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Antrag 110/I/2023 Inklusive Begleitung von Sendungen des RBB Berlin und Brandenburg zu ermöglichen

27.04.2023

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats von Berlin, setzen sich dafür ein, dass beim Sender RBB Berlin Brandenburg Sendungen für Berliner und Brandenburger inklusiv ausgestrahlt werden. Das betrifft insbesondere Informations- und Nachrichtensendungen. Das Angebot für Menschen mit Behinderungen soll weiterentwickelt werden.

Antrag 109/I/2023 Inklusive Formulare für alle Eltern: Schluss mit der Diskriminierung queerer Familien 

27.04.2023

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin und die SPD-Mitglieder des Berliner Senats werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass alle Formulare, beispielsweise Anträge, der Verwaltung, in denen auf Eltern Bezug genommen wird, dahingehend zu ändern sind, dass eine binäre Einteilung nicht mehr stattfindet und genderneutrale Sprache genutzt wird (z.B. statt „Vater/Mutter“ alternativ „Elternteil/Elternteil“).

Antrag 108/I/2023 Denk-Mal barrierefrei – Denk mal an und für alle Menschen

27.04.2023

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gilt seit 2008 in Deutschland im Rang eines Bundesgesetzes und hat Bindungswirkung für sämtliche staatliche Stellen. Zu den garantierten Menschenrechten laut UN-BRK gehört die grundsätzlich zu schaffende Barrierefreiheit. Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen dann, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ist daher in § 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr verankert: „Zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden.“ Gemäß dieser Soll-Vorschrift ist barrierefreies Bauen der Regelfall. Davon kann nur in besonderen Fällen abgewichen werden, nämlich dann „wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden.“ Leider ist in der politischen und baulichen Praxis viel zu häufig eine Umkehr dieses menschenrechtlich gebotenen und gesetzlich verankerten Regel-Ausnahme-Verhältnisses wahrzunehmen.

 

Die Bundesländer sind im Rahmen ihrer föderalen Zuständigkeiten unmittelbar an die verbindlichen Vorgaben der UN-BRK gebunden und zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Aus diesem Grunde haben sie in der Regel eigene Landesbehindertengesetze geschaffen. Für Berlin gilt das am 16. September 2021 vom Abgeordnetenhaus beschlossene und am 7. Oktober 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Land Berlin (Landesgleichberechtigungsgesetz – LGBG) als rechtliche Grundlage der Politik für Menschen mit Behinderung in all ihrer Vielfalt (§ 3 LGBG).

 

Das LGBG ist inklusionspolitisch von zentraler Bedeutung. Es verpflichtet den Berliner Senat und die öffentlichen Stellen, in Umsetzung der UN-BRK und gemäß Artikel 11 der Verfassung von Berlin den vollen, wirksamen und gleichberechtigten Genuss aller Rechte durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Das LBGB garantiert den Berliner*innen mit Behinderungen das Recht auf eine umfassende Barrierefreiheit (§ 4) und die Teilhabe in allen Lebensbereichen (§ 11).

 

Auch der Denkmalschutz hat die Einhaltung der Menschenrechte zu gewährleisten

Die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt die Umsetzung des konventionsübergreifenden Prinzips der Inklusion. Unbestritten ist, dass ein wichtiges Ziel der Denkmalschutzgesetze die sinnvolle Nutzung eines Denkmals ist. Sie ist häufig Überlebensbedingung und kann von der Barrierefreiheit abhängen. Bundes- und landesrechtliche Bestimmungen bilden daher ein Schnittstelle zwischen Barrierefreiheit und Denkmalschutz. Bei der Ausübung des eingeräumten Ermessens in der Entscheidungsfindung sind die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. Ja nach Bundesland sind die entsprechenden Klauseln für das Ermessen aber unterschiedlich – Berlin hat hier noch erheblichen Nachholbedarf.

 

Der Denkmalschutz stellt vor diesem Hintergrund der UN-BRK keinen nur für sich zu betrachtenden isolierten Gesetzeszweck dar. Vielmehr geht es gerade bei baulichen Anlagen um die Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit (vergleiche § 2 Absatz 2 DSchG). Menschen mit Behinderungen sind Teil der Allgemeinheit und daher auch beim Denkmalschutz selbstverständlich mitzubeachten (vgl. Artikel 3 UN-BRK).

 

Denkmalschutz und Denkmalpflege ist Aufgabe der einzelnen Bundesländer. Entsprechend unterschiedlich sind die erlassenen Denkmalschutzgesetze, die Organisationsformen und der Aufbau der Behörden im Bereich des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege – und auch die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen in den jeweiligen Denkmalschutzgesetzen der Länder. Grundsätzlich ist der Denkmalschutz Thema bei barrierefreien Umgestaltungen von Denkmalen im Bestand aber auch bei neuen An- und Erweiterungsbauten sowie bei Neubauten in der Umgebung von Denkmalen. Das Verhältnis von Denkmalschutz und Barrierefreiheit ist ein immer wieder auftretender politischer Dauerkonflikt. Ursächlich ist u.a., dass die Bundesländer in ihren Denkmalschutzgesetzes die Verpflichtungen der UN-BRK noch nicht ausreichend aufgegriffen haben. Dies gilt auch für Berlin.

 

Das am 24. April 1995 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossene Gesetz zum Schutz von Denkmalen in Berlin (Denkmalschutzgesetz Berlin – DSchG Bln) ist bis heute im Wesentlichen unverändert. Zumindest wurden hinsichtlich der Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen in ihrer Vielfalt im September 2021 im § 11 die Wörter „mobilitätsbehinderter Personen“ durch die Wörter „von Menschen mit Behinderungen“ ersetzt. Weitaus klarer und umfassender garantiert das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz (NDSchG) die Rechte von Menschen mit Behinderungen: „“Ein Eingriff in ein Kulturdenkmal ist zu genehmigen, soweit … ein öffentliches Interesse anderer Art, zum Beispiel … die Berücksichtigung der Belange von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen, das Interesse an der unveränderten Erhaltung des Kulturdenkmals überwiegt und den Eingriff zwingend verlangt.“

 

Noch 2021 haben sich Senat und Abgeordnetenhaus gegen die Aufnahme von Rechten von Menschen mit Behinderungen in ihrer Vielfalt entschieden. Die vom Land Berlin mit der Begleitung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beauftragte „Monitoring-Stelle Berlin“ hatte angesichts der Novellierung des DSchG Bln 21 auf der Grundlage der Ergebnisse einer Normenprüfung des Denkmalschutzgesetzes auf notwendige rechtliche Änderungsbedarfe hingewiesen. Auch seitens der SPD-Politik wurden Vorschläge zur Verbesserung der Rechte und vor allem der Lebensqualität im Alltag negiert.

 

Wir fordern

1. eine zügige Novellierung des Gesetzes zum Schutz von Denkmalen in Berlin, u.a. in Bezug auf:

 

§ 7 Landesdenkmalrat

Zugänglichkeit ist ein zentraler Belang für die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Der weitest mögliche Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Denkmälern ist in der UN-BRK explizit vorgegeben (Artikel 30 Absatz 1 c). Auf Grundlage der allgemeinen Verpflichtung aus Artikel 4 Absatz 3 UN-BRK braucht es dringendst der partizipatorischen Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in diesbezügliche Entscheidungsprozesse. Die Vertretung von Menschen mit Behinderungen als Expert*innen in eigener Sache sollte daher im Landesdenkmalrat gesetzlich etabliert werden. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Abwägungsentscheidungen zwischen der Barrierefreiheit als öffentlichem Belang und Denkmalschutzbelangen oftmals nach einem angemessenen Ausgleich widerstreitender Interessen durch kreative Lösungen im Einzelfall verlangen und daher dringendst entsprechender Expertise dringend bedürfen.

 

§ 11 Absatz 1 und 6 DSchG (Genehmigungspflichtige Maßnahmen)

 

Aus den Vorgaben aus Artikel 9 (Zugänglichkeit) als auch aus Artikel 30 (Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport) UN-BRK ergeben sich besondere Anforderungen an die Zugänglichkeit denkmalgeschützter Gebäude und Einrichtungen. Durch explizit geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Denkmälern und Stätten von nationaler Bedeutung erhalten. Bei Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, muss eine gleichberechtigte Nutzbarkeit für Menschen in aller Vielfalt mit und ohne Behinderungen gesetzlich avisiert werden.

Folglich ist gesetzlich sicherzustellen, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen bei einschlägigen Abwägungsentscheidungen hinreichend beachtet werden. Die gleichberechtigte Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen stellt eine Menschenrechtsfrage von Verfassungsrang dar und ist daher auch ausdrücklich als überwiegender öffentlicher Belang in § 11 Absatz 1 DSchG zu normieren und in § 11 Absatz 6 DSchG klarzustellen. § 11 Absatz 6 DSchG muss die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Denkmälern als Grundsatz formulieren, von dem nur in besonders begründeten Fällen abgewichen werden kann. Ausnahmen aufgrund der tatsächlichen physischen Gegebenheiten sind im Einklang mit dem Machbarkeitsvorbehalt nach dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck und der Systematik von Artikel 30 Absatz 1 c) UN-BRK möglich so weit die faktische Realisierbarkeit im Rahmen der verfügbaren Ressourcen nicht gegeben ist.

 

§ 13 Absatz 1 DSchG (Wiederherstellung; Stilllegung)

Aufgrund der bezüglich § 11 DSchG bereits ausgeführten Gründen sowie insbesondere hinsichtlich der staatlichen Verpflichtung zum Abbau von Barrieren auch im Denkmalbestand (gemäß Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 a) UN-BRK) ist es sinnvoll und zweckmäßig, bei ohnehin aus Sicht des Denkmalschutzes erforderlichen Wiederherstellungsmaßnahmen zugleich Verbesserungen hinsichtlich der Zugänglichkeit des wiederherzustellenden Denkmals für Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen.

 

§ 15 DSchG (Öffentliche Förderung)

Aufgrund der zu § 11 DSchG bereits ausgeführten Rechtsgründen ist es insbesondere auch aufgrund der allgemeinen staatlichen Verpflichtung zum Ergreifen geeigneter Maßnahmen (vergleiche Artikel 4 Absatz 1 UN-BRK) sinnvoll und zweckmäßig, die staatliche Förderung von Denkmalschutzmaßnahmen mit Anforderungen an die Barrierefreiheit bzw. die Vornahme angemessener Vorkehrungen zu verknüpfen und die Möglichkeit hierzu in Form einer gebundenen Ermessensentscheidung explizit gesetzlich zu verankern.

 

2. eine Überwindung des in der Politik noch viel zu häufig anzutreffenden „politischen Silo-Denkens“. Es braucht eine stärkere Gewährleistung u.a. der gesetzlich verankerten frauen- und menschenrechtlichen Querschnittsaufgaben wie es die UN-Behindertenrechtskonvention und die Frauenrechtekonvention (CEDAW) erfordert. Diese sind Maßstab für jedes Gesetz, jede Richtlinie, jede Verordnung einer jeder Regierung und Parlamentes auf allen föderalen Ebenen. Hierfür sind entsprechende Kompetenzschulungen vorzusehen.

 

3. die Einbeziehung von Expert*innen bzw. Sachverständigen zum Barrierefreien Bauen. Dem hier noch zu beobachtendem eklatantem Fachkräftemangel für „Design für all“ ist aktiv durch Aus-, Fort- und Weiterbildung entgegenzuwirken. Entsprechende Förderprogramme sind aufzulegen, entsprechende Fachstellen auf allen behördlichen Ebenen der Verwaltung sind zu schaffen und zu finanzieren.

 

4. einen inklusiven Eingangsbereich für das Museum für Naturkunde als aktuelles Beispiel

Etliche der oben beschriebenen unzureichenden Gewährleistungen der Rechte von Menschen mit Behinderungen führen aktuell und vor allem künftig jahrzehntelang andauernden gravierenden Benachteiligungen und Diskriminierungen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Aufgrund des demographischen Wandels ist hier mit einer deutlichen Zunahme zu rechnen.

 

Der Zukunftsplan des Museums für Naturkunde zielt unter anderem darauf ab, den historisch begründeten Campusgedanken des im Laufe der 1870er und 1880 erstellten Wissenschaftsforum für Forschung, Lehre und Wissenstransfer (drei Gebäude) in die Gegenwart zu überführen und die Außenflächen der Liegenschaft so umzugestalten, dass ein aktiver Austausch zwischen Besuchenden aus Berlin und der ganzen Welt und Mitarbeitenden auch hier wieder möglich werden kann. Bewilligt sind u.a. für die Sanierung des Museumsgebäudes Zuwendungen von Bund und Land in Höhe von 660 Millionen Euro – Steuergeld, welches von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gezahlt worden ist.

 

Das Museum für Naturkunde möchte mithilfe des Zukunftsplans erreichen, ein inklusives offenes und integriertes Forschungsmuseum zu werden. Zu diesem Zweck soll der historische Haupteingang umgestaltet werden, so dass alle Besuchenden auf dem gleichen Wege das Museumsinnere erreichen können. Dabei geht es nicht nur um das Überwinden der großen Haupttreppe, sondern auch das der zahlreichen weiteren Stufen die außen wie innen folgen.

 

Die aktuelle Position des Gartendenkmalamtes sieht allerdings ein anderes Konzept vor. Eine Erweiterung des Eingangsbereichs in den Vorplatzbereich wird abgelehnt, was bedeutet, dass das Recht von Menschen mit Beeinträchtigungen auf Barrierefreiheit verwehrt ist. Ihnen wird mit dieser Entscheidung nicht erlaubt, das Museum für Naturkunde „in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ zu betreten.

 

Dies ist ein gesellschaftspolitischer, keineswegs nur ein behindertenpolitischer Skandal. Öffentlichkeit bzw. Gesellschaft wird heute anders definiert als im späten 19. Jahrhundert. Damals war es noch gang und gäbe, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, seien es Behinderungen in der Mobilität oder den Kommunikationsformen, sei es wegen Kinderwagen, Rollstühle oder Rollatoren, in der Planung neuer Gebäude nicht vorkamen, ja sie teilweise auch bewusst exkludiert wurden. Ihnen blieb es damals verwehrt, am öffentlichen Leben und Kulturangebot in voller Gänze teilzuhaben. Ein solcher Missstand darf sich heute nicht wiederholen: Neue Gebäude sind inklusiv zu planen und historische Gebäude entsprechend baulich barrierefrei zu verändern.

 

Unverständlich ist auch, dass Gebäudesubstanz vor dem immateriellen aber wesentlichen historischen Auftrag, das Wissen in die breite Öffentlichkeit hineinzutragen, gestellt wird.

 

Im Juni 2023 wird der laufende Architekturwettbewerb zum Abschluss kommen. Um eine attraktive und den Denkmalbestand respektierende Lösung zu finden, wurde die Umgestaltung des Portals als zentraler Bestandteil in diesen aufgenommen. Ein Ideenteil wird den teilnehmenden Büros die Möglichkeit geben, kreative Entwürfe einreichen zu können. Bisher hat das Landesdenkmalamt im Vorfeld des Wettbewerbs jedoch lediglich seitlichen Anrampungen zugestimmt. Eine Lösung für die Überwindung der weiteren Stufen konnte nicht gefunden werden. Andere Lösungsansätze für die Umgestaltung wurden abgelehnt, da der Eingriff in die Bausubstanz oder in das Gartendenkmal zu groß und die Maßnahme daher nicht mit der Kunst- und Baudenkmalpflege vereinbar sei.

 

Ein Blick auf die ersten beiden Bauabschnitte und die Pläne für den laufenden 3. Bauabschnitt zeigt, wie verantwortungsvoll mit dem Denkmalbestand und der Historie bislang umgegangen worden ist. Es wurde stets dafür Sorge getragen, so substanzschonend wie möglich vorzugehen. Der Haupteingang nimmt jedoch eine besondere Stellung ein. Er soll für ein inklusives und integratives Museum stehen und gleichzeitig ein Statement mit Vorbildcharakter für eine inklusive Gesellschaft werden. Daher ist es von essenzieller Bedeutung, die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen höher einzustufen als den Schutz wertvoller historischer Bausubstanz. Noch verhindert das Landesdenkmalamt Architektur und Außenanlagen inklusiv umzugestalten und zukunftsfähig zu machen.

 

5. Ein Förderprogramm zur Ermöglichung von mehr Klagen zur Erreichung der Barrierefreiheit

Es braucht ein Mehr an gerichtlichen Entscheidungen zur Barrierefreiheit. Während es – soweit ersichtlich – kaum Entscheidungen gibt, in denen das Fehlen barrierefreier Einrichtungen gerügt wird, zeigt sich umgekehrt eine großzügige denkmalschutzrechtliche Genehmigungspraxis. Auch zur gerichtlichen Durchsetzung von Barrierefreiheit braucht es neuaufzulegender Förderprogramme.

 

 

Antrag 125/I/2023 Reform des AGG: für einen wirksamen und zukunftsfähigen Diskriminierungsschutz

27.04.2023

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die „Schutzlücken [des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu] schließen, den Rechtsschutz [zu] verbessern und den Anwendungsbereich aus[zu]weiten.“ Die Landesgruppe im Bundestag und die am Prozess beteiligten Berliner Genoss*innen sollen auf die Umsetzung des Reformvorhabens hinwirken und sich für die nachfolgenden Änderungen einsetzen:

 

Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf den staatlichen Bereich

Zum Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gehören die Bereiche Beschäftigung, Dienstleistungen und Güter. Bei Diskriminierung im Rahmen von staatlichem Handeln, also z.B. im Kontakt mit der Verwaltung und der Polizei, greift das Gesetz bisher nicht. Diese Schutzlücke soll geschlossen werden; sofern möglich über das AGG selbst.

 

Stärkung der Mittel für die Rechtsdurchsetzung

 

1. Prozessstandschaft ermöglichen

Die Prozessstandschaft ermöglicht es den Antidiskriminierungsverbänden die Rechte der diskriminierten Person im eigenen Namen geltend zu machen, den Prozess also an ihrer statt führen. Somit können die Folgen der langwierigen Gerichtsverfahren, die für die Betroffenen eine starke psychische und finanzielle Belastung darstellen, abgemildert werden.

 

2. Verbandsklagerecht ermöglichen

Bisher sind Klagen nach AGG nur für individuell betroffene Einzelpersonen möglich. Antidiskriminierungsverbände können damit bei Diskriminierung rechtlich nicht intervenieren, wie es Umweltverbände nach § 2 UmwRG und demnächst auch Verbraucherschutzverbände in ihrem Bereich können.

 

3. Einrichtung eines Rechtshilfefonds
Die angekündigte Verstetigung der Förderung der Antidiskriminierungsberatung durch ein „Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrhaften Demokratie“ ist bisher nicht erfolgt. Die Beratungsstellen sind weiterhin projektbezogen finanziert und ihre Arbeit damit in der Regel nur für 1 Jahr abgesichert. Es braucht daher einen Rechtshilfefond, damit die Antidiskriminierungsberatungsstellen von den zuvor genannten rechtlichen Mitteln Gebrauch machen können.

 

4. Senkung der Anforderungen für den gerichtlichen Beistand
Gemäß § 23 Abs. 1 AGG muss ein Verband 75 Mitglieder vorweisen, um im gerichtlichen Verfahren als Beistand auftreten zu können. Durch die projektbezogene Finanzierung ist den Verbänden die strukturelle Weiterentwicklung, zu der auch Mitgliedergewinnung und -pflege gehören, nur bedingt möglich. Die Vorgabe soll daher deutlich abgesenkt werden.

 

5. Gesetzliche Verankerung der Förderung von Antidiskriminierungsberatungsstellen

Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag „das Netzwerk zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen gegen Diskriminierung flächendeckend ausbauen und nachhaltig finanzieren.“ Hierfür sollen die Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) dahingehend erweitert werden, dass sie den gesetzlichen Förderauftrag für den Auf- und Ausbau eines Netzwerks unabhängiger Antidiskriminierungsberatungsstellen erhält.
Diskriminierungsschutz mit durchgängig horizontalem Ansatz

In § 19 AGG wird der Schutz vor Diskriminierung im Zivilrechtsverkehr teilweise auf einzelne Gruppen enggeführt. Diese Einschränkung soll aufgehoben werden, so dass sich der Schutz vor Diskriminierung auf alle in § 1 AGG genannten Diskriminierungskategorien erstreckt.
Erweiterung des Katalogs des Diskriminierungsdimensionen
Bisher beschränkt sich der Schutz vor Diskriminierung durch das AGG auf die sechs in § 1 genannten Merkmale. Unabhängig davon, ob eine Öffnung des Katalogs im Rahmen der Novellierung des AGG erfolgt, sollen folgende Merkmale explizit in das Gesetz aufgenommen werden. Der Vorschlag entspricht der Forderung des Bündnis AGG Reform – Jetzt! und basiert damit auf der Empfehlung von > 100 Organisation aus dem Bereich Antidiskriminierung:

  • Sozialer Status
  • Staatsangehörigkeit
  • Sprache
  • Familiäre Fürsorgeverantwortung
  • Chronische Krankheit
  • Körpergewicht und Körpergröße (siehe auch Beschluss 505/II/2022)

 

Die Anzahl der Mitglieder des Beirats der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) soll entsprechend angehoben werden, damit auch Vertreter*innen dieser Diskriminierungsdimensionen in das Gremium eingebunden werden können.
Darüber hinaus fordern wir alle in die Überarbeitung des Gesetzes eingebundenen Berliner Genoss*innen auf, sich für die Öffnung des in § 1 AGG genannten Katalogs einzusetzen und für die Überarbeitung der zu eng geführten / historisch bedingten Begriffe für die bereits geschützten Dimensionen entsprechende Expert*innen mit ein zu beziehen, damit durch eine Änderung der Benennung nicht neue Schutzlücken entstehen!

 

Erweiterung der Diskriminierungsformen

Das AGG benennt in § 3 fünf Diskriminierungsformen. Diese haben sich in der Praxis nicht als ausreichend erwiesen. Es sollen daher folgende Punkte neu aufgenommen werden:

  • Verwehrung von „angemessenen Vorkehrungen“ und „Barrierefreiheit“
  • Sexuelle Belästigung
  • Assoziierte Diskriminierung

 

Wer in einem Nahverhältnis zu einer diskriminierten Person steht, kann Diskriminierung anhand dieser Verbindung erfahren (vgl. EuGH, Entscheidung vom 17. Juli 2008, C-303/06). In solchen Fällen wird von assoziierter Diskriminierung gesprochen. In einem Nahverhältnis stehen beispielsweise Eltern, Geschwister, Kinder oder Lebenspartner*innen einer diskriminierten Person.

 

Verlängerung der Fristen für die Rechtsdurchsetzung

Um zu erkennen, dass eine Diskriminierung vorliegt, sich darüber zu beschweren und eine außergerichtliche Einigung anzustreben, reicht die bestehende Frist von zwei Monaten nicht aus. Die in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehene Geltendmachungsfrist soll daher auf 12 Monate angehoben werden.

 

Erweiterung der Beweislasterleichterung

1. Klare Benennung des Umfangs der Beweislasterleichterung

Aus dem Gesetz muss hervorgehen, dass sich die Beweislasterleichterung nicht ausschließlich auf die Kausalität zwischen der Diskriminierung und einer in § 1 AGG genannten Diskriminierungsdimension bezieht, sondern auch auf die Darlegung der Diskriminierung selbst.

 

2. Auskunftsrecht für Antidiskriminierungsverbände

Für den Nachweis von Diskriminierung bedarf es oft der Einsicht verschiedener Daten und Informationen zu einem Prozess, z.B. im Falle von Algorithmen gestützten Bewerbungsverfahren. Über ein Auskunftsrecht soll den Antidiskriminierungsverbänden der Zugriff auf diese Informationen im rechtlich möglichen Rahmen gestattet werden.

 

3. Konkretisierung der Anforderungen an die Beweisführung

Im Gesetz soll ausgeführt werden, dass beispielsweise die Parteivernehmung, die Nichteinrichtung einer innerbetriebli¬chen Beschwerdestelle, die Ergebnisse von Testings sowie Statistiken zulässige und im Einzel¬fall ausreichende Beweismittel darstellen können.

 

4. Erhöhung der Darlegungslast für eine unterschiedliche Behandlung
Gemäß § 20 AGG Abs. 1 ist eine unterschiedliche Behandlung auf Basis der „Vermeidung von Gefahren“ zulässig. Um Willkür und Missbrauch entgegenzuwirken, soll hier die Darlegungslast erhöht werden, welche Gefahren warum nur durch eine ungleiche Behandlung vermieden werden können.

 

Wirksame und abschreckende Sanktionen

Gemäß den europäischen Vorgaben sollen Sanktionen bei Diskriminierung wirksam und abschreckend sein. Die Deckelung der Entschädigung auf drei Monatsgehälter in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG soll daher gestrichen werden. Die Anforderungen hinsichtlich der Wirksamkeit und abschreckenden Wirkung sollen im Gesetz ausformuliert werden.

 

Konkrete Vorgaben für die innerbetriebliche Umsetzungen des Diskriminierungsschutzes

Die §§ 11, 12 und 13 des AGG verpflichten die Arbeitgebenden zum Diskriminierungsschutz, bleiben aber in Bezug auf die Ausgestaltung eher vage. Dem soll wie folgt entgegengewirkt werden:

1. Spezifizierung der Arbeitgebendenverpflichtungen

Die in § 12 genannten Verpflichtungen zum Schutz vor Diskriminierung sollen konkretisiert und um eine Verpflichtung zu Barrierefreiheit ergänzt werden.

 

2. Niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeit

Es sollen Mindeststandards für innerbetriebliche Beschwerdestellen im Gesetz verankert werden.

 

3. Beteiligung der betriebsinternen Gremien

Im Gesetz soll festgeschrieben werden, dass in den Aufbau von innerbetrieblichen Beschwerdestellen die betriebsinternen Gremien, wie der Betriebs- oder Personalrat, verpflichtend eingebunden werden müssen.

 

4. Sanktionierung bei Nichteinrichtung einer Beschwerdestelle

In das Gesetz soll die Möglichkeit der Prüfung der Beschwerdestellen hinsichtlich ihrer Existenz und Effektivität und der Sanktionierung beim Fehlen einer Beschwerdestelle und Mängeln aufgenommen werden.

 

Anpassung des Kirchenprivilegs an die europäischen Vorgaben

Der § 9 AGG soll gestrichen werden, da § 8 AGG bereits eine zulässige „unterschiedliche Behandlung“ vorsieht, „wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.“ Das ist beispielsweise im Verkündungsbereich der Fall.

 

Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS)

Das Mandat und die Ressourcen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollen gemäß den Empfehlungen für „Gleichstellungstellen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz auf nationaler Ebene“ der Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und der „Standards für Gleichstellungsstellen“ der Europäischen Kommission erweitert werden.

 

Abschließend fordern wir alle in die Überarbeitung des Gesetzes eingebundenen Berliner Genoss*innen dazu auf, die im Bereich Antidiskriminierung tätigen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft in die Überarbeitung des Gesetzes miteinzubeziehen, um mögliche Schutzlücken und Hindernisse für die praktische Anwendung des Gesetzes frühzeitig zu erkennen und auszuräumen, und die weiteren Änderungsempfehlung des Berichts vom Bündnis AGG Reform – Jetzt! zu berücksichtigen.

Antrag 124/I/2023 Racial Profiling

27.04.2023

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und betroffenen Communities Maßnahmen zum Verbot von Racial Profiling zu entwickeln und umsetzen.

 

Zu den Maßnahmen gehören die Schulung und Sensibilisierung von Polizei- und Behördenmitarbeiter*innen zum Thema Racial Profiling ebenso wie eine Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) in folgenden Punkten:

  1. Eine klare Definition von Racial Profiling und gesetzliches Verbot rassistischer oder diskriminierender Praktiken von Polizei und anderen Behörden.
  2. Festlegung spezifischer Standards für Personenkontrollen, um sicherzustellen, dass Kontrollen nur auf der Grundlage konkreter und vernünftiger Verdachtsmomente durchgeführt werden.
  3. Verbot der Speicherung von Daten aufgrund der Hautfarbe oder ethnischen Herkunft
  4. Unabhängige Kontrollorgane: Ein unabhängiges Kontrollorgan sollte geschaffen werden, um Beschwerden über Racial Profiling entgegenzunehmen und zu untersuchen. Dieses Gremium sollte aus unabhängigen Expertinnen und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft bestehen.
  5. Die einzusetzende Enquete-Kommission gegen Rassismus soll ebenfalls Vorschläge zur effektiven Verhinderung von Racial Profiling erarbeiten.