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Antrag 95.1/II/2019 Kita-Qualität verbessern, Arbeitsbedingungen in der Frühen Bildung attraktiv gestalten und Ausbildungssystem modernisieren

4.10.2019

Wir fordern die SPD-Mitglieder des Senats und die Mitglieder der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses auf, den folgenden Punktekatalog zur Verbesserung der Kita-Infrastruktur in Berlin zu prüfen und umzusetzen.

 

Kita-Qualität verbessern

 

1. Heute schon an die Zukunft denken – Qualitätsausbau in Kitas weiter vorantreiben

 

Berlin verbessert auf Initiative der SPD kontinuierlich den Betreuungsschlüssel. Dieser Weg ist richtig, da er die Qualität der Bildungsangebote für die Kinder in den Kitas erhöht und die Belastung für die Erzieher*innen senkt. Auch wenn der Fachkräftemangel derzeit akut ist, kann nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zu einer langfristigen Behebung des Mangels und damit auch zu einer Steigerung der Qualität beitragen. Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich für die Umsetzung der Beschlusslage der Berliner SPD einzusetzen und den Betreuungsschlüssel schrittweise auf 1:3 in der Krippe und in der Kita auf maximal 1:7,5 zu verbessern. Der Betreuungsschlüssel ist ganztägig und auch in Personal-„Notzeiten“ (z.B. bei Krankheit) mit einer Personalauslastung von über 100% zu gewährleisten.

 

2. Kita-Leitung großer Einrichtungen durch Freistellung von stellv. Leitung entlasten

Die Schlüsselposition von Kita-Leitungen für eine gute Qualität in den Einrichtungen ist empirisch bereits belegt. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung macht deutlich, wie stark sich das Berufsfeld der Kita-Leitung gewandelt hat, welchen hohen Belastungen die Leitungskräfte ausgesetzt sind und in welchen Spannungsfeldern sie sich täglich bewegen. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass in Einrichtungen über einer zu definierenden Mindestgröße die stellvertretende Leitung zusätzlich zur Kita-Leitung freigestellt wird. Je größer die Einrichtungen sind, desto größer sind auch potenzielle gesundheitliche Gefährdungen für die Kita-Leitung. Die Leitung hat jedoch als pädagogisches Vorbild und als Visionär*in eine Schlüsselfunktion für die Organisations- und Teamentwicklung und in dem Zusammenhang auch für die Kooperation mit den Familien und im Sozialraum, weshalb ein Ausfall der Leitungsebene in der Praxis zu großen Engpässen führt. Um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden, trägt die Freistellung der Stellvertretung effektiv und präventiv zur Unterstützung und Verantwortungsteilung der pädagogischen Leitung bei.

 

3. Bildungspotenziale nicht am Schreibtisch zurücklassen

Die Verwaltungsaufgaben in den Kitas nehmen weiter zu. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass:

 

  • an Kitas mit bis zu 60 Kindern der Anteil für Leitungstätigkeiten von derzeit 0,0111 auf 0,0222 Stellenanteile erhöht wird. (§19 VOKitaFöG)
  • an Kitas von 61 bis 120 Plätzen eine halbe Stelle für Verwaltungsmitarbeiter*innen per Finanzierung über das Kostenblatt zur Verfügung gestellt wird. Hier sollte ein Eingruppierung im Vergleich zu Schulsekretariaten (EG 6 TV-L) erfolgen.
  • an Kitas mit mehr als 120 Plätzen eine volle Stelle für Verwaltungsmitarbeiter*innen per Finanzierung über das Kostenblatt zur Verfügung gestellt wird. Hier sollte ein Eingruppierung im Vergleich zu Schulsekretariaten (EG 6 TV-L) erfolgen.

 

Volle Stellen für Verwaltungsmitarbeiter*innen können auch auf mehrere kleinere Kitas aufgeteilt und im Springersystem betreut werden.

Diese Verwaltungsmitarbeiter*innen sollen zusätzlich zur pädagogisch ausgebildeten Leitung eingestellt werden und die Leitung bei Aufgaben wie bspw. Aufnahme von Krankheitsmeldungen, Wartelisten-Management, Aktualisieren von Homepages und allgemeinen Schrift- und Telefonverkehr entlasten. Diese Personen sind dem Betreuungsschlüssel nicht anzurechnen.

 

4. Finanzierung von öffentlichen und freien Trägern für gute Qualität sichern

Die Berliner Kita-Landschaft ist bunt und das soll auch so bleiben. Ca. 25 Prozent der Berliner Kinder besuchen eine landeseigene Kita und erhalten dadurch eine vollständige Finanzierung durch das Land. Die freien Kitas tragen aktuell einen finanziellen Eigenanteil von 6 Prozent. Dieser wird in erster Linie durch geringere Ausgaben erbracht – mit oftmals negativen Auswirkungen auf die Qualität. Die derzeit geltende Finanzierung, die bis 2021 eine Erstattung von 95 Prozent vorsieht, ist besonders mit Blick auf die stetig steigenden Kosten (Miete, Betriebskosten, Sachkosten, etc.) kaum noch zu bewältigen. Der hohe Eigenanteil verschärft die derzeitig schwierige Personalsituation noch mehr. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass eine Trägerbasisfinanzierung von 100 Prozent und die allgemeine Gleichstellung zwischen den öffentlichen und freien Trägern realisiert wird. Zugleich muss sichergestellt werden, dass das Geld auch bei den Erzieher*innen ankommt. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert für mehr Transparenz und Kontrolle dieser Kitas zu sorgen. Beispielsweise sollen freie Träger nur dann den vollen Finanzierungssatz bekommen, wenn sie ihr Personal mindestens tariflich bezahlen. Eine gleiche Behandlung aller Akteure und ein gemeinsames Vorgehen gegen Sozialdumping und schlechte Bedingungen an Kindertagesstätten stärken den Frühe-Bildungs-Standort Berlin.

 

5. Gerechte Mieten für Kitas

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert, sich für einen Kooperationsvertrag zwischen städtischen Wohnungsbaugesellschaften und freien Trägern von Kitas einzusetzen. Da Kitaträger einen Durchschnittspreis pro vergebenem Kitaplatz per Kostenblatt erhalten, sollten diese angesetzten Durchschnittsmieten auch den Kitaträgern angeboten werden. Hohe Mieten gehen sonst meist direkt in eine schlechtere Bezahlung des Personals über. Hier sind gerade die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit in die Verantwortung zu nehmen. Ob Ausgleichszahlungen für die Wohnungsunternehmen durch das Land Berlin finanziert werden sollen, gilt es zu prüfen. Mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen sollte ein Kooperationsvertrag verhandelt und geschlossen werden, so dass alle öffentlichen Träger für geringe Mieten Kitas eröffnen können. Somit wird mit dem öffentlichen Wohnungsbau auch der kommunale Kita-Bau gefördert und Berlin bekommt einen stärkeren Einfluss in die kommunale Kitagestaltung und Bezahlung des Personals. Dies würde eine weitere Verbesserung in der Re-Kommunalisierung gesellschaftlich bedeutsamer Aufgaben für Berlin bedeuten Kitas freier Träger sollten bzgl. des Kündigungsschutzes Mietwohnungen gleichgestellt werden, damit sie besser geschützt sind.

 

Arbeitsbedingungen in der Frühen Bildung attraktiv gestalten

 

6. Bezahlung von staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern in Berlin nach Tarifgruppe E 11 (TV-L) – Altersarmut von Erzieherinnen stoppen

90% aller Frauen zwischen 30 Jahren und 50 Jahren verdienen nach Abzug aller Steuern und Beiträge unter 2000 Euro. Die meisten Erzieherinnen in Berlin gehören zu dieser Einkommensgruppe. Geringe Einkommen, fehlende Aufstiegschancen und kleine Renten im Alter sind mehrheitlich die Folge für Frauen. Die Bezahlung und Arbeitsbedingungen stehen in einem eklatanten Ungleichgewicht zu ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung für unsere Gesellschaft. Auch die in diesem Jahr durchgeführte Tariferhöhung reicht nicht aus, um mehrheitlich Erzieherinnen vor Altersarmut zu bewahren. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass staatlich anerkannte Erzieher*innen in Berlin nach Tarifgruppe E 11 (TV-L) bezahlt werden. Ein höherer Lohn ist der erste entscheidende Schritt, um diesen Beruf aufzuwerten und seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft gerecht zu werden. Das Kostenblatt muss entsprechend angepasst werden, um zu gewährleisten, dass die höheren Personalkosten nicht zu Einsparungen in anderen Bereichen der Betreuungseinrichtungen führen. Wenn es nicht möglich ist, dies nach Abschluss der Tarifverhandlungen in der Tarifgemeinschaft durchzusetzen, sollte diese Lücke zu E 11 (TV-L) über eine Sonderzahlung geschlossen werden.

 

7. Stärkere Strukturierung des Arbeitsfelds und tätigkeitsbezogene Aufstiegschancen in Kitas schaffen

In einer stärkeren Strukturierung des Arbeitsfeldes mit unterschiedlichen Stellenprofilen für verschiedene Qualifikations- und Erfahrungsstufen und die Etablierung von horizontalen wie vertikalen Karrieremöglichkeiten läge die Chance, die Tätigkeit in der Frühen Bildung für breitere Zielgruppen attraktiv zu machen. Beispielhaft seien die Tätigkeiten als Logopäden, Heilerziehern und fachspezifische Qualifizierungen, wie MINT etc. genannt, die sowohl für die berufsbegleitende Ausbildung als auch in der klassischen Fachschulausbildung wesentliche Teile der Qualifizierung in der Kita begleiten. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses auf, weitere tätigkeitsbezogene Aufstiegsmöglichkeiten zu identifizieren und diese durch entsprechende Zulagen zu vergüten. Darüber hinaus sollte auch eine Entlastung für das ausbildende Personal erfolgen, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung sicherzustellen. Dies würde auch dazu beitragen, dass Fachkräfte, die ihr Studium an Hochschulen und Universitäten in Studiengängen mit einem Bachelor oder Master abgeschlossen haben und bisher nicht in der Kita ankommen, Anreize haben, sich für solche Tätigkeiten zu bewerben und langfristig an das Arbeitsfeld der Frühen Bildung gebunden werden.

 

8. „Brennpunkt-Kitas“ zu Familienzentren ausbauen

In Berliner Stadtteilen mit besonders großen sozialen Herausforderungen ist die Rolle von Kitas für den Kiez umso wichtiger. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses dazu auf, einen massiven Ausbau von Kitas zu Familienzentren voranzutreiben. Nur mit Unterstützung von Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Stadtteilmüttern und -vätern und Übersetzer*innen können Kitas zu Leuchttürmen in ihren Kiezen werden. Familienzentren sind Investitionen in die Kieze, die dazu beitragen können, soziale Spaltung zu verhindern. Insbesondere beinhaltet dies den Auftrag an die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses von Berlin, ein System für eine dauerhafte Regelfinanzierung für Sozialarbeit in allen Berliner Kitas einzuführen.

 

9. Verbindliche Festsetzung der Zeiten für die mittelbare pädagogische Arbeit (mpA)

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die mittelbare pädagogische Arbeit in Höhe von 23% der wöchentlichen Arbeitszeit im Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG) gesetzlich festgeschrieben wird, wie es vom Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung empfohlen wird, um den fachlichen Anforderungen des Berliner Bildungsprogramms gerecht zu werden. Bei einer Vollzeitstelle von 39 Wochenstunden entspricht dies einer Zeit von etwa neun Stunden für die mpA.

 

Ausbildungssystem modernisieren

 

10. Die Ausbildung als Chance verstehen – Anreize zum Ausbilden auch für Kitas schaffen

Immer mehr Menschen stellen sich den besonderen Herausforderungen einer berufsbegleitenden Ausbildung. Für die Kita bedeutet diese Form der Ausbildung, dass an zwei Tagen in der Woche Personal fehlt. Je mehr berufsbegleitende Auszubildende an einer Kita sind, desto größer sind die daraus resultierenden Engpässe. Zudem benötigen Auszubildende noch Hilfen, Hospitationen und individuelle Gespräche durch Praxisanleiter*innen. Wir fordern die SPD-Fraktion Berlin und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, den folgenden Paragrafen §11 Abs.3 Nr.2 VOKitaFöG so zu verändern, dass die berufsbegleitenden Azubis der zukünftigen Erzieher*innenausbildung schrittweise nicht mit im Personalschlüssel aufgeführt werden. Dies erhöht die Qualität der Ausbildung, reduziert die Belastung für das Personal und schafft gleichzeitig Anreize dafür, dass Kitas ausbilden. Einrichtungen bekommen somit mehr Personal und sichern sich gut ausgebildeten Nachwuchs. Um junge Menschen stärker für den Erzieher*innen-Beruf zu motivieren, sollen die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses sich für eine Ausbildungsvergütung einsetzen, die an die mittlerweile hohen Lebenshaltungskosten in Berlin angepasst ist.

 

11. Ausbildung zur Frühen Bildung fokussieren und vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten ansprechender aufbereiten

Die derzeitige Ausbildung befähigt Erzieher*innen sowohl in Krippen, Kitas, Schule und Hort zu arbeiten, als auch in Behinderteneinrichtungen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Ämtern sowie teilweise in Krankenhäusern und in der Altenarbeit tätig zu werden. Da die Vorbereitung auf einen Einsatz in nahezu allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern zu umfangreich für eine dreijährige Ausbildung erscheint, fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses auf, eine Spezialisierung zur „Fachkraft Kita, Schule, Hort“ im Rahmen der Ausbildung zu prüfen. Darüber hinaus werden die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses aufgefordert, an einer transparenten Informationsplattform zu arbeiten, an der die vielfältigen Ausbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten in Berlin für die Frühe Bildung übersichtlich und ansprechend dargestellt werden.

 

12. Pflichtpraktika der Erzieher*innen-Ausbildung vergüten

Die sozialdemokratischen Mitglieder im Berliner Senat und im Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, sich für die flächendeckende Einführung einer Vergütung des die Ausbildung zur/m staatlich anerkannten Erzieher*in abschließenden Berufspraktikums einzusetzen. Eine Vergütung der vorherigen Pflichtpraktika während der Ausbildung ist ebenfalls zu prüfen. Zudem muss über Anreize sichergestellt werden, dass die Kita-Träger auch nach Einführung einer Vergütung ausreichend Plätze für derartige Praktika anbieten, in etwa über die Zuweisung zusätzlicher zweckgebundener Mittel oder eine anteilige Anrechnung auf den Personalschlüssel.

Antrag 303/II/2019 (Mieter) Fördern und (Vermieter) Fordern! Wohnraum unter politische Kontrolle bringen: Landesamt für Wohnen einrichten!

2.10.2019

Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Vor dem Hintergrund zunehmender Wohnungsknappheit im Ballungsraum Berlin und exorbitanten Preissteigerungen auf dem Mietwohnungsmarkt, ist die Sicherstellung dieses Grundbedürfnisses für breite Bevölkerungsschichten nicht oder nur unter extremen ökonomischen und psychischen Anstrengungen möglich. Die Problematik beschränkt sich nicht allein auf Menschen in besonderen Lebenslagen und einkommensschwache Haushalte, sondern stellt mittlerweile auch Haushalte mit mittleren Einkommen vor existentielle Probleme.

Die Ursachen sehen wir in einem unzureichenden Mietrecht und eklatanten wohnungspolitischen Fehlentscheidungen der vergangenen 30 Jahre: ein falsch konzipierter sozialer Wohnungsbau mit rückläufigen Beständen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit, der an Höchstgeboten orientierte Verkauf öffentlicher Liegenschaften an private und nicht gemeinnützige Investoren, der Spekulation mit Grundstücken und Baugenehmigungen, dem Handeln von Wohnungsbeständen an den Finanzmärkten und den aus diesen Praktiken resultierenden Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierungen.

Die Überlassung der Wohnungsfrage an Mechanismen des Marktes ist nicht nur ein handfestes ökonomisches und oft existentielles Problem der Betroffenen, sondern bedeutet auch die Entpolitisierung der Wohnungspolitik. Wohnungspolitische Fragen werden oft gar nicht mehr als politische Fragen begriffen, sondern zu individuellen und persönlichen Problemen von Marktteilnehmern erklärt.

Die Folgen dieser Politik der Unterlassung sind sichtbar geworden: immer mehr Menschen werden durch die Mietsteigerungen oder Umwandlungen aus ihren Mietverträgen gedrängt, finden nur schwer oder keinen leistbaren Wohnraum mehr und sind damit entweder zeitweise oder dauerhaft von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von schätzungsweise 50.000 wohnungslosen Menschen in Berlin, dabei ist eine wesentlich höhere Dunkelziffer zu vermuten. Wer erstmal seinen Mietvertrag verloren hat, dem fällt es unter diesen Bedingungen schwer, sich gegen eine Vielzahl an Bewerber*innen durchzusetzen. Diese Zustände wollen wir nicht länger hinnehmen. Wohnen bedeutet Selbstbestimmung, Sicherheit, Begegnung und Teilhabe an der Gesellschaft.

Unser Ziel ist es, dieses Segment der Daseinsvorsorge stärker unter staatliche und politische Kontrolle zu bringen. Unter anderem sind immobilienwirtschaftliche Marktprozesse durch verpflichtende Datenerhebung transparent zu machen und Verstöße gegen wohnungspolitische Regularien zu sanktionieren.

Eine solche Wohnungswirtschaftsaufsicht ist in Berlin auf Landesebene in einem neu zu schaffenden Landesamt für Wohnen zu verankern. Die neue Behörde ist im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelt, kooperiert mit den Bezirken und unterstützt sie bei der Rechtsdurchsetzung sowohl inhaltlich als auch personell.

Die oben genannten Ziele erreicht das Landesamt für Wohnen durch die Umsetzung vier primärer Aufgabenbereiche:

  • Wohnungsregister:
  • Mit der Schaffung eines Wohnungsregisters soll Transparenz über den verfügbaren Wohnraum, vorhandene Mietverhältnisse und ihre ökonomischen Bedingungen einschließlich der Eigentumsverhältnisse entstehen. Dabei sind die Eigentumsverhältnisse vollständig zu erfassen und jegliche Vertrags- und geplante Nutzungsänderungen verpflichtend an das Landesamt zu übermitteln. Eine detaillierte Mietpreissammlung zum Zwecke der Preisüberwachung und Preisbildung wird angelegt.
  • Durch die hierdurch entstandene transparente Gesamtübersicht, lassen sich systematische Verstöße gegen Mietrecht und Mietpreisregulierungen durch Eigentümer größerer Wohnungsbestände leichter erkennen und sanktionieren.
  • Mietpreiskontrolle:
  • Mit einer systemischen Mietpreiskontrolle setzt die Behörde Maßstäbe für sozial verantwortbare Mietgrenzen, die in ein neues Regelwerk im Sinne eines erweiterten Mietspiegels einfließen können. Dadurch wird ein Instrumentarium geschaffen, mit dem Mietobergrenzen und Mietsenkungen verantwortbar begründet werden können.
  • Durchsetzung Zweckentfremdungsverbot:
    Durch den Gesamtüberblick über Wohnungsbestände infolge einer transparenten Datenlage unterstützt das Landesamt Zweckentfremdung entschieden und mit der Perspektive, zweckentfremdeten Wohnraum wieder einer sozialen Nutzung zuzuführen.
  • Präventionsarbeit:
    Das Landesamt verhindert und bekämpft Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit entschieden und nachdrücklich. Eine Basis für diese Präventionsarbeit ist die Etablierung von Regeln für einen transparenten Informationsfluss hinsichtlich mietrechtlicher Kündigungen und drohender Zwangsräumungen. Hierdurch wird das Ziel verfolgt, Mieter und Vermieter dabei zu unterstützen außergerichtliche Einigungen herbeizuführen.

Antrag 302/II/2019 Daseinsvorsorge statt Abfallexporte

26.09.2019

Die SPD-Mitglieder im Senat und im Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass im neuen Abfallwirtschaftskonzept für Siedlungsabfälle Berlin für 2020-2030 (AWK Berlin) die Exporte von Berliner Siedlungsabfällen oder sogenannten Ersatzbrennstoffen (EBS) aus diesen Siedlungsabfällen in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland im Sinne der Daseinsvorsoge weitgehend unterbunden werden. Stattdessen soll das Land Berlin ausreichend eigene Kapazitäten insbesondere zur energetischen Verwertung bereitstellen.

 

Müllexporte aus Berlin, auch zur energetischen Verwertung, sollen zukünftig im AWK nur noch zugelassen werden, wenn die sogenannte Zero-Waste-Strategie des Landes Berlin noch keine ausreichende Absenkung der Siedlungsabfallmengen in Berlin erbracht hat und:

 

  • eine energetische Verwertung innerhalb des Landes Berlin aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich ist,
  • solange eine Erweiterung notwendiger energetischer Verwertungskapazitäten innerhalb Berlins noch aussteht,
  • das Land Berlin die unmittelbar Entscheidung zur Belieferung externer Anlagen hat bzw. direkte Verträge mit energetischen Verwertungsanlagen außerhalb Berlins abgeschlossen hat,
  • wenn diese Anlagen mindestens denselben Wirkungsgrad in der Rauchgasreinigung, in der Metallverwertung aus der Schlacke und in der Energienutzung erzielen, wie das Berliner Müllheizkraftwerk (MHKW) in Ruhleben.

 

Für zusätzliche Mülltransporte ist ein umweltfreundliches Logistikkonzept zu entwickeln, das vorrangig auf die Schiene setzt.

 

Der Export von aufbereiteten Berliner Siedlungsabfällen, insbesondere in Braunkohlekraftwerke, sollte schnellstmöglich eingestellt werden, weil

 

  • die Mitverbrennung von aufbereiteten Berliner Abfällen – sogenannten Ersatzbrennstoffen (EBS) trotz immissionsschutzrechtlicher Genehmigung die Umwelt durch Schadstoffemissionen um ein Vielfaches stärker belastet, als z.B. das rauchgasseitig optimierte Berliner MHKW in Ruhleben.
  • die Mitverbrennung von Berliner EBS in (Braun)Kohlekraftwerken deren Wirtschaftlichkeit und damit deren Weiterbetrieb unterstützt, obwohl Berlin gleichzeitig aus Klimaschutzerwägungen die Abschaltung von (Braun)Kohlekraftwerken fordert.
  • der ohnehin energetisch zu verwertende Berliner (Rest)Siedlungsabfall einen wichtigen Beitrag als Grundlast bei der Berliner Energiewende (Strom und Fernwärme), leisten kann und soll.
  • das Land Berlin im Sinne der Entsorgungssicherheit und Daseinsvorsorge weitest möglich auf eine Beauftragung Dritter mit Abfallexporten auch von aufbereiteten Berliner Siedlungsabfallgemischen Verwertungs- und Beseitigungsanlagen außerhalb Berlins verzichten sollte.

 

Antrag 156/II/2019 Investitionspakt 2040! Investitionen anpacken, Wirtschaft und Wohlstand stärken, Finanzierung solidarisch und gerecht gestalten!

23.09.2019

Zur Stärkung von notwendigen Zukunftsinvestitionen werden wir in enger Abstimmung mit Ländern und Kommunen einen Investitionspakt 2040 auflegen. Die Investitionen des Bundes wollen wir regelmäßig und verlässlich von derzeit knapp 40 Milliarden Euro auf 60 Milliarden Euro jährlich steigern, so dass in den nächsten 20 Jahren alleine der Bund rund eine Billion Euro investieren wird. Mit diesem langfristig angelegten Programm schaffen wir Planungssicherheit für Bauwirtschaft und öffentliche Verwaltung und investieren gleichzeitig in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft: In Kindergärten, Schulen und Universitäten, in Schiene, Straßen und Brücken, in bezahlbare Wohnungen und eine moderne Gesundheitsversorgung, in Klimaschutz und gute Internetversorgung, in technischen Fortschritt und innere und soziale Sicherheit.

 

Notwendig ist ein solch groß angelegtes, langfristiges Investitionsprogramm zum einen wegen der zu geringen Investitionstätigkeit in den letzten 20 Jahren. Sie hat dazu geführt, dass der öffentliche Kapitalstock vernachlässigt wurde, statt ihn mit steigenden Anforderungen zu vergrößern. Die Folge ist ein erheblicher Investitionsstau. Durch den sichtbaren Verfall von Gebäuden und Infrastruktur sind die physikalischen Schulden der Bundesrepublik beispielsweise im Bildungsbereich auf 48 Milliarden, bei der Schieneninfrastruktur auf 58 Milliarden und vor allem in den Kommunen auf 138 Milliarden Euro angewachsen. Wir werden deshalb auch eine große Investitionsbaustelle, die Kommunalfinanzen, angehen, indem wir unter anderem die Altschulden der Kommunen verringern und eine strukturelle Verbesserung der Kommunalhaushalte erzielen.

Eine gute und funktionierende Infrastruktur ist auch eine Frage der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Wir wollen den nächsten Generationen ein modernes und zukunftsfähiges Land hinterlassen. Wir wollen den Staat aber auch wieder in die Lage versetzen, über Investitionen Entwicklungen anzustoßen, zu gestalten und als Treiber für Innovationen zu agieren. Für große gesellschaftliche Herausforderungen wie die Energiewende, die Digitalisierung, aber auch die demographische Entwicklung brauchen wir einen starken, handlungsfähigen Staat.

 

Deshalb wollen wir in Deutschland einen New Deal! Klar ist: Die öffentliche Infrastruktur ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit Aufgabe der öffentlichen Hand. Privatisierungen oder sog. ÖPP-Projekte scheiden als Lösung aus, weil sie die Hoheit über öffentliche Güter in die Hände Weniger legen, aber auch, weil sie letztlich für die Allgemeinheit teurer sind als eine konventionelle Finanzierung. Aber auch die kostet Geld. Der dazu notwendige Beitrag muss auf die Bürgerinnen und Bürgerinnen nach ihrer Leistungsfähigkeit verteilt werden. Wir werden deshalb zum einen Spitzeneinkommen und große Vermögen, die in den letzten Jahrzehnten massiv entlastet wurden, wieder mehr zur Finanzierung der notwendigen Investitionsmaßnahmen heranziehen, beispielweise über einen angemessenen Steuersatz auf hohe Einkommen, die Reaktivierung der Vermögensteuer und durch eine effektive Besteuerung der 5 Prozent größten Erbschaften. Gleichzeitig wollen wir durch Steuer- und Abgabensenkungen für mittlere und geringe Einkommen die Binnenkonjunktur stärken. Anderseits steht für uns fest: Schwarze Null und Schuldenbremse sind kein finanzpolitisches Programm und kein eigenständiges Ziel. Sie sind vielmehr an vielen Stellen volkswirtschaftlich kontraproduktiv und ein Hemmnis für notwendige Investitionen. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen und hohen Modernisierungsdrucks ist es im Sinne soliden, generationengerechten Haushaltens und einer dringend erforderlichen Modernisierung unseres Landes sinnvoll, die Investitionstätigkeit auch über die Möglichkeit der Kreditaufnahme auszuweiten.

Antrag 107/II/2019 Lernmittelfreiheit auch ab der 7. Klasse

23.09.2019

Die Senatsschulverwaltung wird aufgefordert, die Lehrmittelfreiheit auch für die Jahrgänge ab der 7. bis zur 10. Klasse einzuführen.