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Antrag 45/I/2024 Mietenwucher stoppen - Für eine Mietpreisbremse ohne Ausnahmen!

21.04.2024

Die Mieten in deutschen Großstädten sind in den letzten Jahren dramatisch angestiegen, was zu einer erheblichen Belastung für die Bewohner*innen der Städte führt. Die Mietpreisbremse wurde eingeführt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, jedoch gibt es eklatante Lücken in den Regelungen, die von Vermieter*innen skrupellos ausgenutzt werden.

 

Obwohl die Mietpreisbremse grundsätzlich auch für möblierte Wohnungen gilt, ermöglicht die derzeitige Gesetzeslage Vermieter*innen, durch überhöhte Möblierungszuschläge die Preisregulierung zu umgehen. Diese Praxis führt dazu, dass Mieter*innen überhöhte Mieten zahlen müssen, ohne dass dies gerechtfertigt wäre.

 

Die Nichtberücksichtigung von „Wohnen auf Zeit“ ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der im Zuge der Mietpreisregulierung beachtet werden sollte. Häufig wird möblierter Wohnraum unter dem Vorwand des „Wohnens auf Zeit“ vermietet, um die Mietpreisbremse zu umgehen. Dies führt dazu, dass Mieter*innen überhöhte Preise zahlen, ohne langfristige Sicherheit zu erhalten. Eine klare Definition und Regulierung von „Wohnen auf Zeit“ ist daher erforderlich, um Missbrauch zu verhindern und faire Bedingungen für alle Bürger*innen sicherzustellen.

 

Es ist höchste Zeit, dieser ungerechten Praxis ein Ende zu setzen und eine faire Mietpreisregulierung für alle Wohnungen in Berlin durchzusetzen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Vermieter*innen weiterhin von einer Gesetzeslücke profitieren, während die Mieter*innen unter unbezahlbaren Mieten leiden.

 

Wir müssen uns als Partei für bezahlbaren Wohnraum für alle einsetzen und gegen Ausbeutung und Ungerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt vorgehen. Wir fordern diesen dringenden Handlungsbedarf anzuerkennen und konkrete, bindende Maßnahmen zur Beendigung dieser ungerechten Praxis zu ergreifen.

 

Daher fordern wir:

Eine effektive Deckelung der Mieten für möblierte Wohnungen: Überhöhte Möblierungszuschläge dürfen nicht länger toleriert werden. Wir fordern klare und faire Richtlinien für die Berechnung dieser Zuschläge, um Mieter*innen vor überhöhten Mietpreisen zu schützen.

 

Transparenz und Offenlegung der Möblierungszuschläge: Vermieter*innen sollen verpflichtet werden, die Kosten und den Zeitwert der Möblierung transparent im Mietvertrag offenzulegen, um Missbrauch zu verhindern und die Mieter*innen über ihre Rechte zu informieren. Ausgenommen sind kurzzeitige Untervermietungen, die nicht gewerbsmäßig stattfinden – bspw. ein WG-Zimmer während eines Auslandssemesters. Zudem soll aufgrund der Abnutzung von Möbeln eine jährliche Reduzierung des Möbilierungszuschlags erfolgen.

 

Keine Ausnahme der Mietpreisbremse für „Wohnen auf Zeit“: Es sollte eine umfassende Gesetzesänderung geben, die sicherstellt, dass Wohnungen auf Zeit nicht von der Mietpreisbremse ausgenommen sind. Dies würde eine gerechte Mietpreisregulierung gewährleisten und verhindern, dass Vermieter*innen von möblierten Wohnungen oder Wohnungen auf Zeit unangemessen hohe Mieten verlangen können.

Antrag 42/I/2024 JETZT Deutsche Wohnen und Co. Enteignen

21.04.2024

Am 26.09.2021 haben 59,1 % der Berliner*innen für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ gestimmt.

 

Daraufhin hat der Senat am 29.03.2022 eine Kommission zur Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände einberufen. Die Kommissionsmitglieder wurden beauftragt, eine mögliche Vergesellschaftung von großen Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin wie beispielsweise Vonovia nach ihrer verfassungsrechtlichen Umsetzung zu untersuchen. Die Kommission fasste in ihrem Abschlussbericht vom 28. Juni 2023 zusammen, dass das Land Berlin in einem Gesetz die Vergesellschaftung großer Immobilienunternehmen regeln kann. Hierzu wird Artikel 15 des Grundgesetzes zugrunde gelegt. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD darauf verständigt, im Falle der Verkündung eines positiven Ergebnisses der Expert*innenkommission innerhalb von zwei Jahre ein Vergesllschaftungsrahmengesetz zu verabschieden. So wolle der Senat vor dem Inkrafttreten des Rahmengesetzes eine verfassungsrechtliche Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht durchführen.

 

Im September 2023, also zwei Jahre nach dem erfolgreichen Ergebnis des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, hat die Initiative einen Neuen Gesetzesvolksentscheid verkündet. Zusammen mit Jurist*innen, Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft will die Initiative nun ein echtes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten.

 

Für uns ist klar, dass Grundbedürfnisse wie das Wohnen nicht im Eigentum von Konzernen liegen dürfen. Niemand soll die Grundbedürfnisse von Menschen für Gewinnmaximierung und Spekulation ausnutzen. Denn alle Berliner*innen haben ein Recht auf Wohnen und ein Kopf über dem Dach. Es ist eben ein Problem, wenn sich Berliner*innen wegen der Mietpreisentwicklung nicht mehr die Wohnung leisten können und aus ihrem Kiez oder Bezirk vertrieben werden. Wenn der Senat die Enteignung nicht vollstreckt, geht zusätzlich das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen verloren. Das müssen wir verhindern! Wir verurteilen diese Hinhaltestrategie und die antidemokratische Verschleppung der Enteignung durch SPD und CDU aufs Schärfste. Dieses Verhalten zeugt von mangelndem Respekt gegenüber dem Volksentscheid und allen Berliner*innen, die für die Enteignung gestimmt haben. Aus diesen Gründen unterstützen wir die neue Initiative von Deutsche Wohnen und Co enteignen und setzen damit ein klares Zeichen gegen Ausbeutung und Gentrifizierung.

 

Wir fordern deshalb:

  • Die Unterstützung der neuen Initiative von Deutsche Wohnen und Co enteignen zum Gesetzesvolksentscheid
  • Unabhängig vom Gesetzesvolksentscheid, den Zeitplan und die nächsten Erarbeitungsschritte zum geplanten Vergesellschaftungsrahmengesetz transparent zu veröffentlichen und zu kommunizieren
  • die schnellstmögliche Enteignung von Deutsche Wohnen und Co., sowie perspektivisch die Vergesellschaftung aller Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge (insbesondere Gesundheit, Wohnen und Energieversorgung)

 

Antrag 238/I/2024 Bekämpfung der Klimakrise als Bestandteil der Verfassung

21.04.2024

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden dazu aufgefordert, sich dazu einzusetzen das die Berliner Landesverfassung durch das Ziel ergänzt wird einen anteiligen Beitrag zur Erreichung der weltweiten Klimaziele zu erfüllen.

 

Die menschengemachte Klimakrise ist ein erwiesener Umstand. Ihre Folgen haben bereits jetzt und in Zukunft Auswirkungen auf unser aller Leben. Ein Fortschreiten der Erderwärmung sowie das überschreiten von Kipppunkten stellt eine fundamentale und unumkehrbare Gefahr für die Lebensgrundlagen und Freiheitschancen unserer Gesellschaft dar. Dabei steht der Welt und anteilig den Staaten ein nur noch begrenztes Budget zur Verfügung.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Klimaschutzentscheidung ein Recht und eine Pflicht zum effektiven Klimaschutz hergeleitet. Dem Klimaschutz kommt im Verhältnis zu anderen Rechtsgütern ein umso stärkeres Gewicht zu wie die unumkehrbare Klimakrise fortschreitet. Es ist daher eine staatliche Aufgabe, diesem Menschen verursachten Phänomen entgegenzutreten. Die Verpflichtung wird auch nicht dadurch gemindert, dass ein effektiver Klimaschutz nur international erreicht werden könne. Vielmehr geht auch die internationale Klimapolitik von einem Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten aus. Alle Beteiligten müssen damit anteilig diejenigen Maßnahmen treffen, um die international und auf wissenschaftlicher Grundlage vereinbarten Klimaziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Eine Politik, die von vornherein auf diese Zielerreichung verzichtet, verstößt schon jetzt gegen Art. 20a GG, welcher vorschreibt, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere für die künftigen Generationen schützt.

 

Allerdings musste das Verfassungsgericht diese Entscheidung auf eine aufwändige dogmatische Konstruktion stützen. Als permanente Zielsetzung ist die Aufgabe Umweltschutz eine nie vollständig erfüllbare Maßgabe. Daher folgen aus Art. 20a GG nur vage Grenzen, wann staatliches Handeln diese Umweltschutzpflicht verletzt.

 

Eine explizite Anerkennung der (anteiligen) Klimaschutzziele stattet diese mit einem unbestreitbaren Verfassungsrechtlichen Gewicht aus. Der Verweis auf die völkerrechtlichen Ziele ermöglicht zudem eine quantifizierbare Bewertung, ob das staatliche Handeln einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung genügt. Gleichzeitig können die Parlamente den Klimaschutzes künftig konkreter und stärker bei der Abwägung mit individuellen Freiheitsrechten berücksichtigen. Der Vorschlag ist daher mehr als Verfassungs-Prosa und Symbolpolitik, sondern räumt dem Klimaschutz den verfassungsrechtlichen Rang ein, den er verdient.

 

Vor diesem Hintergrund muss alles staatliche Handeln vor dem Szenario der Klimakrise in Zukunft daraufhin überprüft werden, ob die lebensnotwendigen Klimaziele (siehe Pariser Klimaabkommen) erreicht werden. Besonders auch die Darstellung des Haushaltes muss mit diesen Zielen in Einklang gebracht werden, sodass alles staatliches Handeln auf seine positive Wirkung auf die Bekämpfung des Klimanotstandes ausgerichtet wird. Alle staatlichen Subventionen und Fördermaßnahmen, sowie gesetzliche Regelungen müssen auf ihre positive Wirkung auf die Bekämpfung der Klimakrise hin überprüft und gegebenenfalls neu ausgerichtet werden. Damit der Staat sein Handeln klarer festschreibt, braucht es ein starkes Signal durch eine Verfassungsänderung in Bund und Ländern.

Antrag 190/I/2024 Vor dem Gesetz sind (nicht) alle gleich!

21.04.2024

Eine gerechte Justiz bildet das Fundament eines jeden Rechtstaats und muss sich insbesondere daran messen lassen, wie sie mit den Schwächsten in der Gesellschaft umgeht. Der Rechtsstaat basiert auf dem Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Realität ist jedoch häufig eine andere. Von Armut betroffene Personen und reiche Menschen sind vor dem Strafrecht in vielerlei Hinsicht ungleich. Damit das Versprechen auch gehalten wird, braucht es daher weitgehende Anpassungen des bestehenden Systems!

 

Eine gut ausgestattete Justiz ist gerechter

Ein bedeutendes Problem liegt in der unzureichenden Ausstattung der Justiz, was vor allem finanziell schlechter gestellte Menschen trifft. Wenn aus Kostengründen die Justiz auf der Strecke bleibt, leiden insbesondere Menschen mit wenig Geld. Richter*innen sehen sich gezwungen, Prozesse zu beschleunigen, schriftliche Urteile zu verfassen und auf persönliche Gespräche mit den Beschuldigten zu verzichten. Während wohlhabendere Menschen sich für jede Kleinigkeit eine*n Anwält*in leisten können, der das Gericht zwingt sich ausführlich mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen, haben Menschen mit weniger Geld diese Möglichkeit nicht.

 

Eine besondere Betrachtung gilt hierbei der Situation von FINTA und BIPoCs, die unter zusätzlichen Hürden leiden. Die Ungleichheiten im Justizsystem sind nicht nur auf finanzielle Aspekte beschränkt, sondern werden oft auch durch strukturellen Rassismus oder geschlechtsspezifische und diskriminierende Aspekte verstärkt. BIPoCs und FINTA, die bereits häufiger von ökonomischen Benachteiligungen betroffen sind, leiden unter einer schlecht ausgestatteten Justiz in besonderem Maße. Die ungleiche Verteilung von Ressourcen verschärft die bestehenden Ungerechtigkeiten und verstärkt die Barrieren im Zugang zu einer gerechten Rechtsprechung. Eine besser ausgestattete Justiz ist daher nicht nur ein wichtiger Schritt im Allgemeinen, sondern auch ein Schritt, um strukturellen Rassismus im Rechtssystem zu bekämpfen und für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen. Wir fordern daher eine insgesamt bessere Ausstattung der Gerichte.

 

Das System der Pflichtverteidigung muss umfassend reformiert werden!

Pflichtverteidiger*innen sind Anwält*innen, die vom Gericht bestellt werden, um eine Person zu verteidigen, wenn diese keine*n eigene*n Anwältin*Anwalt hat oder sich leisten kann, und bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die eine Pflichtverteidigung notwendig machen. Diese Voraussetzungen sind in der Strafprozessordnung aufgelistet und betreffen zum Beispiel die Schwere der Straftat oder die persönliche Situation der Beschuldigten. Die Pflichtverteidigung soll gewährleisten, dass die Beschuldigten ein faires Verfahren erleben und ihre Rechte durch anwaltliche Vertretung vollumfänglich wahrnehmen können.

 

In Deutschland liegen die Voraussetzungen für eine solche Pflichtverteidigung nur in etwa 10% der vor Gericht verhandelten Klagen vor. Insbesondere bei Delikten, die der sogenannten Armutskriminalität zugerechnet werden, gibt es oft keinen Anspruch auf Pflichtverteidigung.

 

Das ist deshalb alarmierend, weil statistisch gesehen Personen, die mit anwaltlicher Vertretung vor Gericht erscheinen, deutlich häufiger freigesprochen werden als diejenigen, die ohne rechtliche Vertretung auftreten. Dies führt zu einer Ungleichheit, da reichere Menschen sich für jedes Verfahren professionelle rechtliche Beratung leisten können, die mit den Schwierigkeiten des Systems vertraut ist und das Beste für den Betroffenen erreichen kann. Ärmere Menschen haben dieses Privileg nicht. Wir fordern deshalb eine grundlegende Veränderung in der Bereitstellung von Pflichtverteidiger*innen dahingehend, diese für alle straffälligen Personen verfügbar zu machen, unabhängig von der Schwere des Vorwurfs. Dieses Modell ist in vielen europäischen Ländern bereits gängige Praxis. Außerdem sollten Pflichtverteidiger*innen nicht erst zur Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt werden, sondern schon im Ermittlungsverfahren, damit auch dort frühzeitig eine rechtliche Vertretung sicherzustellen.

 

Darüber hinaus muss sich auch die Bezahlung von Pflichtverteidiger*innen dringend ändern. Diese ist aktuell derart mangelhaft, dass es sich Pflichtverteidiger*innen kaum leisten können, sich ausreichend mit einem Fall zu beschäftigen. Im Vergleich zu Anwält*innen, die reichen Mandant*innen gern mal 400€ pro Stunde in Rechnung stellen, erhalten Pflichtverteidiger*innen nur pauschale Gebühren unabhängig vom eigentlichen Umfang des Falles. Dies zeigt sich auch in den Zahlen. Privat bezahlte Rechtsberatung stellt in ca. 21% der Fälle einen Antrag darauf, den Fall erst gar nicht vor Gericht zu bringen, sondern schon vor Prozessbeginn einzustellen. Pflichtverteidiger*innen stellen einen solchen Antrag nur in 1,6% der Fälle, da sie aufgrund der schlechten Bezahlung und wegen dem damit einhergehenden Zeitmangel Schwierigkeiten haben, sich angemessen auf eine Verhandlung vorzubereiten. Private Anwält*innen stellen in ca. 31% der Fälle einen Antrag auf Freispruch, Pflichtverteidiger*innen nur in ca. 11% der Fälle. Wir fordern daher, dass Pflichtverteidiger*innen besser bezahlt werden, damit auch Menschen mit begrenzten oder fehlenden finanziellen Mitteln angemessen vor Gericht vertreten werden.

 

Auch bei der Auswahl der Pflichtverteidiger*innen gibt es erhebliche Probleme. Da die meisten Menschen, die eine Verteidigung benötigen, keine Anwält*innen kennen, liegt die Entscheidung darüber, welche Anwält*innen beauftragt werden, oft in den Händen der Richter*innen des Verfahrens. In der Praxis sieht es dann in der Regel so aus, dass die Richter*innen eine persönliche Auswahl an Anwält*innen hat, die er der beschuldigten Partei vorschlägt. Dies führt dazu, dass Anwält*innen, die in der Vergangenheit durch eine gute Verteidigung aufgefallen sind, und damit den Richter*innen das Leben schwer gemacht hat, weil das Verfahren sich verlängerte oder das Gericht eine umfassende Beweisaufnahme abhalten musste, schlechtere Chancen haben, von eben diesen Richter*innen nochmal vorgeschlagen zu werden. Die Richter*innen bestellen lieber ihre „Lieblingsanwält*innen“, die keinen Ärger machen. Dies zeigt sich dann auch in der Verteidigung. Normalerweise legen Anwält*innen in knapp 30% der Fälle Rechtsmittel bei der nächsthöheren Gerichtsinstanz ein, während Pflichtverteidiger*innen nur in 20% der Fälle diesen Schritt unternehmen. In Fällen in denen Pflichtverteidiger*innen wiederholt von denselben Richter*innen beauftragt wurden, verringert sich die Quote sogar auf nur 16%. Um eine gerechtere Auswahl und damit eine bessere Verteidigung zu gewährleisten, fordern wir daher, dass sich ein Vorbild an anderen europäischen Ländern genommen wird, in denen vom Gericht unabhängige Organisationen die Auswahl von Pflichtvertediger*innen übernehmen.

 

Einkommen vom Täter*innen dürfen nicht geschätzt werden

Reichere Menschen profitieren gegenwärtig vom bestehenden System der Geldstrafen, das auf Tagessätzen basiert. Tagesssätze dienen zur Berechnung von Geldstrafen im Strafrecht. Bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe legt das Gericht die Anzahl der Tagessätze fest, die die verurteilte Person zahlen muss. Die Höhe eines Tagessatzes soll dabei unter Berücksichtigung des Einkommens der betroffenen Person festgelegt werden. Der Gedanke dahinter ist, dass die Strafe für alle Personen einen vergleichbaren Effekt hat. Ein*e Millionär*in spürt einen 90 Tagessätze in Höhe von 20€ deutlich weniger, als eine Person die Bürger*innengeld empfängt. Deswegen ist es wichtig, dass die Höhe des Tagessatzes sich auch wirklich nach dem Einkommen richtet. Dazu kommt, dass rund 80% aller Strafen vor deutschen Gerichten Geldstrafen sind. Das System der Tagessätze ist daher ein entscheidendes Instrument, um die Justiz fairer zu machen.

 

In der Praxis sieht es allerdings häufig so aus, dass die meisten Verfahren durch sogenannten Strafbefehl entschieden werden. Ein Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft erlassen und kommt oft bei weniger schwerwiegenden Straftaten zum Einsatz, wo eine Hauptverhandlung als nicht notwendig gesehen wird. Das Verfahren wird also ohne vorherige mündliche Verhandlung abgeschlossen. Ohne mündliche Verhandlung liegt der Staatsanwaltschaft allerdings auch keine Information über das Einkommen der beschuldigten Person vor. Stattdessen wird das Einkommen geschätzt, wobei die Schätzungen bei Menschen mit geringem oder keinem Einkommen oft zu hoch und bei reicheren Menschen zu niedrig ausfallen. Üblicherweise wird dann der Standardregelsatz von 20-40€ pro Tagessatz genommen, der für Personen mit einem sehr hohen Einkommen deutlich zu niedrig ist und Personen mit geringem oder keinem Einkommen umso mehr belastet. Obwohl es die Möglichkeit gibt, Einspruch gegen die Höhe des Tagessatzes zu erheben, tun dies gerade Menschen mit geringem Einkommen oft nicht aufgrund fehlender Ressourcen, den Anwaltskosten und fehlendem Wissen über Tagessätze. Reichere Menschen legen natürlich keinen Widerspruch ein, sie sind „gut davongekommen“. Es ist wegen des Steuergeheimnisses für die Staatsanwaltschaft nicht möglich, die wahren Einkommensverhältnisse beim Finanzamt abzufragen.

 

Die gleiche Problematik tritt bei der Berechnung von Unterhaltspflichten auf, wenn das Elternteil sich weigert, die eignen Einkommensverhältnisse offenzulegen. Auch hier hat das Gericht keine Möglichkeit diese beim Finanzamt zu erfragen und ist dann häufig gezwungen das Einkommen zu schätzen. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, fordern wir, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte in solchen Fällen die Möglichkeit haben eine Abfrage zu den Einkommensverhältnissen beim Finanzamt zu machen.

 

Keine Steuerprivilegien für Wirtschaftskriminelle 

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der zu Ungerechtigkeit im Rechtssystem führt, sind die Steuerprivilegien, welche Manger*innen bei Wirtschaftskriminalität zustehen. Wirtschaftskriminalität bezieht sich auf Straftaten, die oft darauf abzielen finanziellen Gewinn zu erzielen oder Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Darunter fällt zum Beispiel Betrug, Korruption, Insiderhandel oder Bestechung. Wirtschaftskriminalität spielt eine entscheidende Rolle in der Gesamtkriminalität. Obwohl ihr Anteil an der Gesamtzahl der Delikte nur 0,9% beträgt, ist ihr Anteil am wirtschaftlichen Schaden aller Delikte bei knapp 45%. Diese Form von Kriminalität wird oft von Manager*innen während ihrer beruflichen Tätigkeiten begangen, wie im Fall des VW Dieselskandals.

 

Üblicherweise enthalten Verträge von Manager*innen sogenannte „Managerschutz“-Policen, die das Unternehmen dazu verpflichtet, alle Kosten im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gegen ihre Manager*innen zu übernehmen, sei es für Strafverteidigung, Geldauflagen oder Geldstrafen. Die Voraussetzung ist lediglich, dass der strafrechtliche Vorwurf gegen die Manager*innen auf betriebliches bzw. berufliches Verhalten zurückzuführen ist, so wie es häufig der Fall ist. Ein prominentes Beispiel ist der Vorstandschef von VW, der wegen des Dieselskandals eine Geldauflage in Höhe von 4,5 Millionen Euro erhielt. Für eine einzelne Person mag das eine erhebliche Strafe sein, für VW jedoch, die die Strafe für ihren Manager bezahlt hat, allerdings nicht. Und ob das nicht schon ungerecht genug ist, kann das Unternehmen diese Zahlung auch noch als Betriebsausgabe steuerlich absetzen. Steuerlich absetzen bedeutet, dass der zu versteuernder Gewinn von VW um diese Höhe verringert wird und VW deshalb insgesamt weniger Steuern zahlen muss. Kurz gesagt: Die 4,5 Millionen Euro Strafe gegen den VW Manager wurde von der Gesellschaft mitbezahlt. Das kann und darf nicht sein. Wir fordern daher, dass Geldauflagen oder Geldstrafen, die gegen Manager*innen verhangen und von den Unternehmen übernommen werden nicht mehr steuerlich absetzbar sein dürfen.

 

Das System der Strafbefehle reformieren

Das Strafbefehlsverfahren ermöglicht der Staatsanwaltschaft, ein Verfahren, welches ein Vergehen zum Gegenstand hat, ohne mündliche Verhandlung zu beenden. Das Verfahren stellt eine Sondervorschrift und somit eine Abweichung der grundsätzlichen Konzeption eines Strafverfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung dar, welche die Durchführung einer Hauptverhandlung vorsieht. In der Realität erfolgen die meisten Verurteilungen durch den Erlass eines Strafbefehls. Es ist für die Staatsanwaltschaft und das Gericht deutlich einfacher, zeiteffizienter und kostengünstiger, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung zu erledigen. Die Effizienz einer solchen Verurteilung geht jedoch zulasten der Rechte einer beschuldigten Person. Diese hat lediglich 2 Wochen Zeit, Einspruch gegen den erlassenen Strafbefehl einzulegen. Die kurze Einspruchsfrist benachteiligt vor allem jene, bei denen es aus verschiedenen Gründen Barrieren im Verständnis des Strafbefehls gibt und jene, die sich keine*n Strafverteidiger*in leisten können. Durch den Strafbefehl wird suggeriert, dass die Gerichte über den Strafbefehl entscheiden. In der Realität findet durch das Gericht lediglich eine oberflächliche Prüfung des Strafbefehlsantrags statt. Das Gericht erlässt in Folge der Prüfung in fast allen Fällen den Strafbefehl. Die hierdurch entstehende Macht der Staatsanwaltschaft ist aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit dieser aus einer rechtsstaatlichen Perspektive nicht unproblematisch. Dies wird insbesondere durch den Umstand verschärft, dass das Strafbefehlsverfahren lediglich eine zweiwöchige Einspruchsfrist vorsieht. Wenn die beschuldigte Person innerhalb dieser Zeit keinen Einspruch einlegt, entspricht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil. Es kann nicht sein, dass bei einer Nichtäußerung in einer derart kurzen Frist, die beschuldigte Person auf viele Rechte, insbesondere das Recht auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Daher fordern wir, dass das Strafbefehlsverfahren reformiert wird und die Widerspruchslösung auf eine Zustimmungslösung umgestellt wird. Dies bedeutet, dass die beschuldigte Person dem Strafbefehl explizit zustimmen muss. Bei einer fehlenden Erklärung gilt der Strafbefehl anders als bisher nicht als rechtskräftiges Urteil und dementsprechend wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich die beschuldigte Person jedenfalls mit dem Vorwurf und der konkret drohenden Rechtsfolge befasst und anschließend dem Strafbefehl unter einem expliziten Hinweis auf den Verzicht auf die Hauptverhandlung in dokumentierter Form zustimmt.

 

Zusammenfassend fordern wir daher:

  • Eine bessere finanzielle Ausstattung der Justiz und insbesondere der Gerichte
  • Die Bereitstellung von Pflichtverteidiger*innen für alle straffälligen Personen verfügbar zu machen, unabhängig von der Schwere des Vorwurfes
  • Pflichtverteidiger*innen schon im Ermittlungsverfahren zur Verfügung zu stellen
  • Eine bessere Bezahlung der Pflichtverteidiger*innen damit auch Menschen mit begrenzten oder fehlenden finanziellen Mitteln angemessen vor Gericht vertreten werden
  • Eine von den Gerichten unabhängige Organisation die Auswahl von Pflichtverteidiger*innen zu überlassen
  • Die Staatsanwaltschaft und Gerichte dazu verpflichten, die Einkommensverhältnisse von Täter*innen und unterhaltspflichtigen Personen beim Finanzamt abzurufen, durch eine Änderung der Vorschriften zum Steuergeheimnis
  • Unternehmen es nicht weiter zu ermöglichen, Geldauflagen oder Geldstrafen gegen Manager*innen steuerlich abzusetzen
  • Das Strafbefehlsverfahren zu reformieren und durch die Umstellung auf eine Zustimmungslösung sicherzustellen, dass die beschuldigte Person, sich mit dem Vorwurf auseinandergesetzt hat und bewusst auf die Hauptverhandlung verzichtet.

 

Antrag 198/I/2024 Kirchensteuer und staatliche Entschädigungsleistungen an die christlichen Kirchen in Deutschland abschaffen!

21.04.2024

Seit der Zeit Napoleons vor über 200 Jahren werden die christlichen Kirchen in Deutschland durch den deutschen Staat entschädigt und durch das automatische Einbehalten der Kirchensteuer bei Kirchenmitgliedern durch die Finanzämter unterstützt. An Entschädigungsleistungen haben die evangelische und katholische Kirche im Jahr 2022 rund 602 Mio. Euro von den Bundesländern erhalten, durch die Kirchensteuer schätzungsweise 13 Milliarden Euro.

 

Im Jahr 1803 beschlossen die Fürsten des Heiligen Römischen Reichs, als Ausgleich für die Eroberungen Napoleons Besitztümer und Ländereien der Kirche auf heute deutschem Boden in ihre eigene Herrschaft zu überführen. Damals bedeutete das, dass rund fünf Millionen Menschen plötzlich neue Landesherren hatten. Für diesen Verlust werden die evangelische und katholische Kirche in Deutschland als Religionsgemeinschaften bis heute von staatlicher Seite entschädigt. Zu den Privilegien der Religionsgemeinschaften in Deutschland gehört auch, dass diese seit rund 200 Jahren ermächtigt sind, Kirchensteuer von den Bürgerinnen und Bürgern einzuziehen, die Kirchenmitglieder sind. Davon profitieren in besonders großem Umfang die evangelische und katholische Kirche. Die Kirchen können die Steuer gegen eine Aufwandsentschädigung von den staatlichen Finanzämtern einziehen lassen, wenn das Landesparlament des entsprechenden Bundeslandes zugestimmt hat.

 

Schon in der Weimarer Verfassung war vorgesehen, die Entschädigungsleistungen an die Kirchen zu beenden, doch auch in der Weimarer Republik konnte keine Lösung gefunden werden. Die Ampel-Regierung hat nach 16 Jahren vermeintlicher Christdemokrat*innen in der Regierung im Koalitionsvertrag den Beschluss gefasst, „einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ zu finden. Wir finden, dafür wird es höchste Zeit.

 

Auch wenn die Entschädigungsleistungen selbst nur einen kleinen Anteil an den kirchlichen Einnahmen ausmachen, so ist die Kirchensteuer jedoch eine der Haupteinkommensquellen insbesondere der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland. Das bisherige Prinzip des Einzugs über die staatlichen Finanzämter hat mit einer Trennung von Kirche und Staat nichts zu tun. Wir fordern deshalb, dass die verpflichtende staatliche Kirchensteuer abgeschafft wird. Wie das funktionieren kann, zeigen Beispiele aus anderen Ländern: In Großbritannien finanziert sich die Kirche aus ihrem eigenen Vermögen. In Frankreich ist beispielsweise die traditionell stark verwurzelte katholische Kirche auf Spenden und einen freiwilligen Kulturbetrag von einem Prozent des Einkommens der Mitglieder angewiesen. In Italien werden 0,8 Prozent der Einkommensteuer an anerkannte Religionsgemeinschaften oder für humanitäre Zwecke gezahlt. Dabei können Steuerzahler*innen jedes Jahr selbst entscheiden, an wen das Geld gehen soll. Spanien verwendet das gleiche System, jedoch liegt der Steuerbetrag hier bei 0,7 Prozent. Solche Systeme sind deutlich sozialer und zeitgemäßer.

 

Wer aus der Kirche austreten will, dem*der werden zahlreiche Steine in den Weg gelegt. Nicht nur stellt die Kirchensteuer eine finanzielle Bürde für einkommensschwache Familien dar, zusätzlich muss beim Austritt zum Beispiel in Berlin ein Termin beim örtlichen Amtsgericht vereinbart werden, bei dem die austretende Person selbst erscheinen muss. Per Brief ist ein Austritt nur mit notarieller Beglaubigung möglich. Doch damit nicht genug: In allen Bundesländern außer Brandenburg und Bremen, falls der Austritt bei einer kirchlichen Stelle beantragt wird, werden Gebühren zwischen 5,50 Euro und bis zu 75 Euro in Baden-Württemberg fällig. Das ist absolut unverhältnismäßig. Mit dem Ende des Einzugs der Kirchensteuermittel durch den Staat fordern wir auch das Ende der Verwaltung des Mitgliederwesens der Kirchen durch den Staat. Die Kirchen sollen aufgefordert werden, einen Kirchenaustritt online und kostenlos zu ermöglichen.

 

Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten in Deutschland tagtäglich Viel – insbesondere im Rahmen der sozialen Fürsorge durch den Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen, von Geflüchteten über Kranke, Pflegebedürftige und Obdachlose, und als kulturelle und weltanschauliche Gemeinschaften und Anlaufstellen. Trotzdem muss die Finanzierung der Religionsgemeinschaften, besonders der beiden großen christlichen Konfessionen, endlich auf eine neue Grundlage gestellt werden! Davon unabhängig setzen wir uns dafür ein, dass durch die sich daraus möglicherweise ergebenden finanziellen Umstrukturierungen der Religionsgemeinschaften nicht potenziell gefährdete Unterstüzungsmaßnahmen, Dienst- und Hilfeleistungen für die besonders schwachen und bedürftigen Mitglieder unserer Gesellschaft betroffen sind, beziehungsweise, dass diese ansonsten durch eine mindestens gleichwertige Ersatzleistung ersetzt werden.

 

Wir fordern deshalb,

  • die Verhandlungen für das Ende der Entschädigungsleistungen an die Kirchen voranzutreiben und diese noch in der laufenden Legislaturperiode wie im Koalitionsvertrag vorgesehen endgültig zu beenden;
  • das bisherige Verfahren des Einzugs der Kirchensteuer über die Finanzämter und die verpflichtende Zahlung für Kirchenmitglieder zu beenden;
  • die Dienstleitungen des Austritts aus der Religionsgemeinschaft kostenlos und in vereinfachter Form online zu ermöglichen.