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Antrag 142/I/2022 Sicherstellung der Online-Verifizierung für Menschen aller Nationalitäten

17.05.2022

Zahlreiche Dienste in der Bundesrepublik Deutschland, die online beantragt werden, setzen in den meisten Fällen eine Verifizierung der Person durch ein entsprechendes Ausweisdokument auch online voraus. Das kann entweder zur Authentifizierung der antragsstellenden Person oder zur Altersverifizierung gefordert werden. Einige Dienste sind z.B. die Online-Beantragung eines Kredites, das Abschließen eines Abonnements für eine (Online)Zeitung, etc. Jedoch haben nicht alle in Deutschland lebende Menschen die Möglichkeit, diese Onlinedienste wahrzunehmen, da ihr Ausweisdokument von den Onlineverifizierungsanbietern nicht (an-)erkannt wird. Das führt nicht nur dazu, dass sie von den Vorteilen digitaler Leistungen ausgeschlossen werden, sondern auch, dass sie an reduzierten Preisen nur aufgrund ihres Ausweisdokuments nicht teilhaben können. Deswegen fordern wir, dass die bundesweite Prüfung von Ausweisdokumenten betroffener Länder zum Zwecke der Onlineverifizierung gewährleistet wird.

 

Zusätzlich soll die Zulassung von Aufenthaltstiteln für die online-Verifizierung wohlwollend geprüft werden.

 

Inhaltliche Begründung:

Rund ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland besteht aus Menschen mit internationaler Geschichte (Menschen mit sog. Migrationshintergrund). Etwa 11,8 Millionen sind Menschen mit Migrationsbiografie, die bis dato keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Diese Menschen sind Teil der Gesellschaft, die dieselben Pflichten (z.B. Zahlen von Steuern) wie deutsche Staatsbürger*Innen erfüllen. Dennoch werden sie von der gesellschaftlichen Teilhabe aufgrund ihres Ausweisdokumentes systematisch benachteiligt bzw. ausgeschlossen. Das widerspricht unserem Grundgesetz. Wir fordern daher, dass sich die SPD gegen diese Benachteiligung von Menschen aufgrund von „Herkunft“ als Ausschlusskriterium einsetzt.

Antrag 148/I/2022 Sicherheit auf den Berliner Gewässern zurückgewinnen

17.05.2022

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass die Berliner Wasserschutzpolizei sowohl personell als auch mit Ausrüstung und Booten so ausgestattet wird, dass sie ihre Aufgaben (unter anderem Überwachung und Durchsetzung bestehender Regelungen zum Bootsverkehr und des Gewässerschutzes) auf den Berliner Gewässern wieder im vollen Umfang wahrnehmen kann.

Antrag 110/I/2022 Kirchenaustritte erleichtern und Gebühren abschaffen

17.05.2022

Die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der Kirchenaustritt für die Austretenden nicht mehr mit Gebühren an das Land Berlin verbunden ist (derzeit 30 Euro).

Gegebenenfalls entstehende Verwaltungskosten müssen aus den Kirchensteuern gedeckt und von den Kirchen beglichen werden. Hierfür soll das Berliner Kirchenaustrittsgesetz vom 30.1.1974, zuletzt geändert am 17.12.2014, entsprechend angepasst werden.

 

Außerdem soll das im Koalitionsvertrag angekündigte Austrittsverfahren per Internet statt beim Amtsgericht bzw. Notar baldmöglichst umgesetzt werden, zumal dann die Verwaltungskosten entsprechend verringert würden.

Antrag 119/I/2022 Grundsteuererklärung auch in Papierform

17.05.2022

Die Fraktionen der SPD im Abgeordnetenhaus und im Bundestag sowie die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats werden aufgefordert, Initiativen bzw. gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, dass die Abgabe der Erklärung über die Grundlagen der Veranlagung zur Grundsteuer auch in Papierform zugelassen werden.

Antrag 145/I/2022 Freiheiten anerkennen und das Neutralitätsgesetz abschaffen!

17.05.2022

Das Neutralitätsgesetz hat zum Ziel die persönliche Weltanschauung und Religion aus staatlichen Institutionen, wie beispielsweise der Schule, herauszuhalten. Alle, die diese Institutionen nutzen, sollen sich dort und von den Vertreter*innen des Staates gleichermaßen angenommen fühlen, ganz egal, welcher Weltanschauung oder Religion sie angehören. Das Neutralitätsgesetz untersagt aus diesem Grund Staatsvertreter*innen wie Lehrer*innen oder Richter*innen das Zurschaustellen religiöser und weltanschaulicher Symbole. Gleichzeitig ist ein Staat, der Kirchensteuern erhebt und in einer mehrheitlich christlich-weißen Gesellschaft agiert, selbst nicht neutral. Deshalb ist es unverhältnismäßig, dass dieser Staat von seinen Mitarbeiter*innen Neutralität einfordert.

 

Wir finden es richtig, dass die Institutionen selbst keine religiösen oder weltanschaulichen Symbole zeigen und keine christlichen Kreuze in Klassenzimmern hängen. Problematisch bleibt jedoch, dass das Neutralitätsgesetz keine Differenzierung der verschiedenen Lebenssituationen vornimmt, in denen Menschen der Religionsausübung anderer ausgesetzt werden. Die staatliche Neutralitätspflicht gilt nicht vorrangig vor jedem anderen Recht. Es hat eine Abwägung zu erfolgen, die die Religionsfreiheiten der Vertreter*innen des Staates und die Zumutbarkeit berücksichtigt, mit der Religionsausübung anderer auseinandergesetzt werden: Bürger*innen, Schüler*innen und Besucher*innen öffentlicher Gebäude ist mehr zuzumuten! Diese wichtige Abwägung fehlt im Neutralitätsgesetz.

 

Das Grundrecht der Religionsausübung ist zudem individuell zu betrachten. Religiöse oder weltanschauliche Symbole sind sehr unterschiedlich. Ein Unterschied ist, wie offen die Symbole getragen und ob sie von den Mitgliedern der Religionsgemeinschaft immer oder nur zu Anlässen getragen werden. Religiöse Gebote, die nur dann eingehalten werden können, wenn sie die Religiosität nach außen sichtbar machen, werden durch Neutralitätsgesetze unmöglich gemacht. Das Tragen eines Kreuzes als Halskette bleibt möglich. Frauen, die Kopftuch tragen, tragen dieses aber immer, können es nicht ablegen und auch nicht verdeckt tragen. Das Neutralitätsgesetz, das geschaffen wurde, um Gleichheit an staatlichen Institutionen herzustellen, betrifft Menschen verschiedener Religionen also ganz im Gegenteil sehr unterschiedlich – je nach den Eigenschaften des religiösen Gebotes, dem sie sich verpflichtet fühlen.

 

Antimuslimischer Rassismus und Sexismus sind ein riesiges Problem in Deutschland. Muslimische Frauen sind von beidem betroffen. Diese Diskriminierungen summieren sich nicht einfach, sondern manifestieren sich als Vielfachdiskriminierung (Intersektionalität). Eine Diskriminierungsform ist die Zuschreibung, dass muslimische Frauen unterdrückt würden – durch männliche Familienmitglieder, das patriarchalische Wertesystem oder ihre Religion. Das führt dann in der weißen, nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft teilweise zum Impuls, diese Frauen „zu retten“ oder „vom Kopftuch zu befreien“. Ein solcher Impuls ist übergriffig, abwertend und diskriminierend. Als Jusos erkennen wir an, dass unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Frauen empowernd und emanzipatorisch sind. Für manche Frauen ist das Nacktheit oder freizügige Kleidung, für andere ist es das Kopftuch und das Bedecken von Körper und Haar.

 

Befürworter*innen des Kopftuchverbots in staatlichen Stellen (was das Neutralitätsgebot in der Praxis ist), argumentieren jedoch oft mit der unterstellten Unterdrückung: Muslimische Mädchen sollten nicht auch noch durch ihre Lehrerinnen den Eindruck bekommen, dass es Standard oder ihre Pflicht sei, selbst auch Kopftuch zu tragen. Allerdings ist der Effekt des Kopftuchverbots genauso schädlich wie diese Vermutung. Das faktische Kopftuchverbot verbannt viele muslimische Women of Color (WoCs) aus Positionen in unserem Staat, in denen sie Einfluss nehmen können, die als zentraler Teil der Gesellschaft anerkannt sind und in denen sie eine Vorbildfunktion haben. Damit blockieren staatliche Stellen die eigenen Diversitätsoffensiven und nehmen vornehmlich BIPoC-Communities (Black, Indigenous and People of Color) die weiblichen Vorbilder, die sie dringend brauchen. Wenn Verwaltung eine Gesellschaft abbilden soll, kann sie es sich nicht leisten, bestimmte Gruppen durch ein Neutralitätsgesetz von vornherein auszuschließen. Insbesondere sind über das Neutralitätsgesetz hinaus hinreichende Instrumentarien vorhanden, um Konflikte an Schulen zu schlichten und eine tatsächliche Störung des sogenannten Schulfriedens als rechtlich anerkanntes Verfassungsgut zu vermeiden.

 

Mit der heutigen Praxis verbannen wir viele Frauen, die Kopftuch tragen, aus einflussreichen Positionen während wir ihre Arbeitskraft in Positionen, die weniger einflussreich und anerkannt sind, gerne annehmen. Diese Politik wollen wir nicht. Sie schließt eine Gruppe Frauen* aus staatlichen Funktionen aus und verwehrt ihnen Teilhabe und berufliche Karrieren. Als wäre das nicht schon Grund genug, verfestigt sie aber auch rassistische und diskriminierende Strukturen: Wer kopftuchtragende Frauen nicht in staatlichen Positionen sieht, traut sie ihnen auch eher nicht zu und stigmatisiert sie als nicht integrierte Randgruppe. Das ist besonders dramatisch, wenn das junge kopftuchtragende Frauen selbst betrifft, aber auch alle anderen werden so an rassistische Strukturen gewöhnt und tragen dadurch zu deren Erhalt bei. Im absolut notwendigen Kampf gegen religiöse Indoktrinierung und illiberale Erziehung Mittel zu wählen, die insbesondere hoch gebildete Musliminnen davon abhalten in den Staatsdienst einzutreten, halten wir für den falschen Weg. Grade diese Frauen, könnten Vorbilder für junge Mädchen sein und ihnen vorleben, dass eine Frau selbstbestimmt leben und aus eigener Überzeugung heraus einen Hijab oder eine andere Form von Kopftuch tragen kann.

 

Generell befürworten wir das Streben nach einem religiös und weltanschaulich neutralen Staat. Aber wir schlagen einen anderen Weg vor. Dort wo Menschen aller religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen gleichberechtigt miteinander einen Staat repräsentieren, bevorzugt dieser Staat keine einzelne Gruppe. Ein solcher Staat ist neutral. Das Konzept einer solchen inklusiven Neutralität vermeidet jedoch die spezifisch diskriminierenden Effekte des Neutralitätsgesetzes, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.08.2020 festgestellt hat. Wir halten Neutralität durch Vielfalt daher für das bessere Konzept.

 

Wir fordern daher die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.