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Antrag 47/II/2021 Für einen europapolitischen Aufbruch mit einer neuen Bundesregierung!

9.11.2021

Die Bildung einer neuen Bundesregierung unter Führung der SPD bietet eine enorme Chance für eine neue Europapolitik. Diese Chance muss die neue Regierung nutzen und Deutschland endlich zu einem Impulsgeber in Europa machen. Viel zu lange stand die Bundesrepublik auf der Bremse, wenn es um weitere Schritte der europäischen Einigung ging. Bundeskanzlerin Merkel hat Macrons Reformvorschläge jahrelang ignoriert und nur in Krisensituationen reagiert. Eine neue Regierung unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz muss diesen Modus des Reagierens und Abwartens endlich überwinden und eine aktive Rolle bei der Gestaltung eines souveränen Europas einnehmen. Es soll nicht wieder dazu kommen, dass zwar Europa prominent im Koalitionsvertrag platziert wird, es dann aber bei schönen Worten bleibt. Stattdessen brauchen wir eine Bundesregierung, die die zentralen Baustellen der Europapolitik endlich mit neuer Entschlusskraft angeht. Im Sinne einer Fortentwicklung der europäischen Integration gehört hierzu:

 

  • die Verstetigung des Wiederaufbaufonds! Wir müssen den „Hamilton-Moment“ der Coronakrise nutzen und dauerhaft europäische Projekte über gemeinschaftliche Kredite finanzieren sowie zu deren Tilgung neue eigene Einnahmen der EU einführen.
  • die Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspakts hin zu einem Nachhaltigkeitspakt! Die europäischen Fiskalregeln müssen mit einem neuen Fokus auf öffentliche Investitionen in die klimaneutrale und digitale Transformation grundlegend überarbeitet werden.
  • die Verwirklichung des Sozialen Europas! Der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte ist dabei ein erster Schritt. Wir brauchen weiterhin armutsfeste europäische Mindestlöhne, eine Erhöhung der Tarifbindung in allen EU-Staaten, mehr Mitbestimmung und gute Arbeitnehmer:innenrechte, einen Rahmen für angemessene Mindesteinkommen sowie die Verstetigung und Weiterentwicklung des Programms SURE zu einer echten europäischen Arbeitslosenversicherung. Ziel muss dabei eine Angleichung der Lebensverhältnisse in der gesamten EU im Sinne einer Aufwärtskonvergenz sowie langfristig auch einklagbare soziale Rechte sein.
  • ein Souveränes Europa auch in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik! Damit Europa eine selbstbewusste Friedensmacht sein kann, bedarf es dringend einer Vertiefung der außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Integration mit der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen im Rat. Dieser Prozess hin zu einer echten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion muss entschlossen vorangetrieben und gleichzeitig einer effektiven demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterworfen werden.
  • eine ambitionierte Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens! Damit Europa Vorreiter beim Klimaschutz wird, muss der Europäische Green Deal zügig und entschlossen umgesetzt werden. Das Paket „Fit for 55“ der EU-Kommission ist dabei ein erster wichtiger Schritt. In der Gemeinsamen Agrarpolitik muss es mittelfristig zu einem Systemwechsel nach dem Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ kommen.
  • die Konferenz zur Zukunft Europas zu einem Erfolg machen! Dabei müssen am Ende dieses Prozesses auch Vertragsreformen möglich sein. Hierzu gehört vor allem eine Vervollständigung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments inklusive eines echten Initiativrechts. Auch brauchen wir ein einheitliches Wahlrecht zur Wahl der europäischen Volksvertretung, das deren Handlungsfähigkeit garantiert und der Zersplitterung des Parlaments vorbeugt, sowie eine Wiederherstellung und vertragliche Verankerung des Spitzenkandidat:innenprinzips und die Möglichkeit eines konstruktiven Misstrauensvotums.
  • echte Fortschritte in der Asyl- und Migrationspolitik! Anstatt die Abschottung der EU durch „Abschiebepatenschaften“ weiter voranzutreiben, soll eine ‚Koalition der Willigen‘ bei der Aufnahme und Verteilung Geflüchteter vorangehen. Zudem soll ein Fonds bei der EU aufgelegt werden, bei dem sich einzelne europäische Kommunen bewerben können, die in Eigeninitiative zusätzliche Geflüchtete aufnehmen wollen. Diese Gemeinden sollen nicht nur die entstehenden Kosten erstattet bekommen, sondern darüber hinaus auch Mittel erhalten, die sie für die Verbesserung ihrer kommunalen Infrastruktur verwenden können. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache muss grundlegend reformiert und eine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer garantiert werden.

 

Antrag 48/II/2021 Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der gesamten EU durchsetzen!

9.11.2021

Der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission müssen sofort Maßnahmen gegen Ungarn und Polen ergreifen, die sich im Laufe ihrer EU-Mitgliedschaft mehr und mehr zu Autokratien wandeln, während demokratische Elemente schwinden. Zu diesen Maßnahmen muss der sofortige Stopp sämtlicher Fördergelder an Ungarn und Polen im Rahmen des Rechtsstaatsmechanismus gehören. Außerdem muss die Aussetzung der Mitgliedsrechte – einschließlich der Stimmrechte – in einem gemeinsamen Artikel-7-Verfahren gegen beide Mitgliedstaaten ohne gegenseitige Veto-Möglichkeiten erfolgen. Daneben sind Vertragsverletzungsverfahren zu allen Missständen in den beiden Ländern vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzustrengen sowie Vertragsänderungen zu prüfen, die ähnliche Entwicklungen in Zukunft verhindern.

 

Ziel der Maßnahmen muss die Rückkehr Polens und Ungarns zu den europäischen Werten Demokratie, Einhaltung der Menschenrechte, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit sein. Hierzu gehört die Unabhängigkeit der Medien und der Justiz sowie die Integrität der Verwaltung einschließlich gegensätzlicher Personalentscheidungen der letzten Jahre. Begangenes Unrecht und Verbrechen wie beispielsweise politische Korruption müssen konsequent verfolgt werden. Die Sanktionen müssen aufrechterhalten werden, bis die Ziele erreicht sind.

Antrag 49/II/2021 Rechtsstaatlichkeit in Europa konsequent verteidigen!

9.11.2021

Schon mal von den Kopenhagener-Kriterien gehört? 1993 hat der Europäische Rat in Kopenhagen Kriterien formuliert, die ein Land erfüllen muss, um Mitglied der Europäischen Union (EU) zu werden. Darunter fällt auch dieses Kriterium: “Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten”. Zusätzlich sind sie auch als Grundwerte der Union in Artikel 2 des EU-Vertrags aufgelistet. Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung von Menschenrechten sollten also selbstverständlich sein in der EU. Leider ist das nicht der Fall und wir sehen seit Jahren, wie in einigen EU-Ländern der Rechtsstaat systematisch angegriffen wird. Angriffe auf die Medienfreiheit in Ungarn, Einflussnahme auf die Justiz und LGBTIQ-freie Zonen in Polen, Pushbacks von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen in Griechenland oder Angriffe auf Journalist*innen auf Malta und in der Slowakei – das sind nur einige Beispiele dafür, wie schlecht es in der EU um den Rechtsstaat steht.

 

Die Rechtsstaatlichkeit, verankert in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union, ist ein Grundprinzip der Union und maßgebend für den Schutz der EU Grundwerte. Besonders der Schutz von Grundrechten und Demokratie ist hier zentral. Für die Funktionsweise der Europäischen Union ist die Rechtsstaatlichkeit also ein entscheidender Faktor. Rechtsstaatlichkeit beruht auf einem wirksamen Rechtsschutz, der nur von einer unabhängigen, hochwertigen und effizienten Justiz gewährleistet werden kann. Denn die EU ist mehr als nur ein gemeinsamer Binnen- und Arbeitsmarkt. Sowohl die Beitrittskriterien als auch die EU-Verträge, die für alle Mitgliedsstaaten gelten, machen klar, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist. Die gemeinsamen Grundwerte ermöglichen es erst, dass die Zusammenarbeit in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen funktioniert.

 

Und was tut die EU gegen eine Aushöhlung dieses Prinzips? Laut dem EU-Recht gab es bisher zwei Möglichkeiten, um gegen Angriffe auf den Rechtsstaat vorzugehen. Zum einen, steht der EU das sogenannte Artikel 7-Verfahren zur Verfügung. Es umfasst zwei Mechanismen: Präventionsmaßnahmen im Falle einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der EU-Werte, und Sanktionen, wenn eine solche Verletzung bereits stattgefunden hat. Die möglichen Sanktionen gegen den betroffenen Mitgliedstaat sind in den EU-Verträgen nicht klar definiert, aber eine mögliche Sanktion besteht darin, dass der betroffene Staat seine Stimmrechte im Europäischen Rat verliert. Es gibt allerdings einen Haken: um die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit oder anderer EU-Grundwerte festzustellen, braucht es eine einstimmige Entscheidung der Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat.

 

Seit vielen Jahren gibt es nicht nur einen Regierungschef in der EU, der es mit der Demokratie und dem Rechtsstaat nicht so eng sieht. Somit ist dieses Instrument nutzlos geworden, da sich nationalkonservative Regierungen gegenseitig decken und eine Sanktionierung unmöglich machen. Zum anderen, kann die Europäische Kommission im sogenannten Vertragsverletzungsverfahren den Europäischen Gerichtshof beauftragen, zu überprüfen, ob einzelne Mitgliedsstaaten das EU-Recht nicht umsetzen. Der Gerichtshof kann die Länder dann zu Geldstrafen verurteilen. So geschehen ist das im Fall von Polen, wo mit einem umstrittenen Justizgesetz die Unabhängigkeit von Richter*innen eingeschränkt wurde. Am 8. September hat die Kommission nun beim Gerichtshof beantragt, Strafen gegen Polen zu verhängen. Das hat alles sehr lange gedauert und es ist erschreckend, wie wenig Einfluss das Europäische Parlament, die einzige direkt demokratisch legitimierte Institution in der EU, auf den Schutz der Rechtsstaatlichkeit hat. Die S&D-Fraktion, also die Sozialist*innen und Sozialdemokrat*innen im Europaparlament, haben deshalb bereits im Januar 2020 gefordert, dass im zukünftigen Haushalt der EU die Auszahlung von Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft sein soll.

 

Dieser Rechtsstaatsmechanismus ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Und wieso wurden noch keine Sanktionen verhängt? Das liegt daran, dass die Kommission für die Umsetzung des Mechanismus verantwortlich ist: als “Hüterin der EU-Verträge” ist es ihre Aufgabe, Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten festzustellen, deren Regierungen zu verwarnen und anschließend die Kürzung von EU-Geldern zu veranlassen. Das passiert allerdings, 10 Monate nach Inkrafttreten des Mechanismus, immer noch nicht, weil die Kommission warten will, bis der EuGH den Mechanismus für rechtmäßig erklärt. Und das, obwohl dieser Mechanismus von den gesetzgebenden Institutionen der EU beschlossen wurde.

 

Kurz gesagt: es passiert immernoch nichts. Das Europäische Parlament hat deshalb im Juli mehrheitlich beschlossen, dass eine Klage wegen Untätigkeit gegen die Kommission in die Wege geleitet wird. Und JETZT? Immer noch ist Warten angesagt, bis die Kommission endlich handelt. Wir brauchen jetzt keine Rechtsstaatsmonitorings oder alarmierte Reden mehr. Viele Menschen in der EU oder an den Außengrenzen der EU, sind dringend darauf angewiesen, dass der Rechtsstaat sie vor Willkür und Angriffen schützt.

 

Die Kommission ist die Hüterin der Verträge und muss daher konsequent Handeln und diese durchsetzen. Inkonsequentes Auftreten führt zu Missbrauch von Grauzonen und Schaffung von Präzedenzfällen, die zu Nachahmungen animieren können – siehe das Auftreten Ungarns und Polens. Jegliche Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union müssen zielgerichtet geahndet werden, um eine Untergrabung dessen zu vermeiden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Regierungen bestimmter Länder immer wieder die Grenzen des Machbaren austesten, keinerlei Sanktionen fürchten müssen und die EU als reine geldgebende Institution sehen, anstatt einer Wertegemeinschaft.  Die Kommission setzt mit ihrer Hinhaltetaktik nicht nur das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel, sie delegitimiert sich mit ihrer aktuellen Haltung auch als “Hüterin der Verträge”. Die Bezeichnung  als Wertegemeinschaft darf keine Worthülse bleiben, es muss aktiv daran gearbeitet werden diese wichtige Errungenschaft zu schützen.

 

  • Konsequenzen müssen sich deshalb zum einen nicht nur in Worten und Abmahnungen zeigen, sondern auch in Taten widerspiegeln: dabei müssen Regierungen, die Vertragsverletzungen wissentlich eingehen, schlussendlich die Auswirkungen ihres Handelns spüren und mit Sanktionen belegt werden. Wichtig ist, dass Sanktionen sich nicht auf Gesellschaftliche Projekte und deren Förderung auswirken, wie beispielsweise das Erasmus Programm oder viele weitere Orte, an denen die europäische Gemeinschaft zusammenwächst und gerade auch junge Menschen die EU leben. Dies wäre gesellschaftsschädigend und nicht zielführend.
  • Die Änderung der EU-Verträge wäre ein bedeutender Schritt, denn die letzte Vertragsänderung ist bereits 14 Jahre her. Die Sackgasse, in der sich die EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit befindet, macht aber deutlich, wie dringend wir diesen Schritt, mit neuen Sanktionsmechanismen brauchen. Dies kann auch in Form einer Beschneidung des Kohäsionsfonds (wichtiger EU-Fonds zum Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit) oder Agrarfonds stattfinden, also Mitteln, mit denen sich benannte Regierungen viel Gunst auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft erwirtschaften.
  • Eine Änderung der EU-Verträge muss enthalten, dass dem Europäischen Parlament, als einziger direkt demokratisch legitimierter Institution, die notwendigen Rechte und Befugnisse – wie u. a. das Initiativrecht eingeräumt werden, um im Vorgehen gegen Rechtsstaatsverstöße eigenständig Voraussetzungen formulieren zu können, die vorsehen wann die Kommission einschreiten muss. Neben der Kommission soll auch das Parlament beschließen können, dass gegen einzelne Mitgliedsstaaten Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union nach dem Rechtsstaatsmechanismus ergriffen werden können. Die Vertreter*innen der EU-Bürger*innen sollten auch als Hüter*innen der EU-Verträge handeln können!
  • Das Einstimmigkeitsprinzip soll bei der Feststellung schwerwiegender und anhaltender Verletzung der Grundwerte der Union (Art.7-Verfahren) keine Anwendung mehr finden und durch das Prinzip der doppelten Mehrheit oder durch ähnliche Konzepte, die eine Sperrminorität autoritäter Demokratien verhindern, ausgetauscht werden.
  • Außerdem sollen zivilgesellschaftliche Organisationen ein Verbandsklagerecht erhalten, um die Kommission oder das Parlament auf Untätigkeit zu verklagen, falls der Rechtsstaatsmechanismus nicht konsequent angewendet wird.
  • Die Bundesregierung soll, wenn sie von Missständen betreffend die Rechtsstaatlichkeit in einzelnen Mitgliedstaaten erfährt, die gegen das Unionsrecht verstoßen könnten, selbstständig ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn absehbar ist, dass die Kommission ein solches nicht anstrebt.
  • Deutschland und die EU sollen vermehrt mit Geldmitteln zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen, die sich gegen rechtsautoritäre Regime innerhalb der Union stellen.
  • Bis zur Änderung der EU-Verträge fordern wir von den sozialistischen und sozialdemokratischen Mitgliedern in den europäischen Institutionen, insbesondere von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat, sich stärker für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und in den Institutionen den politischen Druck zu erhöhen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass alle Mitgliedsparteien der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE/PES) sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedsstaaten und der gesamten EU einsetzen. Denn auch in unserer Parteienfamilie gibt es an einigen Stellen noch entsprechenden Nachholbedarf.

 

Deutschland ist ein bedeutender Akteur innerhalb der EU und muss auch als ein solcher konsequent mit ihren Partner*innen handeln. Die nächste Bundesregierung muss auf ein zielgerichtetes Handeln der Kommission einwirken und Teil der Lösung sein!

Antrag 50/II/2021 Rechtsstaatlichkeit in Europa konsequent verteidigen!

9.11.2021

Die Kommission ist die Hüterin der Verträge und muss daher konsequent Handeln und diese durchsetzen. Inkonsequentes Auftreten führt zu Missbrauch von Grauzonen und Schaffung von Präzedenzfällen, die zu Nachahmungen animieren können – siehe das Auftreten Ungarns und Polens. Jegliche Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union müssen zielgerichtet geahndet werden, um eine Untergrabung dessen zu vermeiden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Regierungen bestimmter Länder immer wieder die Grenzen des Machbaren austesten, keinerlei Sanktionen fürchten müssen und die EU als reine geldgebende Institution sehen, anstatt einer Wertegemeinschaft. Die Kommission setzt mit ihrer Hinhaltetaktik nicht nur das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel, sie delegitimiert sich mit ihrer aktuellen Haltung auch als “Hüterin der Verträge”. Die Bezeichnung als Wertegemeinschaft darf keine Worthülse bleiben, es muss aktiv daran gearbeitet werden diese wichtige Errungenschaft zu schützen.

 

  • Konsequenzen müssen sich deshalb zum einen nicht nur in Worten und Abmahnungen zeigen, sondern auch in Taten widerspiegeln: dabei müssen Regierungen, die Vertragsverletzungen wissentlich eingehen, schlussendlich die Auswirkungen ihres Handelns spüren und mit Sanktionen belegt werden. Wichtig ist, dass Sanktionen sich nicht auf Gesellschaftliche Projekte und deren Förderung auswirken, wie beispielsweise das Erasmus Programm oder viele weitere Orte, an denen die europäische Gemeinschaft zusammenwächst und gerade auch junge Menschen die EU leben. Dies wäre Gesellschaftsschädigend und nicht zielführend.
  • Die Änderung der EU-Verträge wäre ein bedeutender Schritt, denn die letzte Vertragsänderung ist bereits 14 Jahre her. Die Sackgasse, in der sich die EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit befindet, macht aber deutlich, wie dringend wir diesen Schritt, mit neuen Sanktionsmechanismen brauchen.

 

Dies kann auch in Form einer Beschneidung des Kohäsionsfonds (wichtiger EU-Fonds zum Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit) oder Agrarfonds stattfinden, also Mitteln, mit denen sich benannte Regierungen viel Gunst auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft erwirtschaften.

 

  • Dringend erforderlich ist eine Änderung der EU-Verträge. Eine solche Änderung muss enthalten, dass dem Europäischen Parlament, als einziger direkt demokratisch legitimierter Institution, die notwendigen Rechte und Befugnisse – wie u. a. das Initiativrecht – eingeräumt werden, um im Vorgehen gegen Rechtsstaatsverstöße eigenständig Voraussetzungen formulieren zu können, die vorsehen wann die Kommission einschreiten muss. Die Vertreter*innen der EUBürger* innen sollten auch als Hüter*innen der EU-Verträge handeln können!
  • Eine solche Änderung muss auch enthalten, dass das Einstimmigkeitsprinzip keine Anwendung mehr findet und durch das Prinzip der doppelten Mehrheit oder durch ähnliche Konzepte ausgetauscht wird.
  • Bis zur Änderung der EU-Verträge fordern wir von den sozialistischen und sozialdemokratischen Mitgliedern in den europäischen Institutionen, insbesondere von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat, sich stärker für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und in den Institutionen den politischen Druck zu erhöhen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass alle Mitgliedsparteien der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE/PES) sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedsstaaten und der gesamten EU einsetzen. Denn auch in unserer Parteienfamilie gibt es an einigen Stellen noch entsprechenden Nachholbedarf.

 

Deutschland ist ein bedeutender Akteur innerhalb der EU und muss auch als ein solcher konsequent mit ihren Partner*innen handeln. Die nächste Bundesregierung muss auf ein zielgerichtetes Handeln der Kommission einwirken und Teil der Lösung sein!

Antrag 51/II/2021 Demokratie bewahren! Faire Wahlen in Ungarn garantieren

9.11.2021

Wir fordern die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-Europaabgeordneten dazu auf, sich bei der EU-Kommission für freie und faire Wahlen bei den kommenden Parlamentswahlen in Ungarn im Jahr 2022 einzusetzen. Aufgrund der Erfahrungen der beiden letzten Parlamentswahlen sollte bereits vor den Wahlen auf Folgendes hingewirkt werden:

 

  1. Kandidat*innen sollen sich schon vor dem Beginn der Wahlkampfperiode registrieren können, um rechtzeitig öffentliche Gelder für den Wahlkampf erhalten zu können.
  2. Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung, z.B. durch öffentliche Berichte, die ausreichend detailliert die Einnahmen und Ausgaben für Kandidat*innen und Parteien aufschlüsseln. Diese sollten spätestens einen Tag vor der Wahl in einem digitalen und durchsuchbaren Format einsehbar sein.
  3. Meinungsvielfalt in den Medien mit einem möglichst barrierefreien Zugang zu diesen, sowie die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit redaktionellem Pluralismus, einem transparenten Auswahlprozess bei der Benennung von leitenden Angestellten und einem transparenten und nachhaltigem Finanzierungssystem.

     

    Zudem soll es einen unabhängigen internationalen Wahlbeobachtungsprozess geben, welcher ausreichend unabhängige internationale Beobachter*innen insbesondere im ländlichen Raum zur Verfügung stellt, die den Wahlprozess begleiten und ihn unter Berücksichtigung internationaler Standards neutral und objektiv bewerten sowie gegebenenfalls etwaige Unregelmäßigkeiten offenlegen können.