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Antrag 133/II/2018 Für zusätzliche Unisexumkleidekabinen & Unisexduschen bei den Berliner Bäder-Betrieben – Badespaß kennt kein Geschlecht!

11.10.2018

Die Berliner Bäder-Betriebe sind der größte Bäderbetreiber Europas. Jährlich besuchen ungefähr 7 Millionen Menschen die Bäder der BBB. Umso mehr wird es Zeit für die BBB sich für alle Menschen zugänglicher zu machen. Was hierzu noch fehlt? Unisexumkleidekabinen und Duschen.

 

In den meisten Berliner Bädern gibt es Frauen- und Herrenumkleiden, sowie Duschen. Das Umziehen vor dem Schwimmen ist sehr intim und alle Menschen sollten sich dabei wohlfühlen. Nicht in allen Bädern sind abschließbare Umkleidekabinen für Einzelne vorhanden, was notwendigerweise dazu führt, dass sich alle zusammen umziehen. Doch gerade das stellt für viele Menschen eine Hürde da: Nicht nur für Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen, oder Trans*menschen, die unschlüssig sind, ob sie sich in der Umkleidekabine ihres „biologischen Geschlechts“ umziehen wollen oder des Geschlechtes, dessen sie sich zuordnen, ist das ein Problem. Dieser Missstand betrifft auch Menschen mit einer Behinderung und einer Begleitperson, die anderen Geschlechtes ist und Elternteile, die mit ihren Kindern Schwimmen gehen wollen und Kindern verschiedenen Geschlechts haben.

 

Die Schaffung von Unisexumkleidekabinen und Unisexduschen muss nicht zwingend einen Umbau von den Bädern bedeuten. In vielen Bädern sind die Umkleidekabinen nie voll ausgelastet, so dass immer mehrere Umkleidegänge geschlossen sind. Es wäre ein Leichtes, diese zu öffnen und als Unisexkabinen zu deklarieren. Die verursachten Kosten hierbei belaufen sich auf das anzubringende Schild. In einigen Bädern gibt es ebenso jeweils Frauen- und Mädchenduschen, genauso wie Jungen- und Herrenduschen. Meistens ist mindestens einer dieser Duschräume ungenutzt. Wie bei den Kabinen wäre hier eine Umsetzung schon durch eine neue Beschilderung gewährleistet. In Bädern, die jeweils nur einen Duschraum für Frauen und Männer haben, muss über eine alternative Lösung nachgedacht werden.

 

Bei jedweder Umbaumaßnahme und Umwidmung müssen jedoch weiterhin Schutzräume – insbesondere für Frauen* – gewährleistet werden.

 

Wir Jusos Berlin halten fest: Badespaß darf nicht vom Geschlecht abhängen, sondern muss für Alle möglich sein.

 

Daher fordern wir den Senat auf sich einzusetzen für:

  • Die Schaffung von zusätzlichen Unisexumkleidekabinen in allen Bädern der Berliner Bäder Betriebe
  • Die Schaffung von Unisexsduschen in allen Bädern der Berliner Bäderbetriebe ggf. durch Anbau weiterer Duschen.
  • in den Unisexduschen/Umkleidekabinen dürfen ausschließlich Einzelkabinen vorhanden sein

 

Beim Neubau oder bei Sanierungen von Bädern der Berliner Bäder Betriebe sollen sowohl Unisexumkleiden als auch Unisexduschen in die Planung miteinbezogen werden.

Antrag 142/II/2018 Freiwillige Feuerwehr stärken

11.10.2018

Das Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr (FF) bietet für viele Menschen einen Ort zur Selbstverwirklichung und zur Gestaltung der Gesellschaft und spielt außerdem eine große Rolle für gesellschaftliche Solidarität. In der Jugendfeuerwehr als Untergruppe der Freiwilligen Feuerwehr werden Jugendlichen wichtige Werte für das Zusammenleben vermittelt. Dieses Engagement muss wertgeschätzt werden.

 

Laut Berliner Feuerwehrgesetz besteht die Berliner Feuerwehr aus Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr. Die Freiwillige Feuerwehr hat daher für die öffentliche Sicherheit in Berlin den gleichen Auftrag wie die Berufsfeuerwehr. Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr müssen vor ihrem ersten Einsatz daher eine 230-stündige Qualifizierung absolvieren, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt abgeschlossen sein muss. Dennoch tragen die Ehrenamtlichen einen maßgeblichen Anteil an der zivilen Sicherheit Berlins mit insgesamt 454.143 Einsätzen im Jahr 2016.

 

Nicht erst seit diesem Jahr stehen die personal- und finanzwirtschaftlichen Mängel der Berliner Feuerwehr im Fokus. Wie aus einer Schriftlichen Anfrage an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hervorgeht, beträgt der Investitionsstau allein beim Fuhrpark der Berliner Feuerwehr 160 Millionen Euro. Die fehlenden Finanzmittel sind vor allem eine Folge der Sparpolitik der letzten Jahre.

 

Missstände wie den Fahrzeugmangel der Berufsfeuerwehr bekommt die Freiwillige Feuerwehr direkt zu spüren, weil dann Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr der Berufsfeuerwehr zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Einsatzbereitschaft einiger Wachen der Freiwilligen Feuerwehr ist deshalb bereits nicht gegeben oder gefährdet.

 

In der Gesellschaft genießt die Feuerwehr einen hohen Stellenwert. Dennoch nimmt das Engagement in den Jugendfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren stetig ab. Des Weiteren werden häufiger tätliche Übergriffe auf Rettungskräfte registriert. Eine Werbe- und Imagekampagne für das freiwillige Engagement in der Feuerwehr mit dem Hintergrund der Sicherung des städtischen Lebens soll einerseits Respekt und Achtung für die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr in der Gesellschaft schaffen und im Idealfall die Eintrittszahlen in die Freiwilligen Feuerwehren erhöhen.

 

Forderungen

Um die Arbeit der Feuerwehr und die Tätigkeit der Ehrenamtlichen zu erleichtern fordern wir:

1)           Eine ausgiebige Fahrzeugausschreibung und -beschaffung von mindestens 50 Fahrzeugen für den Typ LHF, sowie die Prüfung zur Anmietung von Einsatzfahrzeugen zur Überbrückung bis zum Eintreffen der beschafften Fahrzeuge

2)           Eine Bezuschussung der Fördervereine der freiwilligen Feuerwehren Berlins mit mindestens 5€ pro Monat pro Freiwilliger*m aus öffentlicher Hand

3)           Die Erhöhung des SIWANA-IV-Investitionsrahmens für die bauliche Sanierung von Feuerwehrgebäuden mit Fokus auf Umkleide- und Sanitärbereiche

4)           Eine Imagekampagne für die Jugendfeuerwehr und Freiwilligen Feuerwehr durch die 28 Senatsverwaltung für Inneres und Sport

 

Die Berliner Feuerwehr hat laut Jahresbericht 2016 etwa 191 Löschfahrzeuge im Fuhrpark, davon ein Großteil sogenannte Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuge (LHF). Aufgrund seiner vielseitigen Ausstattung ist das LHF das Allroundfahrzeug der Feuerwehr und wird bei Notrufen zu unterschiedlichsten Einsätzen alarmiert. Da in Berlin stets der „First Responder“, also das nahegelegenste einsatzbereite Fahrzeug, zu einem Notruf fährt, ist das LHF und seine Besatzung auch bei Rettungsdiensten tätig und unterstützt den Notärzt*innen- oder Rettungswagen vor oder nach dem Eintreffen. Im Jahr 2016 wurde das LHF insgesamt 72.132 Mal alarmiert und ist somit nach dem Rettungswagen und dem Notärzt*inneneinsatzwagen das am dritthäufigsten ausrückende Fahrzeug der Feuerwehr.

 

Nach aktueller Aussage des Landesfeuerwehrverbandes haben 80% der 108 einsatzfähigen LHF die vorgesehene Nutzungsdauer von 14 Jahren deutlich überschritten. Zur weiteren Sicherstellung der zeitnahen Versorgung der Bevölkerung bei Notrufen ist jetzt eine Investition in die Zukunft erforderlich. Die Beschaffung von mindestens 50 LHF neuer Bauart bedeutet bei Fahrzeugpreisen von 700k-1Mio Euro eine Zusatzinvestition von maximal 50Mio Euro. Um die Zeit zu überbrücken, die die Ausschreibung der Fahrzeuge und Bereitstellung durch den*die Hersteller*in in Anspruch nimmt, muss die Möglichkeit einer Anmietung von Leihfahrzeugen ähnlicher Bauart in Betracht gezogen werden.

 

Die Freiwilligen Feuerwehren Berlins haben zur Aufrechterhaltung des täglichen Betriebs und zur Anschaffung kleinerer Werkzeuge gemeinnützige Fördervereine gebildet, in denen die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren Mitglied sind. Da tendenziell jede Wache über einen eigenen Förderverein verfügt, gibt es in Berlin 57 Fördervereine der Freiwilligen Feuerwehren. Über einen jährlichen Beitragssatz und private Spenden werden die Ausstattung der Wache und die Bereitstellung von Speisen und Getränken auf der Wache sichergestellt. Aufgrund der behördenähnlichen Struktur der Freiwilligen Feuerwehren dürfen diese kein eigenes Kapital verwalten und haben in den Fördervereinen die Möglichkeit, kurzfristige Anschaffungen zu finanzieren. Die Bezuschussung der gemeinnützigen Fördervereine aus Mitteln der öffentlichen Hand ist rechtlich möglich, da die Fördervereine allgemeine Interessen der Stadt und ihrer Einwohner*innenschaft wahrnehmen. Eine Bezuschussung der Fördervereine aus öffentlicher Hand entlastet die Freiwilligen Feuerwehren finanziell und gibt den Feuerwehrangehörigen einen weiteren Spielraum bei der Ausstattung ihrer Wachen und Fahrzeuge.

 

Die bisher an die Feuerwehrangehörigen gezahlte Aufwandsentschädigung von 3,5 €/h soll durch eine Zahlung von 5 €/Monat pro Feuerwehrangehöriger*m an den Förderverein ergänzt werden. Diese zusätzliche Förderung wird nicht den Feuerwehrangehörigen ausgezahlt, sondern dient dem Förderverein für die Ausgaben der Wache. Die Höhe der monatlichen Förderpauschale soll zukünftig mit allen relevanten Partner*innen im Dialog evaluiert und ggf. angepasst werden.

 

Die Wachen der Feuerwehr befinden sich oft in stark sanierungsbedürftigem Zustand. Hierbei unterscheiden sich Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr kaum. Häufig stehen Umkleide- und Sanitärbereiche in keinem Verhältnis zu den wahrzunehmenden Aufgaben der Feuerwehrangehörigen. Wer nach einem Einsatz in der Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst auf die Wache zurückkehrt, benötigt Zeit für sich und Ruhe. Die zur Verfügung gestellten Umkleiden gewährleisten dies nicht. Die auf den Feuerwachen eingebauten Duschen vermitteln einen klaustrophobischen Eindruck und sind nicht dafür geeignet, einen zurückliegenden Einsatz verarbeiten zu können. Dazu kommt häufig, dass für alle Einsatzbeteiligten (mindestens 6 Feuerwehrangehörige auf einem Einsatzwagen) nur eine einzige Dusche zur Verfügung steht. Solche Zustände sind für die psychologischen Belastungen, denen Feuerwehrangehörige in Ihren täglichen Einsätzen ausgesetzt sind, nicht angemessen. Deshalb fordern wir, dass die Finanzmittel für die baulichen Maßnahmen deutlich erhöht werden und bei den Sanierungsmaßnahmen vorrangig für adäquate Sanitärbereiche eingesetzt werden. Im Jahr 2016 lagen die Investitionen für die Sanierung von Feuerwehrgebäuden bei lediglich 10Mio Euro.

Antrag 198/II/2018 Das Teilhabechancengesetz – den sozialen Arbeitsmarkt nachhaltig gestalten!

11.10.2018

Seit über zehn Jahren arbeitet unser Sozialstaat nunmehr nach dem politischen Mantra „Fördern und Fordern“. Das Handeln der Bundesagentur für Arbeit an sich basiert weiter auf dem Prinzip der „Produkteinsatzlogik“, wodurch jeder Mitteleinsatz durch einen betriebswirtschaftlichen Nettogewinn gerechtfertigt sein muss. Das Wohl der Menschen, die in dem geschaffenen sog. Hartz-System stecken, wird damit einem wirtschaftlichen Kalkül untergeordnet. Damit ist dieses System in seiner Gesamtheit abzulehnen und muss von Grund auf reformiert werden.

 

Auf dem Weg zur Reformierung unseres Sozialstaates werden jedoch auch Instrumente vorgestellt, die sich zwar immer noch in der skizzierten „Hartz-Logik“ bewegen, jedoch mehr als zuvor das Wohl der Betroffenen in den Vordergrund rücken. In diesem Sinne ist der sozialdemokratische Vorstoß zur Bekämpfung und präventiven Vorbeugung von Langzeitarbeitslosigkeit durch das neue Teilhabechancengesetz zu begrüßen.

 

Insgesamt entfaltet sich das neue Förderinstrumentarium in Form einer Übernahme des Arbeitsentgelts für Menschen über 25 Jahre, welche entweder seit 7 bzw. 2 Jahren im SGB II – Bezug sind. Intendierte Zielsetzung ist die nachhaltige Integration von Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit in den 1. Arbeitsmarkt. Zugleich könnten sich durch das staatliche Handeln negative sozioökonomische Risiken realisieren, wodurch der intendierte positive Effekt des Gesetzes gemindert werden könnte.

 

Folgende Maßnahmen sind hierdurch erforderlich:

  • Der Einsatz dieses Förderinstrumentes muss auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen. Menschen, mit Förderanspruch, sollen entscheidende Mitsprache haben, ob das Instrument Anwendung findet bzw. mit welcher Arbeitsstelle ein gefördertes Arbeitsverhältnis eingegangen wird. Zugleich darf es keinerlei Sanktionierung geben, wenn die Maßnahme einseitig oder beidseitig vorzeitig beendet wird. Niemand darf gezwungen sein, sich der Verwertungslogik, in der marktwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse in der Regel organisiert werden, zu unterwerfen. Aus unserer sozialistischen Tradition heraus hat Arbeit einen hohen Stellenwert für soziale Teilhabe und gesellschaftliches Mitwirken. Menschen sollte deswegen die Möglichkeit gegeben werden, durch Arbeit ein Gefühl der Selbstverwirklichung zu erhalten. Allerdings müssen wir anerkennen, dass nicht alle diese Form der vergüteten täglichen Betätigung nachgehen wollen oder können. Alle die dazu nicht in der Lage sind, sollten auch nicht dazu gezwungen werden.
  • Um eine Verdrängung bestehender Arbeitsplätze zu verhindern, sollen die Beiräte der Jobcenter mitentscheiden, welche Beschäftigungen gefördert werden und welche nicht. Die Prinzipien der Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität haben sich in der Praxis als zu große Hürden entpuppt und dazu geführt, dass viele der geförderten Tätigkeiten nicht den gesellschaftlichen Nutzen erbracht haben, der für eine wirkliche soziale Teilhabe notwendig wäre. Entsprechende Maßnahmen sollen durch einen konzertierten Prozess unter Beteiligung von Gewerkschaften, Arbeitgeber*innenverbänden, Sozialverbänden und öffentliche Vertreter*innen festgelegt werden. Um eine Verdrängung bestehender Arbeitsplätze zu verhindern, sollen die Beiräte der Jobcenter mitentscheiden, welche Beschäftigungen gefördert werden und welche nicht.
  • Die Verknüpfung von Fördermaßnahmen an das Erreichen eines Lebensalters muss überwunden werden. Solidarität kennt kein Mindestalter und muss auch für Langzeitarbeitslose unter 25 Jahre gelten. Zudem gilt es zu prüfen, ob dieses Förderungsinstrumentarium bereits Menschen zugänglich gemacht werden sollte, die seit über 5 Jahren ALG II beziehen.
  • Die Förderung darf tarifliche Regelungen nicht unterlaufen bzw. dazu führen die Tariflandschaft mittel- bis langfristig zu schwächen. Daher müssen bei der Auswahl der Förderung, tarifliche Beschäftigungsverhältnisse stets nicht-tariflichen Beschäftigungen vorgezogen werden.
  • Die Definition Zielgruppe (SGB II-Leistungsbezug für mindestens 7 der letzten 8 Jahre) erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass potentielle Teilnehmende Schwierigkeiten haben, weitgehend „regulären“ Beschäftigungsverhältnissen nachgehen können – gerade vor dem Hintergrund, dass unter der Zielgruppe nahezu die Hälfte in den letzten 8 Jahren überhaupt nicht erwerbstätig war. Es ist deshalb umso wichtiger, die Teilnehmenden intensiv zu begleiten, um sie auf eine Eingliederung ins Erwerbsleben vorzubereiten. Dafür ist es wichtig, dass die geförderten Beschäftigten nicht nur bei freien Trägern „geparkt“ werden, um aus der Statistik rauszufallen, sondern, dass sie Tätigkeiten nachgehen, die möglichst nah am ungeförderten Erwerbsleben ist. Deswegen müssen Stellen auch in der Privatwirtschaft und bei öffentlichen Einrichtungen geschaffen werden. Wenn die Arbeitsmarktintegration sich als nicht realisierbar erweist, muss der Fokus auf sozialer Teilhabe der geförderten Beschäftigten liegen.
  • Kommunen muss die Möglichkeit gegeben werden, das Programm auf die lokalen Bedürfnisse anzupassen. Langzeitarbeitslosigkeit in Nürnberg ist anders beschaffen als in Gelsenkirchen. Dafür bedarf es einer Öffnungsklausel, die Kommunen erlaubt die Zielgruppe lokal anzupassen

 

Am 18. Juli 2018 wurde vom Bundeskabinett der Entwurf für das Teilhabechancengesetz verabschiedet. Im Detail wird durch die Übernahme des Arbeitsentgelts gegen anhaltende Arbeitslosigkeit vorgegangen und präventiv einer Verstetigung von Arbeitslosigkeit vorgebeugt.

Insgesamt bestehen zwei Fördergruppen. Zum einen gilt die Förderung Menschen, die über 25 Jahre alt und die seit über 7 Jahren im ALG II – Bezug sind. Für diese wird das Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohnes übernommen. Förderfähig sind hierbei nur sozialversicherungspflichtige Anstellungen bei privaten sowie öffentlichen Arbeitgebern. Die Gesamtförderung ist auf 5 Jahre ausgelegt, wobei in den ersten beiden Jahren der Förderung 100 % des Arbeitsentgelts übernommen und in den Jahren 3 bis 5 die Förderung sukzessiv um jeweils 10 % auf schließlich 70 % gemindert wird.

Zum anderen soll sich der präventive Charakter des Gesetzes durch die Förderfähigkeit von Menschen, die seit 2 Jahren im ALG-II Bezugskreis sind, entfalten. Die Förderung ist für diesen Kreis auf 2 Jahre ausgelegt, bei dem im ersten Jahr 75 % und im zweiten Jahr 50 % des Arbeitsentgelts übernommen wird. Zugleich besteht eine Nachbeschäftigungspflicht der Arbeitgeber*innen von 6 Monaten nach Beendigung der Förderung.

 

Die Vorteile dieses Gesetzes liegen auf der Hand:

  • Menschen sind wieder Teil des normalen Arbeitslebens
  • Sie erfahren Anerkennung für ihre Leistungen
  • Sie erhalten für die Dauer der Förderung mehr individuelle Planungssicherheit
  • Sie können im Arbeitsumfeld neue Fähigkeiten erwerben bzw. ihre bestehenden Fähigkeiten weiterentwickeln
  • Es besteht eine erhöhte Chance auf eine nachhaltige Integration in den 1. Arbeitsmarkt

 

Zugleich werden durch das neue Gesetz aber auch Risiken offenbar, die einer Nachjustierung des gesetzlichen Rahmens bedürfen:

  • staatliche Lohnsubventionen auf Niveau des Mindestlohns können zu einer Ausweitung der Beschäftigten im Niedriglohnsektor führen
  • eine uneingeschränkte Subventionierung auf Mindestlohnniveau könnte zu einem Konkurrenzdruck zwischen regulär Beschäftigten und geförderten Beschäftigten führen
  • Menschen werden möglicherweise unterhalb ihrer Qualifikation entlohnt
  • „Mitnahmeeffekte“ könnten erzeugt werden, ohne wirkliche zusätzliche Beschäftigung zu schaffen
  • Insgesamt könnten tarifliche Regelungen unter Druck geraten
  • eine sinkende Arbeitslosenquote führt möglicherweise zu einer statistischen Legitimation bestehender Arbeitsförderungsinstrumentarien und Verteilungsverhältnisse, wobei tatsächlich eine steigenden Anzahl atypischer Beschäftigung vorliegt

 

Folgende Maßnahmen sind hierdurch erforderlich, um skizzierte Risiken zu verhindern und dargestellte positive Wirkungen des Teilhabechancengesetzes nachhaltig zu realisieren (Detail s. Beschluss):

  • Einhaltung Kriterium der Freiwilligkeit beruhen.
  • Einhaltung Kriterium der Zusätzlichkeit bzw. der Wettbewerbsneutralität
  • Harmonie mit der Tariflandschaft

 

Antrag 192/II/2018 Bundesobdach- und Wohnungslosenstatistik

11.10.2018

Grobe Schätzungen, unvollständige Datensätze und weit voneinander abweichende Zahlen sind bisher die einzigen Quellen, auf Grundlage derer Obdach- und Wohnungslosigkeit in den verschiedenen Städten oder im gesamten Bundesgebiet bewertet und der Bedarf an Hilfsnetzwerken und monetärer Unterstützung derer kalkuliert wird. In Deutschland werden bislang keine offiziellen Statistiken über Obdachlosigkeit geführt, bislang gibt es nur wenige ehrenamtliche Initiativen zur statistischen Erfassung in wenigen Städten.

 

Meist wird dem Wunsch nach einer Bundesstatistik, der von den vielen ehrenamtlichen Hilfseinrichtungen und den Dachverbänden der Obdachlosenhilfe geäußert wird, mit dem Argument begegnet, dass Obdach- und Wohnungslose, die nicht im Hilfesystem seien, auch nicht statistisch zu zählen seien. Doch gibt es auch die Möglichkeit, eine solche Statistik auch ohne den alleinigen Rückgriff auf bürokratische Meldedaten zu erstellen.

 

Um eine breitflächige Sensibilität in der Bevölkerung zu fördern und analog bestehende Problemlagen anzugehen bzw. die entsprechend notwendige Hilfe bereitstellen zu können, muss man das Ausmaß jenes Problems kennen. Solange es keine konkreten Zahlen gibt, fehlt jede Argumentationsgrundlage für die Bemessung des realen Bedarfs an Hilfe und demnach kann eine zielgerichtete, systematische Hilfe nicht gewährleistet werden. Insbesondre der Bedarf obdach- und wohnungsloser Frauen* wird häufig vernachlässigt und ist deshalb explizit durch eine nach Geschlecht differenzierte Statistik zu erfassen.

 

Forderung:

  • Das Statistische Bundesamt und die Ämter für Statistik der Bundesländer sollen damit beauftragt werden eine bundesweite Obdach- und Wohnungslosenstatistik zu erarbeiten, die nach Bundesländern, Kommunen, und Bezirken gegliedert sein soll. Eine entsprechende Rechtslage zur Ermöglichung einer solchen Statistik soll geschaffen werden.
  • Diese Statistik soll flächendeckend in ganz Deutschland durchgeführt werden, eine möglichst reale Zahl von Obdachlosen und Wohnungslosen widerspiegeln und Ballungsgebiete aufdecken. Dabei soll soweit wie möglich hinsichtlich Gemeinden bzw. Bezirken differenziert werden, um Bereiche klar eingrenzen zu können. Erfasst werden sollen alle relevanten Merkmale, nicht aber die Namen. Die statistische Erfassung soll anonymisiert sein. Ausschlaggebend für die statistische Erfassung ist das Merkmal der Obdach- oder Wohnungslosigkeit.
  • Um das Bewusstsein für das Leben von wohnungs- und obdachlosen Menschen in der Gesellschaft zu schärfen, soll die Statistik öffentlichkeitswirksam z.B. im Bundespresseamt vorgestellt und breit in den zuständigen Gremien in den Bundes- und Landesministerien sowie den Parlamenten diskutiert werden.

 

Des Weiteren fordern wir die Einrichtung einer Kommission zur Evaluierung des bestehenden Hilfsnetzes unter Berücksichtigung des Bedarfs aller Geschlechter, der sich aus der Bundesobdach- und Wohnungslosenstatistik ergibt.

 

Dies soll zu einer Verbesserung der Hilfsangebote führen:

  • Sensibilisierung hinsichtlich der Problematik in Deutschland
  • Individuellere Hilfsangebote, wie Wohnungsvermittlungen
  • Clearingstellen in den Ballungsgebieten für mehr Hilfe und Notfallschlafplätze
  • Mehr Angebote für die psychische Gesundheit von Obdach- und Wohnungslosen in Ballungsgebieten
  • Ausdehnung des Netzwerkes von den schon vorhandenen Hilfsangeboten
  • Gezielte Ansprache der Obdach- und Wohnungslosen

 

Antrag 187/II/2018 Fahrscheinlos für Wohnungs- und Obdachlos

11.10.2018

Alle Menschen brauchen Schlaf, Essen und die Möglichkeit zur Hygiene. Obdach- und wohnungslose Menschen können diese Bedürfnisse nicht innerhalb ihrer “eigenen” vier Wände stillen, sondern müssen Orte besuchen, an denen sie eben jenen Grundbedürfnissen nachgehen können.

 

Dafür gibt es in Berlin verschiedene Anlaufstellen, meist Hilfseinrichtungen und ehrenamtliche soziale Projekte. Selten aber können diese Einrichtungen ein gesamtheitliches Angebot bereitstellen, mit dem die Besucher*innen alle Bedürfnisse zugleich stillen können. Manche Hilfseinrichtungen können aus finanziellen Gründen beispielsweise nur einmal in der Woche die Möglichkeit zur hygienischen Versorgung bereitstellen. Deshalb ist es teilweise erforderlich, am selben Tag verschiedene Einrichtungen aufzusuchen, die sich nicht zwangsläufig in unmittelbarer Nähe zueinander befinden.

 

Für die Möglichkeiten zu essen, zu schlafen, auf Toilette zu gehen oder zu duschen, müssen obdach- und wohnungslose Menschen also oft zahlreiche verschiedene Einrichtungen aufsuchen. Dies gilt ebenso im Falle, dass ein obdach- oder wohnungsloser Mensch medizinische Hilfe bedarf und daher eine der wenigen ehrenamtlich geführten Ambulanzen für Obdachlose aufsuchen muss. Die Mobilität innerhalb der Stadt ist daher zwingend erforderlich.

 

Das Hilfsnetzwerk ist in Berlin stark zentralisiert und ballt sich vor allem in den Stadtteilen Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg. Dadurch haben Menschen, die sich vor allem in äußeren Bezirken aufhalten und über ungenügende Möglichkeiten zur Mobilität verfügen, einen besonders erschwerten Zugang zu dem Hilfsangebot. Zudem müssen sich Menschen in den zentralen Stadtteilen zu verschiedenen Tageszeiten und Witterungsbedingungen nicht nur selbst, sondern zumeist auch ihr mitgeführtes Hab und Gut, fortbewegen können.

 

Dazu sind wohnungs- und obdachlose Menschen auf den ÖPNV angewiesen, den sie aber aufgrund ihrer finanziellen Notlage nicht nutzen können. Tun sie es dennoch und fahren ohne den Erwerb eines Tickets, begehen sie damit, laut derzeit gültiger Rechtsordnung, eine Straftat. Diese kann unter Umständen sogar mit einer Ersatzfreiheitsstrafe belangt werden. Damit werden Menschen kriminalisiert, die sich aufgrund ihrer persönlichen Notlage gezwungen sehen den ÖPNV zu nutzen, um sich selbst bzw. ihre Grundbedürfnisse zu versorgen. Wohnungs- und Obdachlosen Menschen soll in Berlin die Mobilität innerhalb der Stadt und dadurch auch der Zugang zur Versorgung und zum Hilfsangebot erleichtert werden.

 

Wir fordern deshalb:

  • einen fahrscheinlosen ÖPNV für wohnungs- und obdachlose Menschen.
  • Dazu sollen Betroffene einen Anspruch auf eine Bescheinigung über die Freistellung vom Entgelt für den ÖPNV haben, der zu kostenloser Nutzung des ÖPNV in Berlin berechtigt.
  • Die Ausgabe jener Bescheinigung soll unbürokratisch und niedrigschwellig sein. Deswegen sollen die Berliner Hilfseinrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe dazu beauftragt und zugleich berechtigt sein, denjenigen Menschen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, eine solche Bescheinigung auszuhändigen.
  • Aufgrund der Schwierigkeiten, die eigene Obdach- oder Wohnungslosigkeit zu beweisen, soll auf den offiziellen Nachweis verzichtet werden. Die Ausstellung jener Bescheinigung soll auf Erfahrungswerten der Mitarbeiter*innen entsprechend berechtigter Einrichtungen basieren.
  • eine gezielte Informationskampagne an die Betroffenen über die Verfügbarkeit und Möglichkeiten der Beschaffung der Bescheinigung.

 

Diese Forderung soll nicht unser bereits angestrebtes Ziel eines vollständig kostenlosen ÖPNV für alle, sowie die Entkriminalisierung von “Schwarzfahren” negieren.