Archive

Antrag 183/I/2020 S-Bahn im Berliner Südwesten ausbauen

1.10.2020

Die SPD-BVV-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf und der Landesparteitag werden gebeten, das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf bzw. die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und den Senat von Berlin aufzufordern, bei den zuständigen Stellen darauf hinzuwirken, dass die S-Bahn zwischen Südende, Lankwitz und Lichterfelde Ost sowie Lichterfelde Süd und Teltow Stadt so schnell wie möglich zweigleisig ausgebaut wird, die S-Bahn von Teltow Stadt über Stahnsdorf bis Wannsee zeitnah zweigleisig verlängert wird, eine S-Bahn-Verbindung von Teltow Bahnhof bis Ludwigsfelde/Trebbin umgehend geprüft wird.

Antrag 186/I/2020 VBB-Abo 65plus für alle Rentner*innen

30.09.2020

Ein VBB-Abo sollte unabhängig vom Lebensalter für Rentner*innen eingeführt werden.

Antrag 171/I/2020 Kein Vergessen der deutschen Kolonialverbrechen!

30.09.2020

1904, das ist das Jahr an dem der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts geschah.

 

40.000 bis 60.000 Herero und 10.000 Nama, Damara und San wurden in den Jahren bis 1908 ermordet. Tausende verletzt, ausgebeutet und traumatisiert. Begonnen wurde all das vom Deutschen Kaiserreich. Bis heute fehlt ein Wort der Entschuldigung, ein Wort des Bedauerns, eine Anerkennung der Schuld.

 

Dabei bleibt festzuhalten: Kriegsverbrechen verjähren nicht und Trauer, Verlust wie auch Schuld vergehen nicht.

Es zeigt zudem: Die deutsche Kolonialzeit ist weder abschließend geschichtlich aufgearbeitet worden, noch im öffentlichen Diskurs genügend präsent. Dass Deutschland sich weigert, sich die eigene Verantwortung am Genozid mit allen Konsequenzen einzugestehen, ist ein ernstes Problem.

 

Was geschah kann nicht verschwiegen werden!

Doch was genau ereignete sich vor 116 Jahren?

Im Januar begann der Aufstand der Herero gegen die deutschen Besatzer*innen. Der Auslöser waren erneute Repressalien gegen die Herero, Besetzung von Gebieten und zunehmend rassistische Gewaltpraktiken der Kolonialverwaltung, wie u.a. die Prügelstrafe. Zudem beanspruchten deutsche Siedler immer größere Teile des Landes für sich und der Reichstag wies in der sog. „Grund- und Bodenfrage“ den Herero, Nama, Damara und San ein Territorium zu. Weitere schwere Vergehen waren Vergewaltigung und Mord, derer sich Siedler gegenüber Herero, Nama, Damara und San schuldig machten.

 

Hierdurch verschlechterte sich die Situation der Hereros, Damara und San stetig, so dass sich die Stämme 1904 zu einem Aufstand entschlossen. Wobei laut Verschonungsbefehl des Großhäuptlings ausdrücklich Kinder und Frauen verschont werden sollten, woran sich auch bis auf wenigen Ausnahmen gehalten wurde.

 

Wenige Monate später wurden in mehreren Gefechten die Hereros militärisch besiegt.

 

Am 02.10.1904 erließ Lothar von Trotha dann den Vernichtungsbefehl. Alle Herero sollten in die Wüste getrieben werden, der Zugang zu Wasserquellen verhindert werden und alle, die sich den deutschen Linien näherten, ohne Vorwarnung erschossen werden. In den folgenden Monaten wurden so zehntausende Hereros erschossen oder verhungerten/verdursteten.

 

Auch bei Frauen und Kindern wurde keinerlei Ausnahme gemacht.

 

Dabei ist ausdrücklich zu erwähnen, dass Lothar von Trotha, der in Deutsch-Südwestafrika die Genozide befahl, damals unter Kaiser Wilhelm II gehandelt hat. Wilhelm II war nicht nur politisch verantwortlich, er hat zudem von Trotha auch als nicht brutal genug empfunden.

 

Ein Tag nach dem Vernichtungsbefehl wechselten dann die Stämme der Nama die Seiten. Zuvor hatten sie noch im Auftrag der Deutschen gekämpft, nun verbündeten sie sich mit den Hereros. In den folgenden vier Jahren folgten daraufhin verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen von deutscher Seite.

 

Während dieser Zeit wurden auch erste Konzentrationslager im heutigen Namibia errichtet. Durch stetige Überbelegung, schlechtes Trinkwasser und einseitige mangelhafte Ernährung breiteten sich verschiedene Krankheiten aus, die schnell tausende Todesopfer forderte. Die gesunden Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt. Unter anderem sollten die Gefangenen in der Wüste nach Toten suchen, die Schädel aufsammeln, auskochen und das Fleisch entfernen. Die Schädel wurden dann nach Deutschland verschickt, um dort an Krankenhäuser für die Begründung der Rassentheorien genutzt zu werden.

 

Im März 1908 fand das letzte Gefecht in der Wüste statt, welches von deutscher Seite gewonnen wurde. Am Ende starben 50.000 bis 70.000 Hereros, Nama, Damara und San.

 

Das Verhalten der Bundesregierungen? Eine Schande!

Seit 2002 erheben die Hereros, Nama, Damara und San juristische Forderungen gegen Deutschland. Zwar hatte Heidemarie Wieczorek-Zeul im Rahmen einer Gedenkfeier für die Massaker um Entschuldigung gebeten, die Bundesregierung erklärte anschließend jedoch, dass sie dort als Privatperson gesprochen habe und keine Forderungen daraus resultieren könnten. Bis 2018 wurden ca. 100 der ca. 3000 Schädel nach Namibia zurückgeführt. Ein großer Teil ist nach wie vor in den Archiven deutscher Universitäten. Erst 2016 erkannte die deutsche Bundesregierung erstmals die Massaker von 1904-1908 als Genozid an, schränkte jedoch ein, dass die UN-Völkermordkonvention nicht rückwirkend anwendbar sei und sich somit keinerlei Entschädigungen daraus ergäben. Zudem wurde eine Einbeziehung der Opferverbände ausgeschlossen.

 

Eine offizielle Entschuldigung ist bis heute nicht ausgesprochen worden.

 

Internationale Folgen

Die Forderungen von Entschädigungszahlungen Deutschlands an die Hereros, Nama, Damara und San haben auch International eine wichtige Bedeutung. Frankreich, Großbritannien und andere ehemaligen Kolonialmächte beobachten die juristischen Vorgänge ganz genau, da eine Zahlung Deutschlands von finanziellen Entschädigungen wahrscheinlich auch sie betreffen würde, da Opfergruppen aus ihren ehemaligen Kolonien auf dieser Basis ebenfalls Entschädigungen fordern könnten. Zudem würden die Entschädigungszahlungen Deutschlands dazu beitragen, dass die Debatte um koloniale Schuld international öffentlich geführt wird und den Druck auf andere ehemalige Kolonialmächte erhöhen, Entschädigungen zu zahlen und sich mit dem begangenen Unrecht auseinanderzusetzen.

 

Schuld bleibt Schuld!

Rein juristisch kann man zwar argumentieren, dass sich die UN-Völkermordkonvention nicht rückwirkend angewenden lässt. Das kann man machen, doch man handelt dann moralisch verwerflich und verletzt die Hinterbliebenen der Opfer immer wieder aufs Neue. Es ist zudem einer sozialdemokratischen Partei unwürdig und scheinheilig. Denn wo bleibt die Solidarität, die Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen der Opfer?

Es erscheint fast schon grotesk, dass die folgenden Forderungen im Jahre 2020 aufgestellt werden müssen und noch nicht bereits freiwillig und aus moralischer Verpflichtung erfüllt worden sind, von einem der reichsten Länder der Welt, welches sich auf das Erbe aus dem Kaiserreich stützt und zu den dort begangenen Verbrechen eine historische Verantwortung trägt. Wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus.

 

Außerdem fordern wir alle SPD-Mitglieder im Bundestag, Bundesrat und in der Bundesregierung, sowie den Bundesparteitag der SPD dazu auf, die Nachfahren der Genozidopfer förmlich um Entschuldigung zu bitten.

 

Wir fordern selbige auf, sich für die Identifizierung und Rückgabe aller nach Deutschland verschleppten Gebeine und Wertgegenstände von Menschen aus Namibia und anderen ehemaligen Kolonien einzusetzen. Dies soll schnellstmöglich durchgesetzt werden, so dass bis spätestens 2024, also zum 120. Gedenkjahr, alle Gebeine in Namibia beigesetzt werden können und die Hinterbliebenen trauern können. 

 

Wir fordern von der Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, sich zu einem bedingungslosen und offenen Dialog über Versöhnungsmaßnahmen mit den Nachfahren der Genozidopfer und mit der namibischen Regierung bereit zu erklären.

 

Wir fordern von der Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, dass sie sich für den Aufbau eines Ausgleichsfonds für die Hinterbliebenen der Opfer einsetzen, um darüber Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen auszahlen zu können. 

 

Wir fordern die Bundesregierung auf, nach Anerkennung der eigenen Schuld und einer förmlichen Entschuldigung, andere ehemalige Kolonialmächte aktiv zu einem ähnlichen Versöhnungs- und Ausgleichsprozess aufzufordern und sie gegebenenfalls dabei zu begleiten. Bedingungslose internationale Solidarität mit allen Opfern von Kolonialverbrechen sollte unverhandelbar sein.

 

Wir fordern den Bundesparteivorstand und den Bundesparteitag der SPD auf, bis zum 120. Gedenktag eine umfassende Aufarbeitung der Kolonialpolitik der SPD durchzuführen. Fakt ist, dass bis 1906 viele einflussreiche Vertreter*innen der SPD sich für eine „sozialistische Kolonialpolitik“ aussprachen und auch nicht gegen die Bewilligung der Kriegskredite für den Krieg gegen die Hereros stimmten. Der Abschlussbericht soll dann als Grundlage dienen, um einen Dialogprozess mit den Opferverbänden zu beginnen und konkrete Veranstaltungen, Versöhnungs- und Aufklärungsangebote zu erarbeiten.

 

Antrag 173/I/2020 Resolution: Zeit wird’s! Feministische Außenpolitik in die Tat umsetzen!

30.09.2020

Feministische Außenpolitik: Worum geht es?

 

Ausgangslage

Bereits vor 20 Jahren haben die Vereinten Nationen erkannt, dass Frauen* eine stärkere Rolle im Kampf für Frieden und Sicherheit einnehmen müssen und verabschiedeten die UN-Resolution 1325 ‚Frauen, Frieden, Sicherheit‘, die sich dafür einsetzt Frauen* in Konfliktvermeidungs, -lösungs- und Stabilisierungsprozessen einzubinden. Ein Engagement, was durch mehrere Studien bestätigt wird: Zum einen sind Frauen* am stärksten von Gewalt und Konflikten betroffen und zum anderen haben Friedensabkommen eine 35% höhere Wahrscheinlichkeit länger als 15 Jahre zu halten, wenn Frauen* in den Verhandlungen involviert sind. Doch die Realität sieht anders aus: in allen größeren Friedensverhandlungen zwischen 1992 und 2018 waren nur 13% aller Verhandlungspartner*innen weiblich. Da ein höheres Maß der Gleichstellung der Geschlechter mit einer geringeren Konfliktbereitschaft zwischen Staaten und innerhalb eines Staates verbunden ist, bleibt die Geschlechterungleichheit eine der zentralsten Hürden auf dem Weg zu einem nachhaltigen und stabilen Frieden in der Welt. Gleichzeitig zeigt sich ein ungleiches Geschlechterverhältnis auch innerhalb des deutschen diplomatischen Personals mit gerade einmal 13% Botschafterinnen*.

 

Die Problematik in der Umsetzung

Nachdem Schweden bereits seit 2014 unter dem Begriff einer ‚feministischen Außenpolitik‘ eine Geschlechterperspektive in seine Außenpolitik integriert, begegnet man in Deutschland diesem Begriff allerspätestens seit Beginn der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat und der Schwerpunktsetzung auf Frauen, Frieden und Sicherheit immer häufiger. Obwohl das bestehende internationale Regelwerk zur Beteiligung und dem Schutz von Frauen*, verankert z.B. im Völkerrecht, in der Menschenrechtscharta sowie in der Agenda 2030, bereits umfassende Akzente setzt, mangelt es an der konsequenten Umsetzung dieser Richtlinien und Vorgaben – weltweit und auch in Deutschland. Zum einen wurde in einer im April 2019 von Deutschland eingebrachten Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Stärkung des Kampfes gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten, auf Druck der USA, der Begriff ‚sexuelle und reproduktive Gesundheit‘ für Opfer sexueller Gewalt gestrichen. Zum anderen wurde im deutschen Kontext der zweite Nationale Aktionsplan der deutschen Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 aus 2017 zwar wirkungsorientierter als der erste formuliert, dennoch fehlte erneut ein eigenes Budget für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen.

 

Wie definieren wir eine feministische Außenpolitik?

Feministische Außenpolitik beschreibt einen umfassenden Ansatz der das Individuum, unabhängig von dessen sexueller Orientierung, der Herkunft und Hautfarbe, in das Zentrum außenpolitischen Handelns stellt und ganzheitliche Gleichberechtigung als verbindliche Arbeitsanweisung in Ministerien sieht. Unter Gleichberechtigung verstehen wir die Wahrnehmung bestehender gleicher Rechte für alle Menschen weltweit.

 

In diesem Sinne sollen patriarchale Machtkonstruktionen und strukturelle Ungleichheiten zugunsten eines geschlechtergerechten und inklusiven Entscheidungsprozesses aufgebrochen, hinterfragt und dekonstruiert werden, um sich für eine friedlichere und gerechtere Welt einzusetzen. Konkret bedeutet das, dass innerhalb einer feministischen Außenpolitik die Situation von Frauen* und anderen strukturell benachteiligten Gruppen mitgedacht und die Frage gestellt und beantwortet werden muss, welche Konsequenzen eine politische Maßnahme für diese Gruppen mit sich bringt, wo sich Unterschiede in der Wirkung auftun und wie diesen begegnet werden kann.

 

Geschlechtergerechte internationale Politik ist kein Nice-to-Have!

Nach unserem feministischen und internationalistischen Selbstverständnis sind diese gleichberechtigte Beteiligung und der Einbezug der feministischen Perspektive kein Nice-to-Have, sondern ein Recht, das Menschen gegenwärtig vorenthalten wird. Eine feministische Außenpolitik muss dabei unbedingt intersektional sein, das heißt sie umfasst eine gegenseitige Solidarität von verschiedenen unterrepräsentierten und diskriminierten Gruppen in nationalen und internationalen Verhandlungs- und Entscheidungsprozessen. Strukturelle Diskriminierung kann und muss grundsätzlich nur mit einem gleichberechtigten Partizipationsanspruch aller Menschen begegnet werden. Diese gleichwertige Behandlung und Beteiligung aller Menschen werden von der feministischen Außenpolitik nicht als Utopie verworfen, sondern als real- und sicherheitspolitisch notwendige Maßnahme zur Überwindung und Vorbeugung von Krisen und Konflikten erkannt. Verantwortung in der Welt beschränkt sich so nicht auf Einsätze der Bundeswehr, sondern beschreibt die Herstellung eines kohärenten Zusammenwirkens aller beteiligten Akteur*innen und Ministerien, um Ungleichheit als Krisen- und Konfliktursache entgegenzuwirken. Neben der Intersektionalität, muss eine feministische Außenpolitik in allen relevanten außenpolitischen Politikfeldern ressortübergreifend, entlang eines Querschnitts-Ansatzes, verfolgt werden.

 

Das Jahr 2020 bietet nun zwei wichtige Möglichkeiten für die deutsche Bundesregierung und das sozialdemokratisch geführte Auswärtige Amt sich stark für diese Axe von Frauen*, Frieden und Sicherheit zu machen, da zum einen ein weiterer dritter Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung von Resolution 1325 vorgelegt wird und Deutschland in der zweiten Jahreshälfte 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Um diesen Moment zu nutzen, wollen wir uns für ein starkes Bekenntnis für eine feministische Außenpolitik einsetzen, damit bestehende internationale Regelungen und nationale Aktionspläne effektiv umgesetzt werden und so ihren Beitrag zu einer inklusiven, gerechteren und friedlicheren Welt für alle leisten. Gerade in Zeiten, in denen wir uns auf internationalem Parkett steigenden populistischen und nationalistischen Tendenzen gegenübergestellt sehen und der Einsatz für Menschenrechte für alle Menschen weltweit und besonders für die Rechte von Frauen* und anderen marginalisierten Gruppen von verschiedenen Seiten erschwert wird, müssen wir ein starkes und klares Zeichen setzen.

 

Feministische Außenpolitik endlich umsetzen!

Weder im Rahmen der Vereinten Nationen, noch der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland mangelt es an Plänen und Absichtserklärungen. Der Grundsatz der Gleichberechtigung ist somit keine Utopie einzelner Verbände, sondern ein verbindlich vereinbarter Standard in den internationalen Beziehungen. Was die konkrete Umsetzung dieser Ziele angeht, hält sich der Fortschritt jedoch in engen Grenzen und ist weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Daher unsere Forderung: Feministische Außenpolitik endlich umsetzen!

 

Der erste Schritt ist ein klares Bekenntnis der politischen Verantwortlichen zu diesen Zielen. Eine effektive Umsetzung feministischer Politik darf kein freundlicher Hinweis von Minister*innen oder Kommissar*innen sein, sondern eine klare und ressortübergreifende Arbeitsanweisung nach schwedischem Vorbild. Die Einbeziehung einer genderspezifischen Perspektive bei der Planung und Durchführung politischer Maßnahmen, ist dementsprechend nicht optional, sondern ein zwingend notwendiges Element einer Politik, die den Anspruch vertritt, alle Menschen gleichermaßen zu vertreten. Insbesondere für Personalplanung und -strukturierung, steht hier die Notwendigkeit einer konsequenten Umsetzung nicht zur Debatte! Lassen Kanzler*innenamt oder Kommissionspräsident*in diese Aufforderung vermissen, muss es Aufgabe der deutschen und europäischen Sozialdemokrat*innen sein, in den von ihnen geführten Ressorts eine kohärente Politik in diesem Sinne abzustimmen.

 

Feministische Außenpolitik ist Friedenspolitik! 

Die nationale Exportpolitik der deutschen Bundesregierung hat auch gerade für Frauen* und Minderheiten negative Konsequenzen zur Folge. In Krisengebieten leiden vor allem diese Gruppen unter den Folgen an rein wirtschaftlichen Überlegungen gebundenen Rüstungsexporten.  Daher fordern wir, dass Exportvorhaben einer speziellen Prüfung aus der Genderperspektive unterzogen werden.

 

Besonders im Rahmen von bewaffneten Konflikten sind Deutschland und Europa gefordert, die spezifischen Auswirkungen sexualisierter Gewalt in ihrem konkreten Handeln Rechnung zu tragen. Das betrifft nicht nur die Ausgestaltung entsprechender Missionen zur Konfliktprävention und Friedenssicherung, sondern auch die Schaffung eines Zugangs von Frauen* und Mädchen* zu geeigneten Ansprechpartner*innen, sowie Rechtswegen, um sich gegen sexualisierte Angriffe zur Wehr setzen zu können. Ein geeignetes Instrument hierfür kann beispielsweise der Internationale Strafgerichtshof der Vereinten Nationen darstellen. Angesichts der Tatsache, dass drei von fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates die Rechtmäßigkeit dessen Rechtsprechung nach wie vor grundsätzlich nicht anerkennen, ist es in dieser Hinsicht notwendig konsequent sich auch gegenüber traditionellen Verbündeten, wie den Vereinigten Staaten, durchzusetzen.

 

Internationale Wirtschaft aus Genderperspektive betrachten!

Als wesentlicher Teil der Außenpolitik müssen auch internationale Handelsbeziehungen verstärkt eine Genderperspektive einnehmen. Zum einen kann hier ein Lieferkettengesetz, welches sich konsequent für Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit einsetzt, eine wichtige Funktion übernehmen. Darüber hinaus müssen Fragen der Nachhaltigkeit, Gender- und Arbeitnehmer*innenrechte zu einem verbindlichen Vergabekriterium mit höchster Priorität bei international ausgeschriebenen Großaufträgen, sowie zwischenstaatlicher Projekte werden. Bestehende Kooperationen sind regelmäßig auf grobe strukturelle Unvereinbarkeit mit diesen Prinzipien zu prüfen, und gegebenenfalls durch angemessene Partner*innenschaften zu ersetzen.

 

Klimawandel feministisch denken!

Des Weiteren lässt sich auch das Klima nicht ohne Geschlechterperspektive diskutieren. Der Klimawandel ist ein internationales Phänomen und Frauen* sind stärker von den Folgen betroffen. Die Hauptverursacher sind die Industrienationen des globalen Nordens, während insbesondere Frauen und Minderheiten im globalen Süden die Auswirkungen zu spüren bekommen. Frauen* sind aufgrund ihrer traditionellen gesellschaftlichen Rolle oft in einer schwächeren Position, arbeiten häufig in der Landwirtschaft und sind verantwortlich für die Wasserversorgung. Sie sind aber nicht nur Opfer. Da sie oft das Land bewirtschaften, sowie die Wasser- und Energieversorgung regeln, können sie, wenn es ihnen ermöglicht wird, auch mächtige Akteurinnen* für Veränderungen bei der Entwicklung von Anpassungs- und Abmilderungsstrategien in ihren Gemeinschaften sein.

 

Eine feministische Außenpolitik hilft die Rechte von Frauen* zu fördern und zu schützen, damit sie aktiv an der Entscheidungsfindung über Klimapolitik teilnehmen können. Außerdem achtet eine feministische Herangehensweise bei der Bekämpfung des Klimawandels darauf, die Ungleichheiten der derzeitigen patriarchalen Strukturen nicht zu verstärken, sondern aufzulösen.

 

Gendergerechtigkeit im sozialen Kontext 

Ebenso müssen soziale und kulturelle Rechte aus einer geschlechtergerechten Perspektive gedacht und in internationale Vereinbarungen integriert werden. Eine politische Beteiligung von Frauen* und Minderheiten muss als außen- und entwicklungspolitisches Ziel gelten. Eine Umsetzung kann durch fördernde Maßnahmen, wie Listenquoten, Wahlkampffinanzierung, und politische Bildung erfolgen. Des Weiteren ist eine Gewährleistung von reproduktiven Rechten auch mit traditionellen internationalen Partner*innen im Dialog konsequent und regelmäßig anzusprechen.

 

Eine feministische Außenpolitik mit und durch die Zivilgesellschaft umsetzen!

Eine Außenpolitik, die sich konsequent den Schutz der Rechte des Individuums zum Ziel setzt, kann und darf sich nicht in der Verordnung von oben nach unten erschöpfen. Parteien, Gewerkschaften und NGOs sind ebenso Teil der internationalen Beziehungen, wie staatliche Institutionen und Konzerne. Während letztere sich mehrheitlich der Schaffung wirtschaftlichen Wachstums verpflichtet sehen, sind es vor allem erstgenannte Akteur*innen, die sich um dessen gerechtere Gestaltung bemühen. In der Welt, in der wir leben, muss es aus sozialdemokratischer Perspektive klar sein, an wessen Seite wir stehen. Die gerechte Teilhabe an der Verteilung von Ressourcen, Rechtsgütern und Repräsentation, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Hautfarbe, ist unser erklärtes Ziel, welches ohne Partner*Innen vor Ort nicht nachhaltig erreicht werden kann. Die internationalen Beziehungen als eine geschlossene Gesellschaft von wenigen Privilegierten kann keine gerechte Politik für die Lebensgrundlage aller schaffen. Dem Aufbrechen dieser Strukturen sind wir zum Wohle aller verpflichtet.

 

In Konsequenz fordern wir die verpflichtende Beteiligung von lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen an politischen Planungsprozessen. Insbesondere in allen Bereichen, welche die Verteilung finanzieller Ressourcen, wie Subventionen oder Hilfsgeldern, zum Gegenstand haben. Ziel ist es vor allem Akteur*innen zu beteiligen, welche sich für Geschlechtergerechtigkeit, Nachhaltigkeitsaspekte und Arbeitsrechte einsetzen. Für Fragen der Projektförderung gilt diese Forderung mit der gleichen Dringlichkeit.

 

Feministische Außenpolitik von Innen nach Außen!

Um eine wirkliche Umsetzung dieser Ziele zu ermöglichen, darf die gendergerechte Perspektive nicht nur auf rein außenpolitische Themen beschränkt sein, sondern muss auch innerhalb von Ämtern und Institutionen praktiziert werden. Dafür bedarf es weiterhin der effektiven Schaffung von Strukturen, die dieser Aufgabe gewachsen sind. Behörden, Ministerien und Kommissionen sind hier gefordert ein aktives Genderbudgeting umzusetzen. Darunter verstehen wir nicht allein eine finanzielle Aufstockung der Mittel, sondern auch die Schaffung der notwendigen Personalstrukturen und einer funktionalen Verankerung dieser Prinzipien, beispielsweise in der Leistungsbewertung von Funktionsträger*innen.

 

Internationalismus und Feminismus auch in unserem Verband konsequent leben!

Es versteht sich von selbst, dass auch wir als Verband an die Einhaltung dieser Grundsätze gebunden sind. Das bedeutet zum einen, dass wir bei unseren internationalen Kooperationen und Delegationsreisen zu einer Geschlechter-ausgewogenen Besetzung unserer reisenden und leitenden Delegierten verpflichtet sind. Zum anderen haben wir auch den Anspruch, mit feministisch ausgerichteten Partner*innenorganisationen zusammenzuarbeiten, welche ebenfalls einen geschlechtergerechten Grundsatz in ihrer Zusammenstellung ermöglichen. Ebenso müssen zivilgesellschaftliche Nicht-Regierungsorganisationen, besonders die, die sich mit der Gendergerechtigkeit beschäftigen, verstärkt in Konfliktpräventions- und Bewältigungsprozessen integriert werden. Feminismus und Internationalismus bilden in diesem Sinne zwei Seiten derselben Medaille. Es muss daher unser Anspruch sein, internationale Partner*innen in entsprechende politische Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. Das betrifft sowohl die Ausarbeitung eigener Beschlüsse, sowie die Kritik der globalpolitischen Entscheidungen Dritter. Unserem Verband stehen über YES, IUSY und andere, diverse geeignete Instrumente der Vermittlung zur Verfügung, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

 

Unsere Funktionsträger*innen haben die Verantwortung die Einhaltung dieser Grundsätze von unseren Partner*innen konsequent einzufordern. Sollte sich die Umsetzung in bestimmten internationalen Kontexten als schwierig erweisen, liegt es an uns, mit Organisationen die einen feministischen Ansatz verfolgen, die Zusammenarbeit zu suchen, um eine geschlechterübergreifende Perspektive auf feministischen Grundsatz zu ermöglichen. 

 

Weiterleitung auch an den PES-Kongress

Antrag 175/I/2020 Digital Empowerment für geflüchtete Frauen!

30.09.2020

Die sozialdemokratischen Mitglieder im Abgeordnetenhaus und im Senat werden aufgefordert, sich im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit dafür einzusetzen, dass die Förderung des Projekts „Digital Empowerment“ mit zusätzlichen finanziellen Ressourcen aufgestockt wird, um die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen in Berlin bedarfsgerecht zu fördern.