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Antrag 77/I/2021 Gegen Institutionellen Rassismus – Arbeitshilfe zurücknehmen

18.03.2021

Im April 2018 hat die Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitshilfe zur „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch EU-Bürger“ herausgegeben. Seitdem sind drei weitere, rhetorisch entschärfte, Auflagen erschienen. Zuletzt kam im Februar 2021 die Arbeitshilfe „Bekämpfung von bandenmäßigem Leistungsmissbrauch im spezifischen Zusammenhang mit der EU-Freizügigkeit“ heraus. Das Papier soll Mitarbeiter*innen der JobCenter dabei unterstützen, Leistungsmissbrauch zu erkennen und zu bekämpfen. Keines der Papiere ist öffentlich einsehbar. Auch für Betroffene oder Beratungsstellen ist die Arbeitshilfe unzugänglich.

 

Gleichzeitig stellen Sozialverbände und Beratende eine verstärkt abweisende Praxis und Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit von Antragssteller*innen fest. Im November 2020 adressieren elf Verbände, darunter die GGUA Flüchtlingshilfe, Tacheles e.V., das Komitee für Grundrechte und Demokratie und die Landesarmutskonferenz Berlin einen Brief an das Bundesarbeitsministerium. Sie fordern unter anderem die Rücknahme der Arbeitshilfe und beschreiben die Praxis in den JobCentern.

 

So werden Leistungen unberechtigt abgelehnt, Antragsunterlagen zurückgehalten und Nachweise in unverhältnismäßigem Umfang gefordert. Ob Antragssteller*innen ihre Arbeitnehmer*inneneigenschaft glaubhaft machen können, liegt dabei oft auch bei ihren Arbeitgeber*innen. Vorzulegende Nachweise können außerdem Mietverhältnisse, Krankenversicherung und die Sicherung des Lebensunterhalts sein. Entsprechende Belege können über Jahre hinweg eingefordert werden. Bei Zweifeln kann die Entscheidung über Grundsicherung ausgesetzt werden.

 

Die Arbeitshilfe verkennt die Lebensrealität prekär Beschäftigter im Niedriglohnsektor in zweifacher Hinsicht: Für Betroffene bedeutet die Verweigerung von Leistungen eine verstärkte Abhängigkeit von ausbeuterischen Verhältnissen. Ihre Existenzängste bei fehlender Grundsicherung finden keine Berücksichtigung. Außerdem gelten Kündigungen nach kurzer Zeit, das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages, eine fehlende Anmeldung bei der Unfallversicherung seitens des Betriebs, überhöhte Mieten und Wohnabhängigkeit als Kriterien um „bandenmäßigen Sozialleistungsmissbrauch“ zu erkennen. Diese Merkmale deuten aber gleichzeitig bzw. vielmehr auf ausbeuterische Arbeitsverhältnisse hin.

 

Die Situation wird dadurch verschärft, dass fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Arbeitsrechts die Verhandlungsmacht der Betroffenen gegenüber Arbeitgeber*innen und JobCentern weiter einschränken. Wer dringend auf Grundsicherung angewiesen ist, diese aber nur spät oder gar nicht erhält, erlebt Existenzängste, das Risiko von Wohnungsverlust und soziale Verdrängung. Außerdem werden mit der Leistungsverweigerung auch andere integrative Angebote versperrt. Dazu gehören Krankenversicherung, Intergrations- und Sprachkurse und weitere Bildungsangebote.

 

Insbesondere Menschen mit rumänischer oder bulgarischer Staatsangehörigkeit sind betroffen. So gibt die Arbeitshilfe in diesen Fällen spezifische Handlungsempfehlungen zur Überprüfung der Identität der Antragssteller*innen. Hier werden Menschen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft stigmatisiert und Betroffene werden nicht mehr vorurteilsfrei behandelt. Prekär lebende rumänische und bulgarische Arbeiter*innen müssen bei einem Antrag auf Grundsicherung mit dem Vorwurf der „missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen“ rechnen. Belastbare Daten zu „kriminellen Banden“, ein weiter stigmatisierender Begriff, kann die Bundesagentur für Arbeit aber nicht vorlegen.

 

Dass Menschen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft oder zugeschriebenen sozialen Gruppenzugehörigkeit der Zugang zu dringend notwendigen Leistungen erschwert wird, widerspricht den grundlegenden Prinzipien eines sozialen Staates. Wer von Arbeitsausbeutung betroffen ist und nicht von seinem*ihrem Lohn leben kann, braucht Unterstützung, keine Kriminalisierung – auch um Abhängigkeitsverhältnisse zu durchbrechen.

 

Deshalb fordern wir:

  • Die Rücknahme der Arbeitshilfe „Bekämpfung von bandenmäßigem Leistungsmissbrauch im spezifischen Zusammenhang mit der EU-Freizügigkeit“
  • Dass sich künftige Arbeitshilfen der Bundesagentur für Arbeit an der Realität des prekären Arbeitsmarktes orientieren und öffentlich einsehbar sind
  • Sonderempfehlungen aufgrund von Staatsangehörigkeit oder zugeschriebener Herkunft ohne rechtliche Grundlage zu unterlassen
  • Statt aus Betroffenen Täter*innen zu machen: Verlässliche Hilfen und Informationen zur Unterstützung gegen ausbeuterische Arbeits- und Wohnverhältnisse in den JobCentern
  • Die Überprüfung und Bekämpfung von Mechanismen, die systematisch dazu führen, dass Menschen ihre Ansprüche auf Sozialleistungen vorenthalten werden
  • Regelmäßige Workshops und Schulungen für Mitarbeitende zum diskriminierungs- und rassismusfreien Umgang mit Klient*innen

Antrag 102/I/2021 Grüne Gentechnik aus progressiver Perspektive

18.03.2021

Vorbemerkung: In diesem Papier geht es ausschließlich um grüne Gentechnik bei Nutzpflanzen. Einige Analysen und Lösungsvorschläge lassen sich jedoch auf die gesamte Saatgut- und Lebensmittelindustrie beziehen. Da es ein gewisses Vorwissen braucht, um die Forderungen verstehen zu können, widmen sich die Kapitel 1 und 2 der Begriffsklärung bzw. unserer Motivation. In Kapitel 3 befindet sich die Problemanalyse. In Kapitel 4 werden unsere Forderungen formuliert und in Kapitel 5 die Umsetzung dieser ausgeführt.

 

1.          Worüber reden wir?

Bei der grünen Gentechnik können wir grob zwischen drei Züchtungstechniken unterscheiden.

 

1.1.          Konventionelle Züchtung

Bei der konventionellen Züchtung werden diejenigen Pflanzen ausgewählt, die dem Züchtungsziel am nächsten kommen, weil sie z.B. besonders große oder viele Früchte tragen und werden gekreuzt, damit diese Merkmale bei der nächsten Pflanzengeneration noch ausgeprägter sind. Zur Auswahl der Pflanzen geht nicht der*die Landwirt*in übers Feld und sucht Pflanzen heraus, die durch zufällige Mutationen dem Züchtungsziel nahe kommen. Stattdessen werden die Pflanzen mit radioaktiver Bestrahlung oder Chemikalien so behandelt, dass Mutationen auftreten (Mutagenese). Die behandelten Pflanzen, deren Mutation zum Züchtungsziel passt, werden dann zur Weiterzüchtung ausgewählt.

 

Bei der konventionellen Züchtung wird also nicht das Genom selbst betrachtet, sondern die Ausprägungen, die es herbeiführt. Auch wenn bei dieser Züchtungsform nicht von Gentechnik gesprochen wird, ist das Genom der so neu gezüchteten Sorte im Vergleich zur ursprünglichen Sorte verändert.

 

2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die rechtliche Einstufung von Pflanzensorten, die durch konventionelle Züchtung entstehen. Der EuGH entschied, dass Pflanzensorten, die durch Bestrahlung oder Einsatz von Chemikalien entstanden sind, von der sonst üblichen Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Organismen (GVO) befreit sind. Der Grund hierfür sei die seit langem übliche Anwendung dieser Methode und die daraus resultierende Einstufung als ungefährlicher Organismus. Gentechnik ist also schon lange Bestandteil unserer Agrarwirtschaft – wird aber oft nicht als solche benannt.

 

1.2.          Konventionelle Gentechnik

Bei der konventionellen Gentechnik (“genetically modified organisms”, kurz GMO, oder “genetisch veränderte Organismen”, kurz GVO) werden Erbgutteile einer ähnlichen oder einer gänzlich anderen Art in das Erbgut einer Nutzpflanze eingebaut. Wenn Organismen mit dem Erbgut ihnen ähnlicher Arten behandelt werden, spricht man von “cisgenen” GVO. Wenn Organismen mit dem Erbgut gänzlich anderer Arten behandelt werden, spricht man von “transgenen” GVO .

 

Bei der konventionellen Gentechnik kann nicht genau bestimmt werden, wo der einzufügende Erbgutteil eingebaut wird. Wurde artfremdes Erbgut (transgen) eingefügt, ist das später im Erbgut der Pflanze erkennbar und man kann klar sagen, dass diese mit Gentechnik verändert wurde. Jedoch muss im Vornherein klar sein, nach welchen Veränderungen gesucht wird. Bei cisgenetischen Veränderungen (Erbgutteil einer ähnlichen Art) können diese genetischen Veränderungen gar nicht nachgewiesen werden.

 

Ein bekanntes Beispiel für eine transgenetisch veränderte Pflanze ist der Bt-Mais. Viele Maispflanzen werden durch einen bestimmten Schädling zerstört. Es gibt ein Bakterium, das ein Protein produziert, das für den Menschen unschädlich, für genau diesen Schädling aber giftig ist. Die Formel zur Herstellung dieses Proteins steckt im Erbgut des Bakteriums. Beim Bt-Mais wurde diese Formel in das Erbgut der Mais-Pflanze eingeschleust. Der so veränderte Bt-Mais kann nun selbst das Protein gegen den Schädling produzieren.

 

Risiken bestehen hauptsächlich für “Nicht-Zielorganismen”, also zum Beispiel andere Insekten als den Schädling selbst, die mit der gentechnisch veränderten Pflanze in Berührung kommen.

 

Der rechtliche Umgang mit und die Regulierung genetisch veränderter Organismen unterscheiden sich stark zwischen den Staaten. Die EU reguliert hier anhand der sogenannten Freisetzungsrichtlinie (Zulassung zum Anbau) und einer separat geregelten Zulassung als Futter- und Lebensmittel. Die EU reguliert prozessbezogen und stuft so die Sorten nach dem Verfahren, durch das sie entstanden sind, ein. Währenddessen handeln Staaten wie die USA und Kanada produktbezogen, wo die Eigenschaft „genetisch modifiziert“ an bestimmten Eigenschaften eines Organismus festgemacht wird. Zudem haben Staaten auch innerhalb der EU verschiedene Umgangsweisen mit genetisch veränderten Organismen. Dies führt unter anderem zu uneinheitlichen Regelungen innerhalb der EU und weltweit.

 

1.3.          Neue Gentechnik

Die neue Gentechnik wird auch moderne Gentechnik oder “genome editing” (GE) genannt. GE gibt es seit ca. 20 Jahren. Das Genom der Pflanze wird aufgeschlüsselt, damit eine Änderung an einer genau bestimmten Stelle vorgenommen werden kann. Darin liegt der große Unterschied zur konventionellen Gentechnik, in der diese Genauigkeit nicht möglich ist.

 

“Crispr/cas9”, auch bekannt als “Genschere”, ist eine besondere GE-Technik, die es seit ca. fünf Jahren gibt und den GE-Prozess um ein Vielfaches beschleunigt. Mit dieser Technik können einzelne Bereiche des Erbguts spezifisch verändert werden. Somit ist auch die Formulierung komplexerer Züchtungsziele möglich, die Veränderungen von mehreren Genen gleichzeitig (polygenetisch) beinhalten können.

 

Solche cisgenetischen Veränderungen von Pflanzen mit dem Erbgut waren auch mit der konventionellen Gentechnik möglich – allerdings waren sie so aufwendig, dass sie fast nie durchgeführt wurden. In der Praxis gibt es also erst durch “genome editing” und die effizientere GE-Technik “crispr/cas9” cisgenetisch verändertes Saatgut.

 

Es gibt durch GE nun also zum ersten Mal gentechnisch verändertes Saatgut, das man nicht von konventionell erzeugtem Saatgut unterscheiden kann.

 

1.4.          Biodiversität bei Nutzpflanzen

Alle diese drei Züchtungsarten erschaffen neue Pflanzensorten, die ein eigenes Genom haben. Das bedeutet zunächst einmal mehr Biodiversität. Alle Sorten von Nutzpflanzen, egal, wie sie entwickelt wurden, können sich im Feld mit anderen Sorten kreuzen. Mit Gentechnik entwickelte Sorten bedrohen andere Pflanzen und damit die Biodiversität nicht mehr als konventionell erzeugte Sorten.

 

2.          Warum reden wir darüber?

 

Als Sozialist*innen und Internationalist*innen können wir mit den aktuellen Regelungen rund um das Thema Gentechnik nicht zufrieden sein. Dafür haben wir mehrere Gründe.

 

2.1.          Wissenschaftliche Erkenntnisse leiten unsere politische Arbeit.

Wir sehen, dass die Debatten um Ernährung, Landwirtschaft und Gentechnik oft auf emotionaler Ebene geführt werden und neue wissenschaftliche Erkenntnisse dabei nur unzureichend berücksichtigt werden. Das ist nicht überraschend, denn die eigene Ernährung ist etwas sehr Persönliches und wir respektieren das in all unseren Überlegungen zu diesem Bereich und tragen gleichzeitig dem Vorsorgeprinzip Rechnung.

 

Wir beobachten, dass im Bereich der Landwirtschaft Veränderungen und Innovationen oft kritischer gesehen werden als in anderen Bereichen. Außerdem gibt es in der EU aber auch in anderen Industriestaaten eine starke Agrarlobby, was dazu führt, dass die Landwirtschaft stärker als andere Sektoren subventioniert wird, was auch bei vielen Wähler*innen Unterstützung findet.

 

Dass emotionale Argumente die gesellschaftliche Diskussion und damit die Politik leiten, sehen wir auch im Bereich Gentechnik. Konventionelle Züchtung setzte früher auf zufällige Mutation im Genom, heute auf Mutationen durch radioaktive Bestrahlung oder den Einsatz aggressiver Chemikalien. Bei diesen Techniken kann und konnte nie ausgeschlossen werden, dass auch unabsichtliche und gar unbemerkte Veränderungen an anderen Eigenschaften der Pflanzen auftreten. So gab es beispielsweise Fälle, in denen der Gehalt eines bestimmten Stoffes (Glycoalkaloid) in den Pflanzen erhöht wurde, um sie besser vor Insekten und Krankheiten zu schützen. Erst später wurde entdeckt, dass dieser Stoff in erhöhter Menge zu Krankheiten beim Menschen führt.

 

Dieses Risiko gibt es selbstverständlich auch bei Sorten, die durch GM oder GE entwickelt wurden. Es ist bei diesen Verfahren jedoch kleiner, weil die Veränderungen, die vorgenommen werden, zielgerichteter sind und die Forscher*innen wissen, welche Gene verändert werden. Weshalb ist also das Misstrauen aus Verbraucher*innenperspektive gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen so viel höher als gegenüber konventionell gezüchteten? Auf wissenschaftlichen Fakten beruht dieser Unterschied in der Bewertung zumindest nicht. Für uns ist es nicht hinnehmbar, wenn politische Entscheidungen, hier die Bevorzugung einer Züchtungsart, auf irrationalen Annahmen und gefühlten Wahrheiten beruhen und damit für viele Menschen das Ergebnis dieser Politik weniger gut ist als es sein könnte.

 

2.2.          Welternährung sichern und den Klimawandel bekämpfen

Der Klimawandel ist die große Bedrohung der Menschheit im 21. Jahrhundert. Die Weltbevölkerung wächst. Beides stellt uns vor große Herausforderungen. Unsere Entscheidungen betreffen nicht nur uns, sondern auch Menschen an anderen Orten der Welt und künftige Generationen. Auch diesen Menschen gegenüber haben wir eine Verantwortung. Daher dürfen wir nicht einfach eine Maßnahme, eine technologische Möglichkeit, um diese Herausforderungen anzugehen von vornherein ausschließen ohne das Für und Wider rational zu bewerten.

 

Gesunde Nahrungsmittel und eine ausgewogene Ernährung dürfen kein Luxus sein. Entsprechend können wir das Gefälle beim Zugang zu gesunder Ernährung, das es innerhalb Deutschlands, aber auch global gibt, nicht akzeptieren.

 

2.3.          Das Urteil des EuGH zeigt den dringenden Handlungsbedarf.

Gentechnik wird in Deutschland seit den 1970er Jahren genutzt. 1990 wurde das Gentechnikgesetz (GenTG) als Rahmen für die Nutzung und Entwicklung von Gentechnik verabschiedet. Es soll vor allem Verbraucher*innen vor potentiellen Gefahren schützen.

 

Das GenTG definiert einen genetisch veränderten Organismus als „ein[en] Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert  worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzungen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“ (GenTG §3 Abs. 2a)). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens fiel unter diese Definition die konventionelle Gentechnik. Jedoch werden im Begriff „gentechnische Arbeiten“ alle Methoden zur „Erzeugung gentechnische veränderter Organismen“ eingeschlossen (GenTG §3 Abs. 3). Das GenTG gilt in dieser Form auch heute noch, obwohl sich die Forschung stark weiterentwickelt hat und eine Differenzierung der Methoden nötig wäre.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2018 hat dem Thema neue Aktualität und Aufmerksamkeit verschafft. Es besagte, dass GE-Pflanzen in der EU genauso behandelt werden sollen wie mit konventioneller Gentechnik entwickelte Pflanzen (GVOs) und entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Eine Unterscheidung zwischen GE- und nicht-GE-Pflanzen ist im Nachhinein nicht möglich und eine Kennzeichnungspflicht daher auch nicht umsetzbar. Andere wichtige Agrarexportländer wie die USA, Kanada oder Brasilien haben hingegen produktorientierte Regelungen, bei denen GE-Sorten nicht als Gentechnik eingeordnet werden und entsprechend nicht als solche gekennzeichnet werden müssen.

 

3.          Was ist das Problem?

 

3.1.          Der Markt für Lebensmittel auf Seite der Produzierenden in Deutschland und der EU.

 

3.1.1.          Eine kapitalistische Marktwirtschaft verfolgt nie unsere gesellschaftlichen Ziele.

Im Kapitalismus ist stets die Erwirtschaftung von Profiten das Ziel. Ein Unternehmen kann nach dieser Logik Profite nur durch Verkauf seiner Entwicklung, also dem neuen Saatgut und den damit verbundenen Produkten, wie Pestiziden erwirtschaften. Entsprechend wird ausgewählt, woran geforscht und was entwickelt wird. Dabei leiten folgende Prinzipien:

 

  1.  Die Entwicklung soll so günstig wie möglich sein.
  2.  Es sollten viele Landwirt*innen/Verbraucher*innen diese so veränderte Sorte nachfragen.
  3.  Es sollten zahlungskräftige Landwirt*innen/Verbraucher*innen nachfragen.

 

Daraus ergibt sich, dass Landwirt*innen, die ja wiederum selbst im Kapitalismus wirtschaften, Sorten nachfragen von deren verbesserten Eigenschaften sie finanziell profitieren. Als Beispiel hierfür zählen z.B. höhere Erträge durch größere Früchte oder durch einen geringeren Bedarf an Inputs wie Pestiziden oder Dünger, für die die Landwirt*innen zahlen müssten. Eigenschaften, für die die Landwirt*innen nicht vergütet werden, sind ökonomisch uninteressant.

 

Selbst wenn es eine große Gruppe an Verbraucher*innen gibt, die eine veränderte Sorte nachfragen würde, aber keinen entsprechend hohen Preis zahlen kann, wird diese nicht entwickelt.

 

Einige Forschungsziele werden daher von privaten Unternehmen gar nicht verfolgt, wie beispielsweise ein erhöhter Gehalt von Vitaminen oder Nährstoffen. Diese Eigenschaften sind nämlich nicht nur in einem Gen veranlagt (monogenetisch), sondern in mehreren (polygenetisch). Eine zielgerichtete Veränderung an mehreren Genen durchzuführen ist aufwendiger und entsprechend kostspieliger. Ein solches Beispiel öffentlicher Forschung ist der golden rice, einer Reissorte, die einen gesteigerten Gehalt von Vitamin A aufweist und  somit Mangelerscheinungen bekämpfen kann und von der ETH Zürich und dem International Rice Research Institute (IRRI) entwickelt wird.

 

3.1.2.          Die Aufteilung des Marktes unter wenigen Großkonzernen, die die Patente halten, ist problematisch.

Aktuell sehen wir eine hohe Konzentration auf dem Markt für Saatgut. Einige wenige Konzerne haben den Markt unter sich aufgeteilt und üben eine entsprechende Macht aus. Dies betrifft nicht nur Preise oder Konditionen zu denen Saatgut an Landwirt*innen in Deutschland und weltweit verkauft wird, sondern auch die Frage an was überhaupt geforscht und bis zur Zulassung entwickelt wird. Ein entscheidender Grund hierfür ist, dass die Entwicklung bislang aufwendig und die Kosten entsprechend hoch waren. Eine neue Sorte zu entwickeln lohnt sich nur, wenn sie an einen Großteil des Markts verkauft werden kann, weil es keine oder nur wenige konkurrierende Unternehmen gibt.

 

Die Genschere crispr/cas9 lässt einen Paradigmenwechsel erwarten. Diese Technologie macht es deutlich schneller und günstiger, das Genom einer Pflanze zu verändern und ermöglicht es auch in einem kapitalistischen Markt kleineren Unternehmen, die die hohen Fixkosten nicht tragen könnten, neue Sorten zu entwickeln.

 

Eine weitere Eigenschaft dieses Marktes ist die Verbindung des Verkaufs von Saatgut mit dem von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Viele der großen Konzerne haben sowohl eine Sparte für Saatgut, als auch für Dünge- oder Pflanzenschutzmittel. Wenn eine Sorte also beispielsweise auf ihre Toleranz hinsichtlich eines bestimmten Herbizids (=Unkrautvernichtungsmittel) entwickelt wird, wird genau dieses Mittel auch durch das entsprechende Unternehmen verkauft. Dies erhöht die Marktmacht des einzelnen Konzerns abermals.

 

3.2.          Gentechnik ist eine Frage internationaler und intergenerationaler Solidarität.

Die Industriestaaten leisten sich mit bio und gentechnikfreien Lebensmitteln eine verhältnismäßig ineffiziente Produktion dieser. Damit beanspruchen sie mehr Flächen und Ressourcen als notwendig wäre.

 

3.3.          Der Markt für Lebensmittel auf Seite der Konsumierenden in Deutschland und der EU.

Aktuell gibt es nur die Kennzeichnung “ohne Gentechnik”. Für viele Verbraucher*innen ist diese Kennzeichnung gleichbedeutend mit “natürlich” und “sicher”. Die Kennzeichnung in dieser Form wertet Produkte “ohne Gentechnik” bei den Verbraucher*innen auf – allerdings zu Unrecht. Konventionelle Züchtung mit Chemikalien oder Radioaktivität, die das Erbgut der Pflanze verändern, ist nicht “natürlicher” oder “sicherer” als Gentechnik. Für konventionelle Züchtung gibt es jedoch kein gibt es kein entsprechendes Siegel.

 

Da hier jedoch die nötige Aufklärung der Verbraucher*innen fehlt, unterstützt das “Ohne Gentechnik”-Siegel eher ein Bauchgefühl und keine Unterscheidung, die nach wissenschaftlichen Kriterien sinnvoll ist. Gerade jetzt, da belegte wissenschaftliche Erkenntnisse von Verschwörungsgläubigen als falsch verunglimpft werden und breite Teile der Bevölkerung für “fake news” und “alternative Fakten” zugänglich sind, sollten die politischen Akteur*innen besonders aufmerksam und sorgfältig sein.

 

4.          Was wollen wir?

Wissenschaftlicher Fortschritt soll dem Wohle aller dienen. Daraus ergeben sich für uns im Bereich Gentechnik zwei Hauptforderungen:

 

Wir wollen die Demokratisierung aller Lebensbereiche und den Schutz von Umwelt, Klima und Tieren

 

Was wie, wo und von wem produziert wird, muss demokratisch bestimmt werden. Das gilt für die Landwirtschaft wie für andere Bereiche der Produktion. Für die Landwirtschaft schließt das u.a. die Fragen ein, welches Saatgut und welche Dünge- und Pflanzenschutzmittel entsprechend genutzt werden oder auch wie viel Wasser und welches Land genutzt werden soll.

 

Als Internationalist*innen denken wir global und verfolgen diese Ziele für alle Menschen, ob in Deutschland, der EU oder an anderen Teilen der Welt. Unsere gesamtgesellschaftlichen Ziele sind folgende:

 

  • Ernährungssicherheit: Ernährungssicherheit ist gegeben, wenn alle Menschen zu jeder Zeit physischen und ökonomischen Zugang zu genügend und sicherer Nahrung haben und die ernährungsbezogenen Bedürfnisse sowie die Präferenzen für ein gesundes und aktives Leben sichergestellt werden können.
  • gute Arbeitsbedingungen für diejenigen, die in der Landwirtschaft und verbundenen Wirtschaftszweigen arbeiten und gute Lebensbedingungen für diejenigen, die direkt oder indirekt von der Landwirtschaft betroffen sind, weil sie beispielsweise als Anwohner*innen mit ihr in Kontakt kommen.
  • effiziente Nutzung der Ressourcen. Wir wollen schonend mit den Ressourcen unseres Planeten umgehen und uns solidarisch mit Menschen an anderen Teilen der Welt und künftigen Generationen zeigen. Keine Ressource, sei es Wasser, Boden oder die natürlichen Senken des Ökosystems, soll übernutzt werden. Neben der Produktion von Lebensmitteln und anderen Agrargütern sehen wir die Sicherung von Biodiversität und Klimaschutz als eins der Ziele der Landwirtschaft.

 

5.          Wie wollen wir unsere Ziele erreichen?

 

5.1.          Forschung und Produktion von Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in die öffentliche Hand!

Wir sehen nicht, dass man den Markt so umgestalten kann, dass diese gesamtgesellschaftlichen Ziele allein durch Marktmechanismen verfolgt werden.

 

Die öffentliche Hand muss sich stärker der Forschung und Entwicklung in den Bereichen Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln annehmen. Dies muss zum einen über finanzielle Mittel geschehen. Zum anderen müssen die Regelungen, die aktuell Forschung an grüner Gentechnik unterbinden, gelockert werden. Die Forschung auf dem offenen Feld muss in Deutschland bzw. der EU erlaubt werden. Ohne diese ist keine anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an Nutzpflanzen mithilfe von Gentechnik möglich.

 

Bei der Neustrukturierung des Marktes können wir uns vorstellen, dass die Forschung und die anwendungsorientierte Entwicklung bis hin zur Marktreife über Drittmittelprojekte finanziert wird, bei denen der Staat Ziele formuliert und ausschreibt und entsprechende Forschungsinstitute sich auf diese bewerben. Auch können wir uns vorstellen, dass staatliche Institute und öffentliche Unternehmen direkt mit der Forschung und Entwicklung betraut sind. Die Ziele der Forschung, die Methoden, die Sicherheit und gute Arbeitsbedingungen müssen selbstverständlich Teil der Vergabekriterien bzw. der Praxis in staatseigenen Unternehmen sein.

 

Wir sprechen uns klar gegen oligopole (die konzentrierte Marktmacht auf einige wenige Akteur*innen) Strukturen auf dem Markt aus. Die Entstehung von Oligopolen muss in jedem Fall kartellrechtlich verhindert werden. Bestehende Oligopole müssen aufgespalten werden. Unternehmenssektoren von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung müssen mindestens gesellschaftlicher Beteiligung unterliegen und zur Not komplett vergesellschaftet werden können. Hierbei muss das Kartellrecht den Saatgutmarkt und den Markt für Pflanzenschutz-/Düngemittel zusammendenken und darf nicht wie bisher die Unternehmenskonzentration auf dem einen Markt getrennt von der auf dem anderen Markt bewerten.

 

Neben der Entwicklung neuer Sorten mithilfe von Gentechnik, möchten wir auch die Forschung an alten, indigenen Sorten fördern: zum Einen bieten diese einen neuen Ausgangspunkt für Weiterentwicklungen durch konventionelle Züchtung oder Gentechnik. Zum Anderen ist es möglich, dass diese alten Sorten durch veränderte Klimaverhältnisse an Orten abseits der traditionellen Anbaugebiete auch ohne großartige Weiterentwicklung sehr gute Ergebnisse liefern. Daher ist es wichtig, an diesen Stellen verstärkt zu forschen, Saatgutbanken zu unterhalten, sowie den Anbau dieser Sorten zu fördern. Wir müssen die genetische Vielfalt bei Nutzpflanzen erhalten, damit die Menschheit weiterhin auf diese zurückgreifen kann.

 

5.2.          Patente und Lizenzen am Gemeinwohl ausrichten!

Entwicklungen und Erkenntnisse, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurden, dürfen nicht unentgeltlich an Private weitergegeben und von diesen kommerziell genutzt werden. Aktuell passiert das oft durch Ausgründungen aus nicht-kommerziellen Forschungsinstituten. Wir finden: Finanzielle Gewinne durch Erkenntnisse, die die Öffentlichkeit finanziert hat, sollen auch der Öffentlichkeit zufließen. Der Staat soll also Eigentümer sein von öffentlich finanzierten Erkenntnissen.

 

Wir möchten Rechte an Sorten bzw. Grundlagenforschung analog zu nicht-kommerziellen Creative Commons- und Open Source-Lizenzen im digitalen Bereich organisieren: So könnten nicht-kommerzielle Einrichtungen weiterhin öffentlich finanzierte Erkenntnisse als Basis nehmen, diese weiterentwickeln und müssen dafür kein Geld bezahlen. Aber sobald die Erkenntnisse kommerziell genutzt werden, müssten die Unternehmen Gelder an den Staat zur Nutzung der öffentlich finanzierten Forschung zahlen. So wird sichergestellt, dass es nicht wie aktuell den Anreiz für Unternehmen gibt, “bugs” (also Probleme oder ungenutzte Potentiale) versteckt zu halten und dass stattdessen viele verschiedene Einrichtungen weiterforschen um möglichst gute Nutzpflanzen für die Allgemeinheit zu entwickeln.

 

Ein erster Schritt kann hier sein, die Möglichkeit einer Patentierung von gentechnisch erzeugten Sorten abzuschaffen und diese mit konventionell erzeugten Sorten gleichzustellen. Für letztere gilt nämlich nur der Sortenschutz.

 

Außerdem setzen wir uns für eine Standardisierung von Saatguteigenschaften, Dünger, Pestiziden durch die Forschenden selbst ein. Ziel davon ist, dass nicht wie bisher nur ein Unternehmen den zum eigenen Saatgut passenden Dünger und die passenden Pestizide verkauft und damit allein schon Marktmacht ausüben kann, sondern dass auch andere Akteur*innen ansetzen und die entsprechenden ergänzenden Produkte entwickeln können.

 

Wir brauchen außerdem Rechtssicherheit für alle Landwirt*innen. Wenn sich durch Lizenzen geschützte Pflanzen z.B. durch Bestäubung über Wind mit den Pflanzen einer Landwirtin ohne deren Zutun vermischen, darf diese Landwirtin nicht rechtlich belangt werden können.

5.3.          Zulassungsverfahren angleichen!

Neue Sorten müssen zugelassen werden, bevor sie zur Nahrungsmittelproduktion angebaut werden und auch bei Pflanzenschutz- und Düngemitteln muss nachgewiesen werden, dass  sie nicht schädlich für Umwelt und Mensch sind. Tests müssen so durchgeführt werden,  wie Mensch und Umwelt mit diesen Sorten bzw. Mitteln in Kontakt kommen. So werden beispielsweise bei Glyphosat nicht die Langzeitfolgen von kleinen Dosen untersucht.

 

Aktuell müssen gentechnisch erzeugte Sorten einen viel aufwendigeren Zulassungsprozess durchlaufen als konventionell erzeugte Sorten. Dabei gibt es
 Beispiele von konventionell erzeugten Pflanzen, die erst zugelassen wurden und bei denen dann festgestellt wurde, dass sie die Gesundheit gefährden, z.B. durch einen zu hohen Glycoalkaloid-Gehalt. Die Zulassungsregeln sind also weder für konventionell noch gentechnisch erzeugte Sorten angemessen.

 

Wir wollen, dass härtere Zulassungsprozesse mit aufwendigen Testreihen für Sorten gelten, bei denen die Inhaltsstoffe der Pflanzen verändert wurden und/oder bei denen fremdes Genmaterial eingefügt wurde. Ist dies bei einer neuen Sorte nicht der Fall, soll sie wie gehabt unkompliziert zugelassen werden können. Ob sie nun konventionell oder mit Gentechnik gezüchtet wurde, soll also nicht weiter über die Art des Zulassungsverfahren entscheiden.

 

5.4.          Verbraucher*innen aufklären!

Wir brauchen mehr Aufklärung. Zum Thema Gentechnik im Vergleich zur konventionellen Züchtung herrscht an vielen Stellen noch sehr viel Unwissen. Als rationaler, wissenschaftsorientierter Verband ist es für uns wichtig, dass Information und Fakten zu diesem wie zu anderen Themen einfach und verständlich erreichbar sind und möchten dieses Feld nicht einzelnen Lobby-Vereinigungen überlassen.

 

Wir wollen mehr Informationen für Verbraucher*innen: Eine einseitige Kennzeichnung von “gentechnikfreien” Produkten ist wertend und irreführend. Wenn Züchtungsmethoden auf Produkten ausgewiesen werden, sollten alle ausgewiesen werden. Entsprechend sollte diese Information auch auf Produkten stehen, deren Züchtung mithilfe von radioaktiver Bestrahlung oder Chemikalien geschehen ist. In diesem Zusammenhang könnte auch eine Differenzierung bei der Kategorie “bio” angedacht werden. Einige Sorten, die mithilfe von Gentechnik entwickelt wurden, kommen beispielsweise besser ohne Pestizide aus, brauchen weniger Wasser oder Fläche und schonen so die Umwelt. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen bedrohen die Biodiversität nicht mehr als konventionell gezüchtete Sorten. Wenn aber gentechnisch veränderte Sorten mehr Ertrag pro Hektar liefern und somit Fläche stillgelegt werden kann, könnten diese Sorten einen Beitrag zum Schutz von Biodiversität leisten. Das alles sind für viele Konsument*innen von Bio-Produkten, wichtige Aspekte. Aktuell sind Sorten, die mit Gentechnik entwickelt wurden, allerdings kategorisch vom Bio-Siegel ausgeschlossen.

 

Im Sinne der internationalen und intergenerationalen Solidarität müssen wir so wenig Ressourcen wie möglich verbrauchen und dabei immer noch alle Menschen angemessen ernähren. Diese Ressourceneinsparung können wir mit neuen Sorten, auch gentechnisch veränderten Sorten vorantreiben, aber natürlich auch mit einer Verringerung der Lebensmittelverschwendung, beginnend auf dem Feld bis zum Haushalt, mit einer Verringerung des Konsums von besonders ressourcenintensiven Lebensmitteln und anderen. Die Verantwortung ist groß und wir können es uns nicht erlauben, eins dieser Instrumente kategorisch auszuschließen.

 

5.5.          Hoch die internationale Solidarität!

Wissenschaftler*innen und Erzeuger*innen können Erkenntnisse darüber liefern, was gebraucht wird. Daher wollen wir, dass Forschungs- und Entwicklungsgelder bereitgestellt werden, um Forschung in anderen Ländern zu fördern und internationalen Austausch zwischen Forschungseinrichtungen zu ermöglichen. Hierfür braucht es auch Forschungsstipendien, die einen Austausch in beide Richtungen sicherstellen.

 

 

 

Antrag 65/I/2021 “Ich glaub’ meine Katze pfeift” - Stoppt Catcalling!

18.03.2021

Im August 2020 startete die Studentin Antonia Quell eine Petition mit dem Titel “Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein.” Die Petition wird mittlerweile von UN Women, Pinkstinks Germany e.V. und The Female Company GmbH unterstützt. Doch was ist Catcalling überhaupt?

 

Das Urban Dictionary definiert Catcalling als übergriffige, sexuell aufgeladene Kommentare von Männern gegenüber Frauen. Darin enthalten sind Hinterherrufen, Hinterherpfeifen, abfällige Kommentare und andere obszöne Geräusche. In einer Online Befragung an der George Washington University gaben 809 von 811 befragten Frauen an, schon einmal Opfer von sexueller Belästigung auf der Straße gewesen zu sein. In anderen Studien auf der ganzen Welt berichten 60-90% der Frauen, Catcalling mindestens einmal in ihrem Leben erlebt zu haben. Doch von Catcalling sind nicht nur Frauen im Sinne der Zweigeschlechtlichkeit betroffen. Oft beziehen sich die Äußerungen auch erniedrigend auf äußere Merkmale, sodass von Catcalling neben vor allem weiblich gelesene Personen auch allgemein FLINT* (Frauen*, Lesben, Inter, nicht binäre und Transpersonen) betroffen sind.

 

Genderforscher*innen bezeichnen Catcalling bereits im Jahr 1993 als eine Form männlicher Herrschaft, weiblicher Unterdrückung und einen Ausdruck patriarchaler Macht. Indem Catcalling nicht als Straftatbestand geahndet wird, wird suggeriert, dass die Körper von FLINT* jederzeit verfügbar und kommentierbar sind, ihr Recht auf Privatsphäre wird verletzt und physische und geografische Mobilität eingeschränkt, da sie ihr Verhalten ändern, um Belästigungen auf der Straße zu vermeiden. Catcalling führt somit nicht nur zu Einschränkung im Alltag vieler FLINT*, es hat auch weitere negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen. Catcalling ist sexuelle Belästigung und damit Gewalt an FLINT*. Die psychischen Folgen reichen von Angststörungen und Depressionen zu schlechter Schlafqualität. Während es für die Täter meist keinerlei Konsequenzen gibt, haben Betroffene mit den Folgen von Catcalling also weit länger zu kämpfen, als nur während der Vorfälle selbst.

 

Aktuell ist Catcalling nicht strafbar. Diese fehlende Strafbarkeit zeigt auch, dass sexualisierte Gewalt viel zu oft unbeachtet bleibt  – gesellschaftlich wie rechtlich. Dies verstärkt die Normalisierung von sexulalisierter Gewalt. Die einzige Möglichkeit Catcalling zur Anzeige zu bringen, ist aktuell über den Straftatbestand der  Beleidigung. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags haben dazu am 2. November 2020 einen Bericht abgeschlossen. Sie kommen darin zu dem Schluss, dass nach aktueller Rechtsprechung Catcalling nur dann unter den Straftatbestand der
 Beleidigung fällt, wenn neben der sexuell motivierten Äußerung auch eine “Ehrverletzung” zu erkennen ist. Somit fallen sexualisierte Äußerungen nicht unter Beleidigungen, sofern der Person nicht beispielsweise auch Geld oder anders für ihre Sexualität geboten werden würden. Damit ist die Verfolgung von Catcalling als Straftat aktuell sehr schwer umsetzbar.

 

Catcalling ist aber generell nicht gleichzusetzen mit Beleidigungen, da schon allein die verbalen Äußerungen sexuell konnotiert sind und somit sexualisierte Gewalt darstellen. Für den Strafbestand der sexuelle Belästigung setzt die aktuelle Gesetzeslage allerdings eine körperliche Berührung voraus. Somit ist es für Betroffene fast unmöglich sich gegen Catcalling rechtlich zu wehren und Täter fühlen sich somit sicher in ihrem Handeln. Catcalling muss daher endlich aus der rechtlichen Grauzone gehoben werden und juristisch handfest gemacht werden. Betroffene müssen die rechtliche Sicherheit haben, gegen dieses Verhalten vorgehen zu können. Verschiedene europäische Länder haben Catcalling bereits explizit als Straftat definiert. In Frankreich ist Catcalling nur dann zu ahnden, wenn die Tat im Beisein von Polizist*innen geschieht. Dies ist unzureichend, da Catcalling nur in seltenen Fällen bemerkt und entsprechend geahndet werden kann. In Belgien, Portugal und den
 Niederlanden ist das Beisein von Polizist*innen keine Voraussetzung für die Strafbarkeit. Catcalling wird in diesen Gesetzen als ungewollte Äußerungen oder Gesten definiert, die sexuell konnotiert sind. Die vorgesehenen Strafen reichen von Geldstrafen bis einem Jahr Gefängnis.

 

Die Strafbarkeit von Catcalling wird diese weitverbreitete Form sexualisierter Gewalt allerdings nicht allein vermindern. Breite Aufklärungskampagnen sind notwendig, um das Thema und deren negative Konsequenzen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und insbesondere ins Bewusstsein von Männer zu bringen.

 

Deshalb fordern wir:

  •  Eine entsprechende Anpassung des Strafgesetzbuchs, sodass Catcalling explizit einen Straftatbestand nach belgischen, niederländischen oder portugiesischem Vorbild darstellt.
  •  Catcalling muss eine breitere Öffentlichkeit finden. Wir fordern eine Aufklärungskampagne zum Thema Catcalling
  •  Zusätzlich zu der öffentlichen Kampagne muss das Thema Catcalling bereits in der Schule thematisiert werden, damit Kinder schon früh lernen die körperliche Autonomie von FLINT* zu respektieren. Insbesondere Jungs sollen dabei bezüglich ihrer Männlichkeitsbilder sensibilisiert werden

Antrag 90/I/2021 Konsequente Haltung gegen das russische Regime jetzt!

18.03.2021

Nicht erst seit der Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat der Kreml seine Brutalität gezeigt. Die Liste der vergifteten, getöteten, bedrohten, verhafteten und ins Exil getriebenen Kreml-Kritiker*innen und Menschenrechtsbrüche ist lang. Dennoch handelt das russische Regime brutaler denn je. Dies wird nicht zuletzt auch durch die zahlreichen Inhaftierungen und die massive und repressive Polizeigewalt als Reaktion auf regierungskritische Proteste nach der Verurteilung Nawalnys sichtbar. Nach der Veröffentlichung von regierungskritischem Material durch Nawalny, welches erstmalig auch Putin direkt angreift und seine luxuriösen Lebensumstände offenlegt, regte sich vor allem bei vielen jungen Menschen in Russland die Empörung und der Wunsch nach mehr Mitbestimmung in der Politik. Als Antwort kennt der Kreml nur eine noch härtere Repression durch den Staat. Proteste werden verboten und die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten wird hoch bestraft.

 

Die personenbezogenen Sanktionen durch die Bundesregierung und weitere Staaten der Europäischen Union sowie der Weltgemeinschaft sind nicht ausreichend, um Russlands Regime zu einer Abkehr von der staatlichen Repression und Verletzung von Menschenrechten, geschweige denn zu einem Kurswechsel zu bewegen. Der Kreml hat durch die neusten Ereignisse wiederholt gezeigt, zu welchen Maßnahmen er bereit ist, wenn sich Widerstand gegen Putin und seine Gefolgschaft in der russischen Bevölkerung rührt.

 

Wir unterstützen das Streben nach Demokratie und Beteiligung durch die russische Bevölkerung, unabhängig davon, dass einzelne Kritiker*innen wie Nawalny auch kritisch zu betrachten sind. Nur durch freie, gleiche und demokratische Wahlen kann echte Partizipation erreicht und Menschenrechte durchgesetzt werden. Dass das russische Regime ohne weitere große Konsequenzen Attentate auf Bürger*innen im In- und Ausland verüben kann, ist nicht hinnehmbar. Ein Kurs des „Weiter so“ gegenüber dem russischen Regime reicht gegen einen Machthaber Putin, der nur die Sprache des Geldes und der Macht versteht, nicht aus. Worten müssen Taten folgen! Die Bundesregierung und die Regierungskoalition unter der Beteiligung der SPD müssen entschieden für Menschenrechte einstehen und diese aktiv verteidigen.

 

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion sowie die Mitglieder der Bundesregierung auf, sich klar gegen die Menschenrechtsverletzungen durch den Kreml zu positionieren und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln weitere entsprechende Maßnahmen zur Sanktionierung wie durch eine Nicht-Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 einzuleiten, die aber nicht die Zivilbevölkerung wirtschaftlich treffen soll, sondern sich an die Machthaber*innen richtet. Dabei dürfen wirtschaftliche Interessen nicht zum Mittelpunkt der Debatte werden, sonst drohen Deutschland und die Europäische Union zu Mittätern zu werden.

Antrag 37/I/2021 Mut zur demokratischen Neugestaltung - Keine faulen Kompromisse im novellierten Berliner Hochschulgesetz!

17.03.2021

Das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) ist für die Lebensrealität der rund 200.000 Studierenden, der Mitarbeiter*innen und Professor*innen an staatlichen Hochschulen in Berlin von zentraler Bedeutung. So reguliert es nicht nur alle Bereiche der Forschung und Lehre (bspw. Anzahl der Prüfungsversuche), sondern auch Organisationsstruktur, demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten und Beschäftigungsbedingungen.

 

Soziale, demokratische und nachhaltige Hochschulen kann es in Berlin gegen ein restriktives Hochschulgesetz nicht geben. Gleichzeitig unterstreicht die anhaltende Pandemiesituation die Relevanz von sozial gerechter Bildung, studierendenfreundlichen Studienbedingungen und funktionierenden Forschungsstandorten – aus diesem Grund ist die laufende Novelle des BerlHG außerordentlich wichtig.

 

Bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode besteht die Chance, mit einem progressiven BerlHG mannigfaltige Missstände an Berliner Hochschulen zu beseitigen, Demokratisierung zu fördern und Selbstbestimmung von Studierenden anzuerkennen. In dieser Absicht waren in den vergangenen Monaten zahlreiche Initiativen zu erkennen: Nicht nur die Landes-Asten-Konferenz, in der sich die Berliner Asten und RefRat auf Landesebene koordinieren, hat ein tragfähiges “Forderungspapier der Berliner Studierendenschaften” vorgelegt. Auch die Fachgremien der R2G-Koalitionsparteien selbst haben mit den “Hochschulpolitische(n) Leitlinien für die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes” als Ergebnis eines partizipativen Diskussionsprozess ein Papier vorgelegt, das umfassende Ideen für eine modifizierte soziale, nachhaltige und innovative Hochschullandschaft in Berlin aufzeigt. Als Juso-Hochschulgruppen Berlin und Jusos Berlin unterstützen wir den Vorstoß des Berliner Senats, das BerlHG zu novellieren und erwarten, dass die Forderungen der Studierendenschaften sowie der Fachgremien der Regierungsparteien dabei anerkannt werden. Die gesetzliche Verankerung einiger, bestimmter Maßnahmen ist dabei besonders notwendig und uns besonders wichtig:

 

Abschaffung der Erprobungsklausel – Echte Veränderung wagen!

Die Erprobungsklausel, die zeitweise abweichende Regelungen von der gesetzlichen Vorgabe ermöglicht, ist nach mehr als 20 Jahren andauernder Erprobungsphase im novellierten BerlHG abzuschaffen! Die Verlagerung von Zuständigkeiten der gewählten Hochschulgremien beispielsweise hin zu den Hochschulpräsidien, die die Erprobungsklausel gewährt, gehört endlich beendet. Die “Unternehmerische Hochschule” hat den nicht-professoralen Mitwirkungsrechten an Hochschulen in den letzten Jahren erheblichen Schaden zugefügt. Um den Eigenheiten der vielen Berliner Hochschulen Rechnung zu tragen, können flexible Gestaltungsmöglichkeiten in den entsprechenden Paragraphen selbst geregelt werden.

 

 Studentische Selbständigkeit anerkennen, Generalverdacht beseitigen!

Ein besonderes Augenmerk legen wir auf das selbstbestimmte Studium! Jede*r soll so studieren können, wie es in die jeweilige Lebenssituation passt. Das veraltete, verschulte System soll endlich der Vergangenheit angehören und unterschiedliche Studienformen, endlich umfassend möglich werden! Universität und Hochschule soll ein Ort der persönlichen, kreativen und intellektuellen Entfaltung und des Austausches sein und kein reines Siebverfahren. Deshalb fordern wir ein Teilzeitstudium für Alle, das Verbot von Anwesenheitspflicht, die Abschaffung der Begrenzung von Prüfungsversuchen und ein Ende jeder Zwangsexmatrikulation! Auch die geringe Anzahl angebotener Prüfungstermine verhindern ein selbstbestimmtes Studium. Wenn Studierende ein Semester oder ein Jahr warten müssen, um eine Prüfung zu wiederholen, verzögert sich ihr Abschluss immer weiter nach hinten. Im neuen BerlHG müssen daher mindestens zwei Termine pro Prüfung festgeschrieben werden, aus denen Studierende frei wählen können. Viele Studierende bringt eine Verlängerung der Studienzeit in eine finanzielle Notlage, sodass durch Nebenjobs ein universitäres Leben nicht existieren
 kann. Durch die Bologna-Reform ist es für viele Studierende quasi unmöglich, fachexterne Module anerkennen zu lassen sowie der zeitliche Aufwand freiwillig neben dem Studium häufig oft zu hoch. Ein wirklich freies Studium setzt auf Eigeninitiative, Selbstbestimmung und Motivation, nicht auf repressive Pflichten und Leistungsdruck!

 

Wichtig ist uns überdies die Einrichtung einer fachbereichsübergreifenden Beschwerdestelle, der Studierende die Verletzung ihrer bspw. Im BerlHG und in Prüfungsordnungen zugesicherten Rechte melden können. Die derzeitige Situation, statt einer Beschwerdestelle vielfach die eigenen Prüfer*innen ansprechen zu müssen, höhlt die Rechte der Studierenden massiv aus.

 

Hochschulen der Gleichheit, Hochschulen der Vielfalt!

Die Hochschulen müssen alle Geschlechter anerkennen und entsprechend ihrer Unterrepräsentation auf jeder Ebene fördern. Ergänzungsausweise die es Transmenschen ermöglichen, ihre Identität auch außerhalb der behördlichen Ausweise mitzuteilen, von Studierenden sind zu respektieren. Als wichtige und überfällige Maßnahme sehen wir insbesondere die Implementierung einer 50%igen Quote für nicht männliche Personen bei der Vergabe von studentischen Hilfskräfte-Stellen an. Zudem fordern wir, dass diese Quote auch bei allen weiteren Einstellungen, insbesondere bei der Vergabe von (tenure-track-)Professuren (die die Chance auf Lebenszeitprofessuren einräumt und Befristungen aushebelt) anzuwenden ist.  Diversitäts- und Frauenbeauftragte sind in ihren Rechten zu stärken.

 

Kein Maulkorb für Studierende!

Hochschulen sind für uns Orte lebendiger Meinungsvielfalt. Der Charakter Berliner Hochschulen entstammt insbesondere der Prägung durch studentische Protestbewegungen. Daher blicken wir kritisch bspw. nach NRW, wo die schwarz-gelbe Koalition jüngst die Sanktionsmöglichkeiten der Hochschulen gegenüber Studierenden per Ordnungsmaßnahme ausgedehnt hat.

 

Für uns ist klar, dass Ordnungsmaßnahmen niemals dahingehend missbraucht werden dürfen, studentische Meinungsäußerungen zu unterbinden. Die Wahrung einer freien, dem kritischen Diskurs zugewandten Universität, steht für uns nicht zur Disposition.

 

Deswegen wollen wir als erstes Bundesland für die Einführung des allgemeinpolitischen statt eines hochschulpolitischen Mandats bei der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes kämpfen. Asten sollen keinen impliziten Druck fühlen ihre politischen Meinungsäußerungen im Vorfelde zu zensieren. Hochschulpolitik ist Gesellschaftspolitik und lässt sich nicht auf Hochschulen beschränken!

 

Hochschulen endlich demokratisieren – Für Mitwirkungsrechte von Studierenden!

Die Viertelparität bleibt unsere zentrale Forderung. Die bedeutet, dass alle Statusgruppen (Student*innen, Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sowie nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter*innen) in allen hochschulpolitischen Gremien jeweils über die gleiche Stimmenanzahl verfügen. Ohne angemessene Mitwirkungsrechte für alle Statusgruppen ist keine Hochschuldemokratie vorstellbar!

Darüber hinaus halten wir an der bereits im Leitlinienpapier festgeschriebenen Forderung fest, dass die Kommissionen für Lehre und Studium (im Folgenden: LSK) gesetzlich zu Regelkommissionen werden. Sie sind in das Verfahren der Studien(-gangs-)entwicklung frühzeitig zu integrieren, ihr Votum darf nicht übergangen und ohne ihre Zustimmung kein Studienprogramm in die Akademischen Senate eingebracht werden. Die Umsetzung dieser Forderung stärkt die LSK erheblich und schafft einen Ausgleich zu der weiterhin in aller Regel professoral besetzten Vizepräsidentschaft für Lehre und Studium. Der im Gesetzesentwurf festgelegte studentische Vorsitz der LSK ist dabei nur eine symbolische Verbesserung der Situation, da er bereits jetzt in aller Regel besteht. Um etwa auch studentische Vizepräsident*innen zu ermöglichen, fordern wir die Abschaffung der hohen formellen Anforderungen an Bewerber*innen für das Vizepräsident*innenamt.

 

Forschung ist kein 2-Klassen-Geschäft!

Der Gleichstellung von Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW; früher: Fachhochschulen) und Universitäten auf dem Papier muss endlich eine tatsächliche Gleichstellung folgen. Wie deutschlandweit bereits in einigen Hochschulgesetzen etabliert, fordern wir daher das überfällige eigenständige Promotionsrecht für HAW. Über die traditionelle anwendungsbezogene Lehre gehört die Forschung in zahlreichen Fachrichtungen schon lange zum Profil der HAW. Die Promotionsmöglichkeit ist daher nicht nur folgerichtig, sondern auch als akademische Perspektive des wissenschaftlichen Mittelbaus der HAW unabdingbar.

 

Prekären Beschäftigungen ein Ende setzen!

Die Hochschulen müssen gute und faire Arbeitsbedingungen für Alle gewährleisten. Dabei gilt der Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Alle bisherigen Studentischen Beschäftigten, die nach TV-Stud-III bezahlt werden und Aufgaben der TV-L übernehmen, müssen unverzüglich in den TV-L überführt werden. Die Einstellung Studentisch Beschäftigter als billige Arbeitskräfte für Sekretariatstätigkeiten o.ä. gehört ein Riegel vorgeschoben. Sofern längerfristige Tätigkeiten von Beschäftigten der Hochschulen übernommen werden, müssen zwingend unbefristete Arbeitsverträge geschlossen werden. Für alle Beschäftigten gilt, dass die Hochschule für die Ausstattung des Arbeitsplatzes zu sorgen hat. Dies ist besonders auch bei der Arbeit im Home Office oder für die mobile Arbeit zu gewährleisten.

 

Die Novellierung des BerlHG darf nicht zu einer Manifestation des hochschulpolitischen Stillstandes führen, sondern muss echte, progressive Fortschritte ermöglichen. Die Jusos Berlin und Juso-Hochschulgruppen Berlin fordern, dass in der laufenden Legislaturperiode ein BerlHG verabschiedet wird, welches Gleichberechtigung, Bildungsgerechtigkeit, Selbstbestimmung und Demokratie auf allen Ebenen der Berliner Hochschulen festschreibt.