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Antrag 103/II/2022 Klimawandel als Fluchtursache anerkennen!

10.10.2022

Bereits 1990 wurde vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) festgestellt, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels im besonderen Maß auf die Migration von Menschen auswirken könnte. 30 Jahre später findet sich das Wort ‘Migration’ fast 2000-mal und das Wort ‘Verdrängung’ über 400-mal im sechsten IPCC-Report wieder. In diesem Zeitraum gab es in Bezug auf Lösungsstrategien zu klimabedingter Migration kaum Fortschritte, und das, obwohl die Wissenschaft uns eine nahende Krise vorhersagt. Laut Studien kann es bereits im Jahre 2050 bis 200 Millionen Migrant*innen geben, deren Grund für die Flucht der Klimawandel ist. Auch wenn große Teile dieser Migrant*Innen sich vorerst innerhalb ihres Herkunftslandes bewegen, können wir nicht unsere Augen vor der Tatsache verschließen, dass in den in den kommenden Jahrzehnten viele Menschen gezwungen sein werden, vor den Folgen des Klimawandels zu fliehen, auch nach Deutschland.

 

Wichtig ist es daher, bereits jetzt schon ein rechtliches Konstrukt zu schaffen, das diese durch den Klimawandel bedingte Migration so regelt, dass die Interessen der Migrant*innen und des Ziellandes angemessen berücksichtigt und ausgleicht. Nur so können Konflikte frühzeitig vermieden und eine gute Lösung für alle gefunden und durchgesetzt werden.

 

Denn auch wenn sich einige Folgen des Klimawandels, wie steigender Meeresspiegel, erodierende Landmassen, steigende Trockenperioden und ähnliches, zumindest vage abschätzen lassen, so sind beispielsweise extreme Wetterereignisse wie Stürme und Überflutungen unberechenbar und können in kürzester Zeit viele Menschen ihr Zuhause kosten.

 

Aus diesem Grund erachten wir es als unerlässlich, bereits jetzt an Lösungsstrategien zu arbeiten und nicht zu warten, bis wir mit diesen Problemen konfrontiert sind.

 

Wir fordern daher:

 

  • Die Erarbeitung eines Migrationskonzepts, das konkrete rechtliche Regelungen enthält für Menschen, die aufgrund des Klimawandels ihr Heimatland verlassen, insbesondere mit Blick auf einen möglichen Anspruch auf Aufnahme und die damit verbundenen Rechte.
  • Eine sichere und langfristige Bleibeperspektive für die betroffenen Personen.
  • Die Auswirkungen der Klimakatastrophe sind rechtlich generell als Fluchtgrund anzuerkennen.
  • Etablierung von sicheren Fluchtkorridoren, wenn es zu Fluchtbewegungen aufgrund des Klimawandels kommt.

Antrag 84/II/2022 Zwischen „Solidaritätsmechanismus“ und systematischer Haft an den europäischen Außengrenzen

10.10.2022

Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket („New Pact on Migration and Asylum“) der Europäischen Kommission vom September 2020 sollte eine Weichenstellung für die Reformbemühungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gelegt werden. In der offiziellen Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23. September 2020 hieß es damals, man würde mit dem Paket verbesserte und schnelle Verfahren festlegen und ein Gleichgewicht zwischen den Grundsätzen der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten und der Solidarität schaffen.

 

Heute, knapp zwei Jahre später, lässt sich kein „Meilenstein“ in der europäischen Asylpolitik verzeichnen, wir können weder von einem solchen Gleichgewicht sprechen, noch können wir der europäischen Asyl- und Migrationspolitik einen schlichten Fortschritt attestieren. Denn im Juni 2022 fand der Rat der Europäischen Union  eine Einigung zu einigen Legislativvorschlägen des Reformpakets: Die EU-Innenminister*innen einigten sich auf eine gemeinsame Position zur Screening-Verordnung und zur EURODAC-Verordnung, sowie auf die Etablierung eines freiwilligen Solidaritätsmechanismus und auf eine Reform des Schengener Grenzkodex. Die EURODAC- und SCREENING-Verordnung sind sogenannte Grenzmanagement-Instrumente. Dabei regelt die EURODAC-Verordnung den Fingerabdruckvergleich von Asylsuchenden, Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen. Ziel dieser Verordnung ist, durch einen Datenabgleich irreguläre Fluchtbewegungen in der EU besser überwachen und verhindern zu können. Mit dem Vorschlag zu einer Screening-Verordnung sollen Drittstaatsangehörige an den EU-Außengrenzen einem Screening unterzogen werden, mit dem ein Identifikationsverfahren sowie Gesundheits- und Sicherheitschecks durchgeführt werden. Im Anschluss soll dann geklärt werden, ob die Betroffenen dem gängigen Asylverfahren oder dem Asylgrenzverfahren auf Basis der Asylverfahrensverordnung zugeteilt werden. Der Schengener Grenzkodex wiederum umfasst Bestimmungen für Personenkontrollen an den Außengrenzen der EU-Staaten, der mit den Reformvorschlägen diese Außengrenzen besser stärken und schützen soll. Und letztlich wurde mit dem Solidaritätsmechanismus ein Instrument etabliert, mit dem Mitgliedstaaten entlastet werden sollen, die besonders von Migrationsbewegungen betroffen sind. Der Mechanismus sieht ein Umsiedlungsprogramm vor, mit dem Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilt werden sollen oder aber auch die finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten, die am stärksten von den Fluchtbewegungen betroffen sind und dessen Asylsystem damit am stärksten belastet wird Medial wird dabei zutreffend festgestellt, dass dieser “Schwung” und diese zügigen Entwicklungen maßgeblich auf dem Druck der französischen Ratspräsidentschaft beruhen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Reformvorschläge der Kommission voranzutreiben, um diese als eigenen Erfolg innerhalb ihrer Amtszeit zu proklamieren.

 

Dabei begrüßen wir zunächst die Etablierung eines Solidaritätsmechanismus, welcher nun eine erste neue Perspektive nach einer jahrelangen Blockade bezüglich der Bemühungen um einen proportionalen und gerechten Verteilungsschlüssel darstellt. Ein solcher Mechanismus ist vor allem vor dem Hintergrund des defizitären, bisher geltenden Dublin-Systems dringend erforderlich, der zu einer übermäßigen Belastung europäischer Grenzstaaten geführt hat und unsolidarische Effekte begünstigte, von denen vor allem die Staaten im inneren Kern der EU profitieren konnten und die südlichen Mitgliedstaaten belastet wurden. Denn nach dem Dublin-System muss sich der EU-Staat, über den ein*e Schutzsuchende*r in die EU eingereist ist, für diese Person verantworten und es ihm*ihr gewähren, einen Asylantrag zu stellen. Daher stehen Mitgliedsstaaten, die die Außengrenze der EU bilden, öfter in der Verantwortung. Entsprechend haben sie einen höheren Anreiz, das Betreten des eigenen Hoheitsgebiets durch Asylsuchende zu verhindern. Jetzt können Ersteinreisestaaten für die Dauer von einem Jahr durch verschiedene Solidaritätsbeiträge anderer Mitgliedstaaten entlastet werden.

 

Hingegen lassen die übrigen Reformvorschläge jegliche Vernunft vermissen: Denn anstatt aus den bisherigen Fehlern des europäischen Asylsystems zu lernen und Lehren aus den menschenunwürdigen Zuständen im Geflüchtetencamp Moria zu ziehen, lassen die Reformvorschläge der Kommission und die Entwicklungen im Rat erkennen, dass das bisherige Asyl- und Migrationssystem gescheitert ist. Die einstigen Grundwerte der europäischen Union, wie die Achtung der Menschenwürde, werden bereits von dem bisherigen Asylrechtssystem jeden Tag verletzt und werden es mit der anstehenden Reform auch in Zukunft.

 

Denn mit Blick auf die Screening-Verordnung sind Gesundheits- und Sicherheitschecks zwar wichtig, aber: Im Asylgrenzverfahren wird die Nicht-Einreise der Schutzsuchenden „fingiert“. Das bedeutet, obwohl sich der*die Schutzsuchende also möglicherweise bereits im Hoheitsgebiet der EU und eines Mitgliedstaats befindet, wird dies durch die Verordnung in rechtlicher Hinsicht verneint. Damit gelten zwar trotzdem europäisches und internationales Recht sowie das Recht des Mitgliedsstaats. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten die Weiterreise von Schutzsuchenden verhindern werden und damit in ihre Bewegungsfreiheit eingreifen.

 

Ziel hier ist zweifelsohne, die erneute Stellung eines Asylantrags in einem weiteren EU-Land innerhalb der EU zu vermeiden und Betroffene daran zu hindern, in die EU zu gelangen und andere Mitgliedstaaten aufzusuchen. Denn es steht bereits seit geraumer Zeit fest, dass Asylsuchende innerhalb der EU nicht gleich behandelt werden und die Erfolgsaussichten eines Asylantrags erheblich zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten schwanken.

 

Fest steht auch: Um diese Weiterreise in andere EU-Mitgliedstaaten zu verhindern, wird man nicht darum herumkommen, schutzsuchende Personen in Ihren Unterkünften festzuhalten. Damit würden ohnehin vulnerable und traumatisierte Personen Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen ausgesetzt, die mehrere Monate andauern können und systematische Haftzustände begründen würden, denn das Asylgrenzverfahren kann bis zu zwölf Wochen andauern und im Falle eines ablehnenden Bescheids würde sich ein Rückführungsgrenzverfahren anschließen, das seinerseits wiederum zwölf Wochen umfassen kann.

 

Besonders fatal ist dabei, dass gegen die Zuteilung zum Asyl- oder Asylgrenzverfahren kein Rechtsweg vorgesehen ist und die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen dazu verpflichtet werden, das Asylgrenzverfahren zu wählen. Zu diesen Fällen gehören beispielsweise Schutzsuchende aus einem Drittstaat, dessen Anerkennungsquote unter 20% liegt.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeit, rechtlich gegen einen Ablehnungsbescheid vorzugehen, nur auf eine Instanz begrenzt ist, also nur von einer „Prüfstelle“ kontrolliert wird. Normalerweise sind dafür jedoch mehrere Ebenen vorgesehen, wie beispielsweise ein erster Widerspruch und dann die stufenweise Weitergabe an das nächsthöhere Gericht. Daneben ist es auch nicht vertretbar, dass die Entscheidung keine aufschiebende Wirkung haben soll. Im deutschen Recht ist es in den meisten Fällen so, dass mit einem Widerspruch die Wirkung und angeordnete Folge durch eine Behörde „aufgeschoben“, also pausiert wird. Davon kann in bestimmten Fällen und Konstellationen abgewichen werden. Im konkreten Fall würde ein negativer Bescheid die Rechtsfolge mit sich bringen, dass der*die Asylsuchende zum Beispiel dem Rückführungsverfahren zugeteilt wird, weil kein Asyl gewährt wird. Legt der*die Asylsuchende dagegen Widerspruch ein, so würde er*sie trotzdem dem Rückführungsverfahren zugeordnet werden können, weil der Widerspruch die Wirkung des Bescheids nicht pausiert. Allein dies stellt bereits einen massiven Bruch mit jeglichem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit dar. Auch die Bereitstellung von Informationen während des Screening-Verfahrens als entscheidender erster Ansatzpunkt zur Ermittlung aller relevanten Umstände wird durch den bisherigen Vorschlag nicht ausreichend gewährleistet: So sieht die Screening-Verordnung vor, dass Schutzsuchende “kurz” über den Zweck des Screenings informiert werden. Es werden zudem nur “gegebenenfalls” wesentliche Informationen zu Einreisebestimmungen und Verfahren bereitgestellt und Mitgliedstaaten “können” nationalen, internationalen oder nichtstaatlichen Organisationen und Stellen gestatten, den Schutzsuchenden im Verfahren Informationen zu erteilen, was einen unangemessen und völlig deplatzierten Ermessensspielraum einräumt, die der Tragweite eines solchen Verfahrens und dessen Bedeutung für die Erfolgsaussichten eines Asylgesuches in keinster Weise gerecht werden!

 

Die ohnehin durch die Asylverfahrensverordnung und durch die Screening-Verordnung erwachsenden Aushöhlungen für das Recht auf Asyl werden dabei durch die Vorschläge für eine Krisenverordnung verschärft: Denn in bestimmten Fällen sollen Mitgliedstaaten von den Regelungen des Reformpaketes abweichen können. Während zum Beispiel vorher ein Asylgrenzverfahren für Geflüchtete verpflichtend werden sollte, die eine Anerkennungsquote unter 20 % haben, können diese Grenzverfahren auch auf Schutzsuchende ausgeweitet werden die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von bis zu 75 % kommen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Mitgliedstaat mit „höherer Gewalt“ oder eine hohe Zahl von Schutzsuchenden konfrontiert ist. Daneben soll es den Mitgliedstaaten auch möglich sein, Verfahrens-, Registrierungs- und Zuständigkeitsfristen massiv zu verlängern, was unweigerlich zu einer Verlängerung von massiven und vor allem unverhältnismäßigen Freiheitsentziehungen in Haftlagern an den EU-Außengrenzen führen wird. Die noch geltende Dublin-III-Verordnung, die das Prinzip der Ersteinreise für Asylsuchende festlegt, soll durch die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung abgelöst werden. Es wird jedoch weiterhin am Prinzip der Ersteinreise festgehalten und der effektive Rechtsschutz von Asylsuchenden wird weiter ausgehöhlt, indem gerichtliche Überprüfungen von Menschenrechtsverstößen sich lediglich auf einen Verstoß gegen das Folterverbot und das Verbot unmenschlicher Behandlungen beschränken.  Zudem soll die Dublin-Haft, also die Inhaftierung einer Person in einem Dublin-Verfahren, zur Rücküberstellung der*des Schutzsuchenden künftig unter einfacheren Voraussetzungen angewandt werden können.

 

Mit dem Vorschlag für eine Reform des Schengener Grenzkodex werden weiterhin Regelungen im Falle einer Instrumentalisierung von Migration etabliert, mit denen der Schengenraum widerstandsfähiger gemacht werden soll. So soll es im Falle von Situationen, in denen ein Drittstaat oder nichtstaatlicher Akteur zur Destabilisierung der EU Fluchtbewegungen von Schutzsuchenden an die EU-Außengrenzen oder in einen Mitgliedstaat erleichtert oder vorantreibt, möglich sein, Grenzkontrollen von bis zu sechs Monaten einzuführen. Dies stellt nicht nur eine weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl dar, sondern ein eklatanter Bruch mit dem völkerrechtlichen Non-Refoulment-Prinzip: Nach diesem Prinzip ist es verboten, Schutzsuchende auszuweisen oder abzuschieben, wenn ihnen im Zielland Folter, schwere Menschenrechtsverletzungen oder unmenschliche Behandlungen drohen könnten.

 

Insgesamt ist dabei festzuhalten, dass durch die geplante Asylverfahrensverordnung in Verbindung mit der vom Rat gebilligten Screening-Verordnung Schutzsuchende bereits dann in die Gefahr einer systematischen Haft gelangen, weil sie internationalen Schutz beantragen. Dabei werden Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen abstrakt geregelt, es wird weder eine Angemessenheits- oder Einzelfallprüfung vorgesehen, noch wurden alternative wirksame Möglichkeiten aufgenommen oder in Erwägung gezogen, um den Umgang mit Schutzsuchenden während eines Grenzverfahrens nach dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit zu regeln. Denn die nahtlose Verzahnung von Asyl- und Rückführungsverfahren kommt einzig und allein jenen Mitgliedstaaten zugute, die Migrationsbewegungen kriminalisieren und bereits in der Vergangenheit gezeigt haben, dass Menschen- und Grundrechte im Umgang mit Schutzsuchenden nicht von oberster Priorität sind. Freiheitsentziehungen sollten jedoch stets nur ultima ratio sein und auch nur, wenn dies erforderlich und angemessen ist, nicht jedoch das aktuelle Mittel zum Zweck, um ein gescheitertes Asylsystem zu retten! Bei alledem soll auch lediglich im Rahmen des Screening-Verfahrens ein Monitoring-Mechanismus durch die einzelnen Mitgliedstaaten etabliert werden, der Grundrechtsverstöße untersuchen soll und aufgrund seiner Begrenzung völlig ineffektiv bleiben würde. Die gute Nachricht ist, dass die Screening-Verordnung einen Monitoring-Mechanismus während des Screening-Verfahrens vorsieht, der durch die Mitgliedstaaten angewandt werden soll. Mit diesem Mechanismus sollen Grundrechtsverstöße untersucht werden. Dadurch, dass dieser Mechanismus allerdings nur für das Screening und eben nicht für das Asylgrenzverfahren oder Rückführungsverfahren vorgesehen ist, würde er völlig ineffektiv bleiben! Denn die Gefahr von Grundrechtsverstößen in Form von beispielsweise illegalen Push-Backs oder anderen menschenunwürdigen Behandlungen finden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Rahmen eines Screening-Verfahrens sondern eher in den geplanten Asylgrenz- und Rückführungsverfahren statt.

 

Klar wird dabei also insbesondere vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Krisen-Verordnung und der Reform des Schengener Grenzkodex: Mit den Vorschlägen wird der Fokus auf Abschreckung und Grenzsicherung gesetzt, statt sich mit einer menschenrechtskonformen Ausgestaltung des Asyl- und Migrationssystems zu befassen! Das Ersuchen von internationalem Schutz und Asyl wird kriminalisiert und die Gründe dafür sind klar: Bisher konnten keine Regelungen zur Reform des GEAS getroffen werden, mit denen die Probleme des herrschenden Dublin-Systems und die ungerechten Lastenteilungen behoben werden konnten. Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten nehmen am “race to the bottom” teil, bei dem ein Wettbewerb um die möglichst schlechtesten Bedingungen für Asylsuchende gefahren wird.

 

Wir sind empört über die geplanten Vorhaben zur Reform des GEAS und den damit einhergehenden, eklatanten Bruch sämtlicher rechtsstaatlicher und menschen- sowie grundrechtlicher Wertungen und stellen uns entschieden gegen die Reformvorschläge der Kommission! Es kann nicht sein, dass die Fehler und Versäumnisse in der bisherigen Asyl- und Migrationspolitik nun auf den Rücken unschuldiger, schutzsuchender Menschen ausgetragen und Rechtsgrundlagen etabliert werden, die nichts weiter tun, als eine Politik der Abschottung weiterzuführen und eine Festung Europa 2.0 zu schaffen. Die geplanten Verordnungen könnten außerdem in einem akuten Spannungsverhältnis mit der EU-Grundrechte-Charta stehen und sie gehen von einem einheitlichen Verständnis von Asyl und Rechtsstaatlichkeit in der EU aus, das schlichtweg nicht existiert.

 

So soll es nun weitergehen: Im März 2022 einigte sich der Rat Justiz und Inneres auf einen schrittweisen Ansatz, nach dem zunächst erst gewisse Fortschritte in einzelnen Bereichen des Reformpaketes erzielt werden sollen. Das Europäische Parlament wird sich mit den Vorschlägen erst im Herbst 2022 befassen und unter einigen Parlamentarier*innen wird ein Paketansatz nach dem Motto “Ganz oder gar nicht“ angestrebt, mit dem das gesamte Verfahren entschleunigt werden kann. Deshalb muss nun der politische Druck sowohl auf das Europäische Parlament, auf die deutsche Innenministerin als auch auf die nun folgende tschechische Ratspräsidentschaft erhöht werden, um die Reformvorhaben des GEAS zu stoppen. Denn aus einem Joint Roadmap der europäischen Mitgesetzgeber*innen geht hervor, dass die Umsetzung der GEAS-Reform oberste Priorität genießt und eine Einigung und der Abschluss vor Ende der Legislaturperiode 2019-2024 anvisiert wird. Das gilt es zu verhindern.

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Regierungen in den Europäischen Mitgliedsstaaten, die sozialdemokratischen Fraktionen in den nationalen Parlamenten der Europäischen Mitgliedsstaaten sowie die sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament auf:

 

  1. die Verabschiedung des Reformpakets entschieden zu verhindern
  2. vor diesem Hintergrund sich im Europäischen Parlament explizit gegen die Verabschiedung der Screening-Verordnung zu stellen, da diese durch die Fiktion der Nichteinreise und als Vorschaltung zu etwaigen Asylgrenz- und Rückführungsverfahren als Einfallstor für die weiteren Reformvorschläge fungiert
  3. sich im Rat gegen die Asylverfahrens-Verordnung, die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung und die Krisen-Verordnung in ihrer aktuellen Form zu stellen, zu denen noch keine Verhandlungsmandate im Rat der Europäischen Union existieren
  4. sich an die umfassenden Menschen- und Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta zu erinnern und ihren Auftrag im Rahmen ihrer Rolle bei der Erarbeitung einer Reform des GEAS entsprechend dieser Rechte und Wertungen zu überdenken
  5. sich im Rahmen weiterer Verhandlungen zur Reform des GEAS insgesamt entschlossen gegen Außengrenzverfahren und Verfahrensregeln einzusetzen, die zu de facto Haftlagern an den europäischen Außengrenzen führen würden
  6. sich im Rahmen weiterer Verhandlung primär für eine solidarische und wirksame Entlastung der Ersteinreisestaaten einzusetzen, die das Recht auf Asyl wahren und menschenwürdige Behandlungen sowie das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten
  7. sich im Rahmen weiterer Verhandlungen analog dazu gegen eine Auslagerung der EU-Migrationspolitik einzusetzen, die unweigerlich zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen führen würde
  8. den etablierten freiwilligen Solidaritätsmechanismus zeitlich weiter auszubauen und hinsichtlich der beteiligten Mitgliedstaaten und Solidaritätsbeiträge auszuweiten sowie zu intensivieren, sodass Ersteinreisestaaten entlastet werden können und der politische Druck von Hardliner-Staaten in der europäischen Asylpolitik nicht mehr richtungsweisend wirkt
  9. sich an Stelle einer Kriminalisierung von Schutzsuchenden und unter Strafe stellen von Flucht für die Etablierung und den Ausbau sicherer und legaler Einreisemöglichkeiten von Schutzsuchenden einzusetzen
  10. sich für eine menschenrechtsorientierte Reform des GEAS einzusetzen, mittels welcher migrationsbezogene Haftzustände in jedem Bereich abgeschafft werden können, wirksame Alternativen bereitgestellt werden und das Asylsystem funktional statt auf Abschottung und Abschreckung auf Solidarität und Verantwortung hinsichtlich der Schutzsuchenden setzen kann
  11. sich für einen, auf jeden Bereich des GEAS anzuwendenden, umfangreichen europäischen Monitoring-Mechanismus für die Beobachtung und Ahndung von Grundrechtsverletzungen einzusetzen, statt diese Verantwortung den Mitgliedstaaten zu überlassen, die in der Vergangenheit klar gezeigt haben, dass ihr Bekenntnis zu der Achtung von Grundrechten nicht vollumfänglich und ohne Vorbehalt gilt und zwangsläufig nur zu uneinheitlichen Schutzstandards und verwaschenen Rechenschaftspflichten führen würde.
  12. sich im Fall, dass die Pläne nicht auf politischem Wege verhinderbar sind, dafür einzusetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof Nichtigkeitsklage gegen die im Rahmen des Reformpakets erlassenen Regeln erhebt.

 

Es bleibt unser Ziel, dass alle geflüchteten Menschen, die nach Europa fliehen, in einem Land ihrer Wahl aufgenommen werden, ohne bürokratische oder weitere Drangsalierung. Statt einer „Festung Europa“ die bereits tausende Tode zur Folge hatte, und unvertretbare Zustände in Camps wie Moria hervorbringt, brauchen wir endlich sichere Fluchtrouten und ein wirkliches, europaweit geltendes Recht auf Asyl. Dies ist mit dem aktuellen Asylsystems sowie dem Handeln der europäischen Grenzpolizei Frontex und dem vorliegenden Reformvorschlag unvereinbar.

Antrag 99/II/2022 Afghanistan im Anbruch des neuen Jahrzehnts – alte Fehler und Versäumnisse nicht wiederholen

10.10.2022

Die Lage in Afghanistan bleibt rund zwölf Monate nach dem gewaltsamen Putsch durch die Taliban unhaltbar. Nach wie vor häufen sich beinahe täglich Berichte über die Misshandlung und Marginalisierung von Minderheiten und insbesondere der stetigen Drangsalierung von Frauen und Mädchen. Auch die humanitäre Lage bleibt unverändert dramatisch.

 

Nach Einschätzungen der Vereinten Nationen soll knapp die Hälfte der afghanischen Bevölkerung akuten Hungersnöten ausgesetzt sein. Zwar konnte eine flächendeckende Hungersnot im Winter dank internationaler Anstrengungen noch abgewendet werden; das jüngste Erdbeben erfordert jedoch erneut internationale Aufmerksamkeit.

 

Am 22. Juni 2022 wurde der Südosten Afghanistans von einem schweren Erdbeben erschüttert, welches bislang mehr als 1000 Todesopfer forderte. Dieses Erdbeben hat die ohnehin offensichtliche Verwundbarkeit der afghanischen Bevölkerung einmal mehr schonungslos offengelegt. So ist der ohnehin nicht endende Bedarf an Hilfsgütern umso dringlicher geworden. Insbesondere die Versorgung gestaltet sich als äußerst schwierig, da der Südosten Afghanistans zu großen Teilen schwer begehbares Gebirge ist, welches häufig nur aus der Luft gut und vor allem schnell zu erreichen ist. Afghanistan kann die Folgen dieses schweren Erdbebens nicht allein stemmen.

 

Wir erkennen an, dass die mehr als prekäre Lage in Afghanistan gesonderter Aufmerksamkeit und Anstrengung bedarf.

 

Trotz bis heute andauernder bewaffneter Auseinandersetzungen, gilt es als sicher, dass die Taliban als Pseudo-Kollektiv am ehesten „Staatsgewalt“ ausüben – sie kontrollieren de facto überwiegende Teile des Landes.

 

Diese bittere Realität ist nicht zu leugnen.

 

Anerkennend dieses Status quos hat das Auswärtige Amt in Bezug auf ihre Afghanistan Politik die Doktrin einer „Gratwanderung“ angenommen. Diese Gratwanderung hat das Ziel, das humanitäre Leid der afghanischen Bevölkerung vor Ort zu lindern, Fluchtkorridore insbesondere, aber nicht ausschließlich für Ortskräfte auszubauen und zu erweitern und vor allem Rechte von Minderheiten, Frauen und Kindern zu schützen.

 

All dies ist kaum möglich, ohne die Taliban in irgendeiner Form zu involvieren. Gerade in den entlegenen Gebieten Afghanistans, wo das Leid oft am größten ist, ist der Einfluss der Taliban am ausgeprägtesten.

 

Für uns steht gleichzeitig jedoch fest, dass Verhandlungen mit den Taliban zum einen nicht mit der Anerkennung als legitime Regierung Afghanistans einhergehen und zum anderen ausschließlich zu humanitären Zwecken und nur unter Einhaltung von Bedingungen möglich sind. Diesem Anspruch sind durch die schwierige Lage vor Ort in Afghanistan viele Hürden gesetzt, insbesondere gestaltet sich eine unerlässliche Kontrolle der Einhaltung von Bedingungen als sehr schwierig.  Helfen können hier vor allem die Vereinten Nationen, die schon länger in Kontakt mit den Taliban stehen und als eine der wenigen überstaatlichen Organisationen seit August 2021 ununterbrochen in Afghanistan präsent sind.  Aus diesem Grund muss primär über die Vereinten Nationen Hilfe erfolgen, aber auch bei Hilfe auf bilateraler Ebene die Vereinten Nationen involviert werden. Letztlich ist es langfristig unausweichlich einen internationalen Hilfsmechanismus zu schaffen, der im Zusammenspiel von Vereinten Nationen und Taliban die internationale Hilfe für Afghanistan koordiniert. An solch einem Mechanismus sollte sich Deutschland beteiligen bzw. ihn anregen.

 

Die Kernbedingungen sind:

 

  • Der uneingeschränkte Zugang zu Bildung unabhängig vom Geschlecht ist nicht verhandelbar.
  • Die versprochene Amnestie für ehemalige Regierungstruppen der Afghanischen Republik ist zu wahren.
  • Ethnische und religiöse Minderheiten haben ihren jahrhundertealten Platz in Afghanistan, ihre Rechte gilt es zu schützen und zu wahren. Nichtsdestotrotz sehen wir als Kernbedingung die Wahrung und Einhaltung aller Menschenrechte.
  • Dass sichere Fluchtrouten und -bedingungen für alle Afghan*innen gewährleistet und geleistet werden können.
  • Politische Tötungen dürfen nicht stattfinden.

 

Diese Bedingungen sollten Grundlage jeglicher potentiellen Verhandlungen mit den Taliban bilden. Sie sind weder verhandel- oder komprimierbar und ihre Einhaltung muss in regelmäßigen Abständen systematisch überprüft werden. Im Lichte dieser Ergebnisse und der Lage der afghanischen Bevölkerung muss die Strategie der Vereinten Nationen und Deutschlands zeitnah neu evaluiert werden.

 

Der Komplex Afghanistan mit seiner geostrategisch wichtigen Lage in Zentralasien ist kaum zu begreifen, ohne regional- und geopolitische Realitäten und Erwägungen zu erfassen.

 

So gilt es als erwiesen, dass die Taliban zum Militär und Geheimdienst Pakistans, welches häufig als ein „Staat im Staate“ innerhalb Pakistans fungiert, ein ambivalentes Verhältnis pflegt. Noch zur Zeit der Anfänge der Afghanischen Republik in den 2000ern, fanden im Osten des Landes regelmäßig Gefechte zwischen Regierungstruppen und den zerstreuten Taliban statt, bis die Taliban sich sukzessiv konsolidieren konnten und von Osten aus ihre Einflusszone ausbauen konnten. Expert*innen und Experten sind sich einig, dass die Taliban ohne einen sicheren Hafen, sowie logistischer und taktischer Unterstützung durch einen Drittstaat kaum in der Lage gewesen wären, so kontinuierlich die Afghanische Republik zu erodieren. Diese Unterstützung erhielten sie erwiesenermaßen vom pakistanischen Militär bzw. Geheimdienst. Das strategische Kalkül, welches hinter der Unterstützung der Taliban durch pakistanische Militärs bzw. den Geheimdienst steht, ist die Rivalität zu Indien – das traditionell enge Beziehungen zu Afghanistan pflegt. Das komplexe Verhältnis zwischen den Taliban und den pakistanischen Militärs wird dadurch unterstrichen, dass kurz nach der Machtübernahme durch die Taliban, der damalige Direktor des pakistanischen Geheimdienstes sich in Afghanistan einfand.  Auch für China und Russland ist das bodenschatzreiche Afghanistan ein Fokus ihrer jeweiligen Regionalpolitik, sei es, um die kontroverse Seidenstraßeninitiative zu erweitern oder um Nadelstiche gegen den geopolitischen Westen zu setzen. Ihre Anerkennung der Taliban als legitime Regierung Afghanistans muss Deutschland bilateral infrage stellen und entgegenwirken.

 

In diesem vielschichtigen Geflecht bleibt das Opfer stets das Gleiche, die afghanische Bevölkerung.

 

Frauen und Mädchen, die rund die Hälfte der afghanischen Bevölkerung ausmachen, leiden bisher am meisten unter den drakonischen Repressionen der Taliban.  Entgegen den Versprechungen der Taliban in Doha, ist der Zugang zu Bildung für Frauen und Mädchen nicht gewährleistet – im Gegenteil – immer wieder wird berichtet, wie Mädchen und Frauen der Zugang zu Bildung verwehrt wird.  Der uneingeschränkte Zugang zu Bildung bleibt eine für uns unverhandelbare Kernforderung.

 

Trotz aller Defizite der gefallenen Afghanischen Republik, wuchs in ihrer Zeit eine junge und qualifizierte Generation heran, die wider dem Elend des Krieges, relative Freiheit und relative Liberalität erfuhr. In der jungen Afghanischen Republik gelang es Frauen und Mädchen eigenständig einen geachteten Platz in der Gesellschaft zu erringen.

 

Dieser einst hoffnungsvollen jungen Generation von Afghan*innen sind wir verpflichtet.

 

Afghanistan widerfuhr bereits einmal eine Schreckensherrschaft durch die Taliban. Die EU und die USA dürfen die Fehler der 90er Jahre nicht wiederholen und Afghanistan seinem eigenen Schicksal überlassen. Gleichzeitig ist es unabdingbar den Taliban deutlich zu machen, dass finanzielle Unterstützung nur durch Konzessionen ihrerseits möglich ist. Hierbei ist es auch wichtig nicht zu vergessen, welche zweifelhafte Rolle Pakistan beim Erstarken der Taliban gespielt hat.

 

Wir stellen folgende Forderungen an die Bundesregierung:

 

  • Weiterhin keine Anerkennung der Taliban als legitime Regierung Afghanistans.
  • Mit den Taliban verhandeln, um die Lage vor Ort zu verbessern und deutlich machen, dass finanzielle Hilfe an die kompromisslose Einhaltung der genannten Bedingungen geknüpft ist.
  • Fluchtkorridore aufbauen und erweitern.
  • Das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Aufnahmeprogramm für die sogenannten Ortskräfte muss zügig umgesetzt werden und mindestens allen Afghan*innen, die für deutsche Organisationen tätig waren und deren Familien die Aufnahme sowie weiteren Ausreisewilligen, die von Verfolgung der Taliban betroffen sind, ermöglichen. Die Bundesregierung muss diesbezüglich ihre Bemühungen intensivieren.
  • Die Einwanderung in die EU von Afghan*innen, die nicht in Verbindung zu den Taliban stehen, soll vereinfacht werden.
  • Gezielte Sanktionen gegen die pakistanische Armee und den Geheimdienst bzw. Individuen, die eine maßgebliche Rolle bei der Eroberung Afghanistans im August 2021 spielten. Sowie Festhalten an der Aussetzung der militärischen Kooperation auf bilateraler Ebene.
  • Internationale Nicht-Regierungsorganisationen und UN-Programme wie das World-Food-Programme oder das Hohe Flüchtlingskommissariat leisten essentielle Arbeit vor Ort und sind ein maßgeblicher Faktor dafür, dass die Zivilbevölkerung in Afghanistan grundlegend überlebensfähig ist. Die finanziellen Mittel für diese Organisationen müssen deshalb abgesichert und erhöht werden. Die UNICEF, das World Food Program der Vereinten Nationen und das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge sollen in ihrer Arbeit in Afghanistan unterstützt werden.
  • Programme der Entwicklungszusammenarbeit langfristig fortzusetzen
  • Die Unterstützung demokratischer sowie insbesondere feministischer Bewegungen in Afghanistan.

Antrag 60/II/2022 Weiterführung des Lernbrücken-Projektes und qualitative Auswertung und Weiterentwicklung

10.10.2022

Das Lernbrücken-Projekt hat zum Ziel Schüler*innen zu unterstützen, welche durch die Corona-Pandemie besonders im schulischen Lernen beeinträchtigt wurden. Da die Unterstützung lebensweltlich orientiert ist, werden auch Strukturen und Ressourcen aus dem Alltag in den Blickpunkt genommen. Mit dieser nicht ausschließlich schulisch orientierten Betrachtung können Schüler*innen umfassend im Alltag unterstützt werden, beispielsweise bei der Einbindung in Sportvereine, dem Jugendclub um die Ecke, bei der gemeinsamen Anmeldung im digitalen Lernprogramm der Schule, oder beim Finden von Übersetzungshilfen für die Eltern, sowie Unterstützung bei der Überführung in Lernförderung über das Bundesteilhabegesetz, aber auch bei der Bewältigung von Problemen des schulischen Fächerlernens. Die Unterstützung wird meist von Studierenden (Lehramt, Psychologie, soziale Arbeit) geleistet und zielt auf die Überführung in längerfristige Unterstützungsstrukturen ab, wenn diese notwendig sind. Gerade diese Überführung in bestehende Strukturen kann zu einer andauernden Entlastung von Lehrkräften führen, weil sich die Schüler*innen und ihre Familien in Zukunft auch der kennengelernten Unterstützungsstrukturen bedienen können. Dabei sollten Sie eng mit der Schulsozialarbeit und den Lehrkräften der Schüler*innen zusammenarbeiten, welche auch die Schüler*innen für dieses Programm vorschlagen.

 

Auch nach der Pandemie wird diese Art von Unterstützung benötigt die in Ihrer Konzipierung große Innovationskraft besitzt, da diese tiefgreifende Unterstützung sowohl Schüler*innen fördert, als auch Lehrkräfte entlastet.

 

Wir fordern:

 

  • Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die SPD-Mitglieder im Berliner Senat werden aufgefordert das Projekt weiterhin finanziell zu unterstützen und zu fördern.
  • Hierbei darf es keine prekären Arbeitsverhältnisse geben. Dazu gehören eine angemessene Entlohnung, vernünftige soziale Absicherung, keine prekäre Selbstständigkeit, die Ausstattung der Beschäftigten mit allen notwendigen Arbeitsmaterialien, sowie die Bereitstellung einer adäquaten Arbeitsplatzausstattung und geeignete Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherheit.
  • Um die Qualität des Projektes sicherzustellen, muss das Projekt, sowie seine Träger*innen qualitativ ausgewertet werden. Dabei sollen auch geeignete Kinderschutzkonzepte in den Blick genommen werden

Antrag 45/II/2022 Sprachförderung ab der KiTa stärken, statt abschaffen!

10.10.2022

Sprache öffnet und verschließt Türen, dabei ist es sowohl wichtig, was aber auch wie wir sprechen. Doch Sprachen müssen erlernt, verfestigt und weitergebildet werden, und zwar von jung bis alt. Somit fängt der Spracherwerb und die Sprachbildung auch richtigerweise in der Kita an. Gerade in der derzeitigen Situation muss dabei die Sprachförderung von Kindern ein zentrales Anliegen sein, denn die Pandemie hat auch hier nachhaltige Spuren hinterlassen.

 

Dafür gibt es ein bundesweites Programm: „Sprach-Kitas“. Ziel dieses Programms ist, Kinder mit besonderem sprachlichem Förderbedarf zu unterstützen. Allein in Berlin profitieren davon mehr als 300 Kindertagesstätten; der Förderumfang beträgt 2022 rund 13,2 Millionen Euro. In ganz Deutschland profitieren von diesem Programm so mehr als 500.000 Kinder.

 

Hierdurch konnte mehr Personal eingestellt werden, gezielte (auch digitale) Materialien beschafft und die inklusive Pädagogik in der Kita gestärkt werden.

 

Doch nun soll dieses Programm, welches zum Ende des Jahres ausläuft, nicht verlängert werden. Die genannten Fördermittel würden also wegfallen. Dies wiederum hätte verheerende Konsequenzen, gerade für die Sprachbildung in den Kitas.

 

Deshalb fordern wir alle SPD Mitglieder in den Landtagen, der Bürgerschaft und des Abgeordnetenhauses sowie der Landesregierungen, des Bundestages und der Bundesregierung auf, sich für den Erhalt des Förderprogramms und dessen Überführung in ein dauerhaftes Regelangebot einzusetzen. Eine zeitlich begrenzte Fortsetzung als Modellprojekt ist weder inhaltlich noch verfassungsrechtlich vermittelbar. Denn wie es auf der Seite des Bundesministeriums schon richtigerweise heißt: Sprache ist ein Schlüssel, durch sie erschließen wir uns die Welt, treten mit Menschen in Kontakt und eignen uns Wissen an. Diesen Schlüssel sollten alle Kinder dauerhaft in ihren Händen halten dürfen. Zudem fordern wir eben diese auf, dass das Programm „Sprach-Kitas“ erweitert wird. Denn viele Kinder wachsen meist mit mehreren Sprachen auf und alle diese Sprachen sind gleichermaßen förderungsbedürftig. Das jetzige Programm sieht den Förderungsbedarf jedoch nur an der deutschen Sprache orientiert. Wir wollen jedoch ein multiperspektivischen Sprachförderungsansatz, weshalb bei der Weiterführung des Programms auch inklusive und personelle nicht- deutsche Sprachbildungsangebote (unter anderem Fremdsprachen und die Deutsche Gebärdensprache) gefördert werden sollte.