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Antrag 259/II/2019 Digitale Infrastruktur als öffentliche Daseinsvorsorge begreifen!

23.09.2019

Die digitale Infrastruktur ist eine der Schlüsselinfrastrukturen unserer Zeit. Für die Digitalisierung und Transformation von Produktionsprozessen, das Internet der Dinge, Smart Cities, Dienstleistungsangebote im ländlichen Raum oder digitalen Medienkonsum sind funktions- und leistungsfähige Breitbandnetze die zwingende Voraussetzung. Dass öffentliche Daseinsvorsorge auch in öffentliche Hand gehört ist eine Grundüberzeugung der Sozialdemokratie. Wo sich jedoch in den Bereichen Krankenversorgung, Wasserversorgung, Stromnetze, ÖPNV oder Wohnen große öffentliche Debatten und Vorschläge wiederfinden, ist es im Bereich der digitalen Infrastruktur überraschend still. Nehmen wir die Wichtigkeit der digitalen Infrastruktur jedoch ernst, müssen wir auch diese als öffentliche Daseinsvorsorge begreifen. Der aktuelle, privat kontrollierte Zustand, ist nämlich desaströs.

 

Art. 87f (1) GG verpflichtet den Bund zur „flächendeckend angemessenen und ausreichenden“ Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Nach Art. 87f (2) GG sind diese Telekommunikationsdienstleistungen jedoch ausschließlich durch „privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen (Deutsche Telekom) und durch andere private Träger“ zu erbringen. Was ursprünglich die vermeintlichen Kräfte des freien Marktes aktivieren sollte, hat in der Realität jedoch verehrende Auswirkungen. Die Verlagerung der Telekommunikation in die private Domäne ist der Hauptgrund dafür, dass Deutschland trotz üppiger Bundesfördermittel von 4,5 Mrd. € im Breitbandausbau immer noch Entwicklungsland ist.

 

Es gibt zwei Fördermodi: sogenannte Wirtschaftlichkeitslückenförderung, und das sogenannte Betreiber*innenmodell. Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell bauen die Kommunen das Breitbandnetz nicht selbst aus. Stattdessen fließen die Fördermittel als Subventionen an private Telekommunikationsunternehmen. Rentiert es sich z.B. für ein Unternehmen nicht in den Breitbandausbau eines Dorfes mit 50 Einwohnern zu investieren, schließen die Fördermittel die Lücke, sodass es sich rentiert. Beim Betreiber*innenmodell baut die Kommune das Netz selbst, und verpachtet es anschließend für 20-30 Jahre an private Telekommunikationsunternehmen. Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fließen 75% der bewilligten Fördermittel in die Wirtschaftlichkeitslückenförderung. Anstatt öffentliche Infrastruktur zu schaffen, betreibt der Staat indirekte Unternehmenssubventionen.

 

Auch beim Betreiber*innenmodell eröffnet die grundgesetzlich geschützte Hoheitsposition privater Telekommunikationsunternehmen ihnen jedoch eine Vielzahl von Wegen den staatlichen Breitbandausbau zu verhindern oder zu sabotieren. Wenn eine Kommune ihr Breitbandnetz ausbauen möchte, stellt sie zunächst einen Antrag auf Förderung. Wird dieser bewilligt, können die privaten Telekommunikationsunternehmen innerhalb von 6 Wochen während der sogenannten „Markterkundungsphase“ ein Veto einlegen, falls sie, nach Eigenaussage, in den nächsten drei Jahren im ausgeschriebenen Gebiet selbst bauen möchten. Geschieht dies, darf die Kommune nicht bauen. Oft legen Private Veto ein, nur um nachträglich Gründe anzugeben, warum sie in den nächsten drei Jahren doch nicht bauen können. Außerdem wissen die Kommunen gar nicht verlässlich, in welchen Gebieten denn überhaupt bereits Breitband liegt. Das Breitbandnetz der privaten Telekommunikationsunternehmen zählt nämlich als Geschäftsgeheimnis. Oft melden sich die privaten Telekommunikationsunternehmen erst während des Ausschreibungsprozesses für den Bau und geben an, dass sie in Teilen der ausgeschriebenen Gebiete bereits Breitband verlegt haben. Geschieht dies, ist die Ausschreibung fehlerhaft und der Verwaltungsprozess muss von Null gestartet werden.

 

Selbst wenn die privaten Telekommunikationsunternehmen kein Veto einlegen, und im ausgeschriebenen Gebiet kein Breitband von ihnen liegt, binden sie vielerorts Baufirmen per Exklusivverträgen an sich. Selbst wenn Baukapazitäten existieren, was in der aktuellen Hochkonjunkturphase der Baubranche ohnehin eine Seltenheit ist, können diese deshalb oft von den Kommunen nicht abgerufen werden.

 

Besonders problematisch ist das Geschäftsgebaren der Deutschen Telekom, die den Kommunen Steine in den Weg legt. Durch die Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde die Telekom alleinige Inhaberin der Teilnehmeranschlussleitungen (TAL). Dieses, umgangssprachlich auch als „Letzte Meile“ bezeichnetes, Netzsegment verbindet die Vermittlungsstellen, welche grundsätzlich allen Internet Service Providern (ISPs) offenstehen, mit den Hausanschlüssen der Kund*innen. In Deutschland existieren viele sehr leistungsfähige, überregionale IP-Netze (Backbones). Betreiber*innen sind sowohl privatwirtschaftliche Unternehmen, aber auch öffentlich-rechtlich oder genossenschaftliche Träger*innen (wie z. B. das Deutsche Forschungsnetz). Praktisch profitieren Privathaushalte von dieser Infrastruktur nicht, da die TAL stets von der Telekom gemietet werden muss. Zudem ist die Zugangstechnik oft veraltet, es kommen i. d. R. die eigentlich nur für Telefonie konzipierten doppeladrigen Kupferleitungen zum Einsatz. Da die Deutsche Telekom auf neu gebaute TAL, die auf moderne Glasfasertechnik setzen (FTTC, FTTH) kein Monopol hätte, wird der Ausbau durch sie aktiv ausgebremst.

 

Wir fordern die Streichung von Art. 87f (2) GG. Damit wäre Telekommunikation im Sinne von Art. 87f (1) GG wieder als Hoheitsaufgabe des Bundes definiert.

 

Wir fordern die Re-Vergesellschaftung der „letzten Meile“. Der Ausbau und die Bereitstellung der TALs soll wieder Aufgabe des Staates werden. Dazu sind die entsprechenden Verwaltungseinheiten und Netzsegmente der Deutschen Telekom, sowie der TAL-Infrastruktur aller anderen ISPs zu vergesellschaften. Die Endpunkte sind niedrigschwellig an ISPs bereit zu stellen. Zur finanziellen Einbindung auch in den Ausbau schlagen wir langfristig eine genossenschaftliche Organisationsform vor. Als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge genießen alle Bürger*innen ein Grundrecht auf Bereitstellung einer breitbandigen TAL für ihren Haushalt. Der Ausbau hat grundsätzlich auf Basis von Glasfasertechnik zu erfolgen.

 

Wir fordern die Vergesellschaftung der Breitbandinfrastruktur weiterer privater Telekommunikationsunternehmen in jenen Gebieten, in denen sie die einzigen Anbieter*innen und Besitzer*innen von Breitbandleitungen sind. Die erworbenen Netze sind in das Netz der re-vergesellschaftlichten Telekom zu integrieren. So werden existierende regionale Monopolpositionen von privaten Telekommunikationsunternehmen aufgebrochen, und die ineffiziente parallele Verlegung mehrerer Netze vermieden.

 

Wir fordern, dass die Bundesmittel zur Breitbandförderung nur noch im sogenannten Betreiber*innenmodell ausgeschüttet werden. Öffentliche Steuermittel sollen zur Schaffung öffentlicher Infrastruktur ausgegeben werden, nicht als indirekte Unternehmenssubventionen.

Antrag 247/II/2019 Mobilität für Berlin – solidarisch, gerecht, nachhaltig

23.09.2019

Die wachsende Stadt Berlin stellt die Bürger*innen nicht nur beim Thema Mieten und Wohnen vor neue Herausforderungen. Auch im täglichen Verkehr zeigt sich, dass der Platz begrenzt ist und die Nutzer*innenzahlen ansteigen. Die Folge sind verstopfte Straßen, steigende Emissionen, überfüllte Busse und Bahnen sowie Nutzungskonflikte, die derzeit zu oft zugunsten des motorisierten Verkehrs gelöst werden. Aktuell sind jedoch alle Träger*innen des ÖPNV in Berlin am Limit. Jahrelanger Sparkurs zeigt in der wachsenden Stadt seine bitteren Auswirkungen: Volle Bahnen und Busse, Verspätungen sowie Ausfälle sind eher die Regel als die Ausnahme sowie verkürzte Bahnen aufgrund von Fahrzeug- und Personalmangel. Die seit Jahren steigenden Zahlen der erwerbstätigen Berliner*innen und Pendler*innen wirken sich auf diesen im besonders stark aus. Schon das Umsteigen vieler Fahrradfahrer*innen auf die öffentlichen Verkehrsmittel in den Wintermonaten, stellt diesen vor weitere Herausforderungen. In der heutigen Situation ist es kaum vorstellbar, dass der Umstieg weiterer erheblicher Gruppen von Verkehrsteilnehmer*innen auf öffentliche Verkehrsmittel überhaupt tatsächlich möglich wäre geschweige denn ohne dramatische Qualitätseinbußen realisierbat wäre. Nur durch verdichtete Taktzeiten, den Ausbau des Streckennetzes sowie die Gestaltung des Straßennetzes mit Fokus auf emissionsfreie Verkehrsträger kann ein sozial und klimagerechte Mobilität in unserer Stadt ermöglicht werden. Gleichzeitig kommt der Ausbau der Fahrradinfrastruktur weniger schnell als erhofft voran. Neue grüne Farbe schafft noch keinen sicheren Verkehrsraum für Fahrradfahrer*innen.

 

Unsere Vision für Berlin ist klar: Wir streben langfristig einen emmissionsfreien Verkehr in dieser Stadt und die bestmögliche Zurückdrängung des motorisierten Indidivualverkehrs aus der Innenstadt an. Wir möchten, dass die Berliner*innen so flächendeckend wie möglich auf Fahrrad und ÖPNV umsteigen und sie sich den öffentlichen Straßenraum zurückholen und diesen gestalten. Dabei ist unser Ansatz, vorgelagert Alternativen zu schaffen, welche die Mobilität in dieser Stadt allen Menschen ermöglichen und zu erhalten, bevor zu Verbotsinstrumenten gegriffen wird.

 

Die Diskussion um die zukünftige Mobilität in der Stadt wird derzeit viel zu oft verkürzt mit pauschalen Verbotsforderungen erstickt. Umfassende Einschränkungen des motorisierten Individualverkehrs ohne klimafreundliche, alternative Angebote halten wir für sozial unverträglich. Dies gilt insbesondere, wenn man die Stadt aus der Perspektive älterer und in der Mobilität eingeschränkter Menschen betrachtet. Aber auch Berliner*innen, die nicht im Innenstadtbezirken leben und täglich weite Strecken zurücklegen müssen, sind unter den jetzigen Gegebenheiten im Sinne einer ordnungsgemäßen Organisation ihres Alltags oftmals noch auf motorisierten Individualverkehr angewiesen. Auch nehmen  mobile Pflegedienste oder der Lieferverkehr im täglichen Leben dieser Stadt eine Sonderrolle ein und könnten ohne PKW-Verkehr nicht adäquat ersetzt werden. Um den motorisierten Individualverkehr wirksam zu verringern braucht es daher vor allem neue Anreize und Impulse, um auf den ÖPNV oder nicht-motorisierten Individualverkehr umzusteigen. Nur dadurch lässt sich die Zahl der PKWs auf Berlins Straßen gerecht und nachhaltig reduzieren.

 

Der ÖPNV in Berlin muss sich dringend und zwingend an die wachsende Stadt anpassen. Dazu gehört auch eine konsequente Erschließung der Randbezirke. Wir können die Mobilität von Bürger*innen, die vielfach aus den Innenstadtbezirken aufgrund von Mietsteigerungen wegziehen mussten, nicht privaten Dienstleister*innen überlassen, welche je nach Profitstreben, Sharinggebiete erweitern oder reduzieren. Die Stadt Berlin mit ihrem landeseigenen Unternehmen BVG ist in der Pflicht, die Mobilität in gleichwertiger Weise in allen Stadtbezirken sicherzustellen. Die Ausbaupläne für das Streckennetz des ÖPNV dürfen nicht mit Denkverboten angegangen werden. Die Fokussierung auf einzelne Verkehrsträger*innen ist der falsche Ansatz. Vielmehr braucht es einen langfristigen Ansatz, der neben Nachhaltigkeitsaspekte auch die weiter steigenden Nutzer*innenzahlen in den Blick nimmt. Die in dieser Diskussion regelmäßig reflexartig vorgebrachten Finanzierungsvorbehalte gegenüber einzelnen Verkehrsträgern halten wir für wenig zielführend.

 

Für einen so grundlegend neuen Ansatz von Mobilität muss viel investiert werden. Wir müssen Regelungen finden, wie wir für den Aus- und Neubau von ÖPNV, Fahrradschnellstraßen und Anpassungen der Straßenbreite zusätzliche Mittel generieren können.

 

Daher fordern wir:

– den konsequenten Streckenausbau bei U- und S-Bahn sowie Tram, der sowohl sinnvolle Lückenschlüsse im bestehenden Netz, Streckenverlängerungen als auch den vollständigen Neubau von Strecken, vor allem in bisher noch nicht erschlossenen Bezirken, vorsieht.

– den flächendeckenden barrierefreien Ausbau von U-, S-Bahn- und Tramstationen, um auch Menschen mit Kinderwägen, Rollstuhl und anderen Mobilitätseinschränkungen einen Umstieg auf den ÖPNV zu erleichtern

– die Erhöhung der Taktung bei der U- und S-Bahn mit dem Ziel eines 90 Sekunden-Takts nach dem Beispiel Moskaus

– den Aufbau von neuen Werkstattkapazitäten bei der BVG für Bus und U-Bahn, um zeitnah einen verlässlicheren Einsatz der Fahrzeuge und Wagen zu gewährleisten

– Ausbau von Fernbahnhöfen als zusätzlichen Anreiz, auch bei längeren Reisen auf klimafreundlichere Varianten umzusteigen

– politische Initiativen auf Landes-, Bundes- und Europaebene, um im extremen Bedarfsfall für den Fuhrpark des ÖPNV das Ausschreibungsverfahren zu verkürzen

– eine neue Ausbildungsoffensive bei der BVG, damit auch in der Zukunft ausreichend sowie gut ausgebildete Kolleginnen und Kollegen die Mobilität in Berlin sicherstellen

– den ambitionierten Ausbau der Fahrradinfrastruktur in Form von geschützten Radwegen, Radschnellwegen und Radparkhäusern an zentalen Bahnhöfen

– die  Erlaubnis für Radfahrer*innen, auch dann unter besonderer Vorsicht an Kreuzungen rechts abzubiegen, wenn die Verkehrsampel rot zeigt

– den Ausbau von Park + Ride Möglichkeiten am Stadtrand innerhalb des Tarifgebiets B / alternativ die Ausweitung des Tarifgebiets B auf ausgewählte Bahnhöfe im Unland mit Park + Ride Möglichkeit

– Anreize zur Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung von PKW mit mehreren Personen. Dies kann etwa durch die Freigabe von Spuren nur für PKW mit mehr als einer Person erfolgen

– Verpflichtende Ausweitung von Sharing-Angeboten auf das gesamte Stadtgebiet

Antrag 258/II/2019 Wem gehören Berlins Gehwege? Den Sharing-Trend in die richtigen Bahnen lenken!

23.09.2019

Ein gegenwärtiger Blick auf den öffentlichen Raum in der Stadt zeigt: Berliner*innen teilen den Gehweg nicht nur miteinander, sondern mit Cafétischen, Stromzapfsäulen und seit Neustem auch mit Sharing-Fahrrädern, E-Tretrollern sowie E-Motorrollern.

Wie viele Mietfahrräder, E-Tret- und -motorroller in der Hauptstadt auf Gehwegen, Plätzen, Parks und Straßen stehen, ist nicht bekannt. Allein bei den Mietfahrrädern wird von ca. 30.000 ausgegangen. Zum ohnehin maroden Zustand der Gehwege, kommt die stetig wachsende Zahl neuer Verkehrsmittel hinzu und führt vielerorts zu chaotischen und gefährlichen Zuständen: Neben hochstehenden Bodenplatten, nicht abgesenkten Bordsteinkanten und Cafétischen, stehen Mietfahrräder, Elektrotret- und -motorroller wild auf den Gehwegen und versperren zusätzlich Kinderwägen und Rollstühlen den Weg. Für Menschen mit beeinträchtigter Sicht oder Sehbehinderung sind sie gefährliche Hindernisse und Stolperfallen. Defekte Mietfahrräder und Elektrotretroller liegen achtlos umher. Ein neuer Nutzungskonflikt auf Berlins Gehwegen ist entstanden.

Diese Situation auf den Gehwegen steht sinnbildlich für den Wandel und Versuch neue Formen der Mobilität zu erschließen. Ausgangspunkt für die verschärfte Situation auf den Gehwegen ist die veränderte Situation auf den Straßen. Die Zunahme an Fahrzeugen bei gleichzeitig kaum erfolgter Anpassung der Infrastruktur erhöht den Druck auf die Gehwege. Es lässt sich festhalten, dass der Mobilitätswandel auf den Straßen auf Kosten des öffentlichen Raums und der Allgemeinheit vorangetrieben wird.

Wir verstehen den Gehweg als Teil des öffentlichen Raums und des Gemeinwohls. Wir verneinen die Kapitalisierung des öffentlichen Raums.

Ein Gehweg ist ein Straßenabschnitt, der einzig für den Fußverkehr vorgesehen ist. Er wird dem öffentlichen Raum zugeordnet, ist somit für alle öffentlich zugänglich und dient dem Gemeingebrauch. In Berlin umfasst der öffentliche Raum 892 Quadratkilometer. Dabei beträgt die Gehwegfläche 34,6 Quadratkilometer. Für uns ist klar: kein Profit mit dem öffentlichen Raum und zu Lasten der Allgemeinheit!

Sharing-Economy? Schlecht geteilt!

„Sharing-Economy“, zu Deutsch „die Wirtschaft des Teilens“, ist die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, durch Teilen, Tauschen, Leihen, Mieten oder Schenken. Der Grundgedanke dieser Wirtschaftsform geht von der Prämisse aus, Güter nicht mehr selbst zu ihrem*seinem Eigentum zählen zu müssen und die meiste Zeit ungenutzt bleiben. Stattdessen sollen sie je nach Bedarf jederzeit zur Dauer der Nutzung ausgeliehen werden können. Zur Sharing-Economy gehören Konsumformen wie Online-Plattformen, Apps, Unterkünfte, Transportmittel wie zum Beispiel das Auto, Fahrrad, Tret- und Motorroller sowie finanzielle Dienstleistungen wie Crowdfunding.

Was auf den ersten Blick eine bessere Alternative zum vorherrschenden Kapitalismus zu sein scheint, ist jedoch aus sozialistischer und nachhaltiger Perspektive weitaus kritischer zu betrachten. Die Schattenseiten der Sharing-Economy haben mit unserer Utopie der Gesellschaft der Freien und Gleichen nur wenig zu tun:

Statt der öffentlichen Hand, wird das Eigentum der Sharing-Angebote wie beispielsweise Sharing-Fahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller hauptsächlich von Privatpersonen und Interessensgruppen bereitgestellt. Diese betreiben ihr Geschäftsmodell ausschließlich mit einem hohen Gewinninteresse und Profitdruck im öffentlichen Raum. Darüber hinaus erhalten nicht alle Berliner*innen den gleichen Zugang zu den Sharing-Angeboten. In der Innenstadt ist die Dichte der Sharing-Angebote größer als in anderen Teilen Berlins. Zudem sind die Angebote ausschließlich per Smartphone und meist nur unter Verwendung einer Kreditkarte nutzbar.

Des Weiteren müssen die Beschäftigungsformen der Sharing-Economy kritisch betrachtet werden: Jeden Abend sammeln vermeintlich Selbstständige die E-Fahrzeuge von den Gehwegen ein, um sie Zuhause zu laden und anschließend wieder an vorgegebenen Plätzen abzustellen. Für Kleinstbeträge transportieren diese Menschen mit eigenen Fahrzeugen eine begrenzte Zahl von Tretrollern und hängen sie in der eigenen Wohnung an ihr privates Stromnetz an. Hier wird der Kapitalismus auf den Kopf gestellt: die Arbeiter*innen müssen ihr eigenes Kapital einsetzen, um die Aufträge des Sharing-Unternehmens auszuführen. Oftmals bleibt dabei nicht einmal der Mindestlohn übrig. Von Sozialversicherung und langfristigen Jobperspektiven ganz zu schweigen. Für uns ist klar – hier wird schlecht geteilt: Arbeit, Risiko, prekäre Beschäftigung und Ressourceneinsatz bei den Arbeiter*innen, Profite bei den Unternehmen.

Bei jeder Fahrt erheben zudem Sharing-Anbieter Daten ihrer Nutzer*innen. Die Benutzung der Mietfahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller erfolgt hauptsächlich über Smartphone-Apps. Durch die Smartphone-App können die Sharing-Betreibenden auf den Standort der*des jeweiligen Konsumentin*Konsumenten zurückzugreifen. Mit den erlangten Informationen werden Bewegungsprofile erstellt, Werbebotschaften geschaltet und die Daten der Verbraucher*innen vermarktet. Für uns ist klar: kein Handel mit Verbraucher*innendaten! Das europäische Datenschutzrecht muss eingehalten werden – dies gilt auch für Sharing-Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union!

Daher fordern wir die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz auf:

– eine Bestandsaufnahme zur Ermittlung der aktuell im Land Berlin stehenden Sharing-Fahrräder, Elektrotret- und Elektromotorroller sowie die Anzahl der Sharing-Anbieter durchzuführen. Die Bestandsaufnahme soll zum Ende des I. Quartals 2020 veröffentlicht und gleichzeitig dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Beratung bereitgestellt werden.

– ein Konzept zu Stellplätzen für Sharing-Fahrräder, E-Tretroller sowie E-Motorroller zu erarbeiten und einzuführen. Hierzu sollen bereits bestehende Fahrradstellplätze deutlich ausgebaut und Autoparkplätze im öffentlichen Raum zu Stellplätzen für Fahrräder, E-Tretroller und E-Motorroller umgewandelt werden.

– die errichteten Stellplätze an Sharing-Unternehmen kostenpflichtig zu vermieten,

– in Berlin begrenzte Free-Floating Flotten zu erlauben. Die genaue Begrenzung der sogenannten Free-Floating Flotten soll aus der Bestandsaufnahme resultieren. Hierbei soll von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz eine empfohlene Anzahl an Sharing-Fahrrädern, E-Tretrollern und E-Motorrollern auf den öffentlichen Gehwegen für die spontane Nutzung zur Verfügung stehen. Nach ihrer Verwendung kann diese begrenzte Anzahl wieder auf den Gehwegen abgestellt werden. Alle  darüber hinausgehenden Sharing-Angebote müssen bei den eigens errichteten Stellplätzen abgestellt werden.

– das Bußgeld für ungeordnetes Abstellen zu erhöhen.

– Unerlaubt abgestellte bzw. den Gehweg versperrende E-Tret- und –motorroller, Fahrräder dürfen vom Land Berlin eingesammelt und verwahrt werden. Für das Einsammeln und Verwahren der Sharing-Fahrzeuge müssen die Sharingunternehmen täglich ein von der Senatsverwaltung festgelegtes Bußgeld zahlen. Weitere Maßnahmen sollen von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Absprache mit der Senatsverwaltung für Finanzen und dem Rat der Bürgermeister*innen erarbeitet werden,

– weitere  Parkverbotszonen in Berlin zu errichten. Wir begrüßen die Einführung von Parkverbotszonen am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte. Gleichwohl fordern wir die berlinweite Einführung von Parkverbotszonen an Mahnmalen und Sehenswürdigkeiten.

– die Sharing-Dienste zu verpflichten das Angebot in ganz Berlin gleichermaßen zu verteilen. Hier muss die Berliner Sozialdemokratie eingreifen: Allen Berliner*innen muss der gleiche Zugang zu gemeinschaftlichen Fortbewegungsmitteln gewährleistet werden!

– auch in der Sharing-Economy Gute Arbeit zu gewährleisten: kein Mindestlohndumping, keine Scheinselbständigkeit!

Langfristig streben wir an, den Verleih von Fortbewegungsmitteln in die öffentlichen Hand zu geben. So profitiert das Gemeinwohl von den Sharing-Angeboten – nicht rein profitorientierte Unternehmen.

 

Antrag 273/II/2019 Klimanotstand für Berlin ausrufen!

23.09.2019

Wir fordern, dass die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats sich dafür einsetzen, den Klimanotstand auszurufen und damit die Klimakrise und ihre Folgen als Probleme von höchster Priorität anzuerkennen.

Dadurch soll bei allen Entscheidungen des Abgeordnetenhauses und des Senats die Auswirkungen auf das Klima bedachtund Lösungen bevorzugt werden, die sich positiv auf den Klimaschutz auswirken und die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit berücksichtigen. Politische Entscheidungen sollen demnach auf Grundlage der Ergebnisse des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) geschlossen werden.

Seit dem Unterzeichnen des Pariser Klimaschutzabkommens 2016 ist wenig Praktisches geschehen, um eine Erwärmung des Planeten um 1,5 Grad Celsius zu verhindern, obwohl wir über die Folgen eines derartigen Temperaturanstieges informiert und uns der Auswirkungen für unser Leben bewusst sind. Noch können wir etwas daran ändern, dies muss aber schnell und konsequent geschehen. Es geht darum auch den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu überlassen. Deswegen protestieren Organisationen und Bewegungen wie Fridays For Future für eine Klimapolitik, die ihren Namen auch verdient, deswegen opfern Schüler*innen regelmäßig die Schulzeit, denn für welche Zukunft sollen sie lernen, wenn wir ihnen diese Zukunft nehmen? Mit ihnen müssen wir uns solidarisch zeigen.

Die Zeit des Abwägens ist vorbei, wir müssen jetzt handeln.

Eine engagierte und progressive Klimapolitik ist zutiefst solidarisch und sozialdemokratisch.

 

Antrag 280/II/2019 Bleibt auf dem Boden – Gegen Vielfliegerei im öffentlichen Dienst

23.09.2019

Die „Klimakrise“ ist eine reale Bedrohung für unsere Erde, ihre Bewältigung eine der Hauptaufgaben des 21. Jahrhunderts. Der Klimawandel bedroht die Stabilität der Ökosysteme unseres Planeten und stellt für Millionen von Menschen eine existenzielle Bedrohung dar. Laut IPCC hat sich die Erde seit Beginn der Industrialisierung um ca. ein Grad Celsius erwärmt, das klingt wenig, hat jedoch katastrophale Auswirkungen auf unsere Umwelt.

 

Seit Monaten gehen junge Menschen und Wissenschaftler*innen auf die Straße, streiken, um ein Umdenken zu bewirken und angemessene politische Maßnahmen zu befördern. Über 27.000 Wissenschaftler*innen allein im deutschsprachigen Raum warnen vor den wissenschaftlich messbaren Folgen des Klimawandels und unterstützen darum Bewegungen, wie „Fridays For Future“.

 

Der Klimawandel wird wesentlich von Treibhausgasen und dem Ausstoß von Kohlendioxid vorangetrieben. Gerade Flugreisen belasten die Umwelt ungemein, dennoch sind sie nach wie vor billiger als Zugreisen und werden von vielen öffentlichen Einrichtungen bevorzugt finanziert. Ein zweistündiger Flug (ca. 268kg CO²) stößt dabei ca. 53,6mal mehr CO² aus, als eine fünfstündige Zugfahrt (ca. 3kg CO²). In einem ersten Schritt sollten öffentliche Einrichtungen ihre Dienstreisepraxis überdenken und Züge vor Flügen finanzieren. Dies ist noch nicht gängige Praxis!

 

In Fällen, in welchen sich Flugreisen nicht vermeiden lassen, können Kompensationszahlungen ein Weg sein, der Umwelt etwas zurückzugeben, auch wenn gar nicht fliegen der zu bevorzugende Weg sein sollte. Das Beispiel der Universität Hamburg belegt, dass Kompensationszahlungen rechtlich möglich und mit sehr geringem bürokratischem Aufwand umsetzbar sind. Das Kompensieren soll hierbei keineswegs als Entschuldigung oder Rechtfertigung für vermehrtes Fliegen betrachtet werden, auch wenn es den Eindruck einer Art „Ablasshandel“ erwecken kann. Es müssen weiterhin umweltfreundliche Alternativen zur aktuellen Reisepraxis gesucht und gefunden werden. Eine Kompensationszahlung ist aber dennoch ein guter Weg, vermeintlich nicht zu vermeidende Flugreisen in geringem Grad auszugleichen.

 

Wir fordern, dass Berliner Einrichtungen und Unternehmen  in öffentlicher Hand, sowie Verwaltungen Maßnahmen ergreifen, die zu einer entscheidenden Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid beitragen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Entwicklung von Maßnahmen zur Veränderung des Reiseverhaltens:

 

Dienstreisen, die eine Reisezeit von fünf Stunden mit dem Zug nicht unterschreiten, dürfen nur in begründeten Ausnahmefällen mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, dies gilt auch dann, wenn das Flugzeug das kostengünstigste Verkehrsmittel ist.

 

Für die mit dem Flugzeug durchgeführten Dienstreisen muss eine Kompensation der durch das Fliegen entstandenen Emissionen entrichtet werden. Diese Kompensationen müssen dabei durch die jeweilige Leitung getragen werden und dürfen nicht zu Lasten der reisenden Person gehen. Die Zahlungen sollen Klimaschutzprojekten zugutekommen, deren Klimaschutzwirkung bereits vorab in angemessener Weise zu überprüfen ist. Die Höhe der zu leistenden Kompensationszahlung richtet sich nach der jeweiligen Reiseentfernung und wird im Rahmen der Reisekostenabrechnung festgelegt.

 

Anfahrtswege zu Langstreckenflügen, die abseits der Berliner Flughäfen starten (z.B. Frankfurt am Main, München etc.), sollen nach Möglichkeit mit der Bahn als sog. „Zubringer“ zurückgelegt werden.

 

In allen öffentlichen Unternehmen und Verwaltungen soll die Möglichkeit gegeben werden, in den entsprechenden Gebäuden, sofern nicht bereits vorhanden, eine Hard- und Softwareausstattung für Videokonferenzen zu implementieren. Die jeweilige Einrichtung gewährleistet eine Schulung in der Nutzung der neuen Anlage. Ziel einer solchen Ausstattung ist es, vom jeweiligen Standort aus die standortübergreifende Kommunikation reiseunabhängiger zu gestalten.

 

Eine umweltverträgliche Verkehrspolitik bedarf einer genauen empirischen Kenntnis des dienstlichen Reiseverhaltens der Angehörigen öffentlicher Einrichtungen. Der Senat wird aufgefordert, eine jährliche Dokumentation über die Dienstreisen der Mitglieder der Berliner Verwaltungseinheiten zu erstellen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Dokumentation soll dabei u.a. folgende Dimensionen berücksichtigen:

 

  • Art des benutzten Verkehrsmittels (Bahn, Bus, Auto, Flugzeug etc.)
  • Ziel der Reise (konkreter Ort, Einteilung in Inland, innereuropäisches und außereuropäisches Ausland)
  • Durchschnittliche Fahrt- und Aufenthaltsdauer
  • Durchschnittliche Kosten
  • Bei Flugreisen eine Angabe darüber, ob „business“ oder „economy“ geflogen wurde
  • Zuordnung der reisenden Person zu ihrer jeweiligen Statusgruppe
  • Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geht es bei der Erfassung dieser Daten nicht um eine Auflistung der Flüge einzelner Personen, sondern um Aggregatsdaten.

 

Der Senat wird aufgefordert, das Ziel der Kohlendioxidreduktion bei allen zukünftigen Vertragsabschlüssen zu berücksichtigen.

 

Der Senat wird aufgefordert, sich bei allen Vertragspartner*innen für eine Reform der Dienstreisepraxis einzusetzen. Dies gilt insbesondere für solche Dienstreisen, die in Zusammenhang mit Aufträgen des Landes Berlin stehen. Für solche Dienstreisen sollten die Punkte 1. und 2. Anwendung finden.

 

Bei allen Maßnahmen sollen individuelle Bedürfnisse unterschiedlicher Personengruppen, bspw. Menschen mit körperlichen Einschränkungen, berücksichtigt werden.

 

Darüber hinaus sollen Konzepte entwickelt werden, die Maßnahmen zur Reduktion des Stromverbrauchs, energetische Sanierungen der Gebäude, ein umweltfreundliches Ernährungsangebot in den öffentlichen Mensen, und städtische Begrünungsmaßnahmen prüfen.