Archive

Antrag 62/II/2021 Die Kinder des IS

9.11.2021

Zum Wohl der Kinder: Für eine Rückführung von ausländischen, ehemals dem Islamischen Staat (IS) angehörenden Kindern aus Flüchtlingscamps und Gefängnissen in Irak und Syrien in ihre Heimatländer

 

Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich für die Rückführung von ausländischen, ehemals dem Islamischen Staat (IS) angehörenden Kindern aus Flüchtlingslagern und Gefängnissen in Irak und Syrien in ihre Heimatländer, so auch Deutschland, Sinne der Kinderrechte einzusetzen:

  1. Aus menschenrechtlicher und sicherheitspolitischer wie auch humanitärer Perspektive und zum Schutz des Kindeswohls muss die Bundesregierung alle deutschen, ehemals dem IS angehörenden Kinder, sowie ihre engsten Angehörigen als Bezugspersonen, aus Flüchtlingslagern und Gefängnissen in Irak und Syrien zurückführen. Das Kindeswohl und die Interessen der Kinder sind als Gesichtspunkt in der Rückführung vorrangig zu berücksichtigen.
  2. Die Bundesregierung muss eine bedingungslose und kohärente Strategie zur Rückführung Minderjähriger entwickeln, um den Kindern eine realistische Perspektive auf eine Zukunft in ihrem Heimatland zu ermöglichen, mit Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und einem funktionierenden Sozialsystem.
  3. Diese Strategie muss auf alle Minderjährigen und ihre engsten Angehörigen gleichsam abzielen, denn für alle Kinder gilt die juristische sogenannte Pariser Vereinbarung für Kindersoldat*innen. Einige Staaten haben in der Rückholung schwerpunktmäßig junge Kinder oder Waisen bevorzugt, da diese als besonders schutzbedürftig gelten. Dennoch sollten auch ältere Kinder nicht vernachlässigt werden, da diese einer viel direkteren Bedrohung durch Inhaftierung oder erneuter Rekrutierung ausgesetzt sind.
  4. In jenen Fällen, in denen sich Kinder über dem Alter der Strafmündigkeit durch den IS rekrutiert wurden, ist auch ein Strafverfahren nach ihrer Rückkehr möglich. Dies sollte jedoch im Einklang mit der Kinderrechtskonvention darauf abzielen, den Kindern die Rehabilitation und Reintegration, sowie „die Übernahme einer konstruktiven Rolle in der Gesellschaft“ zu ermöglichen (gemäß Artikel 40(1) der UN-Kinderrechtskonvention). Ebenso sollte die Inhaftierung von Kindern „nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit“ in Erwägung gezogen werden (gemäß Artikel 37(b) der UN-Kinderrechtskonvention).
  5. Nach der Ankunft in Deutschland wird durch die zuständigen Behörden eine Risiko- und Bedürfnisanalyse der Kinder durchgeführt.. In diesem Feld aktive Akteure mit Expertise, die den Auswirkungen der Radikalisierung entgegenwirken und über lange Zeiträume das Umfeld für Reintegration und Rehabilitierung vorbereiten, müssen konsequente Unterstützung erfahren, dazu gehören insbesondere auch die zuständigen Jugendämter, Beratungsstellen und weitere Akteure der Sozialen Arbeit. Darüber hinaus sind die Sicherheitsbehörden, welche Fragen bezüglich der Einleitung von Strafverfahren klären zu unterstützen. Dafür relevante Faktoren sind das Alter, der Grad der Traumatisierung, die Dauer des Aufenthalts im sogenannte Kalifat und mögliche Beteiligung an terroristischen Aktivitäten, das Familienumfeld und soziale Netzwerk in Deutschland. Zugang zu Rechtsberatung sollte Kindern und Familienangehörigen ermöglicht werden. Der behördenübergreifender Ansatz, wie er bereits in vielen Bundesländern für diese Analyse verfolgt mit, der auf Bundes- und Lokalebene Polizei und Geheimdienste ebenso wie Sozialdienste, Jugendschutz, Kinder- und Jugendpsychologen, Schuldirektionen und ggfs. spezialisierte Nichtregierungsorganisationen umfasst, muss zum Zwecke von Ausbau und weiterer Professionalisierung gefördert werden. Nur auf diese Weise kann in Kooperation mit allen relevanten Akteuren eine auf das Kind zugeschnittene Rehabilitation ermöglicht werden, können etwaige Traumata behandelt und das Familien- und Schulumfeld angemessen unterstützt werden, um eine Eingliederung des Kindes zu ermöglichen und einer (weitere oder Re-) Radikalisierung entgegenzuwirken, sowie den Kindern ihren Rechten gemäß Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
  6. Die Bundesregierung muss sich gegenüber anderen europäischen Staaten und weiteren Ländern dafür einsetzen, dass alle (und nicht nur die deutschen) ausländischen Minderjährigen und ihre engsten Angehörigen in ihre Heimatländer umgehend zurückgeführt werden.

 

Antrag 63/II/2021 Völkerverständigung fördern – Stärkung der Städtepartnerschaft Berlin-Peking

9.11.2021

Durch die Coronapandemie reduzieren sich die Kanäle, auf denen Chinesinnen und Chinesen mit Menschen der westlichen Welt im Austausch sind. Parallel dazu hat sich der Diskurs zwischen der chinesischen Regierung und den liberalen Demokratien stark verschärft. „Decoupling“ ist, sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf intellektuellem und kommunikativem Gebiet, ein Trend, der sich seit 2020 auf beiden Seiten verstärkt. Nimmt man die Spannungen in der Taiwanstraße und mit Blick auf die Lage in Hong Kong hinzu, ergibt sich eine reale Gefahr für den Weltfrieden.

 

In dieser Situation kann die bereits gut entwickelte Städtepartnerschaft Berlin-Beijing einen Beitrag leisten, Kommunikationskanäle aufrecht zu erhalten, Verständnis und wechselseitigen Respekt zu stärken und sowohl in der öffentlichen Meinung als auch bei Entscheiderkreisen das Klima für ein friedliches Konfliktmanagement aufrecht zu erhalten.

 

Dazu muss die Berliner Landespolitik zwei Tatsachen ins Auge sehen:

  1. Unser Kooperationspartner ist eine repressives, autoritäres Einparteien-Regime, welches seit 2013 immer stärker auch in die Privatleben ihrer Bürger hineinregiert. Politisch unabhängige Institutionen/Vereine existieren nicht, insofern wäre auch das Ziel eines „zivilgesellschaftlichen Austausches“ irreführend, weil es dazu kein Pendant auf chinesischer Seite gibt, das im Rahmen einer Städtepartnerschaft ansprechbar wäre. Auch bei sämtlichen scheinbar „privaten“ oder „zivilgesellschaftlichen“ Austauschformaten ist immer die KP China zumindest mittelbar involviert. Das setzt dem bürgerschaftlichen Austausch Grenzen, was Themen und Inhalte betrifft. Die Städtepartnerschaft Berlin-Beijing ist nicht das Forum, um politische Grundsatzfragen zu diskutieren, weder zwischen den Verwaltungen noch zwischen Bürgerinnen und Bürgern.
  2. Dennoch kann ein bürgerschaftlicher Austausch unterhalb dieser Ebene gesellschaftliche Wirkung entfalten. Insbesondere entzieht es der Rhetorik eines „Decouplings“ den Boden, wenn Menschen verschiedener Völker einander in ihrer Alltäglichkeit mit ihren Wünschen, Träumen und Sorgen, ihren Hobbies und ihrem Berufsleben kennen lernen

 

Wir fordern deshalb:

  1. Die Städtepartnerschaft mit Beijing soll ab dem Jahr 2022 intensiviert werden, indem die bestehenden Ebenen der wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und administrativen Kooperation um eine Ebene des bürgerschaftlichen Austausches ergänzt werden mit dem friedenspolitischen Ziel der Völkerverständigung.
  2. Konkret ist die (unter Pandemiebedingungen vorrangig virtuelle) Kommunikation zwischen Schulklassen, Jugendgruppen und Vereinen institutionell, organisatorisch und finanziell zu fördern, ebenso wie Begegnungen von in Berlin lebenden Chinesinnen und Chinesen mit Berlinerinnen und Berlinern.
  3. Dazu sind im Doppelhaushalt 2022/2023 entsprechend deutlich höhere Mittel vorzusehen (im 6-stelligen statt wie bisher im niedrigen 5-stelligen Bereich).
  4. Die Chinakompetenz der Berlinerinnen und Berliner soll in allen Bildungssektoren (Schule, Hochschule, Erwachsenenbildung) gestärkt werden. Dazu sollen chinabezogene Themen mehr Raum in den Curricula erhalten und Lernenden verstärkt Angebote zum Erlernen der chinesischen Sprache gemacht werden – von der Grundschule an.
  5. Die kritische Auseinandersetzung mit chinapolitischen Themen, wie z.B. der Menschenrechtslage, soll dabei ebenfalls  in der gesellschaftlichen Breite gefördert werden. Austausch und Bande mit Taiwan dürfen in keinster Weise eingeschränkt werden.
  6. Im Feld der Hochschul-Kooperation ist der Leitfaden der HRK zur Zusammenarbeit mit China umzusetzen, insbesondere was Fragen der Finanzierung betrifft als auch eine Prüfung der Kooperation mit den Konfuzius Instituten. Auch in der Kooperation mit chinesischen Partnern gewährleisten die deutschen Hochschulen die Freiheit von Forschung und Lehre.

 

Antrag 64/II/2021 Keine Unterstützung für Diktatoren – Ausländer*innen-Reisepässe für afghanische und syrische Geflüchtete Jetzt!

9.11.2021

Wir fordern die künftige Bundesregierung  auf syrischen und afghanischen Geflüchteten mit subsidiärem Schutz einen Reisepass für Ausländer*innen als Passersatz zu gewähren, damit diese nicht in Kontakt mit der syrischen oder der afghanischen Botschaft treten müssen.
Wir fordern weiter, dass sich die Bundestagsfraktion dafür einsetzt, diese Verwaltungspraxis im gesamten Bundesgebiet zu ändern.

Antrag 65/II/2021 Wirecard 2.0 verhindern: Kontrolle von Kapitalgesellschaften in staatliche Hand geben

9.11.2021

2020 wurde mit der Insolvenz des Finanzdienstleisters Wirecard AG einer der größten Finanzskandale der letzten Jahre öffentlich. Die Abkürzung AG im Namen steht hierbei für Aktiengesellschaft. Das heißt, dass das Unternehmen nicht einer Person gehörte, sondern Unternehmensanteile an verschiedene Menschen oder Unternehmen in Form von Aktien verkauft wurden. Diese Aktien wurden bei Wirecard am DAX (Deutscher Aktienindex) gehandelt, welcher als der wichtigste deutsche Aktienindex gilt. Aktien können dort ge- und verkauft werden, die Verkaufswerte spiegeln dabei den Unternehmenswert wider. Damit Anleger*innen, also die Menschen oder Unternehmen, die Geld in Aktien investieren, wissen, wie gut oder schlecht es um ein Unternehmen steht, das an der Börse gehandelt wird, ist dieses verpflichtet ihren Anleger*innen bestimmte Informationen offenzulegen. Dies ist insbesondere im Rahmen der Jahresabschlussprüfung der Fall. In dieser Prüfung wird kontrolliert, inwiefern sie ihre Buchhaltung korrekt führen und ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen. Auch das Vermögen des Unternehmens wird so offen gelegt. Diese Angaben sind unter anderem relevant für Investor*innen, die sich aufgrund der veröffentlichten Zahlen und weiteren Angaben für oder gegen eine Investition entscheiden.

 

Der ausschlaggebende Grund der Pleite und des Skandals bei Wirecard war, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen eigentlich haben sollten, nicht existierten. Dies bedeutete, dass Wirecard ungefähr ein Viertel ihres angeblichen Vermögens, das sie ursprünglich in ihrer Jahresbilanz angegeben hatten, nicht besaß. Daraufhin verlor die Aktie massiv an Wert, was bedeutet, dass viele Anleger*innen Geld verloren. Die mehr als 11.000 Forderungen gegenüber der zahlungsunfähigen Wirecard belaufen sich mittlerweile auf über 12,4 Milliarden Euro.

 

Der damalige Vorstandsvorsitzende der Wirecard AG trat daraufhin zurück und sitzt aufgrund des Verdachts auf Vortäuschung von Einnahmen und Marktmanipulation bis heute neben anderen mutmaßlichen Verantwortlichen in Untersuchungshaft. Der Chief Operating Officer (COO), der für die Betriebsprozesse von Wirecard maßgeblich zuständig war, tauchte ab und wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Ebenfalls wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Bundestag eingerichtet, der klären soll, inwiefern staatliche Stellen über die Vorgänge bei Wirecard informiert waren.

 

Allerdings war die Prüfung der Jahresbilanz und der generellen Buchhaltung der Wirecard im ersten Schritt nicht Aufgabe des Staates. Unternehmen, die Kapitalgesellschaften sind (also sich aus dem Kapital von mehreren Menschen oder anderen Unternehmen finanzieren, ohne dass diese unmittelbar für das Alltagsgeschäft des Unternehmen arbeiten), werden zunächst von privaten Wirtschaftsprüfer*innen kontrolliert. Wirtschaftsprüfer*in ist ein öffentliches Amt, das heißt, mit diesem gehen besondere gesetzlich festgelegte Rechte und Pflichten einher. Diese Wirtschaftsprüfer*innen arbeiten aber nicht für den Staat, sondern für private Unternehmen. Profitorientierte, private Unternehmen übernehmen somit für andere Unternehmen eine Rolle, wie sie das Finanzamt für Privatleute hat: Sie sind zuständig zu kontrollieren, ob diese Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten hinsichtlich ihrer Finanzen nachkommen.

 

DAX-Unternehmen, wie Wirecard damals, werden üblicherweise von den sogenannten “Big Four” kontrolliert, den vier weltweit größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen. 2019 machten nur diese vier Unternehmen weltweit einen Umsatz von ca. 154,79 Milliarden US-Dollar. Hier ist allerdings anzumerken, dass diese Unternehmen nicht nur Wirtschaftsprüfung anbieten, sondern oftmals gleichzeitig Unternehmensberatungen sind. Diese Beratungen spezialisieren darauf, die Gewinnen der Unternehmen zu optimieren und Zahlen – wie den Jahresabschluss – bestmöglich für das Unternehmen zu gestalten.

 

Trotz ihrer Profitorientierung müssen diese Wirtschaftsprüfungsunternehmen nach dem Gesetz allerdings unabhängig sein und eine kritische Grundhaltung gegenüber den von ihnen zu prüfenden Unternehmen haben. Da Wirtschaftsprüfungsunternehmen allerdings von den zu prüfenden Unternehmen selbst beauftragt werden, ergibt sich hier ein Interessenkonflikt. Aufgrund ihrer privatwirtschaftlichen Organisation sind die Wirtschaftsprüfungen abhängig von ihren Auftraggeber*innen, die sie gleichzeitig kontrollieren sollen. So müssen Wirtschaftsprüfungen befürchten, nicht mehr von Unternehmen beauftragt werden, sofern sie diese zu kritisch prüfen. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftsprüfer*innen oftmals über eine längere Zeit bei dem Unternehmen vor Ort sind, um diese zu prüfen. So kann es ebenfalls zu einer Vermischung der Rollen kommen, da aus den Kontrolleur*innen so fast schon Kolleg*innen werden können.

 

Im Falle von Wirecard war eine der “Big Four” jahrelang mit der wirtschaftlichen Prüfung des Unternehmens beauftragt. Nachdem Journalist*innen die Bilanz Wirecards aufgrund von nach ihren Recherchen zu hohen Gewinnangaben bezweifelten, beauftragte Wirecard ein weiteres Wirtschaftsprüfungsunternehmen der “Big Four”, um diese Zweifel auszuräumen. Erst im Zuge dieser Überprüfung viel nach einiger Zeit auf, dass die besagten 1,9 Milliarden nicht existierten. Daraufhin verweigerte die Wirtschaftsprüfung Wirecard den Jahresabschluss zu bestätigen. Im Zuge des Skandals wurden Vermutungen konkreter, dass die erste beauftragte Wirtschaftsprüfung bereits in den Jahren zuvor, zu ungenau prüfte, sodass dieser Milliardenbetrug erst möglich wurde. So fiel der Wirtschaftsprüfung 2016 und 2017 beispielsweise nicht auf, dass Unterschriften als Grafiken in ein PDF-Dokument eingefügt wurden, was eine Fälschung nahelegt.

 

Diese Vorgänge bei Wirecard machen deutlich, dass die Kontrolle von privaten Unternehmen durch andere private Unternehmen nicht zielführend ist. Die Einhaltung von Gesetzen zu kontrollieren, muss auch hier Aufgabe des Staates sein. Es gibt bereits Behörden, die mit der Kontrolle der Wirtschaftsprüfer und des Finanzmarktes betraut sind, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS). Die BaFin ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt, während die APAS durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kontrolliert wird. Die BaFin ist unter anderem für die Kontrolle des Wertpapierhandel und damit verbundenen Verbraucher*innenschutz zuständig, während die APAS die Arbeit der Wirtschaftsprüfer*innen kontrollieren soll. Im Zuge der Ermittlungen und Recherchen zu Wirecard, insbesondere der Befragungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bundestag, wurden allerdings aber auch Fehler der BaFin eingeräumt. 2019 verbot diese Leerverkäufe, also das Wetten auf fallende Kurse bei Wirecard. Der damalige Chef der BaFin begründet dieses Verbot damit, dass sie staatsanwaltliche Hinweise auf Insiderhandel bekommen hätten. Allerdings gab es damals bereits kritische Berichterstattung über das Unternehmen. Daher konnte ein Eindruck entstehen, dass die BaFin Wirecard vor den Auswirkungen dieser schützen wollte. Aufgrund dieser und anderer Unzulänglichkeiten, trat die Spitze der BaFin im Zuge des Wirecard-Skandals zurück. Die APAS zeigte 2020 die erste Wirtschaftsprüfung, die Wirecard jahrelang untersuchte ohne Fehler zu finden, an. Der Chef dieser Wirtschaftsprüfung trat daraufhin zurück.

 

Es wurde klar, dass die Kontrolle von Unternehmen wie Wirecard neu organisiert werden muss. 2021 wurden mit dem “Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität” einige Veränderungen auf den Weg gebracht, wie die zukünftig verpflichtende unternehmerische Trennung von Wirtschaftsprüfung und Beratung. Allerdings gehen diese Schritte noch lange nicht weit genug.

 

Daher fordern wir:

  • Die Überprüfung der Jahresberichte dieser Unternehmen muss strenger durch die APAS kontrolliert werden.
  • Wirtschaftsprüfungen, denen schwerwiegende Fehler, wie im Falle Wirecard unterlaufen sind, muss das Recht entzogen werden, Wirtschaftsprüfungen durchzuführen.
  • Kapitalgesellschaften müssen ihr Wirtschaftsprüfungsunternehmen jährlich wechseln, um finanzielle Abhängigkeiten zu minimieren.
  • Ebenso sollte es Wirtschaftsprüfer*innen sowie Mitarbeiter*innen der Kapitalgesellschaften, die von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kontrolliert werden, untersagt werden, unmittelbar nach der Prüfung oder währenddessen zur jeweils anderen Firma zu wechseln.
  • Wirtschaftsprüfungen großer Unternehmen sind grundsätzlich von zwei Unternehmen nach dem Vier-Augen-Prinzip zu prüfen (Joint Audit).
  • Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die ein Unternehmen prüft, darf nicht gleichzeitig Beraterleistungen für dieses Unternehmen ausführen. Dies gilt ebenso für Tochterunternehmen oder Dependancen dieser Gesellschaft.

 

Antrag 67/II/2021 Corona-Impfstoffe global zugänglich machen und Impfstoffspenden ermöglichen

9.11.2021

Trotz fortschreitender Dauer der Pandemie existiert noch immer dramatische Verteilungsungleichheit keine ausreichende Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus in weiten Teilen der Welt. Insbesondere in Afrika wird ein Großteil der Länder das Ziel der WHO bis Jahresende 40% der Bevölkerung zu impfen, verpassen. Bestehende Versorgungsengpässe im globalen Süden werden durch das aktuelle Regelungsregime nicht gelöst. Gleichzeitig besteht in Deutschland und in vielen Industrieländern inzwischen aufgrund der nur noch langsam voranschreitenden Impfkampagne ein Überangebot an Impfstoff.

Aktuellen Lieferverträge erlauben eine Spende oder Weiterverkauf von ungenutzen Impfstoffdosen nur mit Zustimmung des jeweiligen Herstellers.

Neben des fehlenden Impfstoffes tragen auch strukturelle Faktoren wie Impfskepsis, schlecht ausgestattete lokale Gesundheitssysteme, sowie Logistikfaktoren wie Kühlkette, Lagerung und Transport dazu bei, dass die Impfkampagnen viele Länder nur schleppend vorankommen.

 

Deutschland soll sich vor diesem Hintergrund für eine nachhaltige, gerechte, globale Versorgung mit Impfstoffen stark machen.

 

Wir fordern deshalb:

  • Die nachhaltige, gerechte globale Versorgung mit Impfstoffen sollte ein zentrales außen- und gesundheitspolitisches Thema der neuen Bundesregierung sein.
  • Gerechte globale Impfstoffversorgung sollte im Zentrum der deutschen G7 Präsidentschaft 2022 stehen mit konkreten Finanzierungs- und Spendenneuzusagen der 7 reichsten Industrieländer.
  • Weitere Stärkung des multilateralen Ansatzes mit dem ACT-Accerlator (ACT-A) und der Impfstoffsäule COVAX im Zentrum. Die neue Bundesregierung sollte eine ausreichende Finanzierung des ACT-A auch 2022 sicherstellen und darauf einwirken, dass alle Industrieländer ihren gerechten Finanzierungsanteil für ACT-A beisteuern.
  • Bessere Förderung relevanter WHO-Initiativen (COVAX, COVID-19 Technology Access Pool, etc.)
  • Unterstützung der WTO-Initiative zur Aussetzung des Patentschutzes durch die Bundesregierung
  •  Das gezielte Schaffen von Anreizen für die Auslizenzierung durch die Impfstoffhersteller an Hersteller im globalen Süden.
  • Finanzielle und technische Unterstützung im Aufbau von Impfstoffproduktionskapazitäten insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, in enger Koordination mit der WHO und regionalen Initativen (etwa Africa CDC, PAHO, etc), um Abhängkeiten von Impfstoffimporten langfristig aufzulösen. etc.
  • Deutschland sollte sich dafür stark machen, dass Impfstoffe auch besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen erreichen, etwa in Konflikregionen oder Menschen auf der Flucht. Hierfür sollte inbesondere die humanitäre Reserve (Buffer) von COVAX weiter unterstützt werden.

 

Deutschland soll die folgenden Maßnahmen ergreifen um Spenden von überschüssigen Impfstoffen zu vereinfachen:

  • Klares Bekenntnis zur unentgeltlichen Abgabe aller überschüssiger Dosen ohne regionale Vorfestlegung an COVAX als zentrale multilaterale Plattform, auch 2022 und darüber hinaus.
  • Klärung aller rechtlichen Aspekte, insbesondere von Haftungsfragen für bereits bestehende Lieferverträge und ausgelieferte Impfstoffe
  • Im EU-Verband darauf hinwirken, dass die neuen Generationen von Lieferverträge Möglichkeiten enthalten, Impfstoffe ohne Herstellervorbehalt an Drittstaaten in Not zu spenden.
  • Neue Lieferverträge am tatsächlichen europäischen Bedarf ausrichten, um eine Überversorgung von Impfstoffen zu vermeiden.
  • Im EU-Verband darauf einwirken, dass die Hersteller größere Flexibilität betreffend der Abwicklung von Impfstoffspenden aus bestehenden Verträgen zeigen.
  • Mehr Transparenz in den Verhandlungen über Impfstofflieferverträge.
  • Schaffung eines geordneten Verfahrens für die Rückgabe ungenutzter Impfstoffe und Einrichtung einer zentralen Sammelstelle.
  • Bessere Koordination von Impfstoffabgaben im Kreis aller Geber, um eine gleichmäßige Verteilung von Impfstoffspenden zu garantieren und Überversorgung einzelner Länder oder Regionen vorzubeugen.
  • Unterstützung von Maßnahmen und Projekten, im Bereich Impfskepsis, ebenso wie Unterstützung von Ländern in den Umsetzungen der jeweiligen nationalen Impfkampagnen, damit verfügbar gemachter Impfstoff auch effizient genutzt werden kann.