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Antrag 49/I/2021 Corona verlangt mehr von uns: Kindeswohlgefährdungen effektiv begegnen!

18.03.2021

Die Zahl der Missbrauchsfälle Kinder und Jugendlicher in Deutschland ist besorgniserregend hoch, das Kindeswohl Vieler ist gefährdet. Aktuell aufgedeckte Missbrauchsfälle wie aus Münster verdeutlichen, dass die Strukturen der Jugendämter so löchrig sind, dass fehlende Kommunikation und fehlende bundesländerübergreifende Kooperationen dazu geführt haben, dass auf Missbrauchsfälle bzw. Kindeswohlgefährdungen viel zu spät reagiert wurde, obschon diese bekannt waren. Hier zeigt sich einmal wieder, dass der Sparkurs der Landesregierungen und Kommunen bundesweit dafür gesorgt hat, dass auch in 2021 eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, deren Dunkelziffer dramatisch höher vermutet wird als in den Kriminalstatistiken erfasst, nicht behutsam aufwachsen.

 

Ob eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, ist nicht immer offensichtlich erkennbar. Gewalt gegen Kinder umfasst vor allem auch die psychische Gewalt und Verwahrlosung, die nur bei genauem Hinschauen und Auseinandersetzen mit dem Kind erkannt werden kann. Viele Pädagog*innen, Erzieher*innen und Lehrer*innen, die stets um das Kindeswohl besorgt sind, berichten an die Jugendämter und stellen Anträge auf individuelle Unterstützung. Diese werden jedoch in einer Vielzahl abgelehnt oder ungenügend bearbeitet. Die Berichte und Anträge erfolgen auf Engagement des jeweiligen Mitarbeitenden und der Einrichtung. Dies sollte jedoch Teil des Aufgabenspektrums und eine verpflichtende, grundlegende Aufgabe sein, um eine engmaschige Betreuung und Sicherstellung des Kindeswohls wahren zu können.

 

Es ist untragbar, wenn diese Betreuung und Umsorge nur aufgrund persönlichen Engagements erfolgt. Auch wenn die Mitarbeiter*innen ohnehin genug Aufgaben haben, sollte dies keine Ursache dafür sein, Kindeswohlgefährdungen nicht nachzugehen. Daher ist auch die Aufstockung des Personals und der beauftragten Personen unerlässlich, um zu gewährleisten, dass ein*e Mitarbeiter*in sich angemessen um den einzelnen Sachverhalt kümmern und sich so Kindeswohlgefährdungen widmen kann, um einzelnen Kindern und Familien aus der Krise zu helfen.

 

In der Realität kommt dies leider zu kurz. Hierfür sind häufig Kapazitätsmangel und Finanzierungsschwierigkeiten die Begründung. Mitarbeiter*innen der Jugendämter sind mit der Masse der ihnen zugewiesenen Fälle überfordert und können so dem Einzelfall nicht gerecht werden. Die Corona-Situation hat diese Lage nochmals verschärft, sodass ein akuter Handlungsbedarf besteht. Die Strukturen der Jugendämter und beauftragten Organisationen bedürfen sowohl finanzielle als auch strukturelle Veränderungen, um ein sicheres Aufwachsen für jedes Kind und jeden Jugendlichen zu sichern, nicht nur in Coronazeiten.

 

Wir fordern daher:

  • die Jugendämter sowie städtischen und nicht städtischen Einrichtungen, die mit der Aufgabe der Überprüfung des Kindeswohl beauftragt sind, mit Personal soweit aufzustocken, dass die Anzahl der Kinder pro Sachbearbeiter*in nicht höher als 50 ist;
  • die Erhöhung des Budgets für die Finanzierung eines großen Teils der eingehenden Anträge für Hilfsmittel und Fördermaßnahmen;
  • Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen für Kinder von bis zu 14 Jahren zu einer vierteljährlichen Beobachtungsprotokoll/ Feststellungsprotokoll anzuhalten, wenn ein Anfangsverdacht auf eine Kindeswohlgefährdung vorliegt: Die Erzieherinnen und Lehrerinnen sollen ihren Vorgesetzten gegenüber die Gründe für die Annahme der Kindeswohlgefährdung schriftlich darlegen. Für die schriftliche Beobachtung sollen inhaltliche Vorgaben vom Jugendamt zur Verfügung gestellt werden.
  • eine gezielte Sensibilisierung für alle öffentlichen Stellen, wie psychische und physische Gewalt gegenüber einem Kind erkannt und überprüft wird.
  • Bereitstellung von Dolmetschdiensten zur uneingeschränkten Kommunikation mir Kindern, die der deutschen Sprache nicht bzw. nicht ausreichend mächtig sind
  • den finanziellen und räumlichen Ausbau von bestehenden Kinderschutzambulanzen.

Antrag 59/I/2021 Es ist nicht nur in deinem Kopf! Psychischen und physischen Folgen von Corona entgegenwirken

18.03.2021

Die Corona-Pandemie bestimmt seit fast einem Jahr unseren Alltag. Wir bleiben zuhause, arbeiten wenn möglich von zuhause und schränken unsere direkten sozialen Kontakte soweit wie nur möglich ein. Die Pandemie betrifft vor allem diejenigen, die an Corona erkrankt sind oder Freund*innen oder Angehörige an die Krankheit verloren haben. Allerdings betreffen die notwendigen Maßnahmen auch Menschen, die psychisch krank sind oder es im Laufe der Pandemie geworden sind. In Folge der Corona-Pandemie haben psychische Krankheiten deutlich zugenommen. Der Mangel an Hilfsangeboten für psychische Gesundheit war bereits vor der Pandemie eklatant, wird nun aber noch deutlicher. Wir brauchen dringend Maßnahmen, um die psychische Gesundheit nach und während der Corona-Pandemie zu fördern. Dies betrifft auch insbesondere die Arbeitswelt.

 

Auch wenn die heutigen Arbeitsverhältnisse mehrheitlich nicht vergleichbar sind mit den Verhältnissen vor 50, 60 Jahren, so haben sie doch noch einen enormen Einfluss auf die Gesundheit. Vor allem psychische Erkrankungen nehmen in der Arbeitswelt eine größere Rolle ein. In den Jahren zwischen 2006 und 2016 stieg die Zahl der Krankschreibungen laut Angaben der AOK aufgrund von psychischen Erkrankungen um mehr als 50% an. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 gab es auch eine Zunahme von der Dauer der Krankschreibungstage aufgrund von psychischen Erkrankungen.

 

Der Wandel der Arbeitswelt hin zu Arbeit 4.0 hat ebenfalls einen Einfluss. So wirken sich die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und die steigende Arbeitsplatzunsicherheit negativ auf die psychische Gesundheit von Arbeitnehmer*innen aus. In der Corona-Krise verloren 480.000 Menschen ihren Arbeitsplatz, fast 2 Millionen Arbeitnehmer*innen befanden und befinden sich teilweise immer noch in Kurzarbeit. Menschen, die in die Arbeitslosigkeit abrutschen, haben nicht nur finanzielle, sondern auch psychische Sorgen. So ist bei einer steigenden Arbeitslosigkeit auch mit einem erhöhten Bedarf an professionellen psychischen Unterstützungsangeboten zu rechnen.

 

Hinzu kommt, dass durch die Corona-Pandemie viele Menschen von heute auf morgen überwiegend von zuhause aus arbeiten mussten. Diese mangelnde räumliche Trennung von Arbeitsplatz und Privatleben und die damit einhergehende Entgrenzung der Arbeit führen ebenfalls zu einer steigenden psychischen Belastung. Der damit einhergehende Stress wird durch die mangelnde Digitalisierung verstärkt. Fehlende digitale
 internetfähige Endgeräte sowie digitale Strukturen am Arbeitsplatz, die durch eigene Geräte der Arbeitnehmer*innen ausgeglichen werden. Des weiteren führten die Pandemie-bedingten Schul- und Kitaschließungen zu einer extremen Doppelbelastung vieler Arbeitnehmer*innen. Insbesondere Frauen sind hiervon betroffen, da diese nach wie vor die überwiegende Mehrheit an Hausarbeits- und auch emotionaler Sorgearbeit verrichten. Umfragen zeigen, dass Arbeitnehmer*innen im Home Office durchschnittlich mehr arbeiten, als im Büro. Dies kombiniert mit den zuvor genannten Faktoren führt zu einer andauernden Überlastung, die zur psychischen Krankheiten, wie Burnout oder Depressionen, führen können.

 

Für Menschen, die an Corona erkrankt sind, sind die Auswirkungen auch auf ihre Arbeitsverhältnisse besonders drastisch. Jede*r dritte Erkrankte leidet unter den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Dazu gehören nicht nur Kopfschmerzen oder Kurzatmigkeit, sondern mitunter auch chronische Erschöpfung oder der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns sowie neurologische Beschwerden. Ehemals erkrankte Arbeitnehmer*innen können dadurch oft ihrem Arbeitsverhältnis nicht mehr wie gewohnt nachkommen. Es ist zwingend notwendig, dass diese Arbeitnehmer*innen speziell auf sie zugeschnittene Unterstützungs- und Beratungsangebote erhalten, um weitere Funktions- oder finanzielle Verluste bestmöglich abzuwenden.

 

Wir fordern daher:

  • Die flächendeckende Einrichtung von Beratungszentren, um die psychologischen Folgen der Pandemie insbesondere am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Die Beratungen sollen insbesondere arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die Arbeitgeber*innen aufzeigen und niedrigschwellige psychologische Beratung spezifisch für Arbeitnehmer*innen anbieten.
  • Die Einrichtung von auf die psychischen Folgen von Corona spezialisierten Beratungszentren. Es müssen niedrigschwellige Anlaufpunkte zur psychologischen
     Behandlung für alle Menschen geschaffen werden, auch abseits des Arbeitskontexts. Eine telefonische oder Online-Beratung soll möglich sein. Hierbei sind insbesondere auch spezifisch Angebote für Kinder und junge Menschen zu schaffen. Auch chronisch Kranke und Risikogruppen, die sich während der Pandemie oft noch über die gesetzlichen Vorgaben hinaus einschränken und in besonderer Sorge um ihre Gesundheit sind, sollen besonders in den Blick genommen werden. Schulen wollen wir hierbei besonders als erste Anlaufpunkte einbinden.
  • Die Einrichtung eines flächendeckenden Versorgungsnetzes in Berlin für die Behandlung von Coronaspätfolgen in Zusammenarbeit mit bestehenden Rehakliniken, um Patient*innen mit Langzeitfolgen bestmöglich zu versorgen und wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dabei sind neben körperlichen Aspekten besonders psychische Auswirkungen zu berücksichtigen.
  • Betriebe müssen dazu verpflichtet werden, psychische Aspekte des Arbeitsschutzes stärker in ihre Konzepte der betrieblichen Gesundheitsförderung einzugliedern. Außerdem müssen psychische Entlastungen bei Arbeitsschutzbegehungen strenger kontrolliert werden.
  • Die stärkere Einbindung der Krankenkassen in der Entwicklung, Schaffung und Bereitstellung von analogen und digitalen Mental Health Angeboten für ihre Versicherten, die einen niederschwelligen Zugang gewährleisten.

Antrag 44/I/2021 Erasmus-Brexit stoppen: Rückaufnahme des Vereinigten Königreichs in die EU-Bildungsförderung

17.03.2021

Europaparteitag der S&D möge beschließen:

 

Bis heute ist das Förderprogramm der Europäischen Union – besser bekannt als das „ERASMUS-Programm“ – eines der größten Bildungsförderungsprogramme in der europäischen Geschichte – vermutlich sogar weltweit. Das Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen besteht bereits seit über 30 Jahren und fördert die Mobilität von Studierenden, Auszubildenden, Dozent*innen und ausländischen Unternehmenspersonal innerhalb 27 Ländern der EU und seinen Partnerländern.

 

Bis zu seinem 30-jährigen Bestehen wurden allein rund 4,4 Mio. Studierende unterstützt, allein davon rund 650.000 aus Deutschland. In seinen nun fast 34 Jahren wurde das Programm nach und nach finanziell und perspektivisch erweitert. Heute können unter dem Programmnamen „Erasmus+“ auch Schüler*innen teilnehmen und auch Angebote in der Erwachsenbildung, am informellen Lernen und im Sport wahrgenommen werden.

 

Auch auf Bundesebene wirft das Bildungsprogramm seine Schatten voraus: Bildungspolitikerinnen und –Politiker aller Bundestagsfraktionen (außer AfD) forderten im September 2020 in einem offenen Brief die Bundesregierung mehr Geld in das Programm zu investieren.

 

„In Vielfalt geeint“ scheinen nicht nur die Positionen der Bundesparteien zu sein. „In Vielfalt geeint“ ist ebenso das Motto der Europäischen Union und kein anderes Programm spiegelt diesen Grundgedanken so gut wieder wie dieses Programm. Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Antrittsrede, das Programm-Budget massiv aufstocken zu wollen, scheint dabei nur die logische Konsequenz zu sein.

 

„Erasmus“ ist eine Erfolgsgeschichte – eine europäische Erfolgsgeschichte, die mit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs erste Risse bekommt, welche weitreichenden Folgen haben werden – gerade für Deutschland.

 

Zur Erinnerung: Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs – auch bekannt als „Brexit“ – führt dazu, dass die langfristigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich neu ausgehandelt werden müssen. Kurzfristig herrscht zwischen den beiden Akteur*innen eine Übergangsphase; seit dem 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion.

 

Obwohl Premierminister Boris Johnson das Gegenteil versprach, ist das Königreich zu großer Überraschung auch aus dem Erasmus-Programm ausgetreten. Am Erasmus-Programm weiter teilzunehmen wäre „extrem teuer“ geworden, so Johnson.

 

Dieser Behauptung stellte sich der Hochschulverbund „Universities UK International“ bereits im März vergangenen Jahres entgegen. Er rechnete vor, dass eine Erasmus-Mitgliedschaft dem Land 2018 ein Plus von 243 Millionen Pfund beschert habe – nach Abzug der Mitgliedschaftskosten von den Einkünften durch EU-Studierende von 420 Millionen Pfund, so der „Guardian“. Der britische Mitgliedsbeitrag im EU-Erasmus-Topf liegt dementsprechend zuletzt bei 177 Millionen Pfund (rund 196 Millionen Euro) jährlich. Das Vereinigte Königreich gehörte 1987 zu den Gründernationen von „Erasmus“. Dies war auch nach dem „Brexit“-Referendum 2016 deutlich spürbar. Mit mehr als 30.000 EU-Gästen jährlich war das Land nach Spanien und Deutschland das drittbeliebteste Zielland des Austauschprogramms. Aus Deutschland gingen 2017 rund 3.500 Studierende nach Großbritannien, umgedreht waren es 2317.

 

Zwar soll es mit „Erasmus+“ an britischen Unis noch bis 2023 möglich sein beispielsweise als EU-Austauschstudent*in zu studieren, aber der Brexit zeigt schon jetzt erste Konsequenzen: Extra Visa-Gebühren, Kosten für den nationalen Gesundheitsdienst, das Aus für die ermäßigten Studiengebühren für zuletzt 12.000 Studierende aus Deutschland, welche ihr komplettes Studium dort absolvierten, sind nun Realität. Mehr noch: Johnson verkündete bereits, dass mit dem „Turning-Programm“ 35.000 britische Studierende mit 100 Millionen Pfund ins Ausland geschickt werden sollen. Das Programm gelte ausschließlich für britische Studierende. Es ist schon jetzt sicher, dass es nie an die finanzielle Leistung des EU-Vorgängerprogramms herankommen wird.

 

Das Ziel muss es sein, dass das Vereinigte Königreich wieder Zugang zum EU-Bildungsprogramm ermöglicht

Die (Wieder-) Eingliederung des Vereinigten Königreichs in die EU-Bildungspolitik muss das Ziel sein – vor allem aus Sicht der EU-Ländern, allen voran Deutschlands.

 

Mit einem breiteren Fokus aus Ausbildungsbetriebe ist das Austauschprogramm nicht nur für Studierende interessant. Auszubildende aus verschiedensten Betrieben können in einem ausländischen Betrieb neue Perspektiven einnehmen, neue Arbeitstechniken aneignen und eine neue Sprache erlernen. Letzteres ist gerade für deutsche „Azubis“ elementar. Englisch ist in vielen Fällen die erste Fremdsprache, welche in Deutschland gelehrt und oft einzige, welche in den Berufsschulen weiterfortgeführt wird. Oftmals haben Azubis aus dem industriellen, naturwissenschaftlichen oder transporttechnischen Sektor in Deutschland daher ein Interesse in einem englischsprachigen Land einen Bildungsaufenthalt zu absolvieren.

 

Diese Tür wird ihnen mit dem „Erasmus-Brexit“ zugeschlagen. Dieser Nachteil würde vor allem deutschen Jugendlichen betreffen. Das Programm bietet gerade Jugendlichen aus Arbeiterfamilie oftmals die einzige Möglichkeit, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren.

 

Zusammenfassung

Die Nachteile des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus dem größten Bildungsprogramm Europas sind zahlreich. Sie werden für unsere Generationen nicht sofort spürbar sein, aber kommenden (Programm-)Generationen. Denn Erasmus ist mehr als nur ein reines Austauschprogramm. Mit Erasmus überwinden Menschen Grenzen – vor allem im Kopf.

 

Erasmus gibt der Jugend Europas die Gelegenheit zum interkulturellen Austausch, um eine europäische Identität zu entwickeln. Eine Idee, die wir brauchen, um das Auseinanderdriftens Europas und der anwachsenden Europa-Skepsis mutig entgegenzutreten. Das Erasmus-Programm wirkt dem entgegen, mit breiterer Teilnahme von Europäerinnen und Europäern aus allen sozialen Schichten.

 

Dieser Antrag stellt sich nicht nur der Blaupause eines EU-Austritts entgegen, sondern versucht die Tür – nämlich die ins Vereinigte Königreichs – offen zu halten. Bildung soll das Tor zur Welt sein. Lasst uns dafür Sorge trage, dass dies in unserem Europa der Fall bleibt.

 

Daher fordern wir, dass die Taskforce für die Beziehungen zum Vereinigten Königreich (UKTF), welche die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich koordiniert, die Wiederaufnahme des Vereinigten Königreichs in das Erasmus+-Programm anstrebt.

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie des Europäischen Parlamentes dazu auf, darauf hinzuwirken, dass das Erasmusprogramm in Großbritannien aufrecht erhalten wird. Das Ziel muss dabei sein, ein ähnliches Abkommen, wie mit anderen nicht EU-Ländern (wie Norwegen, Schweiz usw.) zu erreichen. Übergangsweise soll geprüft werden, inwiefern dem Wunsch der schottischen und walisischen Regierung, weiter an Erasmus+ teilzunehmen, nachgekommen werden kann.

Antrag 73/I/2021 Exit Deutschland muss erhalten werden

17.03.2021

Die SPD Bundestagsfraktion wird aufgefordert sich für eine ausreichende und langfristige Finanzierung von EXIT Deutschland einzusetzen und dabei für die Berücksichtigung von EXIT Deutschland bei der Umsetzung des Maßnahmenkatalogs der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus einzutreten.

EXIT Deutschland als erfolgreichste Aussteiger*innen Initiative im Bereich Rechtsextremismus ist erneut bedroht seine Arbeit nicht fortsetzen zu können. Grund hierfür ist, dass in der Neuauflage des “Demokratie Leben” Programms des BMFSFJ keine Gelder für Aussteiger*innen-Programme vorgesehen sind. Gleichzeitig erkennt die Bundesregierung im jüngsten Maßnahmenkatalog des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vom 25. November 2020 die Bedeutung von Ausstiegsmöglichkeiten an.

Antrag 09/I/2021 Überwachung hat am Arbeitsplatz nichts verloren!

17.03.2021

Die Corona-Krise verlangt uns allen sehr viel ab. Die Auswirkungen der Krise sind in allen Lebensbereichen zu spüren. Wir befinden uns in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Finanzkrise 2007/2008, die Gräben zwischen den europäischen Staaten werden immer größer und die sozialen Auswirkungen der Krise spüren wir alle am eigenen Leib. Wir müssen auch weiterhin Kontakte massiv einschränken, Museen, Bars und Clubs haben geschlossen, sodass wir meistens in den eigenen vier Wänden verharren. Dies wird bei vielen noch weiter dadurch verstärkt, dass sie schon seit Monaten komplett von zu Hause aus arbeiten. Die Inanspruchnahme des mobilen Arbeitens hat seit dem Beginn der Krise stark zugenommen. Zurzeit arbeiten 24 Prozent der Beschäftigten mobil. Der Höhepunkt war letztes Jahr im April erreicht, als 27 Prozent der Beschäftigten mobil arbeiteten.

 

Mobiles Arbeiten bringt aber nicht nur Vorteile wie eine flexiblere Freizeitgestaltung und bessere Work-Life-Balance mit sich, sondern birgt auch eine Vielzahl von Risiken und Herausforderungen. So verschwimmt zum Beispiel die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit und der fehlende Kontakt zu Kolleg*innen bringt soziale und psychische Probleme mit sich. Viele Beschäftigte leiden aber auch unter ihren Vorgesetzten und Arbeitgebenden. Es ist bedauerlicherweise noch viel zu oft der Fall, dass sich Vorgesetzte nur über ihre Kontrollfunktion definieren und ihre Beschäftigten unter Druck setzen, anstatt eine kooperative und gestaltende Funktion einzunehmen. Mobiles Arbeiten führt dann zu einem gefühlten Kontrollverlust, da eine direkte Überwachung der Mitarbeitenden nicht mehr möglich ist. Beschäftigte, die von
 zu Hause aus arbeiten, werden viel zu häufig aufgrund von völlig veralteten Denkmustern und Führungsrollen von ihren Vorgesetzten misstrauisch beäugt. Aber anstatt, dass sich Arbeitgebende und Vorgesetzte auf die voranschreitende Digitalisierung einlassen, offen für neue Erfahrungen sind und ihre eigene Sichtweise anpassen, versuchen sie die alten Muster auch im digitalen Raum aufrecht zu erhalten – mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Die Digitalisierung macht es leichter denn je, Prozesse zu automatisieren und Entscheidungen von Algorithmen treffen zu lassen. Das Personalwesen ist hier keine Ausnahme: mit der Folge, dass eine massive digitale Überwachung von Arbeitnehmenden durch algorithmische Systeme droht.

 

So haben zum Beispiel derzeit digitale Überwachungstools durch die Pandemie Hochkonjunktur und immer mehr Arbeitgebende setzen auf solche Software, um die Leistung ihrer Beschäftigten zu überwachen. Die Funktionen solcher Programme variieren dabei sehr stark. Einige Programme überwachen die Anzahl der Tastaturanschläge oder Mausklicks, andere machen alle zehn Minuten einen Screenshot des Desktops, wieder andere machen regelmäßig Bilder über die Webcam, damit beurteilt werden kann, ob die Beschäftigten am Platz waren. Auch die Ortung der Mitarbeitenden per GPS gehört zur Ausstattung solcher Überwachungssoftware. Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeitenden wird durch eine harte Kontrolle ersetzt. Die gewonnenen Daten dienen aber nicht nur dazu, um zu überprüfen, ob Beschäftigte auch wirklich arbeiten, sie werden ferner von Algorithmen ausgewertet, um dezidierte Produktivitätsdaten über einzelne Beschäftigte zu erhalten. Auf Basis der individuellen Produktivitätsdaten können Unternehmen dann sogenannte „Beschäftigten-Scores“ erstellen, welche von den Arbeitgebenden und Vorgesetzten genutzt werden, um über Beförderungen und höhere Löhne der Beschäftigten zu entscheiden. Aber wie genau ein solcher Algorithmus eine Entscheidung trifft und welche Daten dafür von den Beschäftigten generiert werden, ist häufig unklar.

 

Solche Überwachungsprogramme nutzen häufig aber nicht technische Daten, um über die Produktivität von Beschäftigten zu entscheiden, sondern setzen auch immer öfter auf die gegenseitige Leistungsbewertung der Mitarbeitenden. Ein Beispiel für ein solches Überwachungsprogramm ist „Zonar”. Nach einer von der Hans Böckler Stiftung geförderten Studie, fungiert „Zonar“ dabei als ein großes Bewertungssystem, in dem alle Mitarbeitenden die Leistung von anderen Mitarbeitenden bewerten können. Dabei wird für die bewerteten Beschäftigten aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund und von wem sie bewertet wurden. Dadurch kann das System sehr einfach missbraucht werden, um ungeliebte Kolleg*innen zu bestrafen. Die Software wertet die einzelnen Bewertungen regelmäßig aus und teilt auf Basis dieser Beurteilung die Beschäftigten in Leistungsklassen ein. Die Einteilung erfolgt dabei aufgrund intransparenter Kriterien und wird als ungerecht erfunden. Führungskräfte nutzen diese Einteilung dann, um über höhere Löhne oder Beförderungen zu entscheiden und entgehen so ihrer eigenen Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten. Den meisten Beschäftigten wird eine durchschnittliche Leistung attestiert, was bedeutet, dass die Beschäftigten nur einen Inflationsausgleich für ihr Gehalt bekommen, was einer Lohnstagnation gleichkommt. Nur einige wenige Beschäftigte, die von dem Bewertungssystem als leistungsstark angesehen werden, dürfen aufsteigen. Es wird aber versucht, diese Anzahl so gering wie möglich zu halten. Der Druck auf die Beschäftigten wird dadurch extrem gesteigert. Es werden weder individuelle Arbeitszeiten noch unterschiedliche
Lebensrealitäten bedacht. Nur die Leistung der Beschäftigten zählt. Die Software und die damit einhergehenden Prozessen wurden nach öffentlicher Kritik angepasst. Auch der Name „Zonar“ wird nicht mehr verwendet. Dennoch zeigt die Studie, dass die Anwendung eines solchen Systems in Unternehmen jederzeit denkbar ist. Schlussendlich kommt es durch solche Systeme zu einer Entmenschlichung der Arbeitsbeziehung zwischen Beschäftigten und Führungskräften. Es entstehen Anreizsysteme, in denen Führungskräfte lieber Druck und Angst durch massive Überwachung auf ihre Beschäftigten ausüben, anstatt sie zu fördern und zu befähigen. Als Sozialist*innen dürfen wir dieser maßlosen Ausbeutung von Arbeiter*innen nicht länger zusehen.

 

 Deshalb fordern wir:

  •  Ein Verbot jeglicher Auswertung dienstlicher digitaler Software die die Produktivität der Mitarbeitenden überwacht.
  •  Eine öffentlichkeitswirksame Kampagne des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, welche die Beschäftigten über ihre Rechte im Home Office informiert.“
  •  Die bessere finanzielle und personelle Ausstattung der zuständigen Beauftragten für  Datenschutz, um Rechtsverstöße gegen geltende Datenschutzgesetze schneller zu prüfen“
  •  ein Verbot für die Anwendung von Algorithmen zur individuellen  Leistungsbestimmung von Arbeitnehmenden.