Die Zahl der Missbrauchsfälle Kinder und Jugendlicher in Deutschland ist besorgniserregend hoch, das Kindeswohl Vieler ist gefährdet. Aktuell aufgedeckte Missbrauchsfälle wie aus Münster verdeutlichen, dass die Strukturen der Jugendämter so löchrig sind, dass fehlende Kommunikation und fehlende bundesländerübergreifende Kooperationen dazu geführt haben, dass auf Missbrauchsfälle bzw. Kindeswohlgefährdungen viel zu spät reagiert wurde, obschon diese bekannt waren. Hier zeigt sich einmal wieder, dass der Sparkurs der Landesregierungen und Kommunen bundesweit dafür gesorgt hat, dass auch in 2021 eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, deren Dunkelziffer dramatisch höher vermutet wird als in den Kriminalstatistiken erfasst, nicht behutsam aufwachsen.
Ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, ist nicht immer offensichtlich erkennbar. Gewalt gegen Kinder umfasst vor allem auch die psychische Gewalt und Verwahrlosung, die nur bei genauem Hinschauen und Auseinandersetzen mit dem Kind erkannt werden kann. Viele Pädagog*innen, Erzieher*innen und Lehrer*innen, die stets um das Kindeswohl besorgt sind, berichten an die Jugendämter und stellen Anträge auf individuelle Unterstützung. Diese werden jedoch in einer Vielzahl abgelehnt oder ungenügend bearbeitet. Die Berichte und Anträge erfolgen auf Engagement des jeweiligen Mitarbeitenden und der Einrichtung. Dies sollte jedoch Teil des Aufgabenspektrums und eine verpflichtende, grundlegende Aufgabe sein, um eine engmaschige Betreuung und Sicherstellung des Kindeswohls wahren zu können.
Es ist untragbar, wenn diese Betreuung und Umsorge nur aufgrund persönlichen Engagements erfolgt. Auch wenn die Mitarbeiter*innen ohnehin genug Aufgaben haben, sollte dies keine Ursache dafür sein, Kindeswohlgefährdungen nicht nachzugehen. Daher ist auch die Aufstockung des Personals und der beauftragten Personen unerlässlich, um zu gewährleisten, dass ein*e Mitarbeiter*in sich angemessen um den einzelnen Sachverhalt kümmern und sich so Kindeswohlgefährdungen widmen kann, um einzelnen Kindern und Familien aus der Krise zu helfen.
In der Realität kommt dies leider zu kurz. Hierfür sind häufig Kapazitätsmangel und Finanzierungsschwierigkeiten die Begründung. Mitarbeiter*innen der Jugendämter sind mit der Masse der ihnen zugewiesenen Fälle überfordert und können so dem Einzelfall nicht gerecht werden. Die Corona-Situation hat diese Lage nochmals verschärft, sodass ein akuter Handlungsbedarf besteht. Die Strukturen der Jugendämter und beauftragten Organisationen bedürfen sowohl finanzielle als auch strukturelle Veränderungen, um ein sicheres Aufwachsen für jedes Kind und jeden Jugendlichen zu sichern, nicht nur in Coronazeiten.
Wir fordern daher:
- die Jugendämter sowie städtischen und nicht städtischen Einrichtungen, die mit der Aufgabe der Überprüfung des Kindeswohl beauftragt sind, mit Personal soweit aufzustocken, dass die Anzahl der Kinder pro Sachbearbeiter*in nicht höher als 50 ist;
- die Erhöhung des Budgets für die Finanzierung eines großen Teils der eingehenden Anträge für Hilfsmittel und Fördermaßnahmen;
- Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen für Kinder von bis zu 14 Jahren zu einer vierteljährlichen Beobachtungsprotokoll/ Feststellungsprotokoll anzuhalten, wenn ein Anfangsverdacht auf eine Kindeswohlgefährdung vorliegt: Die Erzieherinnen und Lehrerinnen sollen ihren Vorgesetzten gegenüber die Gründe für die Annahme der Kindeswohlgefährdung schriftlich darlegen. Für die schriftliche Beobachtung sollen inhaltliche Vorgaben vom Jugendamt zur Verfügung gestellt werden.
- eine gezielte Sensibilisierung für alle öffentlichen Stellen, wie psychische und physische Gewalt gegenüber einem Kind erkannt und überprüft wird.
- Bereitstellung von Dolmetschdiensten zur uneingeschränkten Kommunikation mir Kindern, die der deutschen Sprache nicht bzw. nicht ausreichend mächtig sind
- den finanziellen und räumlichen Ausbau von bestehenden Kinderschutzambulanzen.