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Antrag 165/II/2022 Polizei im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt schulen 

9.10.2022

Schätzungen zufolge ist jede dritte Frau einmal im Leben von sexualisierter Gewalt betroffen. Gleichzeitig wird in Deutschland nur eins von 20 Sexualdelikten zur Anzeige gebracht. Die Gründe hierfür sind vielfältig, schließlich befinden sich die Betroffenen in einer Ausnahmesituation. In dieser Situation muss die Polizei als vertrauensvolle Partnerin bei der Aufklärung und Verfolgung sexualisierter Gewalt von den Betroffenen jener wahrgenommen werden.  Die Polizistinnen und Polizisten würden davon profitieren, wenn sie Situation gerecht geschult würden.

 

Die Berliner Polizei hat derzeit für den Begriff „sexualisierte Gewalt“  keine anerkannte Definition. Auch werden Daten bzgl. der Geschädigten erst ab dem Jahr 2005 erhoben.  Diese Daten beziehen sich ausschließlich auf die Delikte nach § 177 und § 178 StGB also den Tatbeständen der sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Zwar wird teilweise auf Daten von polizeiexternen Anbietern zurückgegriffen, ohne dass eine statistische Erfassung solcher Taten unterhalb der Schwelle der genannten Delikte erfolgen würde. Der Berliner Polizei fehlt ein grundsätzliches und strukturelles Verständnis über sexualisierte Gewalttaten. Deswegen ist die Polizei oftmals unfähig Erfahrungsberichte rechtlich einzuordnen und gegenüber den Betroffenen eine Aussage zu treffen, ob es sich aus rechtlicher Sicht um sexualisierte Gewalt handelt oder nicht.

 

Auch in der polizeilichen Ausbildung wird der Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt nur “grundsätzlich” behandelt. Umfangreichere Lehrinhalte erstrecken sich ausschließlich auf den Themenbereich „häusliche Gewalt“. Eine umfassende Schulung im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt findet nicht statt. Auch bestehen keine speziellen Fortbildungsangebote.

 

In vielen Fällen werden Betroffene nicht nur durch die Taten selbst, sondern auch durch die Reaktionen der Strafverfolgungsbehörden traumatisiert. Gründe für diese sogenannte sekundäre Viktimisierung sind ein mangelndes Einfühlungsvermögen, Bagatellisierungen, Äußerungen von Zweifel, Mitschuldvorwürfe und Parteiergreifung für den Täter. In vielen Fällen betreibt die Polizei sekundäre Viktimisierung und verhindert auf diesem Weg eine effektive Verfolgung von sexualisierter Gewalt. Wegen solcher Erfahrungen und fehlenden Vertrauens sehen viele Betroffene von einer Anzeige ab. Die fehlende Kenntnis der Polizei über sexualisierte Gewalt und die fehlende Qualifizierung der Polizei im Umgang mit den Betroffenen leistet diesen Tendenzen weiter Vorschub.

 

Berlin hat gemeinsam im „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ einen Integrierten Maßnahmenplan (IMP) beschlossen. Allerdings fallen nur vier der 126 Maßnahmen in den Bereich der Strafverfolgung. Auch aus der Perspektive des Netzwerks handelt es sich also um “ein vergleichsweise kleines Interventionsgebiet” das “ausbaufähig” ist. Vor dem Hintergrund der Istanbul-Konvention „sei absehbar, dass das Handlungsfeld durch weitere Maßnahmen ergänzt“ werden muss. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass es nach wie vor nur vier Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung gibt, untragbar.

 

Es kann festgehalten werden, dass die Berliner Polizei strukturell nicht in der Lage sexualisierte Gewalt adäquat zu verfolgen.

Unser Ziel muss es sein, dass die Polizei von den Betroffenen als Partnerin bei der Aufklärung von sexualisierter Gewalt wahrgenommen wird. Betroffene müssen auf Strukturen treffen, die sie ermutigen sexualisierte Gewalt zur Anzeige zu bringen. Es braucht für die Beteiligten die Sicherheit, dass es zu einer ernsthaften, umfangreichen und betroffenenorientierten Aufklärung und Verfolgung der Delikte kommt. Dazu muss die Polizei auch strukturelle Kenntnisse über diesen Deliktsbereich gewinnen und ihr Personal insbesondere im Umgang mit den Betroffenen geschult werden. Eine Traumatisierung von Opfern durch die Polizei im Rahmen der Strafverfolgung ist in unserem Rechtsstaat untragbar!

 

Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat und Abgeordnetenhaus auf, im Rahmen des IMP den Maßnahmenkatalog auszuweiten und insbesondere die Polizei im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt zu schulen.

 

Dazu fordern wir:

 

  1. Die Entwicklung einer Definition des Begriffs der sexualisierten Gewalt die bereits unterhalb der strafrechtlichen Delikte nach § 177 und § 178 StGB ansetzt. Bei der Erarbeitung dieser Definition sollen zivilgesellschaftliche Initiativen (im breiten Spektrum des Themenbereichs), wissenschaftliche Expertisen und Polizeigewerkschaft eingebunden werden. Ziel ist es, durch diesen Prozess die strukturelle Sensibilisierung der Polizei zu erhöhen und eine effektive und rechtssichere Verfolgung zu ermöglichen.
  2. Eine umfassende Erfassung und anonymisierte Veröffentlichung der angezeigten Fälle von sexualisierter Gewalt auf der Grundlage der entwickelten Definition. Daneben soll in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft eine umfassende Dunkelfeldstudie durchgeführt, um tiefergehende Erkenntnisse über diesen Deliktsbereich zu gewinnen.
  3. Die Erstellung eines Leitfadens für den Umgang mit Betroffenensexualisierter Gewalt. Durch den falschen Umgang der Polizei mit Betroffenen kann es zu einer sekundären Viktimisierung kommen, die neben der eigentlichen Straftat, weiteren psychische Schäden hervorruft. Stattdessen soll Vertrauen bei den Betroffenen geschaffen und eine zügige und umfangreiche Beweissicherung vorgenommen werden.
  4. Beim Fachdezernat LKA 13, das für die Bearbeitung von Sexualdelikten zuständig ist, soll eine zentrale und transparente Möglichkeit geschaffen werden, Sexualdelikte zur Anzeige zu bringen. Betroffene müssen die Sicherheit haben, dass ihre Anzeige von geschultem Personal aufgenommen und bearbeitet wird. Daneben soll den Anzeigenden ein Anspruch eingeräumt werden, die Anzeige vor gleichgeschlechtlichen Beamten aufgeben zu dürfen. Zudem soll sichergestellt sein, dass zur Betreuung der Betroffenen der psychosoziale-Notdienst hinzugezogen wird. Ziel beider Maßnahmen ist es die Bereitschaft zu erhöhen, sexualisierte Gewalt zur Anzeige zu bringen.
  5. Das Thema sexualisierte Gewalt und insbesondere der Umgang und die Kommunikation mit Betroffenen soll verpflichtender Bestandteil der polizeilichen Ausbildung werden. Die Ausbildung soll insbesondere die richtige Anwendung des Leitfadens sicherstellen und auf eine Vermeidung von sekundärer Viktimisierung abzielen. Dabei soll das Thema einen Umfang aufweisen, wie die Module zur „häuslichen Gewalt“ und mit diesen verzahnt werden.
  6. Die Einführung spezieller verpflichtender Fortbildungsangebote, um auch Polizist*innen für sexualisierte Gewalt und den Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen haben. Insbesondere Polizist*innen die in ihrem Einsatzgebiet potenziell auf Betroffene treffen, sollen prioritär Fortbildungen angeboten werden. Ein Schwerpunkt soll darauf liegen, Polizist*innen zu schulen, die Perspektive der Betroffenen einzunehmen, ohne die Glaubhaftigkeit der Betroffenen zu bezweifeln.
  7. Es sollen im Rahmen des Berliner Netzwerks gegen sexualisierte Gewalt zivilgesellschaftliche Institutionen gestärkt werden, die als Anlauf- und Beratungsstelle neben der Polizei dienen. Ziel ist es mit ergänzenden niedrigschwellige Angeboten Betroffene auf den Weg zu einer Anzeige zu begleiten. Dafür soll geprüft werden inwieweit einzelne Beweissicherungsmaßnahmen von diesen Stellen rechtssicher vorgenommen werden können. Die Bekanntheit solcher Anlauf- und Beratungsstellen soll stadtweit gesteigert werden.
  8. Der unabhängige Bürger*innen und Polizeibeauftrage beim Berliner Abgeordnetenhaus soll auch für Beschwerden gegen sekundäre Viktimisierung durch die Polizei sensibilisiert werden.

 

Antrag 168/II/2022 Vereinfachung von Strafanzeigen über die Berliner „Internetwache“

9.10.2022

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin sowie die SPD-Mitglieder im Berliner Senat werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass bei der Erstattung von Strafanzeigen über die Internetwache der Berliner Polizei zugleich auch Dokumente hochgeladen werden können.

 

Antrag 74/II/2022 Ein kostenloses Schüler*innenticket auch für den 2. Bildungsweg

9.10.2022

Auch Einrichtungen des zweiten Bildungswegs sind Schulen im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 6 des Berliner Schulgesetzes. Entsprechend handelt es sich auch um Schüler*innen.

 

Trotz dessen sind diese nach § §4 der Ausführungsvorschriften über Schülerausweise des Landes Berlin nicht berechtigt, einen Schülerausweis 1, sondern ausschließlich einen Schülerausweis 2 zu erhalten. Mit diesem ist ein Erwerb des Schüler*innentickets jedoch nicht möglich.

 

Die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat und Abgeordnetenhaus sind daher aufgefordert die Rechtslage dahingehend anzupassen, dass auch Schüler*innen des 2. Bildungswegs ein kostenloses Schüler*innenticket erwerben können.

Antrag 51/II/2022 Das Handwerk bereits in der Schule fördern

9.10.2022

Wir fordern daher als SPD den Senat bzw. die Senator*innen für Bildung, für Arbeit und für Wirtschaft auf, durch spezielle Bildungsangebote bzw. Schulstunden im mittleren Schulsystem handwerkliche Talente zu fördern, speziell in den Bereichen Holzbearbeitung, Metallbearbeitung und Mechatronik. Die Einpassung dieser Angebote in den Lehrplan und die Stundentafeln obliegt entsprechenden Fachleuten aus Schule, Wirtschaft und Gewerkschaft. Außerdem sind an dafür geeigneten Schulen Räume mit den notwendigen Werkzeugen und Maschinen auszustatten.

 

Auch in der Grundschule kann das Kennenlernen des „Handwerks“ in den Ganztags- und Schulbetrieb eingebettet werden.

Antrag 154/II/2022 Disability Mainstreaming und Disability Budgeting

9.10.2022

Realisierung in der und durch Bundespolitik sowie die Berliner Landes- und Bezirkspolitik vorantreiben

 

Disability Mainstreaming ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Vielfalt umfassend und in allen Politikbereichen mitzudenken. Die Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt in allen Bereichen zu ermöglichen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Infolgedessen ist sie mit den entsprechenden notwendigen und auskömmlichen finanziellen, personellen und sächlichen Ressourcen (Disability Budgeting) im Bundeshaushalt als auch den Länder- und Kommunalhaushalten zu beschließen.

 

Von unseren sozialdemokratischen Amtsträger*innen auf Landes- und Bezirksebene, von unseren Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen fordern wir:

 

  • eine entsprechend deutliche umfangreiche und nachweisliche Unterlegung der finanziellen, personellen und sächlichen Ressourcen im Berliner Landeshaushalt als auch in den bezirklichen Haushalten,
  • bei der Haushaltsplanung zur Unterlegung von finanziellen, personellen und sächlichen Ressourcen auch die Rolle des Landes/der Bezirke als öffentliche Auftraggeber und als Zuwendungsgeber mit einzubeziehen.

 

Vergleichbares fordern wir von unseren Amts- und Mandatsträger*innen auf Bundesebene und im Deutschen Bundestag.

 

Zwar liegen mit den Konzepten zu Gender Mainstreaming/Gender Budgeting konzeptionelle Vorlagen und erfahrungsbasierte Praxisanleitungen vor. Unstrittig ist, dass diese Konzepte in allen Politikfeldern sowohl im Hinblick auf Gesetzesverfahren als auch Projektentwicklungen und entsprechender Mittelvergabe von der Planungsphase bis zur Implementierung, Überwachung und Auswertung noch verbessert werden können.

 

Damit das Konzept Disability Mainstreaming /Disability Budgeting gut implementiert wird, fordern wir

  • anwendungsorientierte Forschungsaufträge zur systematischen Implementierung und Umsetzung,
  • die Stärkung des Ansatzes des „Universal Design“ bzw. des „Design for all“ von Anfang bei öffentlichen Einrichtungen, Dienstleistungen und Aufträgen.

 

Die Einbeziehung von Selbstvertreter*innen in ihrer Vielfalt und ihren vielfältigen Kommunikationserfordernissen ist gemäß der Devise „Nichts über uns ohne uns“ für uns Sozialdemokrat*innen dabei selbstverständlich.