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Antrag 153/I/2020 Die Amtszeit Maaßen aufklären

30.09.2020

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der aufklären soll, ob und wie Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz rechten Organisationen Vorschub geleistet hat. Des Weiteren soll der Untersuchungsausschuss klären, in wiefern seine Handlungen die grundsätzliche Arbeit des Verfassungsschutzes während seiner Amtszeit beeinflusst haben und welche dieser Strukturen heute noch bestehen. Ziel ist es, aus diesen Untersuchungen konkrete politische Forderungen zur Zukunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz resultieren zu lassen.

 

Von August 2012 bis November 2018 war Hans-Georg Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damit war er 6 Jahre lang Leiter einer Behörde, deren Auftrag es einerseits ist, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu erhalten und Sicherheitsrisiken aufzudecken, indem sie Informationen über verfassungsfeindliche Gruppierungen sammelt, die andererseits aber über Kompetenzen verfügt, mit denen sie massiv in die Grundrechte von Bürger*innen eingreifen kann. Sein Verhalten vor, während und nach seiner Amtszeit lässt darauf schließen, dass Hans-Georg Maaßen weder die gebotene politische Neutralität noch die Grundrechtssensibilität besitzt, die dieses gleichermaßen mächtige wie gefährliche Amt erfordert. Seine gesamte Karriere zeigt, dass er ein ausgeprägtes rechtes Weltbild hat und nicht davor zurückschreckt, seine Entscheidungen als Beamter zulasten von Bürger*innen und der liberalen Demokratie aufgrund dieses Weltbildes zu fällen. Hans-Georg Maaßen verhält sich in der Öffentlichkeit, insbesondere seitdem er sein Amt nicht mehr innehat, auf eine Weise, die es sehr wahrscheinlich macht, dass auch seine Amtsführung durch seine politischen (rechten) Ansichten beeinflusst wurde. In Anbetracht der Versäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Bezug auf rechtsterroristische Straftaten, in deren Folge etliche Mitbürger*innen zu Schaden gekommen sind, ist die Aufarbeitung der Amtszeit von Hans-Georg Maaßen sehr nötig.

 

Seiner Promotionsschrift “Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht” wird in einer Rezension der ehemaligen Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff vorgeworfen, einseitig bei der Quellenbewertung vorzugehen und sich alle erdenklichen Szenarien zu überlegen, in denen Zuwanderung eine Bedrohung darstellen könnte. 2002 vertrat er in einem Gutachten für das Bundesinnenministerium die Auffassung, Murat Kurnaz, der über 4 Jahre in Guantánamo festgehalten wurde, sei nicht nach Deutschland zurückzuholen. Sein Aufenthaltsrecht sei verfallen, da er sich für mehr als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten hatte.

 

Dieser Rechtsauffassung wurde später vom Verfassungsgericht Bremen widersprochen. Dieses Gutachten ist ein erstes Indiz dafür, dass Maaßens rechte Gesinnung sein Verhalten als Beamter beeinflusst haben könnte.

 

Seine mangelnde Sensibilität für Grundrechte wurde 2015 besonders deutlich, als er dafür sorgte, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Blogger von netzpolitik.org durch den damaligen Generalbundesanwalt eingeleitet wurde. Er bestreitet zwar, das Verfahren gezielt gegen Journalisten angestrengt zu haben, diese Aussage ist aber nicht glaubwürdig, da es eindeutige Hinweise gibt, die das Gegenteil belege. Auch seine anhaltende, mit Verschwörungstheorien untermauerte Kritik an Edward Snowden sind ein Beleg für seine Unfähigkeit, den Stellenwert von Grundrechten in einer liberalen Demokratie zu erkennen.  In etwa zur selben Zeit führte Maaßen Gespräche mit führenden AfD-Politiker*innen. Inhalt dieser Gespräche war höchstwahrscheinlich die Frage, wie die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz verhindern könnte. Der genaue Inhalt der Gespräche ist nicht aufgeklärt, es gibt aber starke Indizien, wie geleakte Chatprotokolle von AfD-Funktionär*innen, die auf eine Sympathie Maaßens für die AfD hinweisen. Ein weiteres Indiz für Maaßens mangelhaftes Demokratieverständnis ist, dass er nachweislich den Bundestag belogen hat, als mit einer kleinen Anfrage abgefragt wurde, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz V-Leute im Umfeld des Attentäters Anis Amri hatte.

 

Gemeinhin bekannt und letztlich der Grund für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist Maaßens Versuch aus dem Jahr 2018 Angriffe auf ausländisch-aussehende Menschen in Chemnitz als gezielte Desinformationskampagne zu diskreditieren, wobei er auf rechte Narrative bediente.

 

Nach dem Ende seiner Amtszeit ist Maaßen immer wieder mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen. So diskreditiert er Medien und bezeichnet solche die ihm genehm sind als “West-fernsehen”. Auf Twitter teilte er auch Beiträge der rechtspopulistischen Plattform “Journalisten- Watch”.

 

In einer Markus Lanz-Sendung vom 18.12.2019 sagte Maaßen, Menschen die Asylunterkünfte angreifen seien keine “Rechtsextremisten” sondern stammen aus der bürgerlichen Mitte. Aufgrund der Geschichte des Verfassungsschutzes und der Verstrickung in die NSU-Morde ist hier besondere Vorsicht geboten. Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist bereits seit 2013 erklärtes Ziel der Jusos Berlin. Der Skandal um Maaßen knüpft hieran an. Das gefährliche Extremismus-Dogma zeigt hier seine Nähe zu rechten Einstellungen und Parteien. Im März 2019 rief er über Twitter indirekt dazu auf, im Thüringischen Landtag den AfD-Kandidaten Höcke zum Ministerpräsidenten zu wählen um den „SED-Kandidaten Ramelow“ zu verhindern.

 

All diese Umstände ergeben zusammengenommen das Bild, dass Hans-Georg Maaßen durchaus Sympathie für rechtsradikales Gedankengut hegt und nicht auszuschließen ist, dass er seine Macht als Präsident des BfV genutzt hat, um rechten Strukturen Vorschub zu leisten. Jedenfalls scheint er nicht erfolgreich darin gewesen zu sein, gegen diese vorzugehen. Daraus folgt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, aufzuklären, wie sich Maaßens Weltbild auf die Arbeit der Sicherheitsbehörde ausgewirkt hat und ob er durch sein Verhalten die Gefahr rechter Straftaten erhöht hat. Doch die Aufklärung der Präsidentschaft Maaßen darf sich nicht nur an der Personalie Maaßen orientieren. Es müssen auch mögliche hinterlassene Strukturen innerhalb des Verfassungsschutzes überprüft und wenn nötig, beseitigt werden. Insgesamt haben diese und viele weitere Vorfälle uns Jusos bereits in der Vergangenheit zur Überzeugung gebracht, die Abschaffung des Bundesamts für Verfassungsschutz zu fordern. Die bisherige Aufklärungsarbeit hat uns nicht davon überzeugt, von dieser Forderung abzuweichen. Außerdem sind ehemalige Mitarbeiter*innen Maaßens, die möglicherweise noch beim Verfassungsschutz tätig sind eingehend zu prüfen.

Antrag 119/I/2020 “Juckt’s im Schritt? Lass dich testen.“ Und zwar für lau!

30.09.2020

„Juckt’s im Schritt? Lass dich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen.“ Diesen und andere Sprüche hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in U-Bahnhöfen und Co. plakatiert. Solche Kampagnen sind wichtig und haben einen sichtbaren Effekt. Das gilt für die Kampagnen für HIV-Prävention wie für die Kampagnen gegen übermäßigen Alkoholkonsum.

Sexuell übertragbare Krankheiten („sexually transmitted infections“ – STIs) sind stigmatisiert, oft ist das Wissen nur gering und es wird nicht genügend über sie gesprochen. Und eben oft auch nicht früh oder oft genug zur Ärztin gegangen. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern eben auch alle anderen, die sich potenziell anstecken können. Entsprechend hat die gesamte Gesellschaft ein Interesse daran, dass sich alle möglicherweise Betroffene testen lassen, auch präventiv und regelmäßig.

Wer nun aber der Kampagne Folge leistet und sich testen lässt, macht das in der Regel auf eigene Kosten. HIV-Tests gibt es bei manchen Gesundheitsämtern oder bei der AIDS-Hilfe gebührenfrei, STI-Tests können kostengünstig bis kostenfrei bei wenigen Gesundheitsämtern gemacht werden, aber Termine sind dort teilweise schwer zu bekommen. Die Kosten für den Chlamydientest übernehmen einmal im Jahr die Krankenkassen, aber nur die im Vergleich unsichere Variante des Urintests und nur für Frauen bis 25. Der Grund für diese Altersgrenze ist die Annahme, dass die meisten Menschen ab 25 bis an ihr Lebensende in monogamen Beziehungen leben würden. Entsprechend könnten sich also gar nicht neu anstecken. Wer aber nicht so lebt, sondern wechselnde Geschlechtspartner*innen hat und auch nach 25 von regelmäßigen Tests profitieren würde, wird hier nicht mitgedacht. Es darf nicht sein, dass sich die Gesundheitsversorgung nur an ein paar bestimmten Lebensentwürfen orientiert und die Versorgung schlechter wird für diejenigen, die einen anderen Lebensentwurf haben.

Die Krankenkassen müssen sich endlich der Lebensrealität der Menschen anpassen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die ein verantwortungsvolles Sexleben führen wollen, dafür selbst bezahlen müssen. Tests, die alle schützen, müssen einfach und kostenfrei zur Verfügung stehen, damit sie von möglichst vielen Menschen angenommen werden.

 

Deswegen fordern wir:

  1. dass Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Dazu gehören HIV, Gonokokken, Hepatitis B und C, Herpes, Chlamydien, Syphilis und HPV.
  2. dass STI-Tests Teil der regulären gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung werden bzw. einmal im Jahr bei einem Besuch bei der*dem Hausärzt*in oder Dermatolog*in angeboten werden.
  3. weiterhin flächendeckende Kampagnen in der Öffentlichkeit und in der Schule. Sie sind elementar, um ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Kondomen und Lecktüchern und den entsprechenden STI-Tests zu schaffen.

 

Antrag 144/I/2020 Yas Tutuyoruz, Em Xemgîn – Konsequenzen aus den rassistischen Morden von Hanau ziehen!

30.09.2020

Die Morde von Hanau lassen uns auch mehrere Wochen nach dem Tattag schockiert zurück. Wir trauern und nehmen Anteil an dem Schicksal der betroffenen Familien und Communitys. Politisch sind wir es den Opfern schuldig, alles dafür zu tun, weitere rechtsterroristische Gewaltakte zu verhindern. Es kann nicht sein, dass der deutsche Staat immer und immer wieder darin versagt, Bürger*innen vor rassistischen Angriffen zu schützen. Aus dem Versagen der staatlichen Sicherheits- und Ordnungsbehörden müssen Konsequenzen folgen. Es ist für uns weder nachvollziehbar, dass ein behördenbekannter Anhänger eines zutiefst rassistischen und verschwörungsideologischen Weltbildes legal im Besitz von Schusswaffen sein darf und zudem relativ kurz vor der Tat einer ergebnislosen Routineüberprüfung unterzogen wird, noch ist es entschuldbar, dass auch 10 Jahre nach dem NSU die Gefahr durch rechten Terror von den Behörden weiterhin unterschätzt wird und nicht genug Ressourcen in seine Bekämpfung fließen.

 

Zusätzlich zur rassistisch motivierten rechten Waffengewalt stellt aber auch die Stigmatisierung der Politik, Medienberichterstattung und Polizei eine Gefahr für Migrant*innen in Deutschland. Schischa-Bars dienen für migrantisch bzw. muslimisch gelesene Menschen auch deshalb oft als Aufenthaltsort, weil ihnen an anderen Orten der Zutritt verweigert wird. Gleichzeitig haben Medien und politische Verantwortliche in der Vergangenheit mit ihrer Berichterstattung bzw. mit öffentlichen Aussagen dazu beigetragen, Shisha-Bars als kriminalitätsbelastete Orte zu stigmatisieren. Diese Stigmatisierung setzt sich in den oftmals mindestens fragwürdigen polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen die Betreiber*innen fort. Dahinter verbirgt sich oftmals ein Generalverdacht, der sich gegen Menschen mit Migrationsgeschichte oder Migrant*innen richtet. Dahinter verbirgt sich im Kern Rassismus und diesem stellen wir uns entschieden entgegen.

 

Wir fordern deshalb

  • eine Verschärfung des Waffenrechts in der Gestalt, dass Schusswaffen, die für das Töten oder Verletzen von Menschen hergestellt werden, nicht länger legal als Sportwaffen besessen, benutzt oder vertrieben werden dürfen,
  • die Verpflichtung sämtlicher Bundes- und Landesbehörden dazu, relevante Erkenntnisse über Sportschütz*innen unverzüglich an die für die Ausstellung der Waffenbesitzkarte zuständigen Behörden zu melden,
  • eine verstärkte Sensibilisierung von Behördenmitarbeiter*innen im Umgang mit Bürger*innen, welche Verschwörungsideologien und Anzeichen eines rassistischen Weltbildes äußern,
  • die Kontrollmaßnahmen gegenüber Inhaber*innen einer Waffenbesitzkarte kritisch zu evaluieren und zu intensivieren,
  • bei den Staatsanwaltschaften Abteilungen für die Verfolgung von rechtsterroristisch bzw. rechts motivierten Straftaten einzurichten und sie finanziell und personell mit adäquaten Mitteln auszustatten,
  • bei der Polizei und bei Ordnungsbehörden verpflichtende Schulungen zu interkultureller Kompetenz anzubieten,
  • die polizei- und ordnungsbehördliche Praxis gegenüber Sisha-Bars kritisch auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.
  • eine Evaluation der psychischen Gesundheit als verpflichtendes Kriterium der turnusmäßigen Kontrolle von Waffenbesitzkarten hinzuzufügen

Antrag 148/I/2020 Racial Profiling die Grundlage entziehen – rassistische Diskriminierung verhindern!

30.09.2020

Das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG verbietet Ungleichbehandlungen in Form von rassistischer Diskriminierung. Genauso verbieten dies die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Anti-Rassismus-Konvention. Dennoch wird das „Racial Profiling“ sowohl von der Bundes- als auch von der Berliner Polizei in gängiger Praxis verwendet. Dabei dienen unveränderliche Merkmale, die das äußere Erscheinungsbild eines Menschen prägen, als Auswahlkriterium für anlasslose Personenkontrollen oder andere polizeiliche Maßnahmen. Dies geschieht insbesondere auf der Grundlage von Gesetzen, die zu verdachtsunabhängigen Maßnahmen ermächtigen und wegen ihres weiten sachlichen Anwendungsbereiches regelmäßig zu rassistischen Diskriminierungen führen. Denn in einer rassistischen Gesellschaft, in deren Polizei- und Ordnungsbehörden struktureller Rassismus verankert ist, ist „anders“ aussehen per se verdächtig.

 

§ 22 Abs. 1 a BPolG ermächtigt die Bundespolizei beispielsweise zum Zweck der Migrationskontrolle, Personen in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen ohne konkreten Anlass und ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Demnach darf die Bundespolizei jede Person anhalten, befragen und deren Ausweispiere verlangen, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Der Zweck der Migrationskontrolle führt dazu, dass hier Fällen äußere Merkmale wie die Hautfarbe als wesentlicher Grund für die Kontrolle in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen herangezogen werden.

 

Auch im Berliner Landespolizeigesetz finden sich Ermächtigungen zu potenziell diskriminierenden Maßnahmen: Zum Beispiel ermächtigt § 21 ASOG die Berliner Polizei, anlasslos und verdachtsunabhängig an sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“ Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen von Personen durchzuführen. Zwar ist die geplante Novelle des ASOG zu begrüßen und weist in die Richtung eines progressiven Polizeigesetzes, beispielsweise die Streichung des Aufenthaltstitels als Grund für verdachtsunabhängige Kontrollen. Diese Streichung allein unterbindet jedoch Racial Profiling nicht effektiv. Die als besonders „kriminalitätsbelastet“ oder „gefährlich“ eingestuften Orte sind oftmals solche, an denen sich migrantische oder migrantisch gelesene Menschen und BPOCs („Black and People of Color“), oft aus prekarisierten Millieus, vermehrt aufhalten.  Das Ausweisen dieser Orte und die mit ihnen verbundenen polizeilichen Ermächtigungen lassen BPOCs deshalb statistisch besonders oft ins Visier polizeilicher Kontrollen geraten.

 

Werden BPOCs statistisch häufiger kontrolliert, werden auch statistisch häufiger in dieser Gruppe Ermittlungserfolge erzielt, die dann wiederum als Rechtfertigung für Racial Profiling genutzt werden.  Für die betroffenen Personen reichen die Folgen dieser Kontrollen von öffentlicher Demütigung bis hin zu physischen und psychosozialen Verletzungen und Krisen. Racial Profiling nimmt aus Sicht der betroffenen Personen viel Zeit, Energie und Raum ein und produziert psychischen und körperlichen Stress für diese. Die Ermächtigung der Polizei zu solchen Maßnahmen, die Racial Profiling ermöglichen, zementieren deshalb den Rassismus in unserer Gesellschaft.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf:

  • sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, den § 22 Abs. 1a BPolG ersatzlos zu streichen,
  • sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine unabhängige bundesweite Studie zu Racial Profiling einzusetzen und unabhängig davon eine eigene Studie durchführen zu lassen,
  • sich in der Rot-Rot-Grünen Koalition dafür einzusetzen, im Rahmen der geplanten ASOG-Novelle den § 21 ASOG so neu zu fassen, dass die Behörden nicht mehr zur Definition kriminalitätsbelasteter Orte ermächtigt werden und somit verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen an diesen Orten nicht mehr zulässig sind,
  • sich in der Rot-Rot-Grünen Koalition dafür einzusetzen, im Rahmen der geplanten ASOG-Novelle in § 21 ASOG das explizite Verbot des Racial Profilings bei der Identitätskontrolle durch folgenden Wortlaut in Absatz 4 aufzunehmen:
    „(4) Der Anlass für die Identitätsfeststellung nach Abs. 1 darf nicht alleine auf das äußere Erscheinungsbild einer Person zurückgeführt werden und ist auf Verlangen den Betroffenen zu bescheinigen.“

Antrag 125/I/2020 Femizid ist Mord und muss als solcher benannt werden!

30.09.2020

Der Begriff „Femizid“ bezeichnet Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts. Sie haben gemein, dass sie aus einem patriarchalen Hintergrund verübt werden. Häufig sind der Partner*, Expartner* oder anderweitig nahestehende Personen die Täter.“

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau* von ihrem Partner* oder Ex-Partner* getötet. Oft beginnt es mit einer Zurückweisung des Mannes* durch die Frau*. In der Presse ist dann häufig von „Familiendramen“ oder „Eifersuchtstaten“ zu lesen. Das klingt als hätten die Frauen* einen Anteil an dem, was ihnen angetan wird. Doch eine Verharmlosung und Relativierung der Gewalt gegen Frauen* findet sich nicht nur in der Berichterstattung, sondern auch in der Rechtsprechung wieder.
So genannte Trennungstötungen werden in der Regel als Totschlag und nicht als Mord gewertet, da keine niedrigen Beweggründe erkennbar sein. Dies wird oft damit begründet, dass „die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. Nicht nur wird hier ein Teil der Schuld vom Täter* auf das Opfer geschoben, patriarchale Besitzansprüche werden als persönliche Verletzlichkeit kaschiert und strafmildernd interpretiert. Die Trennung wird als besondere Kränkung für den Täter* empfunden, denn durch sie löst sich die Frau* aus dem vermeintlichen Besitzverhältnis heraus. Sie stellt den Besitzanspruch und somit den Status des Mannes* als „Eigentümer“ oder „Herrscher“ über den weiblichen* Körper in Frage. Trans Frauen*, deren alleinige Existenz die patriarchalen und gender binären Denkmuster der Täter* widersprechen, sind besonders durch diese Hassverbrechen gefährdet.

Durch den Akt des Tötens wird in den Augen des Täters* die Aneignung der Frau* und ihres Körpers als sein Eigentum wiederhergestellt. Der absolute Besitzanspruch über weibliche* Körper legitimiert für Täter* selbst die Tötung, den Femizid. Auf den Punkt gebracht: Der Mann* entscheidet, ob eine Frau* leben darf oder nicht. Wird eine Frau* von einem Mann* getötet, weil dieser sich alleine durch den Wunsch der Frau* nach einem selbstbestimmten Leben gekränkt fühlt, so ist dies nach unserem Verständnis ein niedriger Beweggrund. Die Idee, ein Mann könne eine Frau* besitzen, ist verachtenswert!

Deutlich leichter tut sich die Rechtsprechung und Öffentlichkeit bei sogenannten „Ehrenmorden“, die von türkisch- oder arabischstämmigen Tätern* verübt werden. Vor 15 Jahren wurde Hatun Sürücü von ihrem Bruder auf offener Straße erschossen, weil sie sich für ein eigenständiges und freies Leben entschieden hatte. Das Mordmerkmal wurde bei diesem Femizid nicht in Frage gestellt, obwohl auch hier männliche Vorherrschaft über die Lebensweise einer Frau* Auslöser der Tat war. Es ist nicht hinnehmbar. dass Frauenrechte in der Gesellschaft sowie Rechtsprechung nur von Relevanz sind, wenn gleichzeitig rassistische Narrative bedient werden.
Eine Zurückweisung führt dann zu Gewalt oder sogar zu Mord, wenn der Täter* glaubt, ein Anrecht auf die Frau* zu haben, sie zu besitzen. Wenn ihr abgesprochen wird, dass sie selbst über ihr Leben entscheidet und darüber, mit wem sie wie Beziehungen führt. Kurzum: Es ist der Frauen*hass des Täters*, der zu Gewalt und Mord führt, niemals die Frauen* selbst!

Indem man Frauen*morde nicht als solche benennt, ignoriert man diese patriarchalen Muster. Diese Ignoranz ist weitere Gewalt. Femizide und Gewalt gegen Frauen* müssen auch so benannt werden. Es sind keine „Beziehungstaten“ oder Fälle von „häuslicher Gewalt“. Diese Begriffe gaukeln vor, dass es Männer* und Frauen* gleichermaßen treffen kann und dass Geschlecht keinerlei Rolle spielen würde.

 

Wir fordern,

  • dass Femizide in den polizeilichen Statistiken als eine Form von Hassverbrechen erfasst werden.
  • dass Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts und damit auch Trennungstötungen von Frauen* als Form von Femiziden gewertet werden
  • dass Femizide als Morde aufgrund eines niedrigen Beweggrunds eingestuft werden.
  • dass die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung darauf hinwirken, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz eine gemeinsame Aufklärungskampagne über Hass auf und Gewalt an Frauen, mit dem Schwerpunkt gezielte Frauenmorde als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, durchführen.
  • dass die Existenz patriarchaler und genderbinärer Denkmuster in der Gesellschaft und unter Straftätern in der juristischen Ausbildung angemessen thematisiert wird.
  • dass Fortbildungen zu Femiziden für Richter*innen und Staatsanwält*innen angeboten werden!