Archive

Antrag 85/II/2022 Neustart in der Westbalkanpolitik: Wo ein Wille, da auch ein Weg!

10.10.2022

Spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist klar: Europa muss enger zusammenwachsen, um handlungsfähig zu bleiben. Die Europäische Union muss die Beziehung zu ihren europäischen Nachbarstaaten überdenken und inklusiver gestalten. Daher ist es ein außerordentlich begrüßenswerter Schritt, die Ukraine und Moldau als Beitrittskandidaten zur EU anzuerkennen und nun auch formelle Gespräche im Rahmen von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien zu führen. Diese Solidarität ist jetzt ein wichtiges Zeichen!

 

Was uns diese Entwicklungen aber auch gezeigt haben: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Diesen Willen brauchen wir auch verstärkt in anderen Teilen des Westbalkans und Europas.  Putins imperialistische geopolitische Ziele enden nicht an ukrainischen Staatsgrenzen. In Moskau wird daran gearbeitet, dem Einfluss der NATO und der EU in Südosteuropa entgegenzuwirken und im Visier Putins ist dabei vor allem der Westbalkan, welcher die Region des ehemaligen Vielvölkerstaats Jugoslawiens sowie Albaniens umfasst: Albanien, Bosnien und Herzegowina (BiH), Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Auch Kroatien und Slowenien gehören zum Westbalkan, werden aber seit ihrem Beitritt zur EU gesondert betrachtet.

 

1991 begann der Vielvölkerstaat Jugoslawien zu zerfallen, nachdem sich mehrere Staaten unabhängig machten. In BiH brach daraufhin ein verheerender Krieg aus, der auch den Völkermord von Srebrenica umfasste und auch zwischen Serbien und dem Kosovo kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

 

Heute ist der Westbalkan wieder in einer Phase der Destabilisation: Nationale Interessen werden vor regionaler Einigkeit verfolgt; BiH droht durch separatistische Bewegungen zu zerbrechen; Perspektivlosigkeit belastet die Bevölkerung und vor allem die Jugend vor Ort. Weit vorne auf der internationalen Bühne und mitten im Geschehen ist dabei kein geringerer als der Kreml, der den Westbalkan als nächsten Krisenherd für seine Machtspiele anvisiert hat. Denn der Westbalkan ist eine komplexe, aber überaus wichtige geopolitische Region.

 

Seit Jahren weitet Russland seinen Einfluss auf die Länder des Westbalkans aus mit dem Ziel, diese politisch zu destabilisieren und die europäische Integration und NATO-Annäherung dieser Staaten zu blockieren. Beispiele hierfür sind Geheimdienstoperationen, Anschlagspläne gegen Oppositionelle und gezielte Cyberangriffe gegen demokratische und zivilgesellschaftliche Organisationen.  Neben militärischen Mitteln bedient sich die russische Regierung auch “soft power” Instrumenten, wie Desinformation, den Austausch über die serbisch bzw. russisch-orthodoxe Kirche und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Die Abhängigkeit von Russland zeigt sich auch daran, dass Serbien und BiH sich geweigert haben, die Sanktionen der EU gegen Russland nach dessen Einmarsch in die Ukraine mitzutragen. Die Rolle Russlands liegt dabei in der Funktion als Gegenpol zur EU, indem Russland aktiv anti-europäische Sentiments und nationalistische Parteien unterstützt, die mit ethnopolitischen Ideologien für gesellschaftliche und politische Instabilität in den Staaten des Westbalkan sorgen.

 

Im besonderen Fokus Moskaus stehen dabei vor allem zwei Staaten, die von kontinuierlichen und tiefgreifenden Krisen geprägt sind und dessen Beziehungen zu der EU bisher am schwächsten voranschreiten: Bosnien und Herzegowina sowie die Republik Kosovo.

 

BiH besteht seit dem Ende des blutigen Krieges durch den Friedensvertrag von Dayton von 1995 aus zwei teilautonomen Entitäten: Die mehrheitlich von ethnischen Serb*innen bewohnte Republika Srpska, sowie die Föderation BiH, welche wiederum zu rund 75% von Bosniak*innen und zu 20% von Kroat*innen besiedelt ist. Bis heute ist das Land von einer innenpolitischen Krise geprägt und ethnische Konflikte überdauern sowohl in der Zivilgesellschaft, als auch an der politischen Spitze des Landes. Haupttreiber dieser Konflikte ist der serbische Vertreter im Staatspräsidium, Milorad Dodik, der im Herbst 2021 die Abspaltung der Republika Srspka vom restlichen Teil Bosnien-Herzegowinas durch die Blockade und Boykottierung zentraler Staatsinstitutionen, dem Austritt aus dem bosnischen Steuer- und Justizsystem und den Aufbau einer eigenen Armee ankündigte. Neben seinen völkerrechtswidrigen Sezessionsbestrebungen leugnete er offen den Völkermord von Srebrenica, proklamiert offen nationalistische Ansichten, die mit der Abwertung anderer einhergehen und sein Ziel, die „Wiedervereinigung aller Serben in einem Groß-Serbien“ erreichen zu wollen, obwohl dies ein klarer Verstoß gegen die Verfassung und den Friedensvertrag von Dayton ist. Als Antwort darauf hat die Bundesregierung und allen voran Außenministerin Annalena Baerbock Sanktionen der EU gegen Dodik gefordert, etwaige Pläne sind aber bisher noch nicht umgesetzt und werden seitens Dodik auch eher belächelt.

 

Doch auch auf bosnisch-kroatischer Seite kommt es zu Destabilisierungsversuchen: Der kroatische Nationalist und Vorsitzende der kroatisch-rechts-nationalistischen Partei HDZ-BiH, Dragan Covic, fordert die Gründung einer weiteren Entität, der sogenannten „Herceg-Bosna“, ein Pseudo-Staat, welcher 1992 ausgerufen wurde, jedoch nicht im Vertrag von Dayton festgeschrieben wurde. Covic arbeitet derweil daran, die Region unabhängiger zu machen, um ein neo-faschistisches Kleinkroatien zu etablieren, welches an das Mutterland angegliedert werden soll. Um diesem Schritt näher zu kommen, forderte er im Sommer dieses Jahres eine Wahlrechtsreform, welche ihm und seiner Partei eine Dauerkarte für die bosnische Regierung verleihen würde, sodass die HDZ jegliche staatlichen Prozesse blockieren könnte, wie sie es bereits in der Föderation BiH seit vier Jahren tut.

 

Dodik und Covic stehen für Nationalismus, Faschismus, Rassismus, Despotismus und Sezessionismus und tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in BiH auszuhebeln! Dabei werden sie von Kroatien und Serbien unterstützt. So unterstützt die serbische Regierung unter Aleksandar Vucic die Sezessionsbestrebungen der Republika Srpska mit dem Ziel eines “Großserbiens”, obwohl es das Abkommen von Dayton mitunterzeichnet hat. Daneben nutzte die ultranationalistische kroatische Regierung Kanäle der Europäischen Union, vor allem durch den EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi, um die eigenen nationalen Interessen zu verfolgen und beteiligt sich an dem Plan, die Entität “Herceg-Bosna” zu etablieren. Nicht zuletzt versucht die kroatische Regierung die Wahlrechtsreform in BiH durchzusetzen und drohte unlängst eine Blockade des NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands an, sollte es keine Wahlrechtsreform nach eigenen Vorstellungen in Bosnien-Herzegowina geben.

 

Auch der Kreml nutzt alle Möglichkeiten aus, die innenpolitische Lage in BiH im Zusammenspiel mit Kroatien und Serbien weiter zu destabilisieren: Denn Russland sorgte unter anderem dafür, dass der Hohe Repräsentant Christian Schmidt seinen Rechenschaftsbericht zu der Lage in Bosnien und damit zu den ethnopolitischen Krisen vor dem Weltsicherheitsrat nicht präsentieren konnte, wodurch aktiv das Bewusstsein für die Sezessionsbestrebungen Dodiks durch die Unterstützung Serbiens und Kroatiens gezielt vor der internationale Staatengemeinschaft geschwächt werden sollte. Zudem äußerte sich der russische Botschafter Igor Kalabuchow im März 2022 in Sarajevo zu einem möglichen NATO-Beitritt von BiH und sagte zwar, dass es eine interne Angelegenheit des Landes sei, die Reaktion Russlands jedoch nicht und Moskau bereits am Beispiel der Ukraine gezeigt habe, was es erwarten werde. Auch wird befürchtet, dass der Kreml bei der Weiterführung der Abspaltungsversuche der Republika Srpska dessen Unabhänigkeit anerkennt, wie er es bei den Regionen Donezk und Luhansk getan hat.

 

Fest steht: Die Souveränität und territoriale Integrität von BiH ist gefährdet und es bedarf einer internationalen Kraftanstrengung, um die Fehler aus den 90er Jahren nicht erneut zu begehen! Die EU steht in der historischen Verantwortung und in der Pflicht, Sanktionen gegen Dodik und Covic, sowie ihre Parteien zu verhängen, um sie daran zu hindern, den sezessionistischen Kurs weiterzuführen und um die territoriale Integrität Bosniens zu bewahren!

 

Wir brauchen zudem eine starke EU, die ihren Versprechen einer sicheren Beitrittsperspektive gerecht wird und die Hürden des Beitrittsprozesses endlich an die politischen Realitäten auf dem Westbalkan anpasst! BiH gilt bereits seit 2003 als potentieller Beitrittskandidat, hat 2016 einen EU-Beitrittsantrag gestellt und nicht zuletzt im Oktober 2021 stellte die Europäische Kommission einen großen Fortschritt bei der Umsetzung der von ihr festgelegten Reformprioritäten fest und forderte BiH daraufhin auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um eine Chance auf den Beitrittskandidatenstatus zu bekommen. Der Ukraine wurde derweil am 23. Juni 2022 offiziell der Kandidatenstatus zum EU-Beitritt zugesprochen. Diesen Schritt befürworten wir ausdrücklich. Es lässt sich jedoch nicht ignorieren, dass BiH in allen Beitrittskriterien, wie etwa zur Korruptionsbekämpfung und der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und der wirtschaftlichen Freiheit, größere Fortschritte erzielt hat, als die Ukraine. Trotz dieser ganzen Bemühungen und Errungenschaften ist der offizielle Beitrittskandidatenstatus für BiH dem Land bis heute verwehrt geblieben, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass der Westbalkan grundsätzlich weniger Unterstützung erhält, als andere Länder bisher und sich die Beitrittsprozesse dieser Region insgesamt schwieriger gestalten. Denn nach den Erweiterungsrunden von 2004 und 2007 und den Schwierigkeiten durch die Finanz- und Euro-Krise wurde die West-Balkan-Erweiterung zunehmend weniger wichtig, bis der Prozess schließlich einschlief. Zudem haben die Mitgliedsstaaten beschlossen, die Kriterien für den Beitritt zu verschärfen und den Prozess komplexer für Bewerber zu machen – schließlich wollte man die Fehler der vorherigen Runden vermeiden. Die EU ist mitverantwortlich für die Destabilisierung der Region. Dabei lässt sich vor allem aus den Erfahrungen und den Erkenntnissen der bisherigen europäischen Geschichte festhalten, dass eine glaubwürdige EU-Perspektive zur Stärkung liberal-demokratischer Kräfte führt und Reformprozesse positiv vorantreiben kann und hier ein Handlungsauftrag der EU besteht!

 

Doch nicht nur BiH ist von einer immensen Instabilität geprägt, sondern auch die Republik Kosovo, die sich im Jahr 2008 als damalige Provinz der Republik Serbien völkerrechtskonform unabhängig erklärte. Seitdem gilt der Kosovo lediglich als potentieller Beitrittskandidat und bemüht sich um die Stärkung und Sicherung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen. Die EU beteiligte sich an diesen Prozessen unter anderem durch die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der Aussicht auf einen EU-Beitritt der Republik Kosovo im Jahr 2015. Dabei konnte der Kosovo bereits Erfolge in den Reformbemühungen erzielen, wie etwa die vollständige Umsetzung der wesentlichen Eckpfeiler für eine Visaliberalisierung, Fortschritte im Justizwesen und der Gewährleistung und Achtung von Menschenrechten.

 

Innenpolitisch steht der Kosovo jedoch vor erheblichen Herausforderungen, was sich nicht zuletzt in häufigen Regierungswechseln in der Republik zeigt. So kam es in den vergangenen zwei Jahren zu mehreren Regierungswechseln aufgrund von Misstrauensanträgen, gerichtlichen Interventionen zur Regierungsbildung sowie dessen Annullierung aufgrund unzulässiger Stimmabgaben und einer vorgezogenen Wahl im Februar 2021.

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Dynamik in der europäischen Erweiterungspolitik kündigte die Regierung an, Ende des Jahres einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft zu stellen. Im Mai 2022 stellte die Republik Kosovo zudem einen Antrag auf Mitgliedschaft im Europarat. Jedoch reagierte Serbien mit starken Worten auf den Antrag sowie auf mögliche EU- und Natobeitrittsgesuche mit der Drohung, dass die serbische Regierung ihre “Zähne zeigen” würde.

 

Denn seit der kosovarischen Unabhängigkeit herrscht ein andauernder Konflikt mit Serbien, der die Eigenstaatlichkeit des Kosovos gemeinsam mit Russland und weiteren Mitgliedern des Europarats nicht anerkennt, darunter auch Spanien, Rumänien, Griechenland, Zypern und die Slowakei. Die Spannungen zwischen beiden Republiken erreichten ihren Höhepunkt zuletzt wegen Konflikten an den Grenzübergängen aufgrund der geplanten Nichtanerkennung serbischer Personaldokumente und KfZ-Zeichen durch die kosovarische Regierung, wobei diese Regelungen zuvor von der serbischen Regierung eingeführt wurden.

 

Das Problem der fehlenden Anerkennung des Kosovos wirkt dabei auch in andere Bereiche fort: Denn die EU rief ein moderiertes Dialogformat zwischen Serbien und dem Kosovo ins Leben, mithilfe dessen die Beziehungen beider Staaten normalisiert werden und in ein rechtsverbindliches Normalisierungsabkommen münden sollten. Prämisse ist dabei, dass sich die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien erst normalisieren müssen, bevor ein EU-Beitritt beider Staaten möglich ist. Bisher konnte der Dialog jedoch nicht voranschreiten. Ohne internationale Anerkennung des Kosovos wird es nicht nur unwahrscheinlicher, dass das Land eine echte EU-Beitrittsperspektive hat. Auch für eine Mitgliedschaft in der UNO muss die Souveränität und Unabhängigkeit des Kosovos international geklärt sein.

 

Bis heute steht dem aber auch das UN-Vetorecht Russlands im Sicherheitsrat entgegen, mit dem es versucht, die Versuche des Kosovos um die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit und der UN-Mitgliedschaft zu untergraben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Verschärfungen zwischen dem Kosovo und Serbien sicherte Dimitri Peskow, Sprecher des Kremls, die volle Unterstützung für Serbien zu. Staaten wie Serbien und Russland versuchen, den dysfunktionalen Status Quo des Westbalkan zu wahren, veraltete Herrschafts- und Territorialansprüche über souveräne und demokratische Staaten zu erheben und den Westbalkan zu destabilisieren. Das kann nicht sein! Deshalb begrüßen wir die bereits erzielten Errungenschaften des Kosovos hinsichtlich der Reformbemühungen zu einem rechtsstaatlichen, demokratischen und menschenrechtsachtenden Staat sowie die Bekämpfung von Kriminalität und Korruption und unterstützen den Antrag der Republik Kosovo für die Mitgliedschaft im Europarat. Zudem begrüßen wir, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung des Kosovos ausdrücklich zusagt.

 

Um sowohl in BiH und auch im Kosovo für Stabilität zu sorgen, bedarf es hier vor allem der Präsenz von NATO-Friedenstruppen. In beiden Fällen hat sich die Bundesrepublik in der Vergangenheit an Friedensmissionen der NATO-Sicherheitsgruppen EUFOR Althea und KFOR beteiligt, stellte die Beteiligung an der EUFOR Althea Mission jedoch 2012 ein. Doch auch vor dem Hintergrund der geopolitischen Machtspiele Russlands nach dem Angriff auf die Ukraine kam es hier zur erneuten Beteiligung Deutschlands an der Friedensmission durch die Entsendung von bis zu 50 Soldat*innen. Im Mai 2022 verlängerte das Bundeskabinett zudem das Mandat für den unbefristeten Sicherheitseinsatz KFOR im Kosovo mit Zustimmung des Bundestages bis zum Juni 2023. Aufgrund der aktuellen und andauernden Spannungen zwischen den Republiken Serbien und Kosovo hat sich die NATO zudem dazu bereit erklärt, von ihrem Beobachterstatus abzuweichen und im Rahmen des KFOR-Mandats einzugreifen, sofern die Stabilität des Kosovos gefährdet sein sollte.

 

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Entscheidung der Bundesregierung zur Wiederaufnahme des EUFOR Althea Mandates vom 7. Juli 2022 zur Stabilisierung Bosniens, blicken jedoch mit großer Sorge auf die anstehende Abstimmung im UN-Sicherheitsrat zur Verlängerung des EUFOR-Mandates im November und befürchten ein Veto Russlands. Eine solche Blockade würde fatale Auswirkungen auf die innere Stabilität Bosnien-Herzegowinas haben und den Sezessionsbestrebungen Dodiks weiterzuspielen. Dies gilt es zu verhindern.

 

Es lässt sich insgesamt festhalten, dass die anhaltenden Destabilisierungsversuche im Westbalkan ein massives Sicherheitsrisiko für die EU darstellen und ohne weiteres Zutun der EU in einem Flickenteppich autokratischer Systeme auf dem Westbalkan münden werden. Denn was sich in jüngster Zeit beobachten ließ, war ein Wiedererstarken Russlands in der Region, das nur möglich wurde, weil die EU ihren Blick zu lange nach Innen richtete, anstatt sich mit den Versprechen einer realistischen europäischen Zukunft im Westbalkan auseinanderzusetzen. Der Kreml konnte sich so als wichtiger Partner, als eine Alternative zur europäischen Zukunft inszenieren und den Westbalkan so als Schachbrett für seine geopolitischen Ziele nutzen. Liberal-demokratische Kräfte werden gezielt geschwächt und die EU kann und darf hier nicht länger zuschauen. Wir haben vor allem gesehen, dass Putins Strategie in der Zusammenarbeit mit autokratischen und populistischen Kräften in der Region liegt und Staaten wie Serbien und Kroatien sich hier eindeutig als politische Verbündete entblößt haben, die im Vergleich zu anderen Westbalkanstaaten in puncto der von Europa vertretenen Werte nicht weiter entfernt sein könnten. Deshalb müssen wir jetzt klare Kante zeigen und dem Kreml sowie verbündeten Staaten signalisieren, dass wir geschlossen hinter den demokratischen Kräften des Westbalkans stehen, welcher eine echte europäische Zukunft verdient und für ein vereintes, multiethnisches und rechtsstaatliches politisches und gesellschaftliches System einsteht.

 

Wir fordern daher von der SPD-Bundestagsfraktion, der Bundesregierung und den SPD-Abgeordneten im Europaparlament:

 

  1. sich entschieden und klar gegen jegliche separatistischen Bewegungen, Kriegsdrohungen oder Maßnahmen, die die innere staatliche Ordnung in BiH gefährden, zu stellen und sich aktiv gegen äußere Einmischungen durch kroatische und serbische Vertreter*innen zu positionieren.
  2. eine Neuausrichtung der Beziehungen zu Serbien und Kroatien aufgrund der anhaltenden Versuche, die territoriale Integrität in BiH zu zerschlagen, zu gestalten
  3. vor diesem Hintergrund die Verurteilung der sezessionistischen Politik Milorad Dodiks und Dragan Covics und die Verhängung von Sanktionen gegen alle politischen Vertreter*innen, die die Sezessionsbestrebungen fördern
  4. auf europäischer und internationaler Bühne die Verherrlichung und Leugnung von Kriegsverbrechen und von Völkermorden in BiH zu verurteilen und Sanktionen gegen solche politischen Vertreter*innen zu erlassen, die unter anderem den Völkermord von Srebrenica leugnen.
  5. sich auf europäischer Ebene für eine Neuausrichtung der europäischen Westbalkan-Strategie einzusetzen, die eine tatsächliche Perspektive auf einen EU-Beitritt erlaubt.
  6. die sozialdemokratischen Mitglieder im Europäischen Parlament sollten sich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission die künftigen Beitrittsverhandlungen mit BiH auch unter Einbeziehung multiethnischer Parteien führt und BiH als multiethnische Bürgerrepublik aufrechterhalten wird.
  7. vor diesem Hintergrund eine intensive Zusammenarbeit mit den Regierungen des Kosovos und BiH zur weiteren Unterstützung der Reformbemühungen im Zuge des Beitrittsprozesses und ein zügiges Verleihen des Beitrittskandidatenstatus für BiH, um Destabilisierungsversuchen ein klares Signal durch den Beistand der EU entgegenzuhalten.
  8. vor diesem Hintergrund die Pausierung der (Vor-)Beitrittsgespräche und EU-Fördergelder in Bezug auf die Republik Serbien, die nicht direkt der Zivilbevölkerung zugutekommen, bis jegliche Unterstützung nationalistischer Kräfte in und Handlungen entgegen der territorialen Integrität und Souveränität von BiH eingestellt und auch zukünftig unterlassen werden. Das gleiche gilt für die anhaltende Nichtanerkennung der Eigenstaatlichkeit des Kosovos durch die Republik Serbien, sodass die Vor-Beitrittsverhandlungen erst dann voranschreiten können, wenn der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo voranschreitet und in ernsthafte Bemühungen zur Unterzeichnung eines Normalisierungsabkommen münden.
  9. vor diesem Hintergrund jedoch die Intensivierung und Unterstützung zivilgesellschaftlicher und demokratischer Projekte in Serbien.
  10. Vor diesem Hintergrund die Sanktionierung Kroatiens aufgrund der missbräuchlichen Nutzung europäischer Kanäle zur Unterstützung und des Verfolgens antidemokratischer, völkerrechtswidriger und sezessionistischer Pläne auf dem Westbalkan, insbesondere in BiH, sowie die Einleitung von Schritten, um diesen Missbrauch künftig zu unterbinden. Daher soll sich klar für eine Neubesetzung des Amtes des Erweiterungskommissars ausgesprochen werden und entsprechender Druck ausgeübt werden.
  11. Vor diesem Hintergrund die Etablierung eines Mechanismus im Rahmen einer neu ausgerichteten Westbalkanstrategie, angelehnt an den Konditionalitätsmechanismus, mit welchem die EU Verstöße gegen ihre Grundwerte und insbesondere gegen die Rechtsstaatlichkeit durch das Verhalten von Mitgliedstaaten in ihren außenpolitischen Beziehungen auf dem Westbalkan ahnden können. Dies sollte durch den schrittweisen Entzug der EU-Gelder geschehen, sofern die Konsequenzen der außenpolitischen Beziehungen den finanziellen und ressourcenorientierten Investitionen der EU zuwiderlaufen.
  12. Wir fordern daher eine proaktive Unterstützung des Antrages der Republik Kosovo im Europarat durch einen gezielten Dialog auf europäischer Ebene sowie intensive, diplomatische Anstrengungen hinsichtlich jener Mitglieder im Europarat, die die Eigenstaatlichkeit des Kosovos nicht anerkennen. Zudem fordern wir die proaktive Unterstützung des Antrages der Republik Kosovo für eine EU-Mitgliedschaft!
  13. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, auf internationaler und europäischer Ebene sowie im Kontakt mit BiH und in Zusammenarbeit mit der tschechischen Ratspräsidentschaft auf alternative Möglichkeiten hinzuarbeiten, um die Verlängerung des EUFOR-Mandates sicherzustellen. Eine solche Möglichkeit stellt die Entkoppelung der Mission vom UN-Mandat durch eine offizielle und verbindliche Einladung an die EU durch BiH dar, um die EUFOR-Althea Mission fortzuführen oder eine (Re-)Legitimierung der EUFOR-Mission über Annex 1 des Friedensabkommens von Dayton. Zudem fordern wir die Bundesregierung dazu auf, sich im Falle der Intensivierung der innenpolitischen Spannungen in Bosnien und Herzegowina und von wachsenden Destabilisierungsversuchen Russlands oder andere Akteure für eine Aufstockung der Anzahl von Soldat*innen innerhalb der Friedensmission einzusetzen
  14. Wir fordern die Bundesregierung zudem dazu auf, sich im Falle von Intensivierungen des Konfliktes zwischen der Republik Kosovo und der Republik Serbien an der Abweichung vom Beobachterstatus der NATO im Rahmen des KFOR-Mandates ausdrücklich zu beteiligen und die territoriale Integrität des Kosovos zu wahren
  15. Wir fordern die Unterstützung des Kosovos hinsichtlich der Eigenstaatlichkeit der Republik und seiner Anstrengungen, international anerkannt zu werden. Daher sollen die Bemühungen auf europäischer Ebene gegenüber den EU-Mitgliedstaaten, die den Kosovo nicht als eigenständige Republik anerkennen, intensiviert werden, um die Westbalkanstrategie zwischen den Mitgliedsstaaten zu harmonisieren.
  16. Wir fordern aktive Bemühungen, russische Kanäle zur Destabilisierung des Westbalkan durch ein erhöhtes Engagement in der Region zu schließen
  17. Vor diesem Hintergrund die Einrichtung einer europäischen oder internationalen Monitoring-Gruppe, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den USA oder anderen Staaten, um russische Destabilisierungsversuche und -aktivitäten zu überwachen und Maßnahmen dagegen zu entwickeln
  18. Vor diesem Hintergrund auf europäischer Ebene gegen russische Desinformationskampagnen auf dem Westbalkan vorzugehen, die antieuropäische Sentiments fördern, Falschinformationen verbreiten und die Stabilität der Region bedrohen, indem russische Propaganda öffentlich enttarnt wird und aktiv ein Zugang zu den lokalen Medien geschaffen wird.
  19. Unabhängige Medien in dieser Region zu fördern. Medienplattformen, die gegen geltendes Recht verstoßen, sind entsprechend zu sanktionieren.

Antrag 84/II/2022 Zwischen „Solidaritätsmechanismus“ und systematischer Haft an den europäischen Außengrenzen

10.10.2022

Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket („New Pact on Migration and Asylum“) der Europäischen Kommission vom September 2020 sollte eine Weichenstellung für die Reformbemühungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gelegt werden. In der offiziellen Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23. September 2020 hieß es damals, man würde mit dem Paket verbesserte und schnelle Verfahren festlegen und ein Gleichgewicht zwischen den Grundsätzen der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten und der Solidarität schaffen.

 

Heute, knapp zwei Jahre später, lässt sich kein „Meilenstein“ in der europäischen Asylpolitik verzeichnen, wir können weder von einem solchen Gleichgewicht sprechen, noch können wir der europäischen Asyl- und Migrationspolitik einen schlichten Fortschritt attestieren. Denn im Juni 2022 fand der Rat der Europäischen Union  eine Einigung zu einigen Legislativvorschlägen des Reformpakets: Die EU-Innenminister*innen einigten sich auf eine gemeinsame Position zur Screening-Verordnung und zur EURODAC-Verordnung, sowie auf die Etablierung eines freiwilligen Solidaritätsmechanismus und auf eine Reform des Schengener Grenzkodex. Die EURODAC- und SCREENING-Verordnung sind sogenannte Grenzmanagement-Instrumente. Dabei regelt die EURODAC-Verordnung den Fingerabdruckvergleich von Asylsuchenden, Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen. Ziel dieser Verordnung ist, durch einen Datenabgleich irreguläre Fluchtbewegungen in der EU besser überwachen und verhindern zu können. Mit dem Vorschlag zu einer Screening-Verordnung sollen Drittstaatsangehörige an den EU-Außengrenzen einem Screening unterzogen werden, mit dem ein Identifikationsverfahren sowie Gesundheits- und Sicherheitschecks durchgeführt werden. Im Anschluss soll dann geklärt werden, ob die Betroffenen dem gängigen Asylverfahren oder dem Asylgrenzverfahren auf Basis der Asylverfahrensverordnung zugeteilt werden. Der Schengener Grenzkodex wiederum umfasst Bestimmungen für Personenkontrollen an den Außengrenzen der EU-Staaten, der mit den Reformvorschlägen diese Außengrenzen besser stärken und schützen soll. Und letztlich wurde mit dem Solidaritätsmechanismus ein Instrument etabliert, mit dem Mitgliedstaaten entlastet werden sollen, die besonders von Migrationsbewegungen betroffen sind. Der Mechanismus sieht ein Umsiedlungsprogramm vor, mit dem Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilt werden sollen oder aber auch die finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten, die am stärksten von den Fluchtbewegungen betroffen sind und dessen Asylsystem damit am stärksten belastet wird Medial wird dabei zutreffend festgestellt, dass dieser “Schwung” und diese zügigen Entwicklungen maßgeblich auf dem Druck der französischen Ratspräsidentschaft beruhen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Reformvorschläge der Kommission voranzutreiben, um diese als eigenen Erfolg innerhalb ihrer Amtszeit zu proklamieren.

 

Dabei begrüßen wir zunächst die Etablierung eines Solidaritätsmechanismus, welcher nun eine erste neue Perspektive nach einer jahrelangen Blockade bezüglich der Bemühungen um einen proportionalen und gerechten Verteilungsschlüssel darstellt. Ein solcher Mechanismus ist vor allem vor dem Hintergrund des defizitären, bisher geltenden Dublin-Systems dringend erforderlich, der zu einer übermäßigen Belastung europäischer Grenzstaaten geführt hat und unsolidarische Effekte begünstigte, von denen vor allem die Staaten im inneren Kern der EU profitieren konnten und die südlichen Mitgliedstaaten belastet wurden. Denn nach dem Dublin-System muss sich der EU-Staat, über den ein*e Schutzsuchende*r in die EU eingereist ist, für diese Person verantworten und es ihm*ihr gewähren, einen Asylantrag zu stellen. Daher stehen Mitgliedsstaaten, die die Außengrenze der EU bilden, öfter in der Verantwortung. Entsprechend haben sie einen höheren Anreiz, das Betreten des eigenen Hoheitsgebiets durch Asylsuchende zu verhindern. Jetzt können Ersteinreisestaaten für die Dauer von einem Jahr durch verschiedene Solidaritätsbeiträge anderer Mitgliedstaaten entlastet werden.

 

Hingegen lassen die übrigen Reformvorschläge jegliche Vernunft vermissen: Denn anstatt aus den bisherigen Fehlern des europäischen Asylsystems zu lernen und Lehren aus den menschenunwürdigen Zuständen im Geflüchtetencamp Moria zu ziehen, lassen die Reformvorschläge der Kommission und die Entwicklungen im Rat erkennen, dass das bisherige Asyl- und Migrationssystem gescheitert ist. Die einstigen Grundwerte der europäischen Union, wie die Achtung der Menschenwürde, werden bereits von dem bisherigen Asylrechtssystem jeden Tag verletzt und werden es mit der anstehenden Reform auch in Zukunft.

 

Denn mit Blick auf die Screening-Verordnung sind Gesundheits- und Sicherheitschecks zwar wichtig, aber: Im Asylgrenzverfahren wird die Nicht-Einreise der Schutzsuchenden „fingiert“. Das bedeutet, obwohl sich der*die Schutzsuchende also möglicherweise bereits im Hoheitsgebiet der EU und eines Mitgliedstaats befindet, wird dies durch die Verordnung in rechtlicher Hinsicht verneint. Damit gelten zwar trotzdem europäisches und internationales Recht sowie das Recht des Mitgliedsstaats. Es ist jedoch zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten die Weiterreise von Schutzsuchenden verhindern werden und damit in ihre Bewegungsfreiheit eingreifen.

 

Ziel hier ist zweifelsohne, die erneute Stellung eines Asylantrags in einem weiteren EU-Land innerhalb der EU zu vermeiden und Betroffene daran zu hindern, in die EU zu gelangen und andere Mitgliedstaaten aufzusuchen. Denn es steht bereits seit geraumer Zeit fest, dass Asylsuchende innerhalb der EU nicht gleich behandelt werden und die Erfolgsaussichten eines Asylantrags erheblich zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten schwanken.

 

Fest steht auch: Um diese Weiterreise in andere EU-Mitgliedstaaten zu verhindern, wird man nicht darum herumkommen, schutzsuchende Personen in Ihren Unterkünften festzuhalten. Damit würden ohnehin vulnerable und traumatisierte Personen Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen ausgesetzt, die mehrere Monate andauern können und systematische Haftzustände begründen würden, denn das Asylgrenzverfahren kann bis zu zwölf Wochen andauern und im Falle eines ablehnenden Bescheids würde sich ein Rückführungsgrenzverfahren anschließen, das seinerseits wiederum zwölf Wochen umfassen kann.

 

Besonders fatal ist dabei, dass gegen die Zuteilung zum Asyl- oder Asylgrenzverfahren kein Rechtsweg vorgesehen ist und die Mitgliedstaaten in bestimmten Fällen dazu verpflichtet werden, das Asylgrenzverfahren zu wählen. Zu diesen Fällen gehören beispielsweise Schutzsuchende aus einem Drittstaat, dessen Anerkennungsquote unter 20% liegt.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeit, rechtlich gegen einen Ablehnungsbescheid vorzugehen, nur auf eine Instanz begrenzt ist, also nur von einer „Prüfstelle“ kontrolliert wird. Normalerweise sind dafür jedoch mehrere Ebenen vorgesehen, wie beispielsweise ein erster Widerspruch und dann die stufenweise Weitergabe an das nächsthöhere Gericht. Daneben ist es auch nicht vertretbar, dass die Entscheidung keine aufschiebende Wirkung haben soll. Im deutschen Recht ist es in den meisten Fällen so, dass mit einem Widerspruch die Wirkung und angeordnete Folge durch eine Behörde „aufgeschoben“, also pausiert wird. Davon kann in bestimmten Fällen und Konstellationen abgewichen werden. Im konkreten Fall würde ein negativer Bescheid die Rechtsfolge mit sich bringen, dass der*die Asylsuchende zum Beispiel dem Rückführungsverfahren zugeteilt wird, weil kein Asyl gewährt wird. Legt der*die Asylsuchende dagegen Widerspruch ein, so würde er*sie trotzdem dem Rückführungsverfahren zugeordnet werden können, weil der Widerspruch die Wirkung des Bescheids nicht pausiert. Allein dies stellt bereits einen massiven Bruch mit jeglichem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit dar. Auch die Bereitstellung von Informationen während des Screening-Verfahrens als entscheidender erster Ansatzpunkt zur Ermittlung aller relevanten Umstände wird durch den bisherigen Vorschlag nicht ausreichend gewährleistet: So sieht die Screening-Verordnung vor, dass Schutzsuchende “kurz” über den Zweck des Screenings informiert werden. Es werden zudem nur “gegebenenfalls” wesentliche Informationen zu Einreisebestimmungen und Verfahren bereitgestellt und Mitgliedstaaten “können” nationalen, internationalen oder nichtstaatlichen Organisationen und Stellen gestatten, den Schutzsuchenden im Verfahren Informationen zu erteilen, was einen unangemessen und völlig deplatzierten Ermessensspielraum einräumt, die der Tragweite eines solchen Verfahrens und dessen Bedeutung für die Erfolgsaussichten eines Asylgesuches in keinster Weise gerecht werden!

 

Die ohnehin durch die Asylverfahrensverordnung und durch die Screening-Verordnung erwachsenden Aushöhlungen für das Recht auf Asyl werden dabei durch die Vorschläge für eine Krisenverordnung verschärft: Denn in bestimmten Fällen sollen Mitgliedstaaten von den Regelungen des Reformpaketes abweichen können. Während zum Beispiel vorher ein Asylgrenzverfahren für Geflüchtete verpflichtend werden sollte, die eine Anerkennungsquote unter 20 % haben, können diese Grenzverfahren auch auf Schutzsuchende ausgeweitet werden die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von bis zu 75 % kommen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Mitgliedstaat mit „höherer Gewalt“ oder eine hohe Zahl von Schutzsuchenden konfrontiert ist. Daneben soll es den Mitgliedstaaten auch möglich sein, Verfahrens-, Registrierungs- und Zuständigkeitsfristen massiv zu verlängern, was unweigerlich zu einer Verlängerung von massiven und vor allem unverhältnismäßigen Freiheitsentziehungen in Haftlagern an den EU-Außengrenzen führen wird. Die noch geltende Dublin-III-Verordnung, die das Prinzip der Ersteinreise für Asylsuchende festlegt, soll durch die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung abgelöst werden. Es wird jedoch weiterhin am Prinzip der Ersteinreise festgehalten und der effektive Rechtsschutz von Asylsuchenden wird weiter ausgehöhlt, indem gerichtliche Überprüfungen von Menschenrechtsverstößen sich lediglich auf einen Verstoß gegen das Folterverbot und das Verbot unmenschlicher Behandlungen beschränken.  Zudem soll die Dublin-Haft, also die Inhaftierung einer Person in einem Dublin-Verfahren, zur Rücküberstellung der*des Schutzsuchenden künftig unter einfacheren Voraussetzungen angewandt werden können.

 

Mit dem Vorschlag für eine Reform des Schengener Grenzkodex werden weiterhin Regelungen im Falle einer Instrumentalisierung von Migration etabliert, mit denen der Schengenraum widerstandsfähiger gemacht werden soll. So soll es im Falle von Situationen, in denen ein Drittstaat oder nichtstaatlicher Akteur zur Destabilisierung der EU Fluchtbewegungen von Schutzsuchenden an die EU-Außengrenzen oder in einen Mitgliedstaat erleichtert oder vorantreibt, möglich sein, Grenzkontrollen von bis zu sechs Monaten einzuführen. Dies stellt nicht nur eine weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl dar, sondern ein eklatanter Bruch mit dem völkerrechtlichen Non-Refoulment-Prinzip: Nach diesem Prinzip ist es verboten, Schutzsuchende auszuweisen oder abzuschieben, wenn ihnen im Zielland Folter, schwere Menschenrechtsverletzungen oder unmenschliche Behandlungen drohen könnten.

 

Insgesamt ist dabei festzuhalten, dass durch die geplante Asylverfahrensverordnung in Verbindung mit der vom Rat gebilligten Screening-Verordnung Schutzsuchende bereits dann in die Gefahr einer systematischen Haft gelangen, weil sie internationalen Schutz beantragen. Dabei werden Freiheitsbeschränkungen und -entziehungen abstrakt geregelt, es wird weder eine Angemessenheits- oder Einzelfallprüfung vorgesehen, noch wurden alternative wirksame Möglichkeiten aufgenommen oder in Erwägung gezogen, um den Umgang mit Schutzsuchenden während eines Grenzverfahrens nach dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit zu regeln. Denn die nahtlose Verzahnung von Asyl- und Rückführungsverfahren kommt einzig und allein jenen Mitgliedstaaten zugute, die Migrationsbewegungen kriminalisieren und bereits in der Vergangenheit gezeigt haben, dass Menschen- und Grundrechte im Umgang mit Schutzsuchenden nicht von oberster Priorität sind. Freiheitsentziehungen sollten jedoch stets nur ultima ratio sein und auch nur, wenn dies erforderlich und angemessen ist, nicht jedoch das aktuelle Mittel zum Zweck, um ein gescheitertes Asylsystem zu retten! Bei alledem soll auch lediglich im Rahmen des Screening-Verfahrens ein Monitoring-Mechanismus durch die einzelnen Mitgliedstaaten etabliert werden, der Grundrechtsverstöße untersuchen soll und aufgrund seiner Begrenzung völlig ineffektiv bleiben würde. Die gute Nachricht ist, dass die Screening-Verordnung einen Monitoring-Mechanismus während des Screening-Verfahrens vorsieht, der durch die Mitgliedstaaten angewandt werden soll. Mit diesem Mechanismus sollen Grundrechtsverstöße untersucht werden. Dadurch, dass dieser Mechanismus allerdings nur für das Screening und eben nicht für das Asylgrenzverfahren oder Rückführungsverfahren vorgesehen ist, würde er völlig ineffektiv bleiben! Denn die Gefahr von Grundrechtsverstößen in Form von beispielsweise illegalen Push-Backs oder anderen menschenunwürdigen Behandlungen finden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im Rahmen eines Screening-Verfahrens sondern eher in den geplanten Asylgrenz- und Rückführungsverfahren statt.

 

Klar wird dabei also insbesondere vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Krisen-Verordnung und der Reform des Schengener Grenzkodex: Mit den Vorschlägen wird der Fokus auf Abschreckung und Grenzsicherung gesetzt, statt sich mit einer menschenrechtskonformen Ausgestaltung des Asyl- und Migrationssystems zu befassen! Das Ersuchen von internationalem Schutz und Asyl wird kriminalisiert und die Gründe dafür sind klar: Bisher konnten keine Regelungen zur Reform des GEAS getroffen werden, mit denen die Probleme des herrschenden Dublin-Systems und die ungerechten Lastenteilungen behoben werden konnten. Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten nehmen am “race to the bottom” teil, bei dem ein Wettbewerb um die möglichst schlechtesten Bedingungen für Asylsuchende gefahren wird.

 

Wir sind empört über die geplanten Vorhaben zur Reform des GEAS und den damit einhergehenden, eklatanten Bruch sämtlicher rechtsstaatlicher und menschen- sowie grundrechtlicher Wertungen und stellen uns entschieden gegen die Reformvorschläge der Kommission! Es kann nicht sein, dass die Fehler und Versäumnisse in der bisherigen Asyl- und Migrationspolitik nun auf den Rücken unschuldiger, schutzsuchender Menschen ausgetragen und Rechtsgrundlagen etabliert werden, die nichts weiter tun, als eine Politik der Abschottung weiterzuführen und eine Festung Europa 2.0 zu schaffen. Die geplanten Verordnungen könnten außerdem in einem akuten Spannungsverhältnis mit der EU-Grundrechte-Charta stehen und sie gehen von einem einheitlichen Verständnis von Asyl und Rechtsstaatlichkeit in der EU aus, das schlichtweg nicht existiert.

 

So soll es nun weitergehen: Im März 2022 einigte sich der Rat Justiz und Inneres auf einen schrittweisen Ansatz, nach dem zunächst erst gewisse Fortschritte in einzelnen Bereichen des Reformpaketes erzielt werden sollen. Das Europäische Parlament wird sich mit den Vorschlägen erst im Herbst 2022 befassen und unter einigen Parlamentarier*innen wird ein Paketansatz nach dem Motto “Ganz oder gar nicht“ angestrebt, mit dem das gesamte Verfahren entschleunigt werden kann. Deshalb muss nun der politische Druck sowohl auf das Europäische Parlament, auf die deutsche Innenministerin als auch auf die nun folgende tschechische Ratspräsidentschaft erhöht werden, um die Reformvorhaben des GEAS zu stoppen. Denn aus einem Joint Roadmap der europäischen Mitgesetzgeber*innen geht hervor, dass die Umsetzung der GEAS-Reform oberste Priorität genießt und eine Einigung und der Abschluss vor Ende der Legislaturperiode 2019-2024 anvisiert wird. Das gilt es zu verhindern.

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Regierungen in den Europäischen Mitgliedsstaaten, die sozialdemokratischen Fraktionen in den nationalen Parlamenten der Europäischen Mitgliedsstaaten sowie die sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament auf:

 

  1. die Verabschiedung des Reformpakets entschieden zu verhindern
  2. vor diesem Hintergrund sich im Europäischen Parlament explizit gegen die Verabschiedung der Screening-Verordnung zu stellen, da diese durch die Fiktion der Nichteinreise und als Vorschaltung zu etwaigen Asylgrenz- und Rückführungsverfahren als Einfallstor für die weiteren Reformvorschläge fungiert
  3. sich im Rat gegen die Asylverfahrens-Verordnung, die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung und die Krisen-Verordnung in ihrer aktuellen Form zu stellen, zu denen noch keine Verhandlungsmandate im Rat der Europäischen Union existieren
  4. sich an die umfassenden Menschen- und Grundrechte der EU-Grundrechte-Charta zu erinnern und ihren Auftrag im Rahmen ihrer Rolle bei der Erarbeitung einer Reform des GEAS entsprechend dieser Rechte und Wertungen zu überdenken
  5. sich im Rahmen weiterer Verhandlungen zur Reform des GEAS insgesamt entschlossen gegen Außengrenzverfahren und Verfahrensregeln einzusetzen, die zu de facto Haftlagern an den europäischen Außengrenzen führen würden
  6. sich im Rahmen weiterer Verhandlung primär für eine solidarische und wirksame Entlastung der Ersteinreisestaaten einzusetzen, die das Recht auf Asyl wahren und menschenwürdige Behandlungen sowie das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten
  7. sich im Rahmen weiterer Verhandlungen analog dazu gegen eine Auslagerung der EU-Migrationspolitik einzusetzen, die unweigerlich zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen führen würde
  8. den etablierten freiwilligen Solidaritätsmechanismus zeitlich weiter auszubauen und hinsichtlich der beteiligten Mitgliedstaaten und Solidaritätsbeiträge auszuweiten sowie zu intensivieren, sodass Ersteinreisestaaten entlastet werden können und der politische Druck von Hardliner-Staaten in der europäischen Asylpolitik nicht mehr richtungsweisend wirkt
  9. sich an Stelle einer Kriminalisierung von Schutzsuchenden und unter Strafe stellen von Flucht für die Etablierung und den Ausbau sicherer und legaler Einreisemöglichkeiten von Schutzsuchenden einzusetzen
  10. sich für eine menschenrechtsorientierte Reform des GEAS einzusetzen, mittels welcher migrationsbezogene Haftzustände in jedem Bereich abgeschafft werden können, wirksame Alternativen bereitgestellt werden und das Asylsystem funktional statt auf Abschottung und Abschreckung auf Solidarität und Verantwortung hinsichtlich der Schutzsuchenden setzen kann
  11. sich für einen, auf jeden Bereich des GEAS anzuwendenden, umfangreichen europäischen Monitoring-Mechanismus für die Beobachtung und Ahndung von Grundrechtsverletzungen einzusetzen, statt diese Verantwortung den Mitgliedstaaten zu überlassen, die in der Vergangenheit klar gezeigt haben, dass ihr Bekenntnis zu der Achtung von Grundrechten nicht vollumfänglich und ohne Vorbehalt gilt und zwangsläufig nur zu uneinheitlichen Schutzstandards und verwaschenen Rechenschaftspflichten führen würde.
  12. sich im Fall, dass die Pläne nicht auf politischem Wege verhinderbar sind, dafür einzusetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof Nichtigkeitsklage gegen die im Rahmen des Reformpakets erlassenen Regeln erhebt.

 

Es bleibt unser Ziel, dass alle geflüchteten Menschen, die nach Europa fliehen, in einem Land ihrer Wahl aufgenommen werden, ohne bürokratische oder weitere Drangsalierung. Statt einer „Festung Europa“ die bereits tausende Tode zur Folge hatte, und unvertretbare Zustände in Camps wie Moria hervorbringt, brauchen wir endlich sichere Fluchtrouten und ein wirkliches, europaweit geltendes Recht auf Asyl. Dies ist mit dem aktuellen Asylsystems sowie dem Handeln der europäischen Grenzpolizei Frontex und dem vorliegenden Reformvorschlag unvereinbar.

Antrag 60/II/2022 Weiterführung des Lernbrücken-Projektes und qualitative Auswertung und Weiterentwicklung

10.10.2022

Das Lernbrücken-Projekt hat zum Ziel Schüler*innen zu unterstützen, welche durch die Corona-Pandemie besonders im schulischen Lernen beeinträchtigt wurden. Da die Unterstützung lebensweltlich orientiert ist, werden auch Strukturen und Ressourcen aus dem Alltag in den Blickpunkt genommen. Mit dieser nicht ausschließlich schulisch orientierten Betrachtung können Schüler*innen umfassend im Alltag unterstützt werden, beispielsweise bei der Einbindung in Sportvereine, dem Jugendclub um die Ecke, bei der gemeinsamen Anmeldung im digitalen Lernprogramm der Schule, oder beim Finden von Übersetzungshilfen für die Eltern, sowie Unterstützung bei der Überführung in Lernförderung über das Bundesteilhabegesetz, aber auch bei der Bewältigung von Problemen des schulischen Fächerlernens. Die Unterstützung wird meist von Studierenden (Lehramt, Psychologie, soziale Arbeit) geleistet und zielt auf die Überführung in längerfristige Unterstützungsstrukturen ab, wenn diese notwendig sind. Gerade diese Überführung in bestehende Strukturen kann zu einer andauernden Entlastung von Lehrkräften führen, weil sich die Schüler*innen und ihre Familien in Zukunft auch der kennengelernten Unterstützungsstrukturen bedienen können. Dabei sollten Sie eng mit der Schulsozialarbeit und den Lehrkräften der Schüler*innen zusammenarbeiten, welche auch die Schüler*innen für dieses Programm vorschlagen.

 

Auch nach der Pandemie wird diese Art von Unterstützung benötigt die in Ihrer Konzipierung große Innovationskraft besitzt, da diese tiefgreifende Unterstützung sowohl Schüler*innen fördert, als auch Lehrkräfte entlastet.

 

Wir fordern:

 

  • Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die SPD-Mitglieder im Berliner Senat werden aufgefordert das Projekt weiterhin finanziell zu unterstützen und zu fördern.
  • Hierbei darf es keine prekären Arbeitsverhältnisse geben. Dazu gehören eine angemessene Entlohnung, vernünftige soziale Absicherung, keine prekäre Selbstständigkeit, die Ausstattung der Beschäftigten mit allen notwendigen Arbeitsmaterialien, sowie die Bereitstellung einer adäquaten Arbeitsplatzausstattung und geeignete Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherheit.
  • Um die Qualität des Projektes sicherzustellen, muss das Projekt, sowie seine Träger*innen qualitativ ausgewertet werden. Dabei sollen auch geeignete Kinderschutzkonzepte in den Blick genommen werden

Antrag 45/II/2022 Sprachförderung ab der KiTa stärken, statt abschaffen!

10.10.2022

Sprache öffnet und verschließt Türen, dabei ist es sowohl wichtig, was aber auch wie wir sprechen. Doch Sprachen müssen erlernt, verfestigt und weitergebildet werden, und zwar von jung bis alt. Somit fängt der Spracherwerb und die Sprachbildung auch richtigerweise in der Kita an. Gerade in der derzeitigen Situation muss dabei die Sprachförderung von Kindern ein zentrales Anliegen sein, denn die Pandemie hat auch hier nachhaltige Spuren hinterlassen.

 

Dafür gibt es ein bundesweites Programm: „Sprach-Kitas“. Ziel dieses Programms ist, Kinder mit besonderem sprachlichem Förderbedarf zu unterstützen. Allein in Berlin profitieren davon mehr als 300 Kindertagesstätten; der Förderumfang beträgt 2022 rund 13,2 Millionen Euro. In ganz Deutschland profitieren von diesem Programm so mehr als 500.000 Kinder.

 

Hierdurch konnte mehr Personal eingestellt werden, gezielte (auch digitale) Materialien beschafft und die inklusive Pädagogik in der Kita gestärkt werden.

 

Doch nun soll dieses Programm, welches zum Ende des Jahres ausläuft, nicht verlängert werden. Die genannten Fördermittel würden also wegfallen. Dies wiederum hätte verheerende Konsequenzen, gerade für die Sprachbildung in den Kitas.

 

Deshalb fordern wir alle SPD Mitglieder in den Landtagen, der Bürgerschaft und des Abgeordnetenhauses sowie der Landesregierungen, des Bundestages und der Bundesregierung auf, sich für den Erhalt des Förderprogramms und dessen Überführung in ein dauerhaftes Regelangebot einzusetzen. Eine zeitlich begrenzte Fortsetzung als Modellprojekt ist weder inhaltlich noch verfassungsrechtlich vermittelbar. Denn wie es auf der Seite des Bundesministeriums schon richtigerweise heißt: Sprache ist ein Schlüssel, durch sie erschließen wir uns die Welt, treten mit Menschen in Kontakt und eignen uns Wissen an. Diesen Schlüssel sollten alle Kinder dauerhaft in ihren Händen halten dürfen. Zudem fordern wir eben diese auf, dass das Programm „Sprach-Kitas“ erweitert wird. Denn viele Kinder wachsen meist mit mehreren Sprachen auf und alle diese Sprachen sind gleichermaßen förderungsbedürftig. Das jetzige Programm sieht den Förderungsbedarf jedoch nur an der deutschen Sprache orientiert. Wir wollen jedoch ein multiperspektivischen Sprachförderungsansatz, weshalb bei der Weiterführung des Programms auch inklusive und personelle nicht- deutsche Sprachbildungsangebote (unter anderem Fremdsprachen und die Deutsche Gebärdensprache) gefördert werden sollte.

Antrag 66/II/2022 Medienbildung als allgemeiner Teil der Lehrkräfteausbildung!

10.10.2022

Von den drei fächerübergreifenden Unterrichtsbestandteilen Sprach-, Medien- und politische Bildung hat bislang nur erstere einen festen Platz in der Berliner Lehrkräftebildung. Sich näher mit Sprachbildung zu beschäftigen, ist für angehende Lehrkräfte zweifellos unverzichtbar. Doch wie Schüler*innen ohne entsprechende Sprachkenntnisse einen schweren Stand im Berufsleben haben, so gehört auch die Medienbildung zu den Voraussetzungen, um sich allgemein in unserer Gesellschaft zurechtfinden können.

 

Ein kompetenter Umgang mit Medien und damit verbreiteten Informationen ist wesentlich für fundierte Entscheidungsfindung und damit essenziell für unsere Demokratie. Falschinformationen und Propaganda von fundierten Quellen unterscheiden zu können, muss gelernt sein. Der Umgang mit Medien im Unterricht hingegen lässt zu wünschen übrig: häufig besteht er nur in der Auseinandersetzung mit traditionelleren Formaten (z.B. Zeitungsartikeln im Gegensatz zu Social-Media-Posts). Medienbildung muss daher fächerübergreifend im Unterricht systematischer integriert und an modernen Entwicklungen orientiert werden. Um Schüler*innen kompetenten Umgang mit Medien beizubringen, brauchen zunächst die Lehrkräfte selbst entsprechende Kompetenzen, also die entsprechende Ausbildung.

 

Darum fordern wir Medienbildung verpflichtend in die Lehrkräftebildung zu integrieren und kontinuierliche und verpflichtende Weiter- und Fortbildungsangebote für die neuesten medialen Entwicklungen zu schaffen.