ein Studium fällt leichter, wenn man sich nicht zuallererst Gedanken darüber machen muss, ob man sich einen Umzug in eine andere Stadt, die Miete für das WG-Zimmer oder die Lebensunterhaltungskosten während der Ausbildung leisten kann.

 

Wir treten für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen ein, in der die Chancen nicht von der Landeslotterie abhängen. Von ihr profitieren nur sehr wenige Menschen. Jede*r sollte die gleichen Chancen im Leben haben, unabhängig vom Geldbeutel und Netzwerken der Eltern. Wir wollen das Vermögen einiger weniger auf die gesamte Gesellschaft umvererben, um jungen Erwachsenen auf der einen Seite einen finanziellen Boost zum Start ins Leben zu geben und andererseits Ungleichheit fördernde Strukturen zu bekämpfen. Eine Möglichkeit, sie zu bekämpfen bietet ein Grundvermögen für junge Menschen, das wir durch ein Gesellschaftserbe gewährleisten wollen. Dieses würde den GINI-Index in Deutschland um fünf bis sieben Prozent senken. Mit dem Gesellschaftserbe für junge Menschen wird Handlungsspielraum für junge Menschen gewährleistet und Chancengleichheit gefördert.

 

Das Gesellschaftserbe wollen wir über ein Chancengleichheitsfonds für junge Menschen finanzieren. Er soll junge Menschen unterstützen, sich unabhängig der finanziellen Realität ihrer Eltern bestmöglichst persönlich und beruflich entfalten zu können.

 

Das Ziel des Chancengleichheitsfonds ist zweigliedrig:

  • Zum Einem sollen aus dem Großteil des Fonds öffentliche Leistungen und Güter finanziert werden, die im Allgemeinen die Chancengleichheit fördern, wie zum Beispiel Bildungsprojekte, Austauschprogramme, Ausbildungs- und Studienprogramme. Dazu gehört auch der Aufbau einer Infrastruktur im städtischen wie im ländlichen Raum, die jungen Erwachsenen zum Start ihres Studiums oder der Erwerbstätigkeit den Zugang zu ihren Ausbildungsstätten erleichtert. Dies können z.B. Wohnbauprojekte zur preiswerten, ausbildungsnahen Unterbringung sein.
  • Zum Anderen soll allen berechtigten jungen Erwachsenen anlässlich ihres 18. Geburtstags ein Gesellschaftserbe in Höhe von 20.000 Euro ausgezahlt werden. Der Betrag ist nicht zurückzuzahlen und passt sich der Inflationsentwicklung an. Ein gesonderter Antrag muss nicht gestellt werden. Eine Bedarfsprüfung findet nicht statt. Zwar werden so einige das Gesellschaftserbe erhalten, die darauf nicht angewiesen sind. Dies nehmen wir jedoch in Kauf, wenn dafür im Gegenzug sichergestellt ist, dass niemand vom Erhalt ausgeschlossen wird, nur weil er*sie nicht die Ressourcen hatte, um einen Antrag auszufüllen oder ähnliche bürokratische Hürden zu überwinden. Dabei soll das Gemeinschaftserbe nicht zulasten bereits bestehender Sozialleistungen und Unterstützungssysteme, wie z.B. dem BaFöG, gehen. Diese bleiben unverändert bestehen. Neoliberalen Streichungsfantasien, die oft mit Vorschlägen für ein bedingungsloses Grundeinkommen einhergehen, erteilen wir eine klare Absage. Wir müssen als Gesellschaft begreifen, dass eine Investition in die Bildung und die Startchancen von jungen Erwachsenen sich langfristig auszahlt und und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert.

 

Erbschaftssteuer erhöhen – Vermögen gerecht verteilen!

Der Chancengleichheitsfonds  soll durch eine progressive Erbschaftssteuer finanziert werden. Die Erbschaftsteuer belastet den Erbfall, also den Übergang eines Vermögens der verstorbenen Person auf eine bzw. mehrere Personen (Erb*innen). Sie ist von den Erb*innen bzw. der Erb*innengemeinschaft zu entrichten. Neben der Erbschaft, müssen auch das Vermögen von Familienstiftungen, Zweckzuwendungen und Schenkungen unter Lebenden besteuert werden, da andernfalls die Erbschaftsteuer durch eine Schenkung umgangen werden kann, wenn sie dem Erbfall vorausgeht.

 

Erbschaftsteuerpflichtig ist das inländische sowie das ausländische Nettovermögen, d.h. das Vermögen abzüglich bestehender Lasten und Verpflichtungen des Erblassers. Das geerbte Vermögen kann sich je nach Fall unterschiedlich zusammensetzen. Wohingegen bei Erbschaft bzw. Schenkung liquider Mittel wie Bargeld, Liquidität zur Begleichung der Steuerschuld vergleichsweise einfach aus dem Vermögenszugang beschafft werden kann, können diese Mittel zur Steuerzahlung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern, wie zum Beispiel Betriebsvermögen und Immobilien, fehlen. Das möglicherweise Fehlen liquider Mittel zur Begleichung der Steuerschuld wird seit jeher von vielen Neoliberalen und Familienunternehmer*innen als Gefahr für den weiteren Bestand des Betriebes angeführt und emotional medienwirksam gestreut. Dieses Narrativ spiegelt sich im aktuellen Erbschaftsteuerrecht wider: Das Erbschaftsteuerrecht räumt unter bestimmten Voraussetzungen Betriebsvermögen umfangreiche Ausnahmen von der Besteuerung ein. Hier besteht eine ungleiche Besteuerung von Betriebsvermögen und zum Beispiel liquider Mittel im Erbfall oder bei Schenkung. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Grundgesetz, dem Gesetzgeber bereits mehrfach zu einer weitreichenden Reform der Erbschaftsteuer aufgefordert, was bis heute in weiten Teilen nicht erfolgte.

 

Um mehr Erbschaftsteueraufkommen zu generieren, werden Ausnahmen für Betriebsvermögen abgeschafft und schädliche Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel durch die Gründung von Familienstiftungen steuerlich nicht anerkannt.

 

Der einmalige Freibetrag im Leben beträgt eine Million Euro pro Person. Der Freibetrag wird regelmäßig an die Inflationsentwicklung angepasst und gilt für alle Verwandtschaftsgrade und auch für Schenkungen. Er wird um den Betrag gekürzt, den die Person als Gesellschaftserbe bereits erhalten hat (z.B. 1.000.000 – 20.000 Euro = 980.000 Euro). Das geerbte Nettovermögen vermindert um den Freibetrag ist das zu versteuernde Erbvermögen. Das zu versteuernde Erbvermögen unterliegt der Erbschaftssteuer in Höhe von 100 Prozent. Auf Antrag ist eine Stundung der zu zahlenden Erbschaftssteuer für bis zu zehn Jahre möglich. Unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel bei Betriebsvermögen oder später auftretenden finanziellen Schwierigkeiten, wird eine Stundung von bis zu 20 Jahren gestattet. Die gestundete Steuer ist zu verzinsen.

 

Um eine progressive Erbschaftssteuer durchzusetzen, müssen Vermögen transparent und effektiv erfasst werden. Zu diesem Zweck wird ein weltweites Vermögensregister eingerichtet, das alle verfügbaren Quellen des Vermögensbesitzes (z.B. Betriebsvermögen, Firmenanteile, Wertpapiere, Grundstücke, Yachten usw.) erfasst und verknüpft. Hier sollen die wahren Eigentümer*innen des Vermögens erfasst werden. Das Vermögensregister soll auch den Kampf gegen Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung erleichtern. Es soll auch mehr Transparenz über das Vermögen schaffen.

 

Internationale Zusammenarbeit ausbauen!

Noch nie war das Kapital so mobil und global wie heute! Gleichzeitig enden die länderspezifischen Gesetze und die Verwaltungsbefugnisse der Finanzbehörden an den jeweiligen Landesgrenzen – kurzum: Ein leichtes Spiel für Vermögende, um Steuern zu vermeiden und tatsächliche Vermögensverhältnisse zu verschleiern! Es ist an der Zeit, dass auch Steuergesetze und Finanzverwaltungen transnationaler und globaler und internationale Besteuerungsrechte gerechter unter den Ländern verteilt werden! Dazu müssen die Steuerverwaltungen enger zusammenarbeiten und steuerrelevante Informationen austauschen. Die länderspezifischen Steuersysteme müssen weltweit transparenter, gerechter und umfassender harmonisiert werden, um Steuerdumping auf Kosten der Allgemeinheit zu beenden, damit die Vermögenden weltweit ihren gerechten Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Dies erfordert, dass internationale Steuerfragen auf der Ebene der Vereinten Nationen diskutiert und entschieden werden und nicht mehr im Club der reichen Länder wie der OECD, G20 und G7. Sie sind nach den Analysen von Tax Justice Network durch ihre Steuersysteme auch für 99,4 Prozent aller weltweiten Steuerausfälle verantwortlich.

 

Wir leben in einer reichen Gesellschaft, lasst uns diesen Reichtum gerecht verteilen – Erben für Alle!

Wir fordern deshalb die:

  • Einführung einer progressiven Erbschaftssteuer mit einem einmaligen Freibetrag in Höhe von einer Million Euro,
  • Einrichtung eines deutschlandweiten Vermögensregisters, bei dessen Ausgestaltung auf Missbrauchssicherheit geachtet werden muss. Eine europa- sowie weltweite Erweiterung dieses Registers, soll langfristige Perspektive werden,
  • Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit in Steuerangelegenheiten,
  • Stärkung der Finanzverwaltung zur effektiven Bekämpfung von Geldwäsche, Steuervermeidung und -hinterziehung,
  • Einrichtung eines Chancengleichheitsfonds, das aus den Einnahmen der progressiven Erbschaftssteuer finanziert wird,
  • Auszahlung eines jährlich an alle 18-Jährigen auszuzahlenden Gesellschaftserbes in Höhe von 20.000 Euro aus dem Chancengleichheitsfonds und
  • Finanzierung von öffentlichen Gütern und Leistungen, die die allgemeine Chancengleichheit fördern.

 

 

Antrag 115/I/2022 Produktions-und Humanitärkrisen präventiv verhindern I

17.05.2022

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung zur präventiven Eindämmung künftiger globaler Krisen zu einer übergreifenden Strategie auf, die unter anderem die folgenden Maßnahmen beinhaltet:

  • Weitere Etat-Aufstockung des UN-Welternährungsprogramm (WFP) und eine zusätzliche Finanzmittelausstattung für humanitäre Hilfe durch das Bundesentwicklungsministerium
  • Finanzielle Unterstützung der Ukraine zur Aufrechterhaltung bzw. zum Wiederaufbau der heimischen Getreideproduktion durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • Bereitstellung dieser zusätzlichen Finanzmittel für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durch das Bundesministerium der Finanzen.
  • Das Einsetzen des Auswärtigen Amtes bei starken agrarproduzierenden Ländern (z.B. USA, Argentinien, China) zur Verfügungstellung weiterer Ernteerträge für das WFP zur direkten Linderung möglicher Versorgungskrisen und präventiven Verhinderung von Spekulationsblasen