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Antrag 119/I/2020 “Juckt’s im Schritt? Lass dich testen.“ Und zwar für lau!

30.09.2020

„Juckt’s im Schritt? Lass dich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen.“ Diesen und andere Sprüche hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in U-Bahnhöfen und Co. plakatiert. Solche Kampagnen sind wichtig und haben einen sichtbaren Effekt. Das gilt für die Kampagnen für HIV-Prävention wie für die Kampagnen gegen übermäßigen Alkoholkonsum.

Sexuell übertragbare Krankheiten („sexually transmitted infections“ – STIs) sind stigmatisiert, oft ist das Wissen nur gering und es wird nicht genügend über sie gesprochen. Und eben oft auch nicht früh oder oft genug zur Ärztin gegangen. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern eben auch alle anderen, die sich potenziell anstecken können. Entsprechend hat die gesamte Gesellschaft ein Interesse daran, dass sich alle möglicherweise Betroffene testen lassen, auch präventiv und regelmäßig.

Wer nun aber der Kampagne Folge leistet und sich testen lässt, macht das in der Regel auf eigene Kosten. HIV-Tests gibt es bei manchen Gesundheitsämtern oder bei der AIDS-Hilfe gebührenfrei, STI-Tests können kostengünstig bis kostenfrei bei wenigen Gesundheitsämtern gemacht werden, aber Termine sind dort teilweise schwer zu bekommen. Die Kosten für den Chlamydientest übernehmen einmal im Jahr die Krankenkassen, aber nur die im Vergleich unsichere Variante des Urintests und nur für Frauen bis 25. Der Grund für diese Altersgrenze ist die Annahme, dass die meisten Menschen ab 25 bis an ihr Lebensende in monogamen Beziehungen leben würden. Entsprechend könnten sich also gar nicht neu anstecken. Wer aber nicht so lebt, sondern wechselnde Geschlechtspartner*innen hat und auch nach 25 von regelmäßigen Tests profitieren würde, wird hier nicht mitgedacht. Es darf nicht sein, dass sich die Gesundheitsversorgung nur an ein paar bestimmten Lebensentwürfen orientiert und die Versorgung schlechter wird für diejenigen, die einen anderen Lebensentwurf haben.

Die Krankenkassen müssen sich endlich der Lebensrealität der Menschen anpassen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die ein verantwortungsvolles Sexleben führen wollen, dafür selbst bezahlen müssen. Tests, die alle schützen, müssen einfach und kostenfrei zur Verfügung stehen, damit sie von möglichst vielen Menschen angenommen werden.

 

Deswegen fordern wir:

  1. dass Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Dazu gehören HIV, Gonokokken, Hepatitis B und C, Herpes, Chlamydien, Syphilis und HPV.
  2. dass STI-Tests Teil der regulären gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung werden bzw. einmal im Jahr bei einem Besuch bei der*dem Hausärzt*in oder Dermatolog*in angeboten werden.
  3. weiterhin flächendeckende Kampagnen in der Öffentlichkeit und in der Schule. Sie sind elementar, um ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Kondomen und Lecktüchern und den entsprechenden STI-Tests zu schaffen.

 

Antrag 65/I/2020 Lehrkräftemangel? – Mehr Kreativität wagen

30.09.2020

Zur Zeit fehlen über 1.000 Lehrkräfte in Berlin, bis 2026 werden es 10.000 Lehrkräfte sein. Die nüchterne Betrachtung dieser Zahlen ist so alarmierend wie erschreckend. Sie sind das Resultat einer Lehrkräfteausbildung, die nicht über dem Bedarf, sondern unter dem Bedarf ausbildet.

Aufgrund dieser Situation bedarf es einer kritischen Analyse der Ursachen, die zu dieser Situation geführt haben. Dennoch müssen wir gleichzeitig Wir müssen kreative, gute und schnelle Wege finden, um den Lehrkräftemangel entgegenzuwirken.

 

Who is Who und What is What?

In der Debatte zum Lehrer*innenmangel ist es wichtig, zwischen verschiedenen Arten des Berufseinstiegs als Lehrkraft zu unterscheiden. Neben der klassischen Lehrer*innenausbildung mit Studium und Referendariat wird zwischen dem Quer-, Seiten- und Direkteinstieg unterschieden.

Quereinsteiger*innen haben ein Studium absolviert, welches äquivalent zu einem „Lehramtsstudium“ verläuft, jedoch ohne Lehramtsoption und den damit verbundenen didaktischen und pädagogischen Inhalten. Das heißt fachlich sind Quereinsteiger*innen genauso qualifiziert wie Absolvent*innen eines Studiums mit Lehramtsoption. Die didaktischen und pädagogischen Inhalte und Fähigkeiten sollen dann im Referendariat erworben werden. Nach einem erfolgreichen 2. Staatsexamen sind sie dann den Kolleg*innen gleichgestellt.

Seiteneinsteiger*innen hingegen arbeiten als Lehrkraft ohne Referendariat, bilden sich aber berufsbegleitend weiter. Sie durchlaufen weder das übliche Studium noch das Referendariat, d.h. sie werden ohne Vorbereitungsdienst eingestellt. Sie haben aber in der Regel ein Studium abgeschlossen, welches allerdings nicht als äquivalent zu einem „Lehramtsstudium“ angesehen wird.

Direkteinsteiger*innen arbeiten ohne zweites Staatsexamen, ohne formale Qualifikation und z.T. ohne abgeschlossenem Studium. Sie durchlaufen also kein Referendariat und keine Weiterbildung und steigen direkt ein. Typische Tätigkeiten sind: Vertretung einzelner Stunden, Betreuung von Hausaufgaben und zeitlich begrenzte Vertretungen von Lehrkräften. Während Seiteneinsteiger*innen und Quereinsteiger*innen meist unbefristet eingestellt werden, werden Direkteinsteiger*innen nur befristet eingestellt.

 

Quereinstieg: Weiter entwickeln, weiterbilden, weitermachen!

Ein Drittel der eingestellten Lehrkräfte im vergangenen Jahr waren Quereinsteiger*innen. Für viele Lehrkräfte vor Ort sind gerade Quereinsteiger*innen eine willkommene Hilfe, da sie die fachliche Qualifikation mit sich bringen. Auch in naher Zukunft werden Quereinsteiger*innen weiterhin eine wichtige und notwendige Stütze darstellen, um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten. Auffällig ist dabei, dass besonders viele Quereinsteiger*innen in Grundschulen eingesetzt werden. Jedoch sind gerade an Grundschulen die didaktischen, pädagogischen und methodischen Kompetenzen von hoher Bedeutung, die aber normalerweise im Rahmen eines Lehramtsstudiums bzw. dem anschließenden Referendariat vermittelt werden. Deshalb müssen viele Quereinsteiger*innen diese Lücken nebenbei und während des Schulbetriebs füllen. Das sorgt dafür, dass sich manche überfordert und alleine gelassen fühlen. Dies verursacht nicht nur Stress und Frust und kann im Zweifel dazu führen, dass man nicht mit Spaß und aus Überzeugung diesen Beruf ausübt und schneller anfällig für Krankheiten wird. Betroffen sind davon auch und vor allem diejenigen Schüler*innen, die gute Lehrkräfte besonders benötigen. Gerade Kinder mit niedrigem sozioökonomischem Status werden so benachteiligt. Daher ist es erschreckend, dass Quereinsteiger*innen überproportional häufig an Schulen mit einem hohen Anteil an finanziell benachteiligten Kindern arbeiten.

 

Zudem gibt es immer weniger Lehrkräfteausbilder*innen und die Programme sind meist auf Laufbahnlehrkräfte abgestimmt und nicht für die Bedürfnisse von Quereinsteiger*innen.

 

Aus diesen Gründen sind eine Reihe von Maßnahmen nötig, um Quereinsteiger*innen einerseits zu entlasten und den Prozess in den Arbeitseinstieg zu professionalisieren und qualitativ zu verbessern.

 

Deshalb fordern wir die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und somit die Bildungssenatorin auf, zugeschnittene Weiterbildungskurse für Quereinsteiger*innen zu entwickeln. Zudem müssen verpflichtende Fort- und Weiterbildungskurse konstant angeboten werden, um einen qualitativ hochwertigen Unterricht gewährleisten zu können. So sollten wo notwendig pensionierte Lehrer*innen durch bspw. finanzielle Anreize hinzugezogen werden können, um diese anbieten zu können. 

 

Zudem fordern wir die Mitglieder des Abgeordnetenhauses auf, Lehrkräfteausbilder*innen zu stärken und ein Anreizsystem zur Verpflichtung zu entwickeln. Denn es gibt auch einen Ausbilder*innenmangel. Hier soll ein professionsübergreifendes Angebot für Seminarleitungen geprüft werden. 

 

Des Weiteren fordern wir, dass sich die SPD Minister*innen in der KMK (Kultusministerkonferenz) für einheitliche bundesweite Standards einsetzen. Zurzeit variiert die Länge und der Inhalt der Weiterbildungskurse je nach Bundesland, was zur allgemeine Verwirrung beiträgt und zu einer Konkurrenzsituation zwischen den Bundesländern führt. 

 

Seiteneinstieg ist kein „Zweite-Klasse-Einstieg“!

Ein weiteres Drittel setzt sich aus Seiteneinsteiger*innen zusammen. Die Definition des Seiten- und Quereinstiegs variiert dabei nach Bundesland. Es muss sich nämlich um ein äquivalentes Studienfach handeln, um sich als Quereinsteiger*in bewerben zu können. Das heißt, wenn man Geschichte studiert hat, kann man auch Geschichtslehrer*in werden und das Referendariat absolvieren. Hat man jedoch Kunstgeschichte studiert, wird man als Seiteneinsteiger*in eingestuft und die Möglichkeit des Referendariats ergibt sich nicht. Damit werden der potentiellen Lehrkraft jedoch wichtige Möglichkeiten der pädagogischen und didaktischen Weiterentwicklung vorenthalten.

 

Deshalb gilt es auch hier, einheitliche Standards zu schaffen. Seiteneinsteiger*innen müssen gefördert werden und Möglichkeiten der Weiterbildung wahrnehmen können, die gezielt auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sind. Der Seiteneinstieg ist in der jetzigen Situation für viele Schulen eine Chance, die entstandenen Personallücken kurzfristig zu schließen. Das geschieht leider sehr oft zulasten der Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung/ Seiteneinsteiger*innen. Wir setzen uns für berufsbegleitende Qualifizierungsangebote ein, die irgendwann zur vollen Anerkennung als Lehrer*in führen.

 

Konkret fordern wir deshalb, dass Seiteneinsteiger*innen unter bestimmten Voraussetzungen eine Zulassung zum Referendariat erteilt werden soll. Dies soll für das gesamte Bundesgebiet gelten.

 

Des Weiteren sollen Seiteneinsteiger*innen nach einer gewissen Anzahl an besuchten Weiterbildungskursen und Dienstjahre der Weg zum Referendariat ermöglicht werden. Wer sich weiterqualifizieren will, schadet damit weder dem Berufsethos noch den Schulen. Es ist vielmehr eine Bereicherung für die Schüler*innen und die Unterrichtsqualität. 

 

Direkteinstieg: Gemeinsam. Partizipieren. Lernen. 

Direkteinsteiger*innen werden meist als Springer*innen, also Vertretungslehrer*innen, eingesetzt. Jedoch übernehmen in Berlin auch immer mehr Direkteinsteiger*innen weitergehende Aufgaben. Dabei bleibt ihnen meist der Weg zu Weiterbildungsprogrammen verwehrt. Die Argumentation: durch die befristeten Arbeitsverträge würden sie sich nur für kurze Zeit an den Schulen aufhalten und müssten deshalb auch nicht weitergebildet werden. Diese Annahme teilen wir nicht. Zum einen sollte qualitativer Unterricht nicht nur für Regelstunden gelten, sondern auch für Vertretungsstunden. Dafür bedarf es Weiterbildungen, um das didaktische Handwerkszeug zu erlernen und weiterzuentwickeln. Zum anderen sollte jede Person das Recht auf Bildung und somit auch Weiterbildung nach deren Niveau und Ansprüchen nicht verwehrt bleiben. Das gilt auch für Lehrende. Die zudem meist länger als ein Schuljahr an den Schulen eingesetzt werden.

 

Des Weiteren sollten Direkteinsteiger*innen verpflichtende Zeit zum Hospitieren erhalten. Denn bei ausgebildeten Lehrkräften den Unterricht zu begleiten kann vielen Direkteinsteiger*innen weiterhelfen um das Gesehene in ihrem Unterricht anzuwenden. Das Unterrichtsmanagement sowie die Unterrichtsqualität kann verbessert bzw. gesteigert werden. Hinzu kommt, dass die Direkteinsteiger*innen dadurch engeren Kontakt mit ihren Kolleg*innen bekommen und somit inklusiv am Schulgeschehen teilhaben und die Gefahr der Ausgrenzung und der Herabwürdigung minimiert werden können.

 

Wir fordern also die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, dass Direkteinsteiger*innen verpflichtende Hospitation erhalten, sowie der Zugang zu Weiterbildungen ermöglicht, erleichtert und gezielt gefördert wird. Dabei sollten die Weiterbildungsprogramme gezielt auf Direkteinsteiger*innen zugeschnitten und zusätzlich durch Crashkurse ergänzt werden. 

 

Referendariat: Geht nicht, gibt’s nicht! 

In Berlin werden pro Jahr ca. 700 Referendar*innen eingestellt. Ihr Gehalt beträgt zur Zeit ca 1.500 € brutto pro Monat. Hierbei darf eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Woche nicht überschritten werden. Es finden zwei Einstellungstermine im Jahr für das Referendariat in Berlin statt.

 

Diese aktuellen Reglungen ermöglichen es Referendarinnen nicht, ihr Referendariat nach ihren individuellen Bedürfnissen auszurichten. Aufgrund der festen Stundenanzahl und der damit verbundenen Gehaltshöchstgrenze arbeiten viele Referendarinnen, insbesondere in Städten wie Berlin, in einem Zweitjob, was zu einer erhöhten Belastung führt. Gleichzeitig wird den Referendarinnen die Möglichkeit verwehrt, weitere Erfahrungen über ihre Pflichtleistung hinaus in Schulen zu sammeln. Ebenso sollen Referendarinnen nicht gezwungen werden können, mehr Stunden als die vorgeschriebenen zu leisten. Das Referendariat ist für die Studierenden möglichst flexibel zu gestalten, sodass sie es nach ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen anpassen können. Die geltenden Restriktionen sind daher abzuschaffen.

 

Zudem wächst die Frustration, trotz eines abgeschlossenen lehramtsbezogenen Masters weniger zu verdienen als ein*e Seiteneinsteiger*in oder Masterstudierende, welche nebenbei an einer Schule unterrichten. Das sorgt schnell für Unverständnis, statt Anreize zu schaffen, mit Lehramtsoption zu studieren und anschließend ins Referendariat zu gehen. Es kann sogar soweit führen, dass das Referendariat hinausgezögert wird um als Masterabsolvent*in in einer vollen Stelle zu arbeiten. Damit wird dann u.a. der Lehrkräfteausbilder*innenmangel weiter vorangetrieben. Denn wo keine ausgebildete Lehrkraft, da auch kein*e potenzielle*r Lehrkräfteausbilder*in.

 

Des Weiteren werden nur zweimal jährlich Referendar*innen eingestellt. Dabei variieren die Einstellungsfristen von Bundesland zu Bundesland sehr stark. So wie in Hessen, welche 12-mal im Jahr Referendar*innen einstellen, muss auch Berlin hier flexibler werden, um auf die Bedürfnisse der Studierenden und Referendar*innen einzugehen und attraktiv als Referendariatsstandort zu werden.

 

Aus den genannten Ausführungen resultieren drei Forderungen an das Abgeordnetenhaus, den Senat und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie:

 

Erstens setzen wir uns dafür ein, dass die Bezüge im Referendariat zum Leben in Berlin ausreichen und eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Die Höhe der Bezüge darf dabei nie geringer ausfallen als die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Im Gegenteil: wir fordern, dass das Land Berlin mittelfristig die höchsten Bezüge im bundesweiten Vergleich auszahlt.

 

Zweitens sollte die Möglichkeit bestehen, dass Referendarinnen bis zu sechs Stunden mehr arbeiten können, sollte dies von den Referendar*innen gewollt sein. Dabei erkennen wir, dass das Referendariat dafür da ist, um Gelerntes zu reflektieren, Unterrichtsinhalte zu er- und verarbeiten sowie Handlungsstrategien und Arbeitsweisen erarbeiten bzw. weiterzuentwickeln. Es muss festgestellt werden, dass momentan diese Zeit bei vielen in die Ausübung eines Nebenjobs fließt, was sich mehr als kontraproduktiv auswirkt. Es sollte jeder Person frei stehen, wie viel Zeit Sie hierfür in Anspruch nimmt und wie hoch die individuelle Belastungsgrenze ist.

 

Drittens fordern wir, dass die Einstellungsfristen flexibler gestaltet werden und Referendar*innen einmal im Monat angestellt werden können. 

 

Bachelor: Theoretisch denken, mit Praxis handeln!

Wir sprechen uns für mehr Praxisbezug und mehr didaktische Inhalte während des Bachelorstudiums aus. Denn die Studierenden müssen bereits zu Anfang des Studiums erfahren, worauf sie sich einlassen und was das spätere Berufsbild konkret bedeutet. Um so frühzeitig und differenziert entscheiden zu können, ob dieses Berufsbild mit Ihren eigenen Vorstellungen übereinstimmt und ob sie die Lehramtsoption ziehen. Im Master, welcher deutlich praxisorientierter ist, kommt eine solche Entscheidung für viele zu spät. Zurzeit findet gerade einmal ein 90-stündiges Beobachtungspraktikum während des Bachelorstudiengangs statt. Das ist zu wenig. Denn viele Studierende, welche mit einer klaren Vorstellung und Hoffnung in das Studium starten, auf das Lehramt vorbereitet zu werden, sind bis zum Bachelorabschluss frustriert und enttäuscht. Die Sinnhaftigkeit des sehr theoretisch aufgebauten Bachelorstudiengangs erschließt sich hier für viele Studierende nicht.

 

Ein Blick nach Finnland ist dabei sehr hilfreich. Dort finden mit dem Beginn des ersten Semesters verpflichtende Praxisstunden an einer Schule statt. Dort wird Theorie und Praxis zusammengedacht. Dabei profitieren beide Seiten. Die Studierenden, welche ihr theoretisch Erlerntes in der Praxis vertiefen und anwenden können und die Schulen, welche damit nah an den wissenschaftlichen Erkenntnissen sind und neue Impulse durch die Studierenden erhalten. Der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis könnte  so besser gelingen. Auch die Universitäten und die Schüler*innen würden von einem engeren Austausch zwischen den Akteur*innen profitieren. Zudem können die Schulen weiter entlastet werden, da die Studierenden auch Unterrichtseinheiten (mit)-übernehmen können.

 

Außerdem muss in den Studienverlaufsplänen eine stärkere Gewichtung zugunsten der Lehramtsbezogenen Berufswissenschaften (LBW) oder auch „Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Fachdidaktik“ stattfinden. Der jetzige Anteil ist zu gering, die Einblicke zu oberflächlich. Denn von einem 180 Leistungspunkte Studiengang im Kombi-Bachelor mit Lehramtsoption machen nur 30 Leistungspunkte LBW aus. Das ist erschreckend wenig, und es reicht nicht, um sich eine fundierte Meinung zu bilden, die Lehramtsoption nach dem Bachelor zu ziehen oder nicht.

 

Konkret heißt das, dass wir eine Reform der Studienverlaufspläne und des Lehrkräftebildungsgesetzes (LBiG) fordern, inklusive mehr Gelder für Lehrstuhlstellen und Räumlichkeiten in dem Bereich der Lehramtsbezogenen Berufswissenschaft und Fachdidaktik (LBW). 

 

Zudem fordern wir, dass die Studiengänge mit Lehramtsoption, ähnlich wie in Finnland praktiziert, stärker praxisorientiert strukturiert werden und ein konstanter Anteil an bezahlten Praxisstunden an den Berliner Schulen in den Studienverlaufsplänen integriert wird. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Praxisstunden nicht genutzt werden dürfen, um Lehrer*innen zu ersetzen, insbesondere sollen die Bachelorstudierende keine Berücksichtigung bei der Lehrkräftezumessung finden.  

 

Wir fordern eine Informationskampagne für Bachelorstudierende mit Lehramtsoption. Worin die bestehenden Möglichkeiten, an einer Schule zu arbeiten, beworben werden sollen und eine zentrale Seite mit den Stellenausschreibungen für Bachelor- und Masterstudierende eingerichtet wird. 

 

Master mit Entlastung und Feinschliff zum Erfolg

Das Praxissemester im Masterstudiengang ist gespickt mit zahlreichen Mängeln. Der erste Punkt ist, dass das Praxissemester relativ spät angesetzt ist. Es findet im dritten Semester, also ein Semester vor der planmäßigen Masterarbeit statt. Zu spät rein organisatorisch und viel zu spät als zweite reguläre Praxiserfahrung während der Studierendenlaufbahn.

 

Des Weiteren ist die Verteilung der Studierenden an die jeweiligen Schulen sehr fragwürdig. So müssen viele einen Weg von über einer Stunde Fahrzeit einplanen, um die ihnen zugeteilte Schule zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Seminarstunden, welche praxisbegleitend stattfinden, an der jeweiligen Universität stattfinden, was einen enormen Zeitaufwand für jede*n Studierende*n bedeutet.

 

Zudem ist das Praxissemester komplett unentgeltlich, was eine enorme Ungerechtigkeit und finanzielle Problematik bei den Studierenden hervorruft. Da zur Zeit in Berlin ca. 75% der Studierenden neben dem Studium arbeiten müssen, um in dieser Stadt (über-) leben zu können, bedeutet das im Zweifel große Verdienstausfälle während des Semesters. Da dreimal die Woche die Schule besucht wird und Seminarbegleitungen zudem erfolgen, bleibt keine Zeit um einen Nebenjob voll auszufüllen.

 

Wir Jusos begrüßen zudem den Quereinstiegsmaster, welcher an der HU eingeführt wurde. Studierende auch ohne einem Bachelor mit Lehramtsoption die Möglichkeit zu verschaffen den Master of Education zu absolvieren ist angesichts der jetzigen Situation begrüßenswert. Doch begrenzt sich dieser Quereinstiegsmaster zur Zeit nur auf Deutsch, Mathematik und Sachunterricht an einer Grundschule. Hier sollte auch eine Option geschaffen werden, einen Master of Education für den SEK II zu absolvieren.

 

Wir fordern also, dass sich die SPD Mitglieder im Abgeordnetenhaus und in der Senatsverwaltung dafür einsetzen, dass Studierende während des Praxissemesters tariflich bezahlt werden, um so das Praxissemester und die damit verbundenen Erfahrungen zu genießen, anstatt unter finanziellem Druck dieses ausfüllen zu müssen. 

 

Zudem fordern wir, dass das Lehrkräftebildungsgesetz dahingehend abgeändert wird, dass begleitende Praxisstunden an den Schulen in den Studienverlaufsplan integriert wird, damit so, ähnlich wie im Bachelor, Theorie und Praxis Hand in Hand gehen können. 

 

Zum Schluss fordern wir, dass sich die SPD Mitglieder im Abgeordnetenhaus und in der Senatsverwaltung dafür einsetzen, dass ein Quereinstiegsmaster an allen Universitäten in Berlin angeboten werden und zudem auch die Möglichkeit geprüft und Studienverlaufspläne entwickelt werden, dass Studierende einen Quereinstiegsmaster auf SEK II machen können.

 

Antrag 81/I/2020 Familie ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen: Familienvielfalt anerkennen, alle Familien unterstützen!

30.09.2020

Die Familienvorstellung “Zwei Elternteile + Kind(er) = Familie” hat noch nie der vielfältigen Lebensrealität der Familien in Deutschland entsprochen. Schon immer haben sich Menschen in verschiedensten familiären Konstellationen zusammengeschlossen. Heute erkennt die Gesellschaft mehr denn je die gelebte Vielfalt der Familien- und Lebensmodelle an. Sexualität, Elternschaft, Liebe, Fürsorge, Zuneigung und Verantwortung finden sich nicht mehr allein in einer Ehe zwischen zwei Menschen wieder, sondern werden ganz unterschiedlich gelebt. Lebensmodelle wie Mehrgenerationen-Familien, Patchwork-Familien, Regenbogenfamilien und Co-Elternschaften müssen endlich der Ehe gleichgestellt werden. Die Ehe in ihrer bestehenden Form wird dadurch nicht ungültig. Wir sehen einen zivilen Familien- und Lebensvertrag als Bereicherung und zusätzliches Angebot für diejenigen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen. Eine progressive Familienpolitik muss vom Grundsatz ausgehen: Familie ist da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen und gemeinsam ihr Leben gestalten.

 

Die Familie steht als Lebensordnung unter dem besonderen Schutz des Staates. Das ist im Grundgesetz in Artikel 6 so verankert und im vierten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) weiter geregelt. Eine genaue rechtliche Definition von „Familie“ gibt es jedoch nicht. Dies lässt – ähnlich wie bei dem Begriff „Ehe“ – Auslegungsspielraum: Unter „Ehe“ wurde bis vor kurzem noch ausschließlich die Ehe zwischen Mann und Frau verstanden. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts erfasst der Begriff ebenso die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts. Eine Erweiterung des rechtlichen Familienbegriffs wäre also nötig und würde den gesellschaftlich gelebten Realitäten entsprechen. Da Artikel 6 des Grundgesetzes vor allem auch den besonderen Schutz der Familie neben der Ehe einfordert, gilt es familiäre Lebensgemeinschaften außerhalb der Ehe in besonderem Maße zu schützen und als eigenständige Rechtsform im BGB anzuerkennen. Familien automatisch mit Ehegemeinschaften gleichzusetzen, entspricht nicht den heute vielfältig gelebten Realitäten von Familie.

 

Überall dort, wo Liebe, Zuneigung oder Solidarität zwischen Menschen besteht, stärken wir die Gesellschaft. Dies gilt es für den Staat in besonderem Maße zu schützen. Dabei muss es die Aufgabe des Staates sein, Lebens- und Familienformen gleichberechtigt anzuerkennen, aber nicht zu definieren oder vorzuschreiben, wie sie im Privaten ausgestalten werden müssten. Die Einführung einer „Lebens- und Familiengemeinschaft“ als Rechtsform würde es leichter machen, über das Modell der Kleinfamilie hinauszudenken und sich auch in größeren Familienverbünden zusammenfinden zu können. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem Wunsch nach einer geschlechtergerechteren Aufteilung der Sorgearbeit wäre dies zu begrüßen. Eine fortschrittliche Familienpolitik muss neue Familienmodelle über rechtliche Anerkennung unterstützen.

 

Der Staat sollte allen Familienmodellen die Rechtssicherheit der Ehe bieten: Die Familien- und Lebensgemeinschaft ist rechtlich bindend und auf Dauer angelegt. Sie basiert auf einem familiären Verantwortungsverhältnis zueinander, das durch ein besonderes Maß an gegenseitiger Unterstützung und Fürsorge geprägt ist. Die Vergünstigungen (u.a. steuerrechtliche als sog. Zugewinngemeinschaft), die der Staat der Ehe bietet, beruhen auf die Erwartung des Staates, dass die Ehepartner*innen durch ihre Ehe den Staat entlasten und einen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten. Bei unserem Familienkonzept sollte das auch gelten – wer sich zu den Pflichten eines Familienverhältnisses bekennt, sollte von Staat und Gesellschaft nicht nur moralische Anerkennung dafür bekommen, sondern auch Unterstützung und eine Gegenleistung.

 

In Frankreich gibt es bereits seit 1999 den “pacte civil de solidarité” (PACS), der eine zivilrechtliche Partner*innenschaft mit Gütergemeinschaft, gemeinsamer steuerlicher Veranlagung und steuerlich günstigeren Erbbestimmungen ermöglicht. Mittlerweile entscheiden sich über 40 Prozent der Paare in Frankreich für den PACS, um ihre Partner*innenschaft rechtlich abzusichern. Das zeigt, wie groß der Wunsch nach einem alternativen rechtlichen Modell zur Ehe ist.

 

Die „Lebens- und Familiengemeinschaft“ beruht auf gegenseitigen Verantwortungspflichten, die die Familienmitglieder einander verpflichtet: Selbstbestimmung darf nicht Verantwortungslosigkeit und mangelnde soziale Absicherung bedeuten. Das entspricht den Leitprinzipien des bestehenden deutschen Familienrechts –Bindung und Schutz der Schwachen. Insbesondere bei Fragen des Kindeswohls ist dies wichtig. Wir wollen, dass Personen, die gemeinsam eine „Lebens- und Familiengemeinschaft“ eingegangen sind, auch gemeinsam Verantwortung übernehmen. Das beinhaltet zum Beispiel Unterhaltsverpflichtungen. Dabei wollen wir sicherstellen, dass die Bedürfnisse von Kindern in besonderem Maße berücksichtigt werden. Fürsorge- und Einstandspflichten bestehen für Kinder innerhalb einer „Familiengemeinschaft“ auch über die mögliche Auflösung dieser hinaus. Das Wohl des Kindes steht für uns an erster Stelle: Alle in Bezug auf Kinder getroffenen Regelungen sind daher bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres von allen Vertragsparteien rechtsbindend einzuhalten.

 

Gleichzeitig gilt es auch mit der „Familien- und Lebensgemeinschaft“ klassisch patriarchale Verantwortungs- und Rollenzuschreibungen aufzubrechen. Das Modell einer „Familien- und Lebensgemeinschaft“ trägt dazu bei, Fürsorgebeziehungen in ihrer tatsächlichen Vielfalt und Komplexität wahrzunehmen und nicht nur Frauen* in die Verantwortung für Sorgearbeit zu nehmen.

 

Wir fordern, dass Familien- und Lebensgemeinschaften, die außerhalb einer Ehe Verantwortung füreinander übernehmen, besser anerkannt und gefördert werden. Dafür wollen wir eine „Familien- und Lebensgemeinschaft“ im Bürgerlichen Gesetzbuch gesetzlich verankern.

 

Wir fordern, in einem ersten Schritt die gesetzlich festgelegten Rechte und Pflichten der Ehe sowie alle Begünstigungen des Staates der Rechtsform Ehe gegenüber – vor allem im Adoptions-, Steuer-, Erb-, Aufenthalts- und Familienrecht – allen volljährigen Menschen zugänglich zu machen, die eine Familien- und Lebensgemeinschaft eingehen. Langfristig sehen wir die Familien- und Lebensgemeinschaft als Chance, das Patriarchat und die bürgerliche Ehe als vorherrschende Ideologien zu überwinden.

 

Wir fordern, dass die Familien- und Lebensgemeinschaft nicht auf zwei Personen beschränkt ist und keine Festlegung des Geschlechts verlangt. Wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, ist es nicht entscheidend, ob sie das aus romantischen, freundschaftlich-platonischen oder anderen Gründen tun, ob zu zweit oder mit mehr als einer anderen Person.

Antrag 132/I/2020 Alle Möglichkeiten nutzen: Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus zum anhaltenden rechten Terror und Verbindungen zum NSU in Berlin-Neukölln einrichten

30.09.2020

In Berlin gibt es seit über zehn Jahren eine rechte Anschlagserie, die nach wie vor nicht ansatzweise aufgeklärt ist.

 

Eine kleine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus ergab, dass alleine im Zeitraum von Januar bis September 2019 80 Delikte alleine in Neukölln stattgefunden haben, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind.

Immer wieder wurden und werden Menschen, die sich gegen rechts engagieren, durch Graffitis in und an Wohnhäusern eingeschüchtert und bedroht, Brandsätze gelegt und geworfen, Stolpersteine wurden gestohlen oder zerstört.

Eine lange Liste von Straftaten, Übergriffen, Drohanrufen und Brandanschlägen gegen vom rechten Terror betroffenen Personen zeigen, dass bisher unklar ist, ab wann Sicherheitsbehörden von Gefährdungen für konkrete Personen wussten, wie und wieso mit diesen Informationen auf die jeweilige Art umgegangen wurde, welche Schlüsse daraus gezogen wurden und welche Fehlschlüsse zu gefährlichen, lebensbedrohlichen Situation für Betroffenen der rechten Terrorserie geführt haben.

 

Nachdem die Bundesanwaltschaft sich trotz zweimaliger Aufforderung vom Innensenator weigerte, die Ermittlungen an sich zu ziehen, übernahm sie im August 2020 dennoch die Ermittlungen. Die Begründung der zuständigen Generalbundesanwältin liegt darin, dass einer der zuständigen Staatsanwälte befangen sei. Diese Befangenheit ist darin begründet, dass der Staatsanwalt – laut einer Äußerung eines Verdächtigen in einem abgehörten Telefonat – diesem Verdächtigen zugestanden haben soll, dass sich der Verdächtige keine Sorgen machen müsse, da der Staatsanwalt selbst AfD wähle. Das Protokoll dieses abgehörten Anrufs wurde einer Anwältin der Betroffenen erst nach einer Beschwerde zugänglich gemacht. Kurz nach der Aufdeckung dieses Skandals stand einer der Polizeibeamten, der Teil der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (REX) ist und in diesem Rahmen auch Kontakte mit Betroffenen der Anschläge hatte, wegen einem rassistischen Angriff vor Gericht. Ebenso macht die Berliner Datenschutzbeauftragte öffentlich, dass es im Zusammenhang mit rechtsextremen Morddrohungen an und in Wohnhäusern in Neukölln unerlaubte Datenabfragen der Polizei zu den dort lebenden Personen gab. Die Polizei verweigert allerdings weitestgehend die Aufklärung dieser Abfragen und verweigert die Kooperation mit der Datenschutzbeauftragten. Innensenator Geisel reagierte darauf mit der Einsetzung einer externen Kommission. Diese Kommission, die im September 2020 ihre Arbeit aufnehmen soll, soll aus zwei bis drei Expert*innen bestehen, die nicht aus Berlin kommen und deutschlandweite Erfahrungen im Kampf gegen rechts haben. Mit Ergebnissen dieser Kommission soll frühestens Ende 2020 zu rechnen sein. Dieser Schritt ist aufgrund der massiven Ermittlungsfehler und der Verbindung von Beamt*innen zum rechtsextremen Milieu und den Tatverdächtigen bei weitem nicht ausreichend. Das Vertrauen der Betroffenen und der Zivilgesellschaft in die Berliner Ermittlungsbehörden ist nachhaltig gestört. Betroffene fragen sich, wie sie teilweise mehrfach Opfer von Anschlägen werden konnten, obwohl sie umzogen und ihre Meldeadresse mit Sperrvermerk versehen wurden. Die Staatsanwaltschaft stellt trotz gegenteiliger Versicherungen Ermittlungsverfahren ein. Bis heute wurde noch niemand verurteilt, obwohl die Liste an Straftaten lang und erheblich ist.

 

Das Bundesland Berlin hat keinen NSU-Untersuchungsausschuss eingerichtet, obwohl bekannt ist, dass Verbindungen von Personen des NSU nach Berlin nachgewiesen werden können. Andere Bundesländer mit dieser Verbindung zum NSU handelten auch mit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Eine Aufklärung, welche Kontakte Mitglieder des NSU, auch das Trio Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, in Berlin hatten und wo sie sich aufgehalten haben, ist somit nicht vorgenommen worden.

In Bezug auf die rechte Terrorserie in Neukölln kommt hinzu, dass etwa Carsten Szczepanski, bekannter Neonazi und V-Mann des Verfassungsschutzes, bereits im Jahr 1993 verantwortlich war für einen Brandanschlag auf den Kleinbus der Falken Neukölln. Eine Verurteilung erfolgte wegen Sachbeschädigung. Zu V-Mann „Piatto“ wurde Szczepanski in der Haft, in der er nach einem Mordversuch an einen Lehrer aus Nigeria im Jahr 1994 kam. Die Aktivitäten Szczepanskis in der Brandenburger und Berliner Neonaziszene, seine Verbindung zum NSU und der Fakt, dass das Haus der Falken-Neukölln auf der Terrorliste des NSU auftauchet und dass aktive Mitglieder der Falken-Neukölln und er SPD Neukölln Betroffene der rechten Terrorserie sind, der lassen die Vermutung nahe legen, dass auch hier eine direkt Verbindung aufzumachen ist.

 

Diesen Indizien muss im Sinne der Möglichkeiten eines Untersuchungsausschusses detailliert nachgegangen werden, um abgesehen von der Aufklärung aktueller Taten, die Strukturen, Netzwerke und Wege der rechten Gruppen nachvollzogen werden könne. Nur so ist es möglich, Schlüsse für künftige Ermittlungen und konkrete Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Straftaten zu ziehen. Es gilt, die Sicherheit für alle Menschen zu erhöhen und den Betroffenen zu zeigen, dass alle Mittel ergriffen werden, um zu schützen und weitere Taten zu verhindern. Die Terrorlisten des NSU sind die Verbindung zur aktuellen Terrorserie. Diese Verbindungen müssen untersucht werden.

 

Aktuell zeigen die veröffentlichten Ergebnisse der Besonderen Aufbauorganisation (BAO), der sogenannten Sonderermittlungsgruppe „Fokus“, dass systematische Untersuchungen höchst brisante und relevante Ergebnisse liefern können. So sind durch Ermittlungen der BAO 500 Menschen in Dateien zu Feindeslisten von tatverdächtigen Rechtsextremisten aufgetaucht, die vorher unbekannt waren. Außerdem konnten so Verbindung zwischen Taten und Tätern hergestellt und bisher unbekannte Strukturen erkannt werden. Dieses Ziel kann ein Untersuchungsausschuss unterstützen.

 

Mittlerweile wurde eine Petition im Umfang von 25.000 Unterschriften an das Abgeordnetenhaus übergeben. Die Betroffenen fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Umgang der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden mit der rechten Anschlagserie. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden sei zerrüttet, sie fordern Aufklärung.

 

Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen Menschen und fordern daher:

 

  • Die schnellstmögliche Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus noch in dieser Legislaturperiode, um Strukturen und Netzwerke vergangener Straftaten nachvollziehen zu können und Vorgehenswiesen der Sicherheitsbehörden daraufhin zu beleuchten
  • Eine Überprüfung, inwiefern der NSU und seine historischen Netzwerke mit der aktuellen Terrorserie in Verbindung stehen
  • Eine Untersuchung möglicher strategischer Ermittlungsfehler, um eine endgültige Aufklärung der Straftaten zu ermöglichen

 

Antrag 83/I/2020 Demokratiebildung? Jugendbeirat!

30.09.2020

Die Wahlbeteiligung gerade bei Erst- bzw. Jungwähler*innen geht zurück bzw. stagniert. Ein Grund hierfür ist die mangelnde Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie eine mangelhafte Erziehung und Förderung von Jugendvereinen, die das Demokratieverständnis für Kinder und Jugendliche fördern und damit einen Beitrag leisten, die jungen Menschen zu mündigen Demokrat*innen zu erziehen. Damit ein Teil dazu beigetragen wird, diesem Trend entgegengewirkt wird und um Kindern und Jugendlichen die Vertretung ihrer eigenen politischen Interessen zu ermöglichen, fordern wir, dass ein Jugendbeirat auf Bezirks- und Landesebene etabliert wird.

 

Jugendbeirat – aber warum? 

Erst einmal was ist überhaupt ein Jugendbeirat und was sind seine Aufgaben?

 

Ein Jugendbeirat ist ähnlich wie ein Seniorenbeirat ein Beirat, der von Jugendlichen im Alter von 12-18 Jahre gewählt wird und sich aus Jugendlichen in diesem Alter zusammensetzt. Bei der Zusammensetzung muss dabei auf die Quotierung geachtet werden. Wahlberechtigt sind alle Jugendlichen im Bezirk bzw. der Stadt.

 

Die Mitglieder des Beirats erhalten hier die Möglichkeit an den politischen Prozessen aktiv zu partizipieren und ihre Ideen einzubringen. Sie dürfen Anträge bzw. Anfragen stellen und erhalten Rederecht in Ausschüssen und BVV- Versammlungen.

 

Ein Jugendbeirat ist gelebte Demokratie und es ist überfällig eben jenen in Berlin einzuführen. Zudem sollte dort wo ein Seniorenbeirat existiert auch ein Jugendbeirat partizipieren dürfen.

 

Deshalb fordern wir, dass sich die SPD-Mitglieder der Bezirksfraktionen und des Abgeordnetenhauses dafür einsetzen, dass das Bezirksverwaltungsgesetz um eine Norm ergänzt wird:

  • Kinder- und Jugendbeteiligung: Der Bezirk muss bei Planungen und Vorhaben die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Zur Wahrnehmung dieser Interessen soll ein Kinder-und Jugendbeirat gebildet werden. Der Beirat ist parteipolitisch und konfessionell neutral. Die Mitglieder sind ehrenamtlich tätig.

 

  • Im Rahmen des Aufgabenbereiches des Kinder-und Jugendbeirates unterstützen die Organe des Bezirks den Beirat in seinem Wirken. Sie beziehen ihn zur Beteiligung der Kinder 25und Jugendlichen beiallen Planungen und Vorhaben in die Entscheidungsfindung ein.

 

Der Kinder-und Jugendbeirat erhält eine genaue Satzung, welche folgende Bereiche umfasst: Aufgaben, Zusammensetzung, Wahlzeit, Wahlverfahren, Geschäftsordnung, Vorstandstätigkeiten, Finanzierung und Datenverarbeitung. Änderungen der Satzung kann vom gewählten Kinder-und Jugendbeirat vorgenommen werden. Bedarf jedoch die einfache Zustimmung der Bezirksversammlung.