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Antrag 32/I/2019 Arbeitszeit

25.02.2019

Die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestages werden aufgefordert sich dafür einzusetzen die generelle Vier-Tage-Woche (max. 30 Stunden) bei fortlaufender Lohn- und Gehaltszahlung sowie Urlaubsanspruch einzuführen.

Antrag 257/I/2019 Tierschutz First: Kastenstand bei Schweinen umfassend ändern

25.02.2019

Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundesrates werden aufgefordert, sich für eine zügige und umfassende Reform der Kastenstandhaltung bei Sauen einzusetzen. Eine solche muss innerhalb der aktuellen Legislaturperiode des Bundestages abgeschlossen werden und folgende Ziele erfüllen:

  • Der Zeitraum, für den Sauen während Deckzeit, Schwangerschaft und Stillzeit im sogenannten Kastenstand gehalten werden dürfen, ist wesentlich zu reduzieren. Die Fixierung während der Deckzeit darf maximal 5 Tage betragen.
  • Die Mindestanforderungen für Länge und Weite der Kastenstände sind so zu erhöhen, dass sich die Tiere ungehindert aufrichten, hinlegen, den Kopf drehen und die Gliedmaße ausstrecken können. Hierzu bedarf es konkreter gesetzlicher Mindestvorgaben.
  • Etwaige Übergangsfristen für den Bestand müssen sich strikt an Aspekten des Tierschutzes orientieren. Die im Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums 2017 vorgeschlagene Übergangsfrist von 15 Jahren ist nicht verantwortbar: die Übergangsfrist muss spätestens 2023 auslaufen.
  • Eine wesentliche Reduktion der maximalen Haltungsdauer im Kastenstand soll bereits während etwaiger Übergangszeiten gelten.
  • Neuregelungen bei der Ausgestaltung des Kastenstandes müssen rechtlich verpflichtend und mit wirksamen Sanktionen unterlegt sein. Entsprechende Verstöße müssen beklagbar sein.
  • Durch unabhängige und regelmäßige Kontrollen in den Betrieben ist sicherzustellen, dass die tierschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

Antrag 37/I/2019 Forderungen an die Arbeitswelt von heute und morgen

25.02.2019

Tarifbindung/Entlohnung
Ein starkes Tarifsystem hilft gegen Niedriglohn und prekäre Beschäftigung. Eine starke Tarifbindung ist zentral für mehr Einkommensgleichheit, soziale Gerechtigkeit, und gute Arbeitsbedingungen. Wir machen uns zusammen mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften für eine hohe Tarifbindung stark. Wir kämpfen gegen die Tarifflucht auf der Arbeitgeberseite, für starke Gewerkschaften und für eine Stärkung des Instrumentes der Allgemeinverbindlicherklärungen. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags ist dieser auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich, die nicht bereits als Mitglieder der den Tarifvertrag abschließenden Verbände bzw. Gewerkschaften tarifgebunden sind. Die Allgemeinverbindlichkeit kann bislang grundsätzlich nur ausgesprochen werden, wenn sie im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Wir fordern gesetzliche Anpassungen an diesem Instrument, die es ermöglichen, häufiger und einfacher als bisher von der Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung Gebrauch zu machen und unterstützen den Beschluss des SPD Parteivorstands, das Vetorecht der Arbeitgeber bei Allgemeinverbindlicherklärungen abzuschaffen. Wir fordern die Tarifvertragsparteien auf, die Veränderungen in der Arbeitswelt durch den digitalen und demografischen Wandel durch entsprechende tarifvertragliche Regelungen zu flankieren. Dort wo dies nicht der Fall ist fordern wir, dass das Landesvergabegesetz den Mindestlohn auf ein Niveau anhebt, das ein Einkommen mit deutlichem Abstand zu Hartz-IV-Leistungen ermöglicht.

 

Mitbestimmung
Wir setzen uns zusammen mit den Gewerkschaften dafür ein, der Be- und Verhinderung von Betriebs- und Personalratsarbeit Einhalt zu gebieten. Wir wollen dafür sorgen, dass die Präsenz von Betriebs- und Personalräten zunimmt und ihre Mitbestimmungsrechte ausgebaut werden. Dazu müssen Betriebsratswahlen besser abgesichert werden. Und wir halten es für wichtig, dass das Wahlverfahren weiter vereinfacht und mit mehr Rechtssicherheit ausgebaut wird. Gerade vor dem Hintergrund neuer Arbeitsformen und der Digitalisierung setzen wir uns dafür ein, dass kollektive Vertretungsrechte für alle Erwerbsformen gesichert und ggf. neue Wege gefunden werden.

 

Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Selbstbestimmte Arbeitszeit für Beschäftigte, wie z. B. im Tarifabschluss der IG Metall in der Tarifrunde 2018 sind erste Schritte in die richtige Richtung. Der tarifliche Weg muss auf mehr Arbeitsbereiche ausgedehnt und in diesem Rahmen die selbstbestimmte Gestaltung von Arbeitszeit im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben noch ausgebaut werden. Dies darf jedoch nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen, denn bisher profitieren vor allem die Arbeitgeber von der Flexibilisierung. Wir fordern ein gesetzliches Rückkehrrecht von Teilzeit zu Vollzeit für alle Beschäftigten. Das Gesetz zur Brückenteilzeit ist zwar ein Fortschritt, allerdings gilt der Anspruch nur für Betriebe mit mindestens 45 Beschäftigten und für Betriebe ab 46 bis 200 Beschäftigten wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt. “Arbeit, die zum Leben passt” soll es mit der SPD für alle Beschäftigten geben. Die Rückkehr in Vollzeit sollte ein grundsätzliches Recht für Arbeitnehmende sein. Der Ausbau von betriebseigenen Kitas und anderen Betreuungsangeboten muss parallel verstärkt und staatlich gefördert werden, damit es allen Elternteilen und auch Alleinerziehenden möglich ist, einem Vollzeitjob nachgehen zu können.

 

Weiterhin fordern wir, dass bei der Betreuung von erkrankten Kindern die Regelung im SGB V geändert wird und anstelle der bisherigen 90% zukünftig 100% des Nettolohns gezahlt werden soll. Für Eltern, insbesondere Alleinerziehende, kann es bei bestimmten arbeitsvertraglichen Regelungen dazu führen, dass die Betreuung eines kranken Kindes zu finanziellen Einbußen führt.

 

Berufliche Weiterbildung
Wir setzen uns dafür ein, dass es in Berlin ein Landesgesetz zur beruflichen Weiterbildung geben soll. Angebote sollten niedrigschwellig angelegt sein und auf Zielgruppen von Beschäftigen besonders ausgerichtet werden, die bislang nicht die Weiterbildungsangebote wie z. B. über das Berliner Bildungsurlaubsgesetz oder über das SGB III möglich, wahrnehmen. Oft geschieht das aus Sorge oder Angst dem Arbeitgeber gegenüber, der zunächst das Fehlen des Mitarbeiters und den Arbeitsausfall sieht statt den Zugewinn an Qualifikation für seinen Betrieb. Weiterbildungsträger sind bisher nur unzureichend auf die veränderten Bedarfe der beruflichen Weiterbildung im Kontext des digitalen Wandels eingestellt. Wir fordern, dass das Land Berlin diese Veränderungsprozesse aktiv unterstützt.

 

Um die berufliche Fort- und Weiterbildung zukunftsfest zu machen, fordern wir die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und SPD-Bundesminister*innen auf,

  • sich für einen gesetzlich verankerten Anspruch einzusetzen, der unabhängig vom Tätigkeitsfeld mind. 30 Tage für jede*n Arbeitnehmer*in im Jahr beträgt und die Lohnfortzahlung beinhaltet
  • sich für einen Rechtsanspruch zur finanziellen Förderung von beruflicher Fort- und Weiterbildung einzusetzen und
  • die Erstattung der direkten Kosten (Teilnahmegebühr, Unterbringung, Fahrtkosten) durch Unternehmen gesetzlich festzulegen

Im Übrigen fordern wir eine programmatische Auseinandersetzung über eine neue Politik der Arbeit, die es der gesamten Breite der Partei ermöglicht, sich einzubringen. Diese Auseinandersetzung soll in einem Grundsatzprogramm münden.

Antrag 260/I/2019 Entgeltfortzahlung

25.02.2019

Wir wollen die Situation für arbeitende Eltern verbessern. Wenn Kinder von arbeitenden Eltern erkranken und diese zu Hause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern, erhalten diese Mütter oder Väter oftmals höchstens nur 70% ihres Bruttolohns bzw. bis zu 90% ihres Nettolohns. Das ist so gesetzlich geregelt.

 

Diese Vorgabe kann zu Einkommensverlusten führen nur weil ein Kind krank geworden ist. Wir fordern daher, dass in diesen Fällen die volle Entgeltfortzahlung (durch den Arbeitgeber oder die Krankenkasse) gilt. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob und wie dies steuerfinanziert ermöglicht werden  kann.

Antrag 239/I/2019 Sozialstaat bürger*innennah 2025 - Berlin muss Vorbild werden!

25.02.2019

Der SPD Landesvorstand wird aufgefordert gemeinsam mit den Gliederungen der Partei und den sozialdemokratischen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen sowohl eine umfassende positive Vision, als auch in Eckpunkten ein ambitioniertes und gleichwohl umsetzbares Konzept zu entwickeln, wie der Sozialstaat für Menschen in Berlin künftig deutlich positiver wahrgenommen werden kann.

 

Ziel muss es sein, Bürgerinnen und Bürgern mehr Orientierung zu geben über bestehende Leistungssysteme, die Beratung damit immer Ergebnis in höherer Qualität für mehr Menschen zu gewährleisten, die Verständlichkeit des Verwaltungshandelns und damit von Anträgen und Bescheiden zu erhöhen. Die Sozialverwaltung sollte künftig mehr als Partner des Bürgers wahrgenommen werden, dazu bedarf es einer stärkeren Dienstleistungsorientierung. All dies lebt letztlich von den Personen „auf der anderen Seite des Tisches“, den Menschen, die in der Sozialverwaltung arbeiten.

 

Diese Leitplanken einer Vision beschreiben die Handlungsfelder. Darin zeichnen sich bereits mögliche Eckpunkte eines späteren Konzeptes ab:

 

1. Orientierung geben und Beratung verbessern: „Sozialberatung im Kiez“
In der grundsätzlichen Vision sollte für Menschen, welche nach Unterstützung suchen, möglichst niedrigschwellig Angebote bestehen, um sich kundig zu machen, welche Leistungen des Sozialstaats überhaupt für sie in Frage kommen könnten. Entsprechend bedarf es einer wohnortnahen Bereitstellung mit Anlaufstellen im eigenen Kiez („Sozialberatung im Kiez“). Bei Bedarf muss auch ein aufsuchender Dienst, der bei Wunsch auch in die Wohnung kommt, eine Möglichkeit sein.

 

In der Vision sollte der Gedanke von „One-Stop-Shops“ dabei leitend sein sollte, d.h. Anlaufstellen, wo es nicht nur die Möglichkeit der umfassenden Beratung zu (möglichst) allen Sozialleistungen gibt, sondern auch Hilfe bei Beantragung bis hin zur Antragsabgabe (und ggf. Im weiteren Antragsprozess, wie Erläuterung von Bescheiden). In der Fachwelt wird dieser Forderung oft entgegengehalten, dass dies nicht leistbar sei, da es unmöglich sei, Personal zu finden bzw. auszubilden, welches derart umfassend in allen entsprechenden gesetzlichen Regularien qualifiziert sein könne. Diese Bedenken sind zwar nachvollziehbar, allerdings bedarf es in der ersten Stufe nicht denselben Kenntnissen wie in einer Leistungssachbearbeitung im Hintergrund. Pate stehen sollten hier tendenziell eher unabhängige Sozialberatungen, wie sie bereits vereinzelt im Land Berlin angeboten werden.

 

Eine in jedem Fall umsetzbare Variante wären „First-Stop-Shops“, also Anlaufstellen, wie „One-Stop-Shops“ mit einer umfassenden Erstberatung für möglichst viele mögliche Sozialleistungen, in denen u.U. dann aber an andere Stellen weiter verwiesen werden muss. Die Vielzahl der künftigen Sozialberatungen im Stadtteil könnten auch verschiedene Profile entwickeln, wo diese besondere Beratungsschwerpunkte haben, also eine vertiefte Beratung (und damit Antragsaufnahme, Antragsannahme und Begleitung im Prozess) gewährleisten können.

 

Flankierend informieren über die Sozialberatungen und ggf. Schwerpunkte könnte hier ein Online-Portal (in Anlehnung an die Idee des Portals Familie des Landes Berlin).

 

Ein wichtiger Baustein sind hier die Versicherungsämter. Vor über 100 Jahren hat der Gesetzgeber die kommunale Ebene verpflichtet unterste Verwaltungsbehörden als Versicherungsämter einzurichten. Diese leisten schon heute einen wichtigen Beitrag bei der Beratung von Menschen, welche Leistungen der Sozialversicherungen (insbesondere Rentenversicherung) beantragen wollen, aber beraten im Rahmen ihrer Kapazitäten auch darüber hinaus. Sie arbeiten unabhängig und können gleichzeitig, da sie selbst Behörde sind, für die Beratenen Kontakt mit den entsprechenden Trägern aufnehmen um Sachverhalte aufzuklären. Hier schlummert ein großes Potential. Gegenwärtig sind die Versicherungsämter gemäß Zuständigkeitskatalog dem Land zugewiesen und völlig unterausgestattet. Eine Verlagerung auf die Bezirksebene und in die Rathäuser, in Verbindung mit angemessener Personalausstattung wäre ein erster wichtiger Schritt.

 

2. Sozialverwaltung verständlich machen
Es muss für Menschen möglich sein, Sozialverwaltung auch ohne Verwaltungsausbildung (und auch möglichst ohne „Übersetzung durch eine Sozialberatung“) zu verstehen. Gegenwärtig ist dies in den meisten Fällen nicht gegeben. Dadurch entwickelt sich Ohnmacht, Frust bis hin zu Misstrauen gegenüber den staatlichen Stellen der Leistungsgewährung. Hier lohnt sich ein Blick auf die Entwicklungen im Bereich der Politik für Menschen mit Beeinträchtigungen. Inzwischen besteht Konsens, dass es Ziel sein müsse, Systeme möglichst barrierefrei, zumindest barrierearm zu gestalten. Dazu gehört insbesondere die Sprache. Dies sollte eine gewinnbringende Richtschnur sein um die Sozialverwaltung für alle Menschen verständlicher zu machen. Einfache und leichte Sprache sind das Ziel. Aber selbst wenn zwei Versionen vorgehalten werden, sollte nicht eine in einfacher Sprache und die andere in Verwaltungsjurist*innen-Sprache sein. Die Mindestanforderung muss immer „verständliche Sprache“ sein. Es gibt Kommunen, die es vorgemacht haben, dass es sehr wohl möglich ist, Antragsformulare und Bescheidtexte verständlich zu gestalten, ohne das nachvollziehbare Ziel der Rechtssicherheit zu opfern. Es ist ein Kraftakt die Vielzahl an Formularen und Textbausteinen zu überarbeiten und Personal entsprechend zu schulen, der längerer Zeit bedarf. Umso wichtiger ist es jetzt damit zu beginnen und einen ambitionierten aber realistischen Plan der Umsetzung zu entwickeln.

 

3. Die Sozialverwaltung als Partnerin und Dienstleisterin
Sowohl die Sozialberatung im Kiez als auch alle anderen ausführenden Stellen der Sozialverwaltung müssen mittelfristig eine deutliche (stärkere) Dienstleistungsorientierung entwickeln und im Ergebnis als „Partnerin der Bürgerinnen und Bürger“ fungieren. Das (zwar nachvollziehbare aber doch schädliche) „Silodenken“ der Sozialverwaltung heute, wo sich jede Stelle auf ihren Bereich beschränkt, muss der Vergangenheit angehören. Dort wo Menschen ergänzend innerhalb oder außerhalb eines jeweiligen Leistungssystems zusätzliche Ansprüche haben könnten, sind sie dahingehend zu beraten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich dazu in die Schuhe der Leistungsberechtigten stellen und deren Lebenssituation umfassend betrachten und dahingehend beraten. Dies gilt insbesondere dort, wo ein Leistungsbezug endet und gerade dadurch neue / andere Leistungen relevant werden könnten (z.B. Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld II durch Arbeitsaufnahme, anschließend mögliche Ansprüche auf Kinderzuschlag und/oder Wohngeld; damit einhergehend andere Träger für Beantragung von Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets). In einem ersten Schritt könnte hier regelmäßiger Verweis auf das oben angesprochene Portal helfen, möglichst in Verbindung mit entsprechend an Lebenslagen orientierten Einstiegsseiten („Geringe Einkommen“, „Familie und Kinder“, „Menschen mit Beeinträchtigungen“ usw.).

 

Bisher scheitern viele Anträge oft auch an der Vielzahl an Daten die erhoben und Nachweisen die erbracht werden müssen. Eine Sozialverwaltung mit Dienstleistungsorientierung schickt Antragsteller*innen nicht mehr durch die Stadt um Unterlagen einzusammeln und Bescheinigungen verschiedener anderer Stellen einzuholen. Es ist ein System zu erarbeiten, wo es Antragsteller*innen ermöglicht wird, die Behörden zu ermächtigen, einmalig für den jeweiligen Zweck die benötigten Daten (z.B. Arbeitseinkommen, Bescheinigungen der Krankenkasse usw.) intern unmittelbar von den jeweiligen anderen Stellen abzurufen bzw. einzuholen. Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger dar.

 

Sozialverwaltung als Partner ist auch dann gelungen, wenn die Zahl der Widersprüche und Klagen deutlich zurückgegangen ist. Leistungsentscheidungen und -bescheide, die nicht den Wünschen der Antragsteller*innen entsprechen, müssen damit verständlich und nachvollziehbar sein. Zusätzlich bedarf es Stellen der Unterstützung bei der Aufklärung ob Widersprüche Aussicht auf Erfolg haben. In einem guten System, kann eine erste Verwaltungsentscheidung mit Hilfe von unabhängigen Mittler*innen wie beispielsweise Ombudspersonen (wie sie derzeit in mehreren Bezirken für den Bereich der Jobcenter existieren) noch vor Einreichung eines Widerspruchs korrigiert oder ggf. auch zufriedenstellend erklärt werden. Dort wo nötig, sollte eine Unterstützung und Beratung über die notwendigen Schritte für Widerspruch und ggf. Klage ebenfalls durch unabhängige Stellen möglich sein, bis hin zur Vermittlung in anwaltliche Beratung und zur Beantragung von Prozesskostenhilfe.

 

4. Personal
Für dieses neue Verständnis einer Sozialstaatsverwaltung und die Einrichtung von Sozialberatungsstellen in den Kiezen braucht es entsprechend motiviertes und vor allem gut ausgebildetes Personal. Teil der Strategie muss daher auch eine entsprechende Personalstrategie umfassen. Dies bezieht sich sowohl auf klassische Instrumente (Ausbildung, Rekrutierung, regelmäßige Fort- und Weiterbildung) als auch bisher in Berlin weniger intensiv genutzte Instrumente. Beispielsweise könnte die regelmäßige Abordnung auf Zeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Leistungsbehörden wie Jobcenter, Jugendamt, Wohngeldstelle in die Sozialberatungsstellen im Kiez ein solches Instrument sein. Dies würde gleichermaßen der Beratungskompetenz in den Einrichtungen, als auch der Personalentwicklung der abgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im beschriebenen Sinne dienen. Bei den Überlegungen zu den quantitativen Personalbedarfen ist zu berücksichtigen, dass eine gute Beratung im Kiez eine Entlastung in den Sozialleistungsbehörden an anderer Stelle zur Folge haben wird (von Beginn an besser ausgefüllte Anträge, weniger Widersprüche usw.)

 

5. E-Government als Chance: Wertvolle Ergänzung aber nicht Ersatz des persönlichen Kontakts
Die E-Government Strategie des Landes Berlin mit Etablierung eines persönlichen Servicekontos kann die Beantragung von Sozialleistungen künftig noch mehr unterstützen und muss daher bei diesem Konzept mitgedacht werden. Allerdings wird es in der Regel kein Ersatz für die weiterhin notwendigen persönlichen Beratungen darstellen. Im Idealfall bietet die Digitalisierung von Antragsprozessen jedoch eine große Chance in Verbindung mit den Sozialberatungsstellen im Kiez, wenn die Beraterinnen und Berater vor Ort dabei unterstützen die jeweiligen Leistungen gemeinsam mit den Antragstellenden am PC die Anträge ausfüllen. Damit wäre ein großes Problem beim Wunsch einer rechtskreisübergreifende Antragsannahme gelöst.

 

6. Zuständigkeiten intern klären – wer macht was?
Ein umfassendes Konzept kommt nicht umhin klar Rollen und Aufgaben zu definieren. Dazu gehört auch, welche der hier beschriebenen Aufgaben dergestalt hoheitlich sind, so dass diese ausschließlich durch öffentlich Bedienstete erfüllt werden können und welche Aufgaben auch durch oder in Zusammenarbeit mit Träger*innen wahrgenommen werden können oder sollen. Schließlich ist in der Besonderheit der Berliner Verwaltung auch immer die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit von Bezirken und der Landesebene im Blick zu behalten, hinreichend zu klären, auch mit Blick auf Finanzierung und einheitliche Aufgabenerfüllung.

 

7. Bestehende Strukturen nicht ersetzen sondern ergänzen und auf den Erfahrungen aufbauen
Berlin bietet gute Voraussetzungen um den Sozialstaat für den Bürger*innen künftig ganz anders erlebbar zu machen und hier eine Vorbildfunktion einzunehmen. Dabei geht es nicht darum, bestehende Angebote wie Stadtteilzentren, Familienzentren, Rathäuser, oder Senior*innenbegegnungsstätten zu ersetzen. Im Gegenteil, auf den bestehenden Strukturen und den Erfahrungen soll aufgebaut und diese entsprechend ausgebaut werden. Eine einheitliche (Zusatz-)Benennung ist gleichzeitig hilfreich für die Orientierung. Auch Erfahrungen aus Strukturen, welche durch Bundesgesetze gerade neu entstehen oder kürzlich entstanden sind, wie die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung, sind zu berücksichtigen. Dasselbe gilt selbstverständlich für die von den Bezirken begonnene Einrichtung von Familienservicebüros, welche ebenfalls viele der vorgenannten Ansätze (insb. auch die Kooperation zwischen Behörden und Trägern) bereits beinhalten.