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Antrag 184/I/2024 Kein Einfallstor für Bespitzelung und Rassismus durch den Paragraphen 129 zur Bildung einer kriminellen Vereinigung

21.04.2024

In letzter Zeit nimmt die öffentliche Debatte um den §129 Strafgesetzbuch zu. Besonders umstritten ist die Anwendung des Paragraphen auf die sogenannte “Letzte Generation”. Auch im Kontext der Verurteilung von Lina E. spielt der Paragraph eine zentrale Rolle, der seitens der Bundesanwaltschaft angeführt wurde, um u.a. die lange Untersuchungshaft gegen Lina E. zu rechtfertigen und auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat neuerdings Pläne mit dem Paragraphen.

 

Dieser Paragraph besagt, dass die Gründung oder Mitgliedschaft einer Vereinigung unter Strafe gestellt wird, deren Ziel es ist Straftaten zu begehen. Diese Straftaten müssen dabei mit mindestens zwei Jahren Haft bestraft werden können, das sind Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl. Schon das Planen der entsprechenden Straftaten kann mit fünf Jahren Haft geahndet werden, wenn sie innerhalb einer „Kriminellen Vereinigung“ geschehen. Weiterhin ist der Begriff der “Vereinigung” definiert, diese muss auf längere Dauer angelegt sein, eine klare Struktur und Rollenverteilung bzw. Hierarchie aufweisen und die Mitglieder müssen sich einem übergeordneten Ziel verpflichtet fühlen. Eine Besonderheit des Paragraphen ist es, dass bereits der Verdacht ausreichend ist, um die Verdächtigen konspirativ zu überwachen. Das heißt, dass grundrechtsverletzende Maßnahmen, wie die Überwachung von Privatwohnungen, Telekommunikationen usw. eingesetzt werden dürfen. Das ist ein Grund, warum der §129 auch als „Gesinnungsparagraph“ bezeichnet wird, der genutzt wird, um über eine Bewegung oder Szene Informationen nach dem “Was man hat, hat man”-Prinzip zu gewinnen.

 

Dies geschah jahrelang bei den Ultras des Vereins “Chemie Leipzig” die jahrelang mit eigentlich grundgesetzwidrigen Mitteln überwacht wurden – und es am Ende nie zu einer Verdachtsbestätigung kam. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Webseite “linksunten.indymedia”. Auch gegen die Betreiber dieser Webseite wurde fast fünf Jahre u.a. wegen §129 StGB ermittelt – am Ende kam es auch hier nicht zu einer entsprechenden Verurteilung. Auch die sog. “Letzte Generation” wurde mit diesen Mitteln überwacht, auch als der Verdacht nicht rechtlich bestätigt war. Im Gegenteil: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat sogar einen Beschluss gefällt, dass die “Letzte Generation” keine kriminelle Vereinigung sei, was die Justizsenatorin Badenberg nochmal aus politischen Gründen überprüfen ließ. Solche politischen Eingriffe in Ermittlungen, die sich auf diesen Paragraphen beziehen, sind nicht überraschend, sondern zeigen vielmehr die politische Dimension des Paragraphens. Relevant ist hier, dass auch die bloße Unterstützung einer solchen Vereinigung nach §129 strafbar ist. Dies hat das Potential, Unterstützung für die “Letzte Generation” und auch Solidaritätsbekundungen mit Lina E. zu kriminalisieren. Im Falle der sogenannten “Letzten Generation” wurde dies deutlich, als die Bayerischen Ermittlungsbehörden einen entsprechenden Hinweis auf die mögliche Strafbarkeit der Unterstützung auf die beschlagnahmte Webseite der “Letzten Generation” schalteten.

 

Bis zu der Reform des Paragraphen 2017 galt, dass von einer kriminellen Vereinigung eine “erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit” ausgehen müsse, dies betraf Strafen, die mindestens mit fünf Jahren, nicht wie heute mit zwei Jahren Haft bestraft wurden.

 

Die „Letzte Generation“ wurde wegen des Strafbestands der “Nötigung” verfolgt, eine Tat, die “nur” mit einem Haftrahmen von bis zu drei Jahren verfolgt wird, ein Bagatelldelikt, aber keine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit”. Sich darauf zu stützen, dass die Vergehen eine gefühlte Bedrohung darstellen, das lehnen wir ab!

 

Durch die geringen Hürden zu einer „Kriminellen Vereinigung“ erklärt zu werden, ist der Paragraph uferlos geworden. Unserem liberalen Rechtsstaat steht es nicht gut zu Gesicht, wenn seine Paragraphen zu stark Auslegungssache sind, im Gegenteil, sie müssen engmaschig und eindeutig sein.

 

Nicht, dass das nicht schon schlimm genug wäre, nun plant Innenministerin Nancy Faeser noch eine Reform des Paragraphen zur Bekämpfung von „Clankriminalität“. Das ideologische Ziel der Vereinigungen soll nun wegfallen auch Wirtschaftskriminalität soll nun als ausreichend angesehen werden, wenn Angehörige eines angeblichen „Clans“ in einer solchen „Vereinigung“ Mitglied sind, dann sollen sie abgeschoben werden, ohne Verurteilung. Wie man in den bisherigen Fällen gesehen hat, reichen schon Chat-Nachrichten um solch einer Vereinigung anzugehören. Diesen schwammigen Kriterien nach sollen Menschen ohne Verurteilung nun also abgeschoben werden, nur weil sie einer Familie angehören, weil sie den falschen Nachnamen tragen. Diese restriktive und rassistische Politik lehnen wir ab.

 

Wir fordern eine Reform der § 129 ff. Strafgesetzbuch unter Berücksichtigung folgender Punkte:

  • 129 ist als Grundtatbestand neuzufassen und auf die Begehung von Straftaten mittlerer Kriminalität zu beziehen. Bagatelldelikte der leichten Kriminalität sind dabei grundsätzlich auszuschließen. Die Mindeststrafe für strafbestandserfüllende Taten soll bei mindestens fünf Jahren liegen (ohne die Erhöhung der Strafe, die durch das Begehen in einer Vereinigung miteinhergeht)
  • Es sind konkrete Vorgaben für die Organisation, Planung und Struktur einer Vereinigung zu entwickeln.
  • Die Strafandrohung (die mögliche Strafe) des § 129 neuer Fassung ist herabzusetzen.
  • Schwere Eingriffe in Grundrechte durch intensive Ermittlungsmaßnahmen, wie das Abhören von Kommunikation, dürfen nicht länger auf einem bloßen Verdacht der Gründung oder Beteiligung einer kriminellen Vereinigung beruhen. Dafür darf der Paragraph nicht mehr als sogenannte Katalogtat geführt werden.
  • Für schwerkriminelle Vereinigungen, die auf die Begehung schwerwiegender Taten organisierter Kriminalität wie Mord, Totschlag, Schutzgelderpressungen oder Geldwäsche gerichtet sind, soll ein eigener Straftatbestand (Qualifikation) geschaffen werden.
  • Von kriminellen wie terroristischen Vereinigungen muss eine erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen.
  • Eine Reform wie von Nancy Faeser eingebracht ist abzulehnen

 

Antrag 185/I/2024 Sogenannte “Clankriminalität” aus den Köpfen streichen - für einen antirassistischen Kampf gegen organisierte Kriminalität

21.04.2024

Wo wir stehen

Immer wieder machen auch SPD-Politiker*innen Öffentlichkeitsarbeit mit Forderungen, härter gegen sogenannte “Clans” vorzugehen. Zuletzt heizte Nancy Faeser die öffentliche Debatte durch einen Vorstoß ihres Bundesinnenministeriums an, Angehörige von “Clans” auch dann abzuschieben, wenn diese selbst keine Straftaten begangen haben. Stimmen, die sich kritisch mit dem Begriff auseinandersetzen, sind in der deutschen Öffentlichkeit rar. Unsere Gesellschaft ist geprägt durch eine weiße Mehrheit, die für die strukturelle und institutionalisierte Unterdrückung von BIPoC verantwortlich ist. Diese Unterdrückung und das Bedürfnis von Kontrolle von BIPoC-Communities manifestiert sich insbesondere in dem Verhältnis von Staatsgewalt zu nicht-weißen Communities. Das ist für Betroffene deshalb besonders einschneidend, weil es die freie Persönlichkeitsentfaltung massiv einschränkt sowie Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie untergräbt. Daher muss unser antirassistischer Kampf in besonderem Maße an staatlichen Strukturen ansetzen, die Rassismus manifestieren und reproduzieren. Wir streben an, ebendiese Strukturen aufzubrechen und Awarenessarbeit in der weißen Mehrheitsgesellschaft über vorherrschende Diskriminierungsformen zu leisten.

 

Dabei ist für uns klar: Die Polizeiarbeit mit nicht-weißen Communities muss sich radikal ändern. Konzepte der sogenannten „Gefahrenabwehr“, die auf rassistischen und stigmatisierenden Vorurteilen beruhen, müssen der Vergangenheit angehören.

 

99 Problems mit sog. “Clankriminalität”

Eines der rassistischen Konzepte, welches oftmals von Bundeskriminalamt (BKA) und diversen Landeskriminalämtern, sowie in der innenpolitischen Debatte (auch von SPD-Politiker*innen) verwendet wird, ist das sogenannte Konzept der „Clankriminalität“. Im Bundeslagebild OK 2021 definiert BKA Clan dabei als „eine informelle soziale Organisation, die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist. Sie zeichnet sich insbesondere durch eine hierarchische Struktur, ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl und ein gemeinsames Normen- und Werteverständnis aus.”

 

Diese Definition ist aus vielen Gründen problematisch. weil in ihr selbst ein rassistisches Weltbild inhärent ist. Während frühere Lageberichte noch von dem Begriff “Ethnie” sprachen, hat man sich zwar wegen vielfach geübter Kritik an dem Ethnizitätskonstrukt hiervon entfernt, aber auch “Abstammungsverhältnis” legt das rassistische Weltbild offen, das dem Verständnis der sogenannten Clankriminalität inhärent ist. Sie kontrastiert die angeblich gesellschaftlich abgeschotteten, implizit nicht-weißen, kriminellen “Ausländer” mit den weißen Deutschen und ihrer homogenen, erstrebenswerten Ordnung.  Das lässt sich schon daran festmachen, dass offensichtlich auch Täter*innengruppen existieren, die ein „gemeinsames deutsches Abstammungsverständnis“ haben und auch ansonsten die BKA-Clan-Definition erfüllen, aber nicht gemeint sind. Es ist auch deshalb grotesk, da etwa die Hälfte der im Lagebericht des BKA aus dem Jahre 2021 genannten Täter*innen die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

 

Zudem ist das Konzept rechtsstaatlich problematisch, weil damit eine Klammer um verschiedenste Straftaten gebildet wird, die diese nur deshalb in einen Zusammenhang setzt, weil der*die Beschuldigte nicht weiß ist und eine von der weißen Mehrheit abweichende kulturelle Prägung hat.  Neben diesen Bedenken ist die Klammerwirkung der “Clankriminalität” auch deshalb problematisch, weil der Begriff damit konturlos wird: Falschparken kann genauso Grund für die Einstufung als “Clankriminalität” gelten wie ein Mord. Gleichzeitig impliziert das Konzept mit dieser Klammerwirkung der Einwanderungsfamilie einer*eines Beschuldigten, dass bestimmte kulturelle Prägungen eine besondere Nähe zu Kriminalität aufweisen. Die Behauptung, dass es “Gruppen mit gemeinsamem Abstammungsverhältnis” gebe, deren Kriminalitätsneigung im Vergleich zur deutschen Mehrheitsgesellschaft per se gesteigert sei, ist vielfach wissenschaftlich widerlegt und steht in der Tradition der “Rassenforschung”. Praktisch fördert dieses Verständnis Racial Profiling massiv. Ein solch rassistisches Verständnis von Gesellschaft und die dem Konzept zugrundeliegende Ethnisierung von Kriminalität lehnen wir entschieden ab.

 

Eine weitere Ebene, die in innenpolitischen Debatten um sog. “Clankriminalität” oft ausgespart wird, ist die individuelle. Mitglieder bestimmter Familien mit bekannten Nachnamen werden durch die rassistischen Zuschreibungen zu ihrem Familiennamen in nahezu allen Bereichen des (öffentlichen) Lebens diskriminiert. Die pauschale gesellschaftliche Ausgrenzung, die ihnen widerfährt, wäre zu kritisieren, selbst wenn eine Mehrheit der Familienmitglieder kriminell wäre. Die Realität ist aber, dass die große Mehrheit der Familienmitglieder mit kriminellen Strukturen nichts zu tun hat bzw. selbst nie straffällig wird. Die Erwartung ihrer Straffälligkeit begleitet sie aber oft das ganze Leben. Kindern aus entsprechenden Familien wird laut Betroffenenberichten oftmals schon in der Schule eine zukünftige kriminelle Karriere bescheinigt. Das führt bei den betroffenen Schüler*innen oft zu Demotivation, schlechten schulischen Leistungen, starker sozialer Isolation und einem Mangel an Möglichkeiten, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten. Beim Einstieg in das Berufsleben haben es junge Menschen mit Nachnamen angeblicher arabischer “Clans” ebenfalls ungleich schwerer: Oft finden sie keine*n Arbeitgeber*in, der*die sie aus Angst um fälschlicherweise vorverurteilten kriminelle Hintergründe nicht einstellen will. Auf dem Mietmarkt, der Mieter*innen auf Wohnungssuche in urbanen Ballungsräumen ohnehin schon verzweifeln lässt, haben Menschen mit bekannten Nachnamen kaum eine Chance und sind oft gezwungen, ihre Kieze zu verlassen. All diese Formen gesellschaftlicher Diskriminierung und sozialer Isolation führen oft dazu, dass Mitglieder entsprechender Familien das Gefühl haben, sich in allen Bereichen des Lebens nur aufeinander und ihre Familienstrukturen verlassen zu können.

 

Der wahre Grund für Kriminalität: Staatliches Versagen

Die politische und gesellschaftliche Debatte zum Thema der sog. “Clankriminalität” lässt oft aus, was der wahre Grund dafür ist, dass es hohe Kriminalitätsraten unter Familien gibt, die in den 1980er Jahren infolge des libanesischen Bürgerkriegs nach Deutschland geflohen sind. Viele dieser Menschen sind als staatenlose arabische und palästinensische Geflüchtete nach Deutschland gekommen und waren jahrzehntelang in Kettenduldungen gefangen. Sie bekamen keine Arbeitserlaubnis, was es ihnen kaum möglich machte, in dieser Gesellschaft anzukommen und Fuß zu fassen. Die Kinder aus diesen Einwanderer*innenfamilien waren nicht schulpflichtig. Kurzum war dem deutschen Staat daran gelegen, dass sie hier gerade kein neues Zuhause fanden. Der Gedanke hinter der nicht vorhandenen Integrationspolitik war, dass sie nach dem Krieg im besten Fall schnellstmöglich wieder gehen sollten und bis dahin war dem deutschen Staat egal, was mit ihnen passierte. Derselbe deutsche Staat, dem also massive Versäumnisse im Umgang mit den Geflüchteten aus dem libanesischen Bürgerkrieg anzulasten sind, veranstaltet Razzien in Shishabars, moniert Parallelgesellschaften, entwickelt pauschalisierende Konzepte um sog. Clankriminalität zu bekämpfen, statt sich dem eigenen Versagen kritisch auseinanderzusetzen. Auch die Sozialdemokratie geht an dieser Stelle nicht reflektiert genug vor, betont die Repression gegen sog. Clans, statt den Fokus auf Prävention, aufsuchende Sozialarbeit und eine veränderte Polizeiarbeit zu legen

 

Diesen Umgang mit Kriminalität lehnen wir ab. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass wir organisierte Kriminalität und patriarchalisch hierarchische Strukturen tolerieren. Diese müssen auch aus antirassistischer und feministischer Grundhaltung bekämpft werden, richtet sie sich doch überproportional oft gegen nicht-weißen Communities und FINTA-Personen, also gesellschaftlich ohnehin schon marginalisierte Gruppen. Die unter dem Stichwort der “Clankriminalität” geführten Verkehrsdelikte oder Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz helfen für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität jedoch nicht weiter.

 

Moderne Innenpolitik geht mit links

Wir stehen ein für eine moderne Innenpolitik, die organisierte Kriminalität bekämpft, ohne in Rassismen zu verfallen. Dafür brauchen wir aufsuchende Polizeiarbeit, die mit den Communities auf Augenhöhe kooperiert, statt sie als Feind*innen dieser Gesellschaft zu sehen. Reaktionäre Impulse im Umgang mit BIPoC und Kriminalität müssen insbesondere in der SPD der Vergangenheit angehören. Eine alternative Herangehensweise bietet hierbei das Konzept des Community Policings. Hierbei ist das Agieren der Polizei- und Sicherheitsbehörden auf enge und nachhaltige Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen der Kommune bzw. des Kiezes ausgerichtet. Lokalen Behörden interagieren dabei mit der Öffentlichkeit und entwickeln gemeinsam Strategien zur Verringerung von Kriminalität. Traditionell wird es von den lokalen Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, die sich in erster Linie mit der Prävention und Lösung von Sicherheitsproblemen befassen, welche sich sichtbar auf das tägliche Leben der Bürger*innen vor Ort auswirken und das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen können.

 

Wir fordern daher:

  • das Konzept der Clankriminalität in der behördlichen und polizeilichen Arbeit aufzugeben und durch Konzepte der Banden- und der Organisierten Kriminalität bzw. der Netzwerk-Kriminalität zu ersetzen,
  • Die Erhöhung der Mittel für aufsuchende Sozialarbeit für Menschen aus Einwander*innenfamilien,
  • das Konzept des Community Policings flächendeckend zu implementieren

 

Antrag 140/I/2024 Lehren aus der Krankenhausbewegung - Neuanfang in der medizinischen Versorgung gemeinwohlorientiert gestalten

21.04.2024

Das Gesundheitswesen zeigt, was passiert, wenn Bereiche der Daseinsvorsorge kapitalistischer Ausbeutung unterworfen werden. Nicht erst seit der Coronapandemie stehen alle Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und Patient*innen unter dem enormen Druck der finanziellen Grundsätze des Gesundheitswesens, welches Profitmaximierung über menschliches Wohlergehen stellt. Die geplante Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält weiterhin an den kapitalistischen Grundsätzen des jetzigen Systems fest und kann uns deshalb nicht zufriedenstellen.

 

Hinzu kommt die Krankenhausbewegung, die gerade von uns als Arbeiter*innenpartei unterstützt werden muss. Hierbei geht es unter anderem um bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne sowohl für medizinisches Personal, als auch für andere Angestellte im Gesundheitswesen (Reinigungskräfte, Essensversorger*innen, Laborant*innen, etc) und zuletzt auch in Studium und Ausbildung. Die Folgen der Überlastung der im Gesundheitswesen Beschäftigten und des Gesundheitssystems sind spätestens seit dem „Schwarzbuch Krankenhaus“, ein kollektives Netzwerk, das Erfahrungsberichte aus dem Arbeitsalltag im Gesundheitssystem sammelt, die zumeist erschreckend negativ ausfallen, für jeden nachlesbar und unterstreichen die Dringlichkeit von Veränderung.

 

Da das Ziel eines nicht-profitorientierten Gesundheitssystems jedoch noch in der Ferne liegt, müssen wir Lösungen für die aktuell konkreten Probleme des medizinischen Personals erarbeiten und uns auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für flächendeckende Tarifbindung und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

 

Auch Ärzt*innen haben ein Recht auf eine Work-Life-Balance!

Unbezahlte Überstunden, unfaire, auf ein oder wenige Jahre befristete Verträge und die daraus resultierende nicht existente Work-Life-Balance sind längst der Normfall für Ärzt*innen außerhalb von Leitungspositionen. Dazu kommt: Wer nicht täglich länger bleibt hat weniger Chancen auf beruflichen Aufstieg.

 

Durch Regelungen wie das Opt-Out, mit dem es möglich ist, die wöchentliche Arbeitszeit von Ärzt*innen auf 60h/Woche zu erhöhen, wird der Beruf zur Belastung. Offiziell ist das Unterschreiben dieses Vertrages freiwillig, doch viele Arbeitgeber*innen drängen dazu. Dadurch wird sowohl die Gesundheit der Patient*innen durch verringerte Konzentrationsfähigkeit der Ärzt*innen, als auch die Gesundheit der Ärzt*innen selbst aufs Spiel gesetzt. Der Streik im letzten Jahr hat zu einer Tarifeinigung zwischen Marburger Bund (der größten Ärzt*innengewerkschaft) und der Charité geführt. Dabei gab es zumindest Teilerfolge bspw. wurden die sogenannten Kombidienste verboten – eine Kombination aus normalem Dienst, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst.

 

Auch wenn es mittlerweile mehr Regelungen gibt, berichten Mediziner*innen, dass sich einige Kliniken noch nicht einmal an die jetzt schon eher dürftigen Regeln halten und selbst die ordentliche Dokumentation der Arbeitszeiten verhindern. Regeln müssen durchgesetzt werden! Dafür braucht es regelmäßige, qualitativ hochwertige Kontrollen, auch und gerade bzgl. einer richtigen Dokumentation der realen Arbeitszeiten.

 

Der Trend geht verstärkt zu mehr Leistung in immer weniger Zeit, die Patient*innendichte nimmt zu, die Anzahl der Ärzt*innen ab und die Dienste selbst werden immer arbeitsintensiver. Für die mentale und physische Gesundheit ist es jedoch unerlässlich, richtige Ruhezeiten zu haben. In vielen Gesundheitszentren ist es bei den aktuellen Zuständen und dem hohen Patien*innenaufkommen aber schlichtweg nicht möglich, einfach mal Pause zu machen oder die (wenn überhaupt geregelten) Pausenzeiten einzuhalten. Durch die profitorientierte Denkweise leiden viele Beschäftigte im Gesundheitssektor an Burn-Out und Überlastungssymptomen und müssen ihren Job aufgeben – Ein Verlust, den man sich angesichts des Fachkräftemangels und der Überlastung der Gesundheitssysteme nicht leisten kann. Ärzt*innen haben zudem ein 50% höheres Risiko, an Suizid zu versterben. Bei Ärztinnen ist dieses Risiko verglichen mit der weiblichen Allgemeinbevölkerung sogar vervierfacht. Auch andere psychische Erkrankungen, wie bspw. Suchterkrankungen, Burnout und Überlastungsreaktionen sind im medizinischen Sektor häufiger als anderswo. Hier muss präventiv mit Angeboten entgegengewirkt werden und auch hier würde eine regelmäßige Auszeit vom Beruf helfen.

 

Daher fordern wir:

  • Eine gesetzliche Regelung zur Abschaffung der Opt-Out-Regel bzw. Regelungen, die nicht gültige Mehrarbeit möglich machen
  • Eine Pflicht der Erbringung von Arbeitszeitnachweisen von Ärzt*innen durch die Kliniken und eine geregelte Kontrolle dieser
  • Ein Ausbau der Gesundheitsprogramme für alle Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen, die aktiv die körperliche und mentale Gesundheit fördern und so verhindern, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz kaputt gehen
  • Die Einführung einer Arbeitsgruppe beim Zoll, die ihren Fokus auf die Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsrecht im Krankenhaus legt
  • Die Anpassung des § 118 BetrVG muss vorgenommen werden

 

Die Sonderstellung kirchlicher Träger*innen beenden!

Im Kampf für mehr Tarifbindung und bessere Konditionen für Arbeitnehmer*innen in den Tarifverträgen stellen sich kirchliche Träger*innen wie die Diakonie oder die Caritas oft quer. Das Staatskirchenrecht sichert kirchlichen Institutionen und Träger*innen eine Sonderrolle zu. Hierbei darf der Staat in bestimmte Bereiche kirchlicher Selbstbestimmung – wie z.B. das Arbeits- und Dienstrecht, die Regelung über Mitgliedschaften oder die Ordnung der Finanzen – nicht eingreifen. Das führt dazu, dass Menschen durch Dienstvorschriften diskriminiert oder durch schlechte Konditionen gegenüber Mitarbeitenden in anderen Bereichen der Pflege schlechter gestellt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels und bei einem Flickenteppich aus Arbeitgeber*innen und Arbeitgeber*innenverbänden kann diese Sonderstellung der Kirchen nicht hingenommen werden.

 

Wir fordern:

  • die Anpassung von Art. 140 GG dahingehend, dass kirchliches Recht nicht vor staatlichem stehen darf
  • eine Überarbeitung und Neuformulierung des Staatskirchenrechts unter besonderer Berücksichtigung der Rechte von Arbeitnehmer*innen, die für kirchliche Träger*innen arbeiten.
  • die Veränderung der Tariftreueregelung in der ambulanten und vollstationären Pflege dahingehend, dass die regional üblichen Entgeltniveaus abgeschafft werden, die AVR Diakonie und Caritas nicht als relevanter Tarifvertrag geführt wird und der Tarifvertrag öffentlicher Dienst immer angeboten werden muss
  • Außerdem bekräftigen wir unsere Forderung, dass Gesundheit zur öffentlichen Daseinsvorsorge und in öffentliche Hand gehört.

 

Antrag 243/I/2024 Eine neue TRAM-Linie für Marzahn-Hellersdorf – Blumberger Damm und Clean-Tech-Business-Park sinnvoll erschließen

21.04.2024

Die Fraktionen der SPD in der BVV Marzahn-Hellersdorf und im Abgeordnetenhaus von Berlin sollen sich dafür einsetzen, dass eine neue TRAM-Linie im Bezirk zwischen U-Bahnhof Elsterwerdaer Platz, dem Blumberger Damm mit Anschluss an das Unfallkrankenhaus Berlin, dem Knotenpunkt Landsberger Allee, der Wuhletalstraße, der Wolfener Straße mit Anschluss an den Clean-Tech-Business-Park, dem S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße und den Lückenschluss zur Jan-Petersen-Straße geprüft wird. Bei Bedarfsfeststellung soll die neue Linie in das laufende Investitionsprogramm Berlin aufgenommen werden.

 

Antrag 78/I/2024 Das Berliner Lern- und Teamhaus unter pädagogischen Aspekten evaluieren

21.04.2024

Die Mitglieder der Fraktion der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Mitglieder im Berliner Senat setzen sich dafür ein, dass es eine langfristige Evaluation des Berliner Lern- und Teamhauses unter Berücksichtigung pädagogischer Aspekte geben wird. Die Schwerpunkte der Evaluation sollen die Wirksamkeit des Berliner Lern- und Teamhauses bei Inklusion und Ganztag, die Arbeitsbedingungen des Pädagogischen Personals, die Vorbereitung auf das Arbeiten im Berliner Lern- und Teamhaus im Rahmen der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung sowie die Zweckmäßigkeit der Funktionszusammenhänge sein. Insbesondere sollen auch die Grundannahmen eines freien Lernens im Hinblick auf Ablenkbarkeit und Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler (gläserne Wände, Lautstärke), Stress des freien, eigenverantwortlichen Lernens ggf. schon in unteren Klassenstufen sowie die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Familien sowie mit Migrations- bzw. Fluchthintergrund in den Blick genommen werden.

 

Die Evaluation soll die Perspektive der Nutzenden einnehmen und nicht von vornherein einer Reduktion pädagogischer Flächen dienen.

 

Das Berliner Lern- und Teamhaus stellt einen grundlegenden pädagogischen Paradigmenwechsel dar. Daher soll die Evaluation wissenschaftlich begleitet und öffentlich sowie parlamentarisch breit diskutiert werden.