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Antrag 57/II/2022 Bildung für dich, für uns, für alle!

9.10.2022

In Berlin haben sich ca. 70.000 Geflüchtete alleine aus der Ukraine registriert, ca. 30.000 haben bisher eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, tausende sind noch in Bearbeitung, während immer noch 300 Menschen täglich in Berlin ankommen. Dabei wird geschätzt, dass ca. die Hälfte der Geflüchteten Kinder und Jugendliche sind. Kinder und Jugendliche, die beschult und betreut werden müssen, damit eine inklusives Miteinander schnell gelingen kann. Doch unser bereits zuvor stark überlastetes Bildungssystem ist hierfür nicht vorbereitet. Manche Bezirksstadträte erwägen bereits, den Katastrophenschutz zu alarmieren, damit die Kinder und Jugendliche nach den Ferien in Zelten betreut und beschult werden können. Für uns ist das nicht hinnehmbar, denn alle Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gute Bildung. Denn nur so kann der Start in ein gutes, neues Leben gelingen! Hierfür sind eine Reihe von kurzfristigen Maßnahmen nötig.

 

1. Bauen, mieten, enteignen! 

Es fehlen zur Zeit konkret an tausenden Schulplätze. Selbst ohne die ankommenden Geflüchteten aus allen Ländern, können wir den Bedarf kaum bis gar nicht decken. Durch die jetzige Situation ist also der beschleunigte und langfristige Schulbau zu priorisieren. Doch selbst dann braucht es Zeit, bis der jetzige Schulbestand erweitert bzw. vergrößert werden kann. Alleine für die Bauplanung ist meist zwei Jahre einzuplanen. Eine kurzfristige Alternative besteht in sogenannten modularen Ergänzungsbauten. Das Problem hierbei ist, dass es zur Zeit keine gibt. Aber auch hier gilt, selbst wenn es welche käuflich zu erwerben gäbe, bräuchte es zwei Jahre, um diese fachgerecht zu montieren. Zeit die wir nicht haben. So bleibt nur eine kurzfristige Möglichkeit: Büro-, Vereins-, und religiöse Gebäudeflächen anmieten. Nur hierdurch können schnell neue Schulräume geschaffen werden.

 

Deshalb fordern wir die SPD Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, umgehend Gelder für die Bezirke freizugeben, um Büroflächen, Vereinsräume und – bei Sicherung säkularer Nutzung – Flächen anerkannter Glaubensgemeinschaften deutlich über dem eigenen Schulbedarf anzumieten. Die Zuordnung zu einer Regelschule sowie Verzahnung mit dem Unterricht der Regelklassen muss auch bei dieser Lösung erhalten bleiben.

 

Des weiteren fordern wir eben diese auf, dass auch das Instrument der Enteignung für eben diese Flächen geprüft wird. Da eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist, halten wir diesen Schritt in diesem Fall für notwendig und nötig.

 

Als drittes fordern wir eben diese auf, ein Grundbedarf an modularen Ergänzungsbauten anzukaufen. Die derzeitige Situation zeigt uns, dass es angeraten ist besser mehr als zu wenig modulare Ergänzungsbauten zu besitzen. Notfalls sollten diese durch (ggf. neu zu gründende) staatliche Unternehmen selbst produziert werden.

 

2. Unterricht nur mit geeigneten Materialien 

Die besten Räume helfen jedoch nur wenig, wenn es an geeigneten schulischen Materialien scheitert. Gerade hier gibt es noch Nachholbedarf. Denn mit Heften und Co. alleine ist es nicht getan. Schüler*innen müssen auch in ihren Herkunftssprachen  gefördert werden. Deshalb soll ausreichend Schulmaterial für alle Fächer in anderen Sprachen bedarfsgerecht angekauft werden. Zudem ist auch bei pädagogischen Spielen sowie Büchern darauf zu achten. Daneben sollten auch alle Informationen an die Eltern Übersetzungen in diesen Sprachen beinhalten.

 

Deshalb fordern wir die SPD Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, geeignete Materialien für den schulischen und pädagogischen Kontext bedarfsgerecht zu beschaffen.

 

3. Digitale Angebote aus der Ukraine sicherstellen 

In den vergangen Monaten hat sich gezeigt, dass gerade aus der Ukraine ein digitales schulisches Angebot aufrecht erhalten wurde. So fanden entweder einzelne Unterrichtsstunde digital von der Ukraine aus statt oder es wurden Lerninhalte durch das ukrainische Fernsehen weitergegeben. Beides sorgte dafür, dass viele Kinder und Jugendlichen zu Hause blieben, um den Anschluss zu ihrer Schule in der Heimat nicht zu verlieren. Allerdings bedeutete dies auch, dass viele Eltern die Betreuung ihre Kinder gewährleisten mussten. Hierdurch konnten weder die Kinder noch die Eltern am inklusiven Miteinander in unseren Schulen teilnehmen.

Dies ist ein Zustand, den wir nicht dauerhaft hinnehmen dürfen.

Somit fordern wir die SPD Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, dass digitale ukrainische (oder weitere) Angebote in den schulischen Unterricht integriert werden. Die Kinder und Jugendlichen, sollten sich nicht entscheiden müssen an welchem Unterricht sie teilnehmen wollen, sondern beides in einem bekommen dürfen. Die technischen Rahmenbedingungen sollten hierfür geschaffen werden und entsprechende Mittel sind freizugeben.

 

4. Anwerbung, Anerkennung und Vereinfachung

Was hilft es, wenn die Räumlichkeiten und die Materialien da sind, doch die Lehrkraft fehlt?

Zur Zeit fehlen gut 900 Lehrkräfte in Berlin. Zwar gibt es eine Reihe an langfristigen Möglichkeiten, wie wir diese Lücke schließen können. Doch brauchen wir angesichts der derzeitigen Situation kurzfristige Lösungen. Diese bestehen aus drei Ansatzpunkten.

 

Zum einen müssen an allen Berliner Hochschulen Kampagnen gestartet werden, sich in Teilzeit an einer Schule zu bewerben. Dabei ist sekundär, ob die Studierenden in einem Lehramtsbezogenen Bachelor oder Master studieren oder nicht. Wichtig sind zwei Dinge: Erstens, kann das Studienfach auf ein Unterrichtsfach angewendet werden und sind Fremdsprachenkenntnisse in den Sprachen englisch, ukrainisch, paschto, dari oder syrisch vorhanden. Natürlich sollten die Studierenden nicht die vollen Aufgaben einer Lehrkraft mit übernehmen, vielmehr ist es wichtig diese in die Ganztagsbetreuung einzubinden und ggf. mit einer Lehrkraft den Unterricht zu betreuen.

 

Zum anderen sollten alle europäischen Lehramtsabschlüsse, im Bachelor, Master oder Staatsexamen, mit sofortiger Wirkung anerkannt werden. Zur Zeit müssen Personen, die im Ausland ein Studium oder ein Lehramtsabschluss besitzen, die Anerkennung beantragen. Dies alleine kostet 55€ bis 222€. Des Weiteren müssen deutsche Sprachkenntnis auf dem Niveau C2 nachgewiesen werden. Zudem muss nachgewiesen werden, dass ein Abschluss in zwei Fächern vorliegt. All’ dies sind Hürden, die einer Anerkennung im Wege stehen und somit verhindern, dass eine weitere Lehrkraft unserem Schulsystem weiterhelfen kann.

 

Als drittes gibt es noch die Lehrkräfte außerhalb der europäischen Union, diese haben es nochmals deutlich schwerer ihre Abschlüsse anzuerkennen. Von bundesweit rund 2500 Anträgen von zugewanderten Lehrkräften, die ihren Studienabschluss im Nicht-EU- Ausland erworben haben, werden pro Jahr nur etwa 500 anerkannt – also gerade einmal 20 Prozent. Dabei gibt es in vielen Bundesländern erfolgreiche Formate wie “InterTeach” oder “Lehrkräfteplus”. In diesen wird sowohl von der starren C2-Regel, wie auch der “Zwei-Schulfächer”- Politik abgewichen.

 

So fordern wir die SPD Mitglieder des Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf, eine Kampagne zu entwickeln, um Studierende für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen im Ganztag oder im Unterricht zu gewinnen. Es ist darauf zu achten, dass die Kampagnen in verschiedenen Sprachen gestaltet werden.

 

Desweiteren fordern wir eben diese dazu auf sich innerhalb der Kultusministerkonferenz dafür einzusetzen, dass alle Voraussetzungen zur Anerkennung eines Studiums mit Lehramtsbezug oder eines Lehrkräfteabschlusses innerhalb der EU reduziert bzw. gestrichen wird. Der Antrag zur Anerkennung, wie auch der Nachweis von zwei Unterrichtsfächern sollte hierbei gestrichen werden. Das C2 Niveau soll auf ein C1 Niveau reduziert werden. Sollte das C1 Niveau nicht nachgewiesen werden können, sollten geförderte staatliche Angebote etabliert werden.

 

Als drittes fordern wir, dass nach dem Vorbild von “Interteach” oder “Lehrkräfteplus” Angebote finanziert und geschaffen werden. Alle nicht EU- Absolvent*innen oder Lehrkräfte sollten zudem ebenfalls keinerlei Gebühren zur Anerkennung entrichten müssen. Jegliche Verfahren sind auch hier zu vereinfachen und etwaige pädagogische Lücken durch gezielte staatliche Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte aus dem nicht EU-Ausland zu schließen.1

Antrag 148/II/2022 Wirksame Maßnahmen gegen Sexismus und sexuelle Gewalt in Parlamenten endlich umsetzen!

9.10.2022

Sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt in Politik und Parlamenten sind keine Randerscheinung, sondern gehören leider zum Alltag vieler Menschen, die ein politisches Mandat ausüben, in Parlamenten oder Parteien arbeiten. Überdurchschnittlich häufig sind Frauen betroffen.

 

Die Rahmen, in der sich Politik und politische Arbeit abspielen, begünstigen leider Sexismus, sexuelle Belästigung sowie sexuelle Gewalt im hohen Maße. Zu nennen sind ausgeprägte formelle und informelle Hierarchien, in ehrenamtlichen und parlamentarischen Strukturen nur schwache Sanktionsmöglichkeiten sowie wegen der Immunität von Abgeordneten – grundsätzlich zu Recht – hohe Hürden für strafrechtliche Ermittlungen. Zwar gibt es in Deutschland immer mal wieder mediale Berichterstattungen über Sexismus in Parteien und Parlamenten, doch gibt es insgesamt kaum nationale Untersuchungen und Erkenntnisse zum Thema. Lediglich eine gemeinsame Studie des Council of Europe Parliamentary Assembly (PACE) und der Interparlamentarian Union (IPU) aus dem Jahr 2016 kommt zum Ergebnis, dass 80 Prozent der befragten Parlamentarierinnen Erfahrungen mit sexueller Belästigung und sexueller Gewalt gegen sie machen mussten. Nur 23,5 Prozent der weiblichen Abgeordneten und 6 Prozent der weiblichen Parlamentsmitarbeiter*innen, die sexuell belästigt wurden, meldeten den Vorfall. Mehrere der Befragten beklagten die Tatsache, dass es in ihrem Parlament keinen Mechanismus gibt, um Fälle von Belästigung oder Gewalt zu melden. Die Präsidenten der PACE und der IPU beschlossen, die Studie an alle Parlamentspräsident*innen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates zu senden und sie aufzufordern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

 

Die sozialdemokratischen Mitglieder im Bundestag und in den Landtagen werden aufgefordert

1. Informationen einzuholen

2. zu überprüfen und

3. die folgenden Empfehlungen der PACE/IPU-Studie in deutschen Landesparlamenten und dem Bundestag umzusetzen:

 

  • Schaffung eines Null-Toleranz-Umfelds für sexistisches Verhalten, Mobbing und sexuelle Belästigung und geschlechtsspezifische Gewalt im Parlament, u. a. durch die Umsetzung der Standards des Europarats auf parlamentarischer Ebene, insbesondere der Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt), die Empfehlung CM/Rec(2019)1 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zur Prävention und Bekämpfung von Sexismus, Resolution 2274 (2019) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates „zur Förderung von Parlamenten, die frei von Sexismus und sexueller Belästigung sind“ sowie andere einschlägige regionale oder internationale Instrumente.
  • Durchführung von Erhebungen über das Vorherrschen von Sexismus, Belästigung und Gewalt gegen Frauen im Parlament und Ergreifen von Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.
  • Geeignete Beschwerde- und Untersuchungsmechanismen einrichten, die vertraulich und fair sind und auf die Anliegen der Opfer eingehen.
  • Sicherstellen, dass die Opfer von Belästigung und Übergriffen wissen, dass sie Zugang zu Hilfs- und Beratungsdiensten haben, die vertraulich sind und die die Rechte der Opfer in den Mittelpunkt stellen.
  • Konzeption und Durchführung von Schulungsprogrammen für alle im Parlament tätigen Personen zu Fragen des Respekts am Arbeitsplatz, Sexismus, Belästigung sowie über Programme und Mechanismen zur Bewältigung dieser Probleme.
  • Initiierung, Unterstützung und Umsetzung von Maßnahmen und Rechtsvorschriften zur Gewährleistung der Parität im politischen und öffentlichen Leben.
  • Politische Parteien ermutigen und Anreize schaffen, um eine bessere Vertretung von Frauen in Entscheidungsprozessen sicherzustellen.
  • Politische Parteien dazu ermutigen, Verhaltenskodizes aufzustellen und Maßnahmen zu ergreifen, um Geschlechterstereotypen, Patriarchat, Frauenfeindlichkeit und die Kultur, die Gewalt und Belästigung von Frauen im politischen Leben toleriert, zu hinterfragen.
  • Männer proaktiv in alle Aktivitäten zur Verhinderung und Bekämpfung von Sexismus, Belästigung und Gewalt gegen Frauen einbeziehen. Einführung obligatorischer Schulungen zu Verhaltenskodizes und Ethik am Arbeitsplatz.
  • Aufbau von Partnerschaften und Zusammenarbeit mit den Medien, um eine nicht-sexistische Darstellung von Frauen zu fördern und schädliche Geschlechterstereotypen und Sexismus zu bekämpfen.
  • Bildungsprogramme von klein auf initiieren, fördern und ermutigen, die eine Kultur des Respekts, der Toleranz, der Nicht-Diskriminierung und der und Gleichberechtigung fördern.

 

 

Antrag 18/II/2022 Kein Platz für Diskriminierung - Für starken Awareness überall!

9.10.2022

Wie überall in dieser Gesellschaft haben wir ein Problem mit struktureller Diskriminierung und übergriffigen Verhallten in unserer Partei. Wir sind eine Partei mit vielen engagierten Genoss*innen, von denen sich die meisten im Sinne unserer Grundwerte und respektvoll verhalten. Doch in dieser großen Partei gibt es auch jene, die keinen Platz hier haben sollten, da sie sexistisch gegenüber Genoss*innen handeln, rassistische Kommentare von sich geben oder diskriminieren. Diesem Verhalten müssen wir klar entgegentreten. In dieser Partei darf kein Platz für sexistisches, rassistisches, antisemitisches und diskriminierendes Verhalten sein.

 

Doch durch Haltung allein ist unsere Arbeit leider nicht gemacht. Wir müssen in unseren Strukturen etwas ändern, damit Betroffene ein Gehör finden und wir konsequenter gegenüber Fehlverhalten vorgehen können.

 

Zurzeit bleibt betroffenen Genoss*innen meist nur die Möglichkeit in dieser Partei, die Anti-Sexismus-Kommission zu kontaktieren. Doch diese Kommission hat leider kaum formelle Handlungsmöglichkeiten. Sie kann weder ein Parteiausschlussverfahren anstreben, noch kann sie schwerwiegende Maßnahmen gegenüber den Täter*innen verhängen.

 

Auch ist Anti-Sexismus nicht gleich Anti-Rassismus oder sensibel für andere Diskriminierungsformen. Demnach wissen viele Betroffene nicht, wo sie Vorfälle melden sollen. Viele Betroffene fühlen sich hilflos und sehen den einzigen Ausweg im Beenden ihres politischen Engagements oder gar dem Parteiaustritt.

 

Wir wollen das nicht länger hinnehmen. Denn wir müssen jetzt agieren, um weiteren Schaden an Betroffenen und/oder unserer Partei abzuwenden.

 

Deshalb fordern wir, die Einrichtung von Awarenessteams ab Kreisebene, welches jeweils nicht aus Mitgliedern des Vorstandes besteht. Dieses Team muss aus mindestens zwei Personen bestehen und ist quotiert zu besetzen. Für das Awarenessteam sollen jährlich mindestens ein Termin zur Weiterbildung und dem richtigen Umgang mit Betroffenen durch die Partei angeboten werden. Entsprechende Mittel sind dafür bereit zu stellen.

 

Zudem fordern wir, dass die Anti-Sexismus Kommission in eine Anti-Diskriminierungskommission umbenannt wird. Eine solche Kommission soll in jedem Kreis und Landesverband innerhalb der SPD eingesetzt werden. Die Kommission sollte mindestens aus fünf Personen bestehen und sollte quotiert sein und BIPOC* (Black, Indigenious and People of Color)-Perspektiven berücksichtigen. Entsprechende Statuten gilt es demnach anzupassen.

 

Einen Kontakt zur Kommission muss es auf der Website der jeweiligen Gliederung verpflichtend geben. Zudem muss die Kommission bei jedem Parteitag bzw. bei jeder Delegiertenversammlung des Kreises auf der Bühne vorgestellt werden, sodass die Ansprechbarkeit verbessert wird.

 

Wir fordern, dass die Kommission statutarisch mit Rechten und Pflichten ausgestattet wird. Grundsätzlich müssen alle Personen, die sich an die Kommissionsmitglieder wenden, von diesen respektiert und ernst genommen werden. Alles, was an die Kommissionsmitglieder herangetragen wird, obliegt der Schweigepflicht. Zum andern darf die Kommission Maßnahmen wie Antisexismuscoaching oder Antidiskriminierungscoaching für den gesamten Ortsverein/Abteilung verhängen. Bei stärkeren Vergehen soll sie Täter*innen für Parteiämter sperren können. Ein entsprechender Katalog ist zu erarbeiten und durch die Delegiertenversammlungen bzw. Parteitagen des Kreises, des Landes und des Bundes abzustimmen. Zudem soll die Kommission Parteiausschlussverfahren anregen können. Für Betroffene soll die Kommission, wenn diese benötigt und gewünscht wird, juristische Hilfe vermitteln. Für die Mitglieder der Kommission soll jährlich mindestens ein verpflichtender Termin zur Weiterbildung und dem richtigen Umgang mit Betroffenen durch die Partei angeboten werden. Auf Bundesebene soll eine hauptamtliche Ombudsperson für Diskriminierungsfälle als Ansprechperson eingesetzt werden.

Antrag 215/II/2022 You'll never walk alone – Ein sozialdemokratischer Weg aus der Armut

9.10.2022

Die Coronakrise, die steigenden Energiepreise und die Inflation stellen derzeit viele Menschen vor neue finanzielle Herausforderungen. Viele Haushalte können die steigenden Preise nicht einfach so auffangen. Die Einsparungsmöglichkeiten sind bei vielen nicht mehr vorhanden. Daher ist es die Aufgabe der SPD, diesen Menschen zu helfen. Die Sozialdemokratie hat seit ihrem Bestehen gegen Armut und für Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft gekämpft. Gerade in diesen Tagen ist es wichtig zu zeigen, dass wir an der Seite der Menschen stehen, die derzeit unsere Unterstützung brauchen.

 

Armut ist dabei ein strukturelles Phänomen. In einer reichen Gesellschaft wie Deutschland fühlt sich Armut anders an als in ärmeren Ländern. Armut und Reichtum hängen dabei zusammen. Die Bedingung für den großen Reichtum von Wenigen ist die Armut von vielen Menschen. Bei uns ist das Hauptmerkmal von Armut vor allem der Ausschluss aus der Gesellschaft. Viele soziale Aktivitäten sind kaum mehr möglich. Dies trifft insbesondere Menschen, die bereits aufgrund von Geschlecht, Migrationsgeschichte, Behinderung u.a. marginalisiert sind. Dabei nimmt die Armut immer stärker zu. Immer größere Teile der Bevölkerung stehen im Risiko, in Armut zu landen. Die gesellschaftliche Spaltung greift auch zunehmend die Fundamente unserer Demokratie an. Ob jemand wählen geht oder politisch aktiv ist, hängt sehr stark von sozioökonomischen Faktoren ab. Wenn wir die Armut nicht bekämpfen, dann droht auch unsere Demokratie zunehmend zu verfallen.

 

Daher sehen wir es als SPD als unsere zentrale Aufgabe, Armut zu bekämpfen. Doch die Gründe für Armut sind oft sehr vielfältig. Unserem Bildungswesen fehlt trotz vieler Reformen die Durchlässigkeit. Armut ist in starker Weise vererbbar. Wir können derzeit beobachten, wie viele Menschen in die Altersarmut fallen. Doch auch junge Menschen sind zunehmend dem Risiko ausgesetzt, arm zu werden. Wer alleinerziehend ist, vermehrt Sorgearbeit leistet und/oder eine gebrochene Erwerbsbiografie besitzt, hat ein erhöhtes Armutsrisiko. Diese exemplarischen Aufzählungen zeigen, wie verschieden und unterschiedlich die Gründe für Armut sind. Sie zeigen, wie schnell man unverschuldet in Armut fallen kann. Daher schlagen wir als SPD ein breit gefächertes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Armut vor.

 

Bürger:innengeld

Wir als SPD begrüßen die geplante Einführung des Bürger:innengeldes. Aber dieses muss armutsfest sein. Daher setzen wir uns für eine deutliche Anhebung der Regelsätze ein. Die aktuelle Berechnung der Regelsätze orientiert sich für Einpersonenhaushalte an den untersten 15 Prozent der Einkommen, wobei diese Berechnung auch Menschen mit verdeckter Armut einschließt – also Menschen, die Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diese aber nicht beantragen.

 

Zudem werden bei dem angewendeten Statistikmodell Ausgaben politisch heraus gekürzt. So werden zum Beispiel Ausgaben für Schnittblumen, Weihnachtsbaum oder Alkohol gestrichen. Daher fallen die Regelsätze aktuell sehr niedrig aus und sind laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes “gerade so” existenzsichernd. An soziale Teilhabe und ein Leben in Würde ist mit dem niedrigen Regelsatz kaum zu denken. Dazu sollte der Regelsatz die realen Wohnkosten abbilden und Kosten für weitere Artikel des Grundbedarfs umfassen. Daher sollte sich die Regelsatzberechnung in Zukunft an den untersten 30 Prozent der Einkommen orientieren – viele Schieflagen bei der Berechnung wären damit gelöst und die Sozialleistungen würden stärker an die allgemeinen Lohnsteigerungen angepasst. Zudem muss mit der Einführung der Kindergrundsicherung die Berechnung der Regelsätze für Kinder und Jugendliche noch einmal neu aufgesetzt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Leistungen für junge Menschen deutlich geringer ausfallen als für Erwachsene, schließlich sind Ausgaben für Bildung und Freizeitgestaltung nicht zu unterschätzen. Beide Leistungen, Bürger:innengeld und Kindergrundsicherung, müssen unbedingt umgesetzt und großzügig ausgestaltet werden!

 

Bei zukünftigen Entlastungspaketen müssen auch Rentner:innen und Studierende mit einbezogen und entlastet werden! Der Mindestlohn hat sich als gutes Instrument gegen Armut erwiesen. Dieser soll zukünftig ausgeweitet und perspektivisch weiter erhöht werden.

 

Chancengerechte Bildung

Der Armut, die zwischen den Generationen tradiert wird, muss frühzeitig im Sinne der Chancengerechtigkeit entgegengewirkt werden. Auch das deutsche Bildungssystem schafft es bislang oft nicht, Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, sondern reproduziert soziale Ungleichheit. Häufig schlagen Kinder aus armen Familien denselben Weg ein wie ihre Eltern. Armutsbetroffene Familien oder Alleinerziehende haben häufig weder die Zeit noch die finanziellen Mittel, um ihre Kinder in der Schule adäquat unterstützen zu können. Berlin verzeichnet seit Jahren eine hohe Zahl an jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss beenden. Ohne Abschluss und (Job-)Perspektive werden Arbeitslosigkeit sowie letztlich Armut in zu vielen Familien Berlins “weitergegeben”. Doch ein gelungener Bildungsweg ist der beste Ausweg aus der Armutsspirale. Daher ist es wichtig, dass sich die Bildungspolitik noch stärker auf jene Familien und Kinder konzentriert, die am meisten Unterstützung brauchen. Von den Kitas über die Schulen bis hin zur Hochschulbildung braucht es gezielte politische Maßnahmen, die Kindern aus armen Familien mit möglichst vielfältigen Angeboten auf ihrem Weg unterstützen.

 

Die Berliner Regierung unter sozialdemokratischer Führung hat in den vergangenen Jahren viele effektive finanzielle Unterstützungshilfen auf den Weg gebracht, allem voran die gebührenfreie Kita und Schule. Das kostenlose Schüler:innenticket für den ÖPNV, die Lernmittelfreiheit sowie die kostenlose Hortbetreuung und Versorgung mit Mittagessen in den ersten Klassen haben wesentlich dazu beigetragen, dass Berliner Familien mehr Geld im Portemonnaie haben. Dieser Weg wird in der aktuellen Legislaturperiode fortgesetzt: die Hortgebührenfreiheit wird auf alle Grundschulklassen ausgeweitet, Lernmittelfreiheit und kostenbeteiligungsfreies Mittagessen werden auch für die Sekundarstufen verfügbar, das kostenlose Schüler:innenticket für den ÖPNV wird auch für Schüler:innen des zweiten Bildungsweges gelten.

 

Daneben gilt es, Entlastungsangebote zu schaffen, um auf besondere Bedarfslagen individueller Familien reagieren zu können. Im Schulbereich stellen insbesondere die Materialausstattung (Blöcke, Federtaschen, Hefter etc.) zu Beginn des Schuljahres, Klassenfahrten und Exkursionen sowie Nachhilfe nicht unerhebliche Kostenpunkte von Familien dar. Ziel der SPD ist es, soziale Härten auch außerhalb eines BuT-Anspruchs (Leistungen für Bildung und Teilhabe) abzufedern. Daher setzt die Berliner SPD kurzfristig folgende Maßnahmen um:

 

  • die Bereitstellung und Finanzierung von Beschaffungsgutscheinen, die zur bedarfsgerechten Unterstützung im Einzelfall von den Klassenleitungen ausgegeben werden können,
  • die Einrichtung eines Unterstützungsfonds zur Finanzierung von Klassenfahrten und Exkursionen für Kinder bedürftiger Familien oberhalb eines BuT-Anspruchs und
  • die Fortführung der kostenlosen Lernangebote in den Ferien und der kostenlosen Nachhilfe für alle Schüler:innen Berlins.

 

Für uns gilt: Entlastungspakete dürfen nicht gegen Investitionen im Bildungsbereich ausgespielt werden. Daher stehen wir weiterhin zu unseren zentralen Investitionsvorhaben, allen voran der Schulbauoffensive. Weder die Sanierungen der Bezirke noch die Neubauvorhaben des Landes dürfen Kürzungen zum Opfer fallen. Die entstehenden Mehrbedarfe der Entlastungspakete müssen daher zwingend aus anderen Finanzierungsquellen finanziert werden – und nicht durch Quersubvention aus dem Haushalt selbst.

 

Die Berliner Bildungslandschaft bedarf jedoch auch struktureller Maßnahmen, um eine annähernde Chancengerechtigkeit gewährleisten zu können und armutsbetroffenen Kindern den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.

  • gleiche Schule für alle: Wir fordern den flächendeckenden Ausbau und eine bessere Finanzierung der Gemeinschaftsschulen. Gemeinschaftsschulen, in denen Schüler:innen jeglicher Herkunft und jeglichen Bildungsgrades gemeinsam bis zum Abschluss unterrichtet werden, fördern nicht nur die soziale Kompetenz der Kinder.
  • multiprofessionelle Teams: Damit auch der Förderbedarf benachteiligter Schüler:innen gedeckt werden kann, benötigen die Berliner Schulen mehr Lehrpersonal, aber auch mehr Förderpädagog:innen, Schulpsycholog:innen und Erzieher:innen. Diese multiprofessionellen Teams können sich Schüler:innen mit Sprach- und Lernrückständen vollumfänglichen widmen, bei den Hausaufgaben helfen und hinsichtlich weiterer außerschulischer Hilfsangebote behilflich sein.
  • Schulpsychologie und Beratung stärken: Leistungsdruck, fehlende Orientierung im Leben, Ungewissheit oder Erfahrungen von häuslicher Gewalt führen bei vielen jungen Menschen zu Erkrankungen, mit denen das pädagogische Personal im Schulalltag konfrontiert ist. Zwar sind der Abbau von Lernrückständen und die Stärkung der psychosozialen Arbeit richtige Schritte, allerdings braucht es mehr sowie niedrigschwellige Unterstützungsangebote an den Bildungseinrichtungen als Erstkontakt. Weiterhin müssen Schulen und Bezirke (insb. die Schulpsychologischen und Inklusionspädagogischen Beratungs- und Unterstützungszentren) personell gestärkt werden, um die schulpsychologische Arbeit langfristig sicherzustellen. Außerdem braucht es flächendeckende Ressourcen, um schulabstinente Schüler:innen zu unterstützen und gemeinsam mit den Kollegien sowie Familien die Themen Schulangst, Leistungsdruck und mentale Gesundheit im Alltag zu besprechen und Lösungen zu erarbeiten.
  • Beratung über die berufliche Bildung in allen Schulen einführen: die Möglichkeiten der beruflichen Bildung werden derzeit nicht in allen Schulen vermittelt. Einige Schulen tun dies im Rahmen der Praktika in Jahrgang 9, andere als eigenständiges Unterrichtsfach, wieder andere überhaupt nicht. Dabei bietet die berufliche Bildung interessante Chancen, die vielen Schüler:innen nicht bekannt sind. Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass an allen Schulen über die Möglichkeiten der beruflichen Bildung informiert wird. So können Zukunftsperspektiven eröffnet und Schüler:innen motiviert werden.
  • diskriminierungskritische Lehrerfortbildung: Leider sind auch Lehrpersonen nicht frei von Vorurteilen. Allzu oft werden Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts und/oder Migrationsgeschichte in Schubladen gepackt und ihr eigentliches Potenzial nicht erkannt. Daher fordern wir, Lehrkräfte in Fortbildungen zum Umgang mit diskriminierten Gruppen weiter zu sensibilisieren. Klassismus, also die Diskriminierung aufgrund von tatsächlicher oder vermuteter sozialer Stellung und Herkunft, wollen wir aktiv bekämpfen. Dabei wollen wir auf klassistische Diskriminierung in der Bildung ein besonderes Augenmerk legen. Aufstieg durch Bildung ist ein zentrales Versprechen der SPD, was eingelöst werden muss. Eine gute Lehrkraft, die jedem Kind vorurteilsfrei und zugewandt begegnet, kann den gesamten Bildungs- und Lebensweg eines Schülers oder einer Schülerin positiv beeinflussen.
  • digitales Arbeiten für alle ermöglichen: immer noch gibt es Schüler:innen und Lehrkräfte, die nicht in Präsenz am Schulbetrieb teilnehmen können. Digitales und vor allem vernetztes Arbeiten hat an Stellenwert zugenommen – auch über die Pandemie hinaus. Die Ausstattung der Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten begrüßen wir sehr. Allerdings gibt es immer noch Schüler:innen, die nicht digital-vernetzt arbeiten können. Das Land Berlin muss schnellstens allen Schüler:innen ein Angebot zur Ausstattung mit digitalen, datenschutzkonformen Endgeräten machen. Wichtig ist dabei, dass es ein barrierearmes und sozialverträgliches Verfahren gibt, damit all jene Schüler:innen, die ein Gerät wollen, auch eines erhalten. Doch das allein reicht nicht aus. Damit diese Geräte auch vollumfänglich eingesetzt werden können, braucht es eine verlässliche Verbindung zum Internet. Deshalb fordern wir ein Recht auf Internet. Nur so lässt sich zeitgemäß lernen. Alle Schüler:innen müssen die technischen Möglichkeiten haben, online arbeiten zu können – vor allem von zu Hause.

 

Sozialdemokratische Bildungspolitik muss auch Chancengerechtigkeit beim Hochschulzugang in den Blick nehmen, damit Hochschulbildung nicht weiter der Reproduktion von Eliten dient. Noch immer studieren in erster Linie Kinder aus Akademiker:innenhaushalten. Der Einstieg für alle kann durch eine Orientierungsphase zu Beginn des Studiums erleichtert werden. Um die prekären Arbeitsverhältnisse im Hochschul- und Wissenschaftssystem, die es nur Begüterten ermöglicht, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen und langfristig durchzuhalten, zu beenden, muss das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das dauerhafte Befristungen jenseits der Professur ermöglicht, grundlegend reformiert werden.

 

Wohnarmut verhindern und obdachlose Menschen unterstützen

Es bedarf auch wohnungspolitischer Maßnahmen und Instrumente, die Menschen besser schützen, die von Armut bedroht oder betroffen sind.

 

Wir fordern Instrumente, die den Zugang zu Wohnraum erleichtern sowie die Subventionierung bezahlbarer Mieten. Hierzu zählen weitergehende Mietpreisregulierungen, eine verbindliche Sozialquote sowie eine sozialwohlorientierte Stadtentwicklungspolitik.

 

Menschen müssen vor Armut und Verdrängung geschützt werden. Hier kann der Bezirk tätig werden durch die Ausweisung von weiteren Millieuschutzgebieten, der Verhinderung von Abriss wie aktuell im Fall der Habersaathstraße, der Unterstützung von Mieter:innen im Falle von Umwandlungen von Wohnraum, sowie durch die Stärkung genossenschaftlichen Wohnens. Es ist zu befürchten, dass viele Menschen die steigenden Gas-, Strom- und Nebenkosten nicht mehr bezahlen können. Daher sollen zeitweise Kündigungen von Gas-, Strom- und Mietverträgen aufgrund ausstehender Zahlungen ausgesetzt werden.

 

Wohnungslose und obdachlose Menschen gehören  den vulnerabelsten Gruppen in der Gesellschaft. Ihr Weg von der Straße und heraus aus der Armut gehört zu den schwierigsten und fragilsten. Obdachlose Menschen brauchen deshalb größtmögliche Unterstützung und Solidarität. Für BPoC, LGBTQIA+ und FLINTA braucht es mehr abgegrenzte und professionell begleitete Schutzräume. Housing First als Maßnahme zur Wiedereingliederung hat sich bewährt und muss institutionalisiert und ausgebaut werden. Darüber hinaus müssen Strukturen, die kurz- und mittelfristig die Situation obdachloser Menschen verbessern, gestärkt werden. Der Personalschlüssel soll in der Obdachlosenhilfe erhöht und die Besetzung durch mehr Neueinstellungen von Psycholog:innen und Sozialarbeiter:innen breiter professionalisiert werden. Das Ehrenamt soll als Ergänzung fungieren und darf nicht den Großteil des Systems tragen.

 

Auf bezirklicher Ebene soll ein Runder Tisch „Obdachlose Menschen“ für Betroffene sowie ehrenamtliche und hauptamtliche Organisationen eingerichtet werden.

 

Mobilität für alle

Mobilität ist gerade für Menschen, die in Armut leben, wichtig. Dies umfasst Gänge zu den Ämtern der öffentlichen Verwaltung, der Arbeit, zum Arzt und auch die Möglichkeit zu einer flexibleren Freizeitgestaltung.

 

Das 9-Euro-Ticket war ein großer Erfolg und hat Menschen Mobilität auch überregional ermöglicht, die sonst davon ausgeschlossen gewesen wären. Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass ein einfacher und kostengünstiger ÖPNV für viele ein attraktives Angebot ist. Deshalb setzen wir uns für das 365-Euro-Ticket für Berlin ein. Auch auf Bundesebene muss es ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket geben. Wir begrüßen die Anstrengungen des Landes Berlin, das 9-Euro-Ticket auch in Berlin weiterzuführen.

 

Personengruppen wie Geflüchtete und Obdachlose fallen häufig aus dem System der sozialen Sicherung und haben mithin auch keinen Zugang zum Sozialticket. Der Bezug von Einzelfahrsausweisen und Tageskarten ist zu teuer und führt zum Fahren ohne Fahrschein und den damit verbundenen Konsequenzen wie Bußgeldern bis hin zu Ersatzfreiheitsstrafen. Menschen, die nachweislich Besucher:innen von Einrichtungen der Kältehilfe sind, sollte deshalb die kostenfreie Nutzung des ÖPNV ermöglicht werden. Darüber hinaus bedarf es diskriminierungskritischer Schulungen für das Kontroll- und Sicherheitspersonal sowie unabhängiger Beschwerdestellen, um Übergriffe auf marginalisierte Personen zu verhindern und zu sanktionieren.

 

Steuern

Für uns als Sozialdemokratie ist klar, dass wir uns nicht aus der Krise heraus sparen dürfen. Gerade jetzt braucht es die starke Hilfe des Staates. Dies bedeutet, dass die Schuldenbremse auch im Jahr 2023 ausgesetzt werden muss. Wir brauchen derzeit Hilfen für die Menschen und keine neuen Sparrunden.

 

In den letzten Jahrzehnten wurden die Steuern für Vermögende immer weiter gesenkt. Die Vermögenssteuer wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Die Erbschaftssteuer wurde immer weiter verwässert. Gerade für die hohen Erbschaften zahlt man heute kaum Steuern. Maßnahmen gegen die Armut müssen daher durch eine Erhöhung der Vermögenssteuern finanziert werden. Konkret fordern wir kurzfristig eine einmalige Vermögensabgabe. Bei dieser Vermögensabgabe kann es einen individuellen Freibetrag von 2 Millionen Euro geben und für Betriebsvermögen von 5 Millionen Euro. So werden nur die belastet, die aus den zurückliegenden Krisen meist mit Gewinn hervorgegangen sind. Das Geld aus der Vermögensabgabe soll für Maßnahmen gegen Armut eingesetzt werden.

 

Langfristig braucht es die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, einer Reform der Erbschaftssteuer und einer teilweisen Absenkung der Steuern auf Arbeit. Der Vorschlag zur Abminderung der kalten Progression, wie ihn Christian Lindner unterbreitet hat, ist für uns nicht ausreichend, weil er vor allem den Reichen zugutekommt. Außerdem wollen wir die Abschaffung der pauschalen Besteuerung bei privater Dienstwagennutzung.

 

Die Inflation führt derzeit zu erhöhten Steuereinnahmen beim Staat. Diese müssen zur Entlastung der Bürger:innen eingesetzt werden. Von den 2,3 Milliarden Euro, die das Land Berlin mehr einnimmt, soll mindestens die Hälfte für direkte Entlastungen der Bürger:innen genutzt werden.

 

Für uns als SPD ist auch klar, dass wir eine Übergewinnsteuer brauchen. Länder wie Großbritannien, Spanien oder Belgien zeigen, wie diese aussehen kann. Schätzungen zufolge könnte die Übergewinnsteuer bis zu 100 Milliarden Euro an Mehreinnahmen bedeuten. Dieses Geld wird dringend für Entlastungen der Menschen gebraucht.

 

Darüber hinaus fordern wir Steuergerechtigkeit für Sorgearbeitende durch Streichung der Lohnsteuerklasse V und perspektivisch die Weiterentwicklung zu einem Realsplitting.

 

Strukturen verbessern – Zugang zu Unterstützungsangeboten erleichtern

Nur leicht zugängliche, stabile und gerechte Strukturen zur Armutsvermeidung und -bekämpfung können langfristige Lösungen für Betroffene darstellen. In Deutschland gibt es bereits eine Vielzahl von unterstützenden Strukturen.

 

Doch um die bestehende Infrastruktur der Beratungs- und Hilfelandschaft und den Sozialstaat zugänglich und handhabbar zu machen und Menschen zu ermöglichen, Bedarfe zu erfüllen und bestehende Angebote zu nutzen, müssen Beratungs- und Hilfeangebote deutlich ausgebaut werden. Angebote der Überschuldungsberatung, der Mietendenberatung, kostenlose Energieberatung und Antragsberatung zu Bürger:innengeld, Pflege, Rente und anderen Punkten müssen einfach zugänglich sein. Dazu gehört auch der Ausbau der Informationsstreuung über diese Angebote und die Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit.

 

Ein konkretes Beispiel für die Unterstützung privater Hilfsangebote ist die Tafel. Die Tafel und andere private Hilfsprojekte, die Nahrungsarmut bekämpfen, füllen eine Lücke der staatlichen Armutsversorgung und haben sich in der Vergangenheit Strukturen und Vertrauen der in Armut lebenden Menschen erarbeitet. Ihre Arbeit würde durch die Verpflichtung von Lebensmittelgeschäften Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, an Hilfsstationen und Lebensmittelausgabestellen weiterzugeben, stark vereinfacht und würde die Versorgungsmöglichkeiten erweitern. Daher sollten wir diese verpflichtende Abgabe prüfen.

 

Guter Zugang zu Armut vorbeugenden und Armut bekämpfenden Strukturen muss niedrigschwellig sein. Daher ist es eine bereichsübergreifende Herausforderung, der wir uns stellen müssen, niedrigschwellige Zugänge zum Sozialsystem in analoger und digitaler Form zu schaffen, in denen soziale Beratung und Hilfestellung passieren kann. Um Menschen in Armut den Zugang zu Beratungsstrukturen zu erleichtern, wollen wir den Ausbau niedrigschwelliger Behördenzugänge und/oder Sprechstunden außerhalb der Behörde, zum Beispiel in Kieztreffs, verstärkt einführen.

 

Guter Zugang zu armutsverringernden Strukturen zu ermöglichen, bedeutet auch, sprachliche Barrieren abzubauen, zum Beispiel durch Leichte Sprache oder nicht deutsche Sprachen. Das soll sowohl den analogen als auch den digitalen Raum umfassen. Nur Menschen, die die Strukturen verstehen, können sich in ihnen bewegen und sie nutzen.

 

Wir wollen eine Armuts- und diskriminierungssensible Verwaltung. Eine Stigmatisierung von Armut ist in unserer Gesellschaft immer noch stark verbreitet. Von dieser Sozialisierung sind auch Mitarbeiter:innen der Anlaufstellen/Beratungsstellen betroffen. Um die Mitarbeiter:innen in diesem Bereich zu sensibilisieren, sollen Schulungen der Beschäftigten verpflichtend eingeführt werden.

 

Ein möglicher Weg aus der Armut bzw. ein Schutz vor Armut für viele Menschen ist die schnelle und unbürokratische Anerkennung von Studienabschlüssen z.B. von Geflüchteten, aber auch von Menschen aus der DDR. Ein höherer Bildungsabschluss ermöglicht einen schnellen Arbeitseinstieg und die Einstufung in höhere Gehaltsklassen in der Erwerbstätigkeit.

 

Durch unterschiedliche Krisen stehen wir aktuell gesellschaftlich vor einer wirtschaftlich und sozial herausfordernden Zeit. Daher ist für uns als SPD klar, dass wir gerade jetzt den Kampf gegen die Armut entschlossen aufnehmen müssen. Die  SPD steht an der Seite derer, die unsere Hilfe gerade jetzt brauchen.

Antrag 204/II/2022 Mehr Personal für die Klimaneutralität

9.10.2022

Personal- und Fachkräftemangel sind in allen Bereichen allgegenwärtig. Um jedoch eine zeitnahe Klimaneutralität Berlins zu erreichen, muss besonders das Personal im Klimaschutz verstärkt werden.

 

Die Umsetzung neuer Maßnahmen im Klimaschutz und in der Klimaanpassung gerät aufgrund mangelnden Personals ins Stocken. Die Gründe dafür sind zahlreich: Zum einen werden zu wenige Fachkräfte ausgebildet und eingestellt. Und zum anderen sind die Bewerbungsprozesse langwierig und die Bezahlung oftmals schlecht.

 

Ohne Personal, welches die Klimarichtlinien umsetzt und möglich macht, wird Berlin seine Ziele verfehlen und keine nennenswerten Erfolge im Bereich des Klimaschutzes erreichen können.

 

Im Allgemeinen muss eine Priorisierung der Klima-Anpassungsarbeit entstehen. Daher fordern wir, dass mehr Stellen zur Unterstützung der Arbeit der Klimabeauftragten in den Berliner Bezirken geschaffen werden und eine Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Abteilungen in den jeweiligen Bezirksämtern verpflichtend wird. Dafür sollen Vernetzungen und regelmäßige Treffen zwischen allen Klimabeauftragten Berlins stattfinden.

 

Zudem fordern wir eine Entschlackung des Bewerbungsprozesses, um schnell und effektiv qualifiziertes Personal einstellen zu können. Um die Attraktivität der Stellen zur Unterstützung der Klimabeauftragten zu steigern, muss eine Erhöhung der Gehälter erfolgen und ein verstärktes Angebot für die Fortbildung- und Weiterbildung der Mitarbeiter*innen geschaffen werden.

 

Um alle Interessent*innen einzubinden, müssen internationale Ausbildungen schneller anerkannt werden.