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Antrag 75/I/2021 Sachliche Information statt PR – für eine konsequente Social-Media-Kommunikation der Polizei Berlin

19.03.2021

Nicht nur für uns als junge Menschen ist das Internet kein Neuland – auch die Polizeibehörden haben mittlerweile entdeckt, dass sich über das Internet respektive die Sozialen Medien wesentlich schneller Meldungen verbreiten lassen und sich über sie öffentliche Debatten prägen lassen. Das gilt nicht zuletzt für die Berliner Polizei, die sich in den Sozialen Netzwerken Twitter, Facebook, Instagram und TikTok wohlfühlt.

 

Die Polizei Berlin hat bereits mehrere Falschmeldungen auf ihren sozialen Profilen veröffentlicht. Diese teils widerlegten Behauptungen führten nicht nur zu Desinformationen, sondern sollte die links autonome Szene diffamieren. Das muss sich ändern!

 

Polizeiaccounts genießen inzwischen hohe Reichweiten in Sozialen Medien. Auf Twitter, einem Microblogging-Portal, das gerade Journalist*innen überdurchschnittlich häufig nutzen, gehört der Berliner Polizei-Account @polizeiberlin mit knapp 500.000 Follower*innen (Stand Januar 2021) zu den reichweitenstärksten Accounts im deutschsprachigen Raum – er hat wesentlich mehr Follower*innen als andere Behördenaccounts wie dem Regierenden Bürgermeister (ca. 31.000), allerdings weniger als „Der Spiegel“ (2,7 Mio.) oder „Bild“ (1,7 Mio.), spielt aber also in derselben Größenordnung im Mediengeschehen mit.

 

Schon das bringt aber ein Problem mit sich: Zu Recht wird im Bezug auf die Medien von einer „vierten Gewalt“ gesprochen. Im Gegensatz zu den ersten drei Gewalten sind die Medien keine Staatsgewalt, sondern haben die Funktion, öffentlich das Handeln des Staates zu kontrollieren.

 

Daher fordern wir:

  • In den einschlägigen Polizei- und Ordnungsgesetzen werden klare gesetzliche Regelungen aufgenommen, unter welchen Umständen und in welchen Grenzen Öffentlichkeitsarbeit der Polizeibehörden stattfinden darf. Daran muss sich die Polizei halten.
  • Die Polizei darf Social-Media-Accounts benutzen
    1. zur Verbreitung von Informationen, bei denen ein großes öffentliches Interesse vorliegt und die unmittelbare zeitliche Nähe der Berichterstattung für die Bevölkerung notwendig ist sowie
    2. zur Öffentlichkeitsarbeit, soweit sie nicht das Ergebnis einer Ermittlung vorwegnimmt oder geeignet ist, die öffentliche Meinung bezüglich einer Ermittlung zu beeinflussen oder komplexe Abläufe so vereinfacht, dass der Gang des öffentlichen Diskurses negativ beeinträchtigt wird. Die Informationen mit großem öffentlichen Interesse und die Öffentlichkeitsarbeit sind durch getrennte, eigens dafür ausgezeichnete und bezeichnete Accounts zu verbreiten.
  • die Polizei kann auch weiterhin in den sozialen Netzwerken aktiv sein. Dies muss aber im Einklang mit den Regeln für eine angemessene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einhergehen.

    Antrag 64/I/2021 Nichtraucher*innenschutz in Berliner Clubs endlich konsequent umsetzen - Für eine rücksichtsvolle und diverse Clubkultur

    19.03.2021

    Passivrauch besteht aus über 7000 chemischen Stoffen, von denen nachweislich hunderte giftig und mind. 70 krebserregend sind. Besonders gefährlich ist Passivrauch in Innenräumen, da er hier nicht oder nur teilweise abziehen kann und sich stattdessen in der Luft und den Einrichtungsgegenständen anreichert.

     

    Die Studienlage zu Passivrauchen zeigt im Allgemeinen auf, dass hierbei ein erhöhtes Krebsrisiko vorhanden ist. Meta-Analysen ergaben, dass im Verhältnis zu Nichtrauchern ohne Aussetzung mit Zigarettenrauch ein 9,25% höheres Risiko, an Diabetes Mellitus Typ 2 zu erkranken, vorhanden ist. Ebenfalls gilt dies für das Schlaganfall-Risiko, bei dem sich das Gesamtrisiko bei Passivrauch um 45 % erhöht. Dies verdeutlicht, dass auch die passive Aufnahme von Zigarettenrauch schädliche und schwerwiegende Folgen haben kann. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum führt Passivrauchen zu über 3300 Toten pro Jahr.

     

    Diese und viele weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Gefahren und Schäden des Passivrauchens sind seit Jahrzehnten bekannt und dennoch werden sie nach wie vor in erschreckendem Maße von der Politik vernachlässigt und ignoriert. Eine besondere Lage existiert in den Berliner Clubs, bei denen beispielsweise 2012 in Form einer Berliner Clubstudie massive Verstöße gegen das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz festgestellt wurden. Im Jahr 2019 lag Deutschland in Bezug auf wirksame Tabakkontrollen auf der „Tobacco Control Scale“ noch immer auf dem letzten Rang der
     europäischen Länder.

     

    Seit 2012 hat sich an diesem Problem wenig geändert. Die meisten Clubs dulden/fördern weiterhin illegalerweise das Rauchen in ihren Innenräumen, während die Bezirksämter weitestgehend tatenlos zuschauen. Der mangelnde Nichtraucher*innenschutz in den Clubs hat wortwörtlich toxische Zustände zur Folge. Verrauchte Clubs und Bars sind die am stärksten luftverschmutzten öffentlichen Orte in ganz Berlin, da die Feinstaub- und weitere Schadstoffbelastung von Zigarettenrauch um ein Vielfaches höher als die von Autoabgasen liegt. Geltende Feinstaubgrenzwerte für den Außenbereich werden hier um ein Vielfaches überschritten. Jeder Atemzug in dieser giftigen Umgebung schadet dem Körper. Die erheblichen Gesundheitsgefahren des Passivrauchens betreffen dabei nicht nur nichtrauchende Menschen, sondern auch die Raucher*innen selbst, da sie dem toxischen Rauch doppelt (aktiv und passiv) ausgesetzt sind.

     

    Das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz ist in seiner aktuellen Form seit 2009 in Kraft und sieht vor, dass die Tanzflächen generell rauchfrei sein müssen. Das Rauchen ist nur in ausgewiesenen und vollständig abgetrennten Nebenräumen (in denen nicht getanzt werden darf) gestattet. Ein Nichtraucherschutzgesetz, dass den erforderlichen Schutz abbildet gibt es in NRW schon seit 2013, es ist politisches Thema. Ziel des Gesetzes war es, den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens im kulturell relevanten Bereich der Clubs zu gewährleisten. Dieses Ziel wurde auch nach über 10 Jahren nicht erreicht. Das Gesetz ist in seiner jetzigen Form im Bereich des Nachtlebens gescheitert. Eine Gesetzesvorlage der SPD-geführten Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zur Verschärfung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes, die dem Berliner Abgeordnetenhaus bereits 2018 vorlag, wurde bis heute nicht beschlossen. Der Entwurf erkennt zwar teilweise das Gesetzesversagen an, geht jedoch nicht annähernd weit genug, um das Problem für die Zukunft zufriedenstellend zu lösen.

     

    Der Grund, warum Nichtraucher*innenschutz von einigen noch immer nicht ernst genommen wird, hat viel mit Falschinformationen zur Gefährlichkeit von Passivrauchen zu tun (die Tabakindustrie verbreitete jahrzehntelang gezielt Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen). Außerdem besteht oft ein Missverständnis darüber, um was es beim Nichtraucher*innenschutz im Kern geht. Räumliche Rauchverbote haben nicht zum Ziel, Raucher*innen das Leben schwer zu machen, sondern die Gesundheit ALLER, insbesondere aber von Nichtkonsumierenden, zu schützen. Die Gewährleistung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und gesellschaftliche Teilhabe hat weder etwas mit Spießigkeit, noch mit staatlichem Kontrollwahn oder gar Gesundheitsfanatismus zu tun. Es ist schlichtweg wissenschaftlich und ethisch geboten. Es geht nicht um Verbote, sondern um Schutz! Die Wichtigkeit dieses Anliegens zeigt sich in den folgenden Teilaspekten:

     

    Nichtraucher*innenschutz bedeutet Gesundheitsschutz

     

    Mit dem Wissen, dass Rauchen in geschlossenen Räumen in erheblichem Maße für alle Anwesenden gesundheitsschädlich ist und jeden Tag in Deutschland statistisch gesehen über 9 Menschen durch Passivrauchen sterben, darf die Politik nicht untätig bleiben. Die evidenzbasierte und menschenrechtsorientierte Lösung zur Minderung dieser Fremd- und Eigenschädigung wäre die konsequente Umsetzung von Rauchverboten in den Innenräumen der Clubs, so wie es sich mittlerweile überall auf der Welt und in weiten Teilen Deutschlands durchgesetzt hat. Berlin darf nicht länger ein weißer Fleck auf der Landkarte des Nichtraucher*innenschutzes bleiben und muss seine Pflicht zur Umsetzung des WHO-Tabakrahmenübereinkommens von 2004 (Art. 8) und den Empfehlungen des Rates der EU über rauchfreie Umgebungen (2009/C 296/02) endlich ernst nehmen.

     

    Ein Rauchverbot in den Club-Innenräumen bedeutet im Gegenzug auch, dass alternative (sicherere) Orte zum Rauchen geschaffen werden müssen, wie z.B. überdachte und ggf. beheizte Außenflächen. Es kann selbstverständlich weiterhin geraucht werden – nur eben nicht überall. Wenn die örtliche Verlegung des Rauchens (um wenige Meter nach draußen) die Gesundheit und Teilhabe anderer Menschen gewährleistet und schützt, dann ist das eine angemessene und verhältnismäßige Einschränkung der freien Entfaltung von Raucher*innen.

     

    Nichtraucher*innenschutz bedeutet Arbeitsschutz

     

    Ein besonderes Anliegen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung war und ist es, die Arbeitsbedingungen von Arbeiter*innen und Angestellten zu verbessern und körperliche sowie psychische Schäden in diesem Zusammenhang zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist es inakzeptabel, dass Menschen bei der Arbeit permanent hochgradig schadstoffbelastete Luft einatmen müssen. Deshalb sollten Angestellte im Berliner Nachtleben in besonderer Weise vor unfreiwilligem Rauchen geschützt werden.

     

    Nichtraucher*innenschutz bedeutet Selbstbestimmung

     

    Aufgeklärter und mündiger Drogengebrauch bedeutet in erster Linie körperliche Selbstbestimmung. Der Konsum einer Substanz ist unter freiheitlichen Bedingungen genauso legitim wie der Nicht-Konsum. Im Moment ist die clubkulturelle Erfahrung in Berlin jedoch an einen gezwungenen (passiven) Tabakkonsum gekoppelt. Wer an Clubkultur teilhaben will, muss zwangsläufig Tabak mit-rauchen. Um die derzeitige Situation mit einem Gedankenexperiment greifbar zu machen: Das wäre, als ob man beim Einlass sagen würde, dass du den Club nur dann betreten darfst, wenn du bereit bist, 4 Shots hochprozentigen Alkohol zu trinken. Die Entscheidung für oder gegen den Konsum einer Substanz, einschließlich möglicher Nebenwirkungen und Schäden, muss jedoch eine höchstpersönliche und emanzipierte Entscheidung sein. Dies ist umso wichtiger, je größer das Fremd- und Eigenschädigungspotential einer Substanz ist, was im Fall von Tabak in besonderem Maße zutreffend ist. So gehört Tabak nicht nur zu den suchterzeugendsten Substanzen überhaupt, sondern ist auch eine der tödlichsten. Allein in Deutschland sterben pro Jahr 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, was ca. 13 Prozent aller Tode entspricht. Gerade auch vor diesem ernsten Hintergrund muss die Entscheidung gegen das (passive) Rauchen akzeptiert und strukturell ermöglicht werden, indem Clubkultur rauchfrei erlebbar wird.

     

    Nichtraucher*innenschutz bedeutet Awareness

     

    Awareness-Konzepte sollen dazu führen, dass sich alle Menschen im Club wohl, frei und sicher fühlen können. Der derzeitige Mangel an Nichtraucher*innenschutz hat zur Folge, dass eben genau das nicht der Fall ist. Menschen fühlen sich berechtigterweise durch das unfreiwillige Passivrauchen unwohl und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Legitime Gesundheits- und Selbstbestimmungsinteressen werden unter der bisherigen ‚Laissez-faire-Praxis‘ grob missachtet. Außerdem führt das Rauchen auf den Tanzflächen regelmäßig zu Verbrennungen an Haut und Kleidung. Auch diese Form der Belästigung/Schädigung wäre durch die Umsetzung eines Rauchverbots vermeidbar. Am Ende geht es um ein rücksichtsvolles, respektvolles und aufmerksames Miteinander im Club, was auch für den Tabakkonsum gelten muss.

     

    Nichtraucher*innenschutz bedeutet Gleichstellung, Inklusion und Diversität

     

    Die Berliner Clubs sind mehr als bloße Vergnügungsstätten. Sie sind Orte der sozialen Begegnung, des kulturellen Schaffens/Erlebens und nicht zuletzt auch ein Zufluchtsort/Safer Space für Personengruppen, die in der Mehrheitsgesellschaft mit Problemen zu kämpfen haben. Mangelnder Nichtraucher*innenschutz ist gesundheitsschädigend und ausgrenzend. Für manche Personengruppen (chronisch kranke Menschen wie Asthmatiker*innen, Allergiker*innen, Schwangere, Stillende, Menschen mit Krankheitsvorgeschichte, Ex-Raucher*innen oder einfach gesundheitsbewusste Menschen) stellt ein verrauchter Raum unter Umständen eine harte Barriere dar. Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie, müssen wir davon ausgehen, dass viele Menschen Langzeitschäden (Long Covid), insbesondere auch die Lunge betreffend, davontragen werden. Für all diese Menschen besteht bisher kein oder nur eingeschränkter Zugang zur Clubkultur. Auch Menschen, die auf Safer Spaces angewiesen sind, werden auf diese Weise potenziell ausgegrenzt. Ziel sollte es sein, Barrieren wie diese zu erkennen und abzubauen. Davon auszugehen, dass jeder Mensch fähig ist, verraucht-toxische Luft zu atmen, ist ableistisch. Die Berliner Clubs dürfen keine exklusiven Orte für Raucher*innen sein, sondern sollten allen Menschen prinzipiell offen stehen, unabhängig von körperlichen Einschränkungen oder der bewussten Entscheidung gegen Tabakkonsum.

     

    Immer wieder werden Argumente vorgebracht, wonach ein konsequenter Nichtraucher*innenschutz angeblich zu einer hohen finanziellen Belastung der Clubs und so zu einer Schwächung der Clubkultur führen würde. Diese – vor allem von der Tabakindustrie produzierten Zweifel – wurden bereits in zahlreichen unabhängigen Studien widerlegt. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum hat diese Behauptung mit einer eigenen Studie widerlegt. Unabhängig davon dürfen Gesundheitsinteressen nicht durch ökonomische oder finanzielle Argumente ausgespielt werden.

     

    Fast überall auf der Welt sind Clubs mittlerweile rauchfrei. Nur in Berlin soll das nicht möglich sein? Nichtraucher*innenschutz war und ist ein zutiefst progressives Anliegen, bei dem Menschenrechte, insbesondere Selbstbestimmungs- und Gleichstellungsüberlegungen, im Vordergrund stehen.

     

    Berlin ist völlig zurecht für seine wertvolle und diverse Clubkultur bekannt und beliebt. Sie steht in einer wohl einmaligen Art und Weise für Freiheit und Hedonismus. Aber auch hier muss das Prinzip der Rücksichtnahme gelebt und die Grenzen anderer Menschen respektiert werden. Freiheit darf niemals zur Einbahnstraße werden. Deshalb sollte es uns ein dringliches und wichtiges Anliegen sein, die Berliner Clubkultur mithilfe eines konsequenten Nichtraucher*innenschutzes sicherer, rücksichtsvoller und gerechter zu gestalten!

     

     Unsere Forderungen lauten daher wie folgt:

    • Die wissenschaftlichen Evidenzen zum Passivrauchen müssen von der Berliner Politik endlich ernst genommen werden und effektive Schritte zum Schutz vor den erheblichen Gesundheitsgefahren unternommen werden. Leitlinien für den politischen Umgang mit der Passivrauchproblematik sollten die Forschungsergebnisse und Empfehlungen des Deutschen Krebsforschungszentrum sein. Tabakpolitik muss sich an der Wissenschaft und den Menschenrechten ausrichten ohne politische Einflussnahme der Tabakindustrie.
    • Die Berliner Senatsverwaltung muss sich explizit zu ihren Verpflichtungen im Rahmen der WHO-Tabakrahmenkonvention und den Empfehlungen des Rats der Europäischen Union über rauchfreie Umgebungen (2009/C 296/02) bekennen.
    • Die Berliner Clubs müssen vollständig als kulturelle Einrichtungen anerkannt werden und dementsprechend dann auch im Nichtraucher*innenschutzgesetz behandelt werden.
    • Das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz muss dringend in folgenden Punkten novelliert werden:
    • Abschaffung der Ausnahmen für den Gastronomiesektor (Nebenraum- und Einraumregelung) in Bezug auf Clubs, denn diese sind ein Hauptgrund für das Vollzugschaos und die Wettbewerbsverzerrungen
    • Deutliche Anhebung des Strafmaßes, um das massive Vollzugsproblem in den Griff zu bekommen. Die in der derzeitigen Vorlage vorgesehenen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro sind nach wie vor deutlich zu gering angesetzt, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus müsste auch die gesetzliche Möglichkeit vorgesehen sein, einen Betrieb bei andauernder bzw. systematischer Missachtung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes kurzweilig oder permanent zu schließen. Sinnvoll wäre hier eine Stufenregelung, die noch moderate Bußgelder beim ersten Verstoß vorsieht, jedoch bei allen weiteren Verstößen wesentlich empfindlichere Bußgelder/Strafen (bis zum Entzug der Betriebserlaubnis) festsetzt. Der Verstoß gegen das Nichtraucher*innenschutzgesetz ist kein Bagatelldelikt und muss dementsprechend auch behandelt werden.
    • Gut sichtbare und unmissverständliche gesetzliche Kennzeichnungspflicht zum Rauchverbot in allen Innenräumen und den Außeneingängen, sodass Besucher*innen aufgeklärt werden und die Clubbetreiber*innen sich ihrer Verantwortung nicht mehr entziehen können.
    • Verpflichtung jedes Clubs zur Vorlage eines effektiven Nichtraucher*innenschutz- Konzepts, das mit der Berliner Clubkommission gemeinsam erarbeitet wird.
    • Niedrigschwellige Präventionsprojekte wie die Nachtbürgermeister*innen, insbesondere für jene Bezirke mit besonders viel Nachtleben. Generell muss es für Betroffene viel einfacher sein, sich gegen Verstöße gegen das Nichtraucher*innenschutzgesetz zur Wehr zu setzen. Deshalb sollte für jeden Bezirk eine zuständige Person für Nichtraucher*innenschutz ausgewiesen und kontaktiertbar sein.
    • Es müssen nachdrückliche Gespräche zu diesem Thema mit den Clubbetreibenden (insbesondere mit der Clubcommission Berlin als zentraler Interessenvertretung) geführt werden, die auf eine eigenverantwortliche Umsetzung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes abzielen (sodass im besten Fall gar nicht erst groß kontrolliert werden muss). Es geht darum Akzeptanz zu schaffen und einen Mentalitätswandel beim Nichtraucher*innenschutz anzustoßen.
    • Eine breitangelegte Aufklärungskampagne zu den Gefahren des Passivrauchens, die sich auch gezielt an die Berliner Party-Szene und die Clubkommission richtet. Von Berlin geförderte drogenbezogene Projekte wie ‚Sonar Berlin‘ könnten hier sinnvoll eingebunden werden.

    Antrag 66/I/2021 Politische Konsequenzen aus “The children of Pornhub” ziehen!

    19.03.2021

    Pornoseiten gehören zu den täglich am häufigsten besuchten Websites der Welt. Während der ersten Corona Welle in Italien macht Pornhub Werbung damit, dass man jetzt ein kostenloses Premium Abo abschließen könne und auch in den Vereinigen Staaten von Amerika, die sexualisierte Inhalte im öffentlichen Raum sonst strengstens regulieren, macht Pornhub Werbung auf Werbetafeln am Time Square in New York. Ein ganzheitlicher Anspruch und Sex-Positivität, das ist der Anstrich, den Mindgeek (eine der größten Betreiberfirmen für Pornoseiten) seinem “Frontrunner”, seiner “Cash Cow“, also seiner besten Einnahmequelle, verpassen will. Kostenlose Pornos für alle und von allen, für die kalten einsamen Stunden in der Corona-Isolation.

     

    Mitte Dezember 2020 verschwindet dann auf einmal mehr als 80 Prozent des Inhalts von Pornhub. Die Betreiberfirma Mindgeek hat entschieden, alle Videos von nicht verifizierten Uploader*innen zu löschen. Dem vorausgegangen war eine Recherche der New York Times – “The children of Pornhub”. Darin sind die Aspekte von Pornhub beschrieben, die so weit weg von Ganzheitlichkeit und Sex-Positivität entfernt sind wie man sich nur vorstellen kann. Videos von Minderjährigen und Vergewaltigungen können von allen hoch- und heruntergeladen, tausendfach vervielfältigt und weiterverbreitet werden – und dabei die Leben der Opfer komplett ruinieren. Ein einfacher Schulwechsel hilft nichts, wenn man einem Video entkommen will, das täglich von mehreren tausenden Personen weltweit und völlig legal abgerufen wird.

     

    Die Details dieser Recherche sind im Analyseteil dieses Antrags fehl am Platz, aber mit den Schlussfolgerungen und Konsequenzen sollten wir uns beschäftigen. Nachdem Pornhub und Mindgeek die darin beschriebenen Vorgänge erstmal als unbegründet von sich wiesen, beschlossen sie auf Druck von Mastercard und Visa, die (genauso wie PayPal schon vor mehr als einem Jahr) die Zahlungsabwicklung für Mindgeek einstellten, ein radikales Umdenken. Uploads von nicht verifizierten Accounts wurden verboten, die Downloadfunktion für Videos wurde gesperrt, die Suchfunktion angepasst: So liefert jetzt z.B. nicht mehr nur ‘rape’ sondern auch ‘r*pe’ keine Suchergebnisse mehr. Mindgeek versprach, das Moderationsteam der Website erheblich auszubauen um Beschwerden schnell bearbeiten zu können und illegales Material schnellstmöglich zu löschen.

     

    Dass diese Schritte erst eingeleitet wurden, als es ums Geld ging, zeigt, dass diese Maßnahmen nicht aus Gründen des Opferschutzes ergriffen wurden. Und Pornhub ist nicht die einzige Pornowebsite, Mindgeek nicht die einzige steuervermeidende, internationale Firma, die in diesem Milliardengeschäft mitspielt.

     

    Weil wir uns nicht auf das Wohlwollen des Marktes verlassen können, müssen politische Konsequenzen folgen. Es reicht eben nicht, wenn Pornhub die Sache selbst (vermeintlich) regelt. Der Staat muss seine Bürger*innen schützen. Videos werden immer ihren Weg ins Internet finden, aber die Verbreitung und Monetarisierung von Videos mit illegalen Inhalten auf massenhaft aufgerufenen Plattformen sollte vom Staat reguliert werden.

     

    Wir fordern:

     

    • Website-Betreiber*innen, die pornographische Inhalten in Deutschland verbreiten, gesetzlich zu verpflichten, dass:
      • Uploads nur von verifizierten Accounts erfolgen dürfen
      • Beim Upload ein ‘Proof of consent’, eine Bestätigung der Darsteller*innen, dass alle im Video gezeigten Handlungen einvernehmlich geschehen sind und der Verbreitung des Videos zugestimmt wird, mitgeliefert wird
      • sie keine Funktionalität bereitstellen, die darauf abzielt, eine lokale, persistente, also auf Dauer angelegte Kopie dieser Videos zu erstellen
      • Moderationsteams in Deutschland aufgebaut und deren Erreichbarkeit für alle Nutzer*innen klar erkennbar auf den Websites dargestellt wird. Dabei müssen die Moderator*innen der psychisch belastenden Tätigkeit angemessen bezahlt werden und eine Infrastruktur zur psychologischen Betreuung der Moderator*innen muss gewährleistet sein
      • Eine empfangsberechtigte Ansprechperson in Deutschland benennen
      • Gemeldete Inhalte innerhalb von 24h zu löschen sind und deren Wiederupload wirksam durch geeignete technische Mittel zu verhindern ist.
    • Der Zugriff auf Angebote, die nicht diesen Regularien entsprechen, aus Deutschland soll erschwert werden. Suchmaschinen sollen verpflichtet werden, entsprechende Websiten nicht mehr in ihren Suchergebnissen zu listen
    • Die Haftung für die auf den Websites verbreiteten Inhalte muss zumindest in Teilen bei den Betreiberfirmen liegen, vor allem, wenn sie nicht alles Mögliche unternehmen, um die Verbreitung illegaler Inhalte zu verhindern
    • Gemeinsam mit Künstler*innen sollen Regelungen entsprechend der Bedürfnisse und Möglichkeiten alleine oder in kleinen Kollektiven arbeitenden, freier erotischer Künstler*innen erarbeitet werden. So wird sichergestellt, dass die Einrichtung dieser notwendigen Schutzmaßnahmen nicht zu einer Konsolidierung erotischer Kunst bei großen Webseiten-Betreiber*innen führt und freie Künstler*innen von diesen Plattformen unabhängig bleiben können, sofern sie dies wünschen. Dies beugt auch der Kommerzialisierung von Kunst vor
    • Auf europäischer Ebene müssen ebenfalls entsprechende Regularien beschlossen werden.

     

    Dieser Antrag ist in keinem Fall ein Antrag gegen Pornowebsites und Pornographie im Allgemeinen. Um es mit den Worten des NY Times Journalisten zu sagen: “Es sollte möglich sein, Sex-positiv und PornHub-negativ zu sein.”

    Antrag 70/I/2021 Antiziganismus und antiziganistisch motivierte Diskriminierung strukturell bekämpfen!

    19.03.2021

    Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja ist in unserer Gesellschaft tief verankert! Ein Beispiel: Am 6. Februar 2021 legten zwei Polizeibeamten einem Elfjährigen Handschellen an, verweigerten ihm den telefonischen Kontakt zu seiner Familie, drohten ihm und beleidigten ihn antiziganistisch. Der Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und Menschen, die dafür gehalten werden, wird in Deutschland nach wie vor offen ausgelebt.

     

    Betroffene erleben täglich Anfeindungen und Diskriminierung in der Öffentlichkeit, in den Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden, in Schulen, bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Gütern. Betroffene haben mit Stigmatisierungen und strukturellen Nachteilen zu kämpfen und erleben ständige Benachteiligungen und Ausgrenzung. Circa die Hälfte der Deutschen teilt antiziganistische Einstellungen.

     

    Es bedarf nach wie vor der Aufklärung und Sensibilisierung zum antiziganistischen Rassismus. Daher fordern wir:

    • Aufklärung über (die Geschichte) von Sinti*zze und Rom*nja und Antiziganismus in Schulcurricula stärker anbinden, insbesondere der Porajmos, also der Völkermord und die Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja in Zeiten des Nationalsozialismus
    • Zusätzlich sollen Bildungs- und Begegnungsprojekte für Jugendliche sowie Projekte in der Erwachsenenbildung zur Geschichte und Kultur von Sinti*zze und Rom*nja verstärkt gefördert werden
    • Regelmäßige Sensibilisierungsmaßnahmen und Workshops in Bundes- und Landesbehörden, u.a. zur Entstehung, Erscheinungsformen, Auswirkungen sowie zur Bekämpfung von Antiziganismus
    • Zusätzliche Maßnahmen zur Unterbindung von Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja in Form von racial profiling (Anlasslose Polizeikontrollen anhand rassistischer Zuschreibungen) bei den Sicherheits- und Polizeibehörden
    • Zivilgesellschaftliche Interessensvertretungen von Betroffenen und gegen Antiziganismus benötigen strukturelle und finanzielle Unterstützung in der sozialen Arbeit, Empowerment, Präventions- und Bildungsarbeit
    • Politik „mit“ statt „über“ Betroffene: Einrichtung von Sinti*zze und Rom*nja-Beiräte auf Bundes- und Landesebene zur Beratung und Unterstützung von politischen Entscheidungen zur Teilhabe und Partizipation von Sinti*zze und Rom*nja. Berlin hat in der Novellierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes (PartIntG) einen guten Vorschlag gemacht.

    Antrag 27/I/2021 Schüler*innenvertretungen im Land und Bezirk den Rücken stärken

    18.03.2021

    Auf Bezirks- und Landesebene sind Schüler*innen in ihrem demokratischen Engagement oft auf sich allein gestellt. Nur in wenigen Bezirken gibt es beispielsweise Kinder- und Jugendbüros, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, auch schulisches Engagement im Bezirk zu unterstützen. Oft folgt das Engagement dem Motto, hier habt ihre eure Gremien, hier habt ihr eure Partizipation. An nur zu wenigen Schulen wird die Rolle der Gremien erklärt und werden Schüler*innen zum Engagement empowert. Zudem fehlt es an Stellen im Bezirk, an die an die sich Schüler*innengremien in Konfliktfällen wenden können. Eine Vertrauensperson zum Beispiel in einem Kinder- und Jugendbüro kann hier helfen. Sie unterstützt die Bezirksschüler*innenausschüssen bei ihrer organisatorischen Arbeit und vermittelt bei Konflikten.

     

    Viele Ideen, Veranstaltungen und Aufklärungskampagnen benötigen Geld. Dieses fehlt den bezirklichen und schulischen Gremien häufig. Daher unterstützen wir das vom Landesschüler*innenausschuss vorgeschlagene Berechnungsmodells für ein Gremienbudget. Die Vertrauensperson unterstützt die Gremien bei einer effizienten und sparsamen Mittelverwendung.

     

    Besonders auch im Bezug auf Wahlen existieren viele Unterschiede, die sich nachteilig auf die Selbst- und Mitbestimmung der Schüler*innen auswirken. Lediglich für die Wahlen der Klassensprecher*innen gibt es eine gesetzliche Wahlpflicht. Zwischen den schulischen, bezirklichen und landesweiten Gremien kommt es damit häufig zu versetzen Legislaturperioden. Damit verlieren viele Vertreter*innen einfach über die Zeit einen Anschluss an die höhere Ebene. Zudem variiert das Wahlverfahren an vielen Schulen. Die Ernsthaftigkeit wird dadurch teilweise gefährdet. Eine Schulwahlverordnung kann hier Abhilfe schaffen.

     

    Die sozialdemokratischen Mitglieder im Abgeordnetenhaus und Senat werden daher
     aufgefordert:

    1. Sich für die Einstellung einer Vertrauensperson im bezirklichen Kinder- und Jugendbüro einzusetzen, welche die Arbeit des Bezirks- bzw. Landesschüler*innenausschusses und hilfesuchender Gesamtschüler*innenvertretungen unterstützt. Die Unterstützung bezieht sich neben der organisatorischen Arbeit auch auf eine Konfliktvermittlung. Die Vertrauensperson soll mit bestehenden Unterstützungsformaten (Geschäftsstelle der bezirklichen Gremien, Kinder- und Jugendbeauftrage oder Beteiligungsbüros) personell und organisatorisch zusammengelegt werden, um Synergieeffekte bei der Demokratieförderung zu erreichen.
    2. Die Schüler*innenvertretungen, Bezirksschüler*innenausschüsse und der Landesschüler*innenausschuss sollen jeweils ein Budget von 0,10 € pro Schüler*in im Bezirk bzw. Land erhalten. Das entspricht dem vorgeschlagenen Berechnungsmodell des LSA.
    3. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats sind aufgefordert von der in § 117 Abs. 7 BSchulG enthaltenen Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen und eine Schulwahlverordnung zu erlassen. Diese soll insbesondere abgestimmte Letztwahltermine für die schulischen, bezirklichen und landesweiten Gremien erlassen; das Verfahren zur Wahl der Klassen- Stufen und Schulsprecher*innen und eine Aufklärungspflicht über die Rechte und Pflichten vor den Wahlen regeln. Wahlen sollen frühestens eine Woche nach Schuljahresbeginn stattfinden.