Antrag 85/II/2022 Neustart in der Westbalkanpolitik: Wo ein Wille, da auch ein Weg!

Status:
Annahme

Spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs ist klar: Europa muss enger zusammenwachsen, um handlungsfähig zu bleiben. Die Europäische Union muss die Beziehung zu ihren europäischen Nachbarstaaten überdenken und inklusiver gestalten. Daher ist es ein außerordentlich begrüßenswerter Schritt, die Ukraine und Moldau als Beitrittskandidaten zur EU anzuerkennen und nun auch formelle Gespräche im Rahmen von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien zu führen. Diese Solidarität ist jetzt ein wichtiges Zeichen!

 

Was uns diese Entwicklungen aber auch gezeigt haben: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Diesen Willen brauchen wir auch verstärkt in anderen Teilen des Westbalkans und Europas.  Putins imperialistische geopolitische Ziele enden nicht an ukrainischen Staatsgrenzen. In Moskau wird daran gearbeitet, dem Einfluss der NATO und der EU in Südosteuropa entgegenzuwirken und im Visier Putins ist dabei vor allem der Westbalkan, welcher die Region des ehemaligen Vielvölkerstaats Jugoslawiens sowie Albaniens umfasst: Albanien, Bosnien und Herzegowina (BiH), Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Auch Kroatien und Slowenien gehören zum Westbalkan, werden aber seit ihrem Beitritt zur EU gesondert betrachtet.

 

1991 begann der Vielvölkerstaat Jugoslawien zu zerfallen, nachdem sich mehrere Staaten unabhängig machten. In BiH brach daraufhin ein verheerender Krieg aus, der auch den Völkermord von Srebrenica umfasste und auch zwischen Serbien und dem Kosovo kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

 

Heute ist der Westbalkan wieder in einer Phase der Destabilisation: Nationale Interessen werden vor regionaler Einigkeit verfolgt; BiH droht durch separatistische Bewegungen zu zerbrechen; Perspektivlosigkeit belastet die Bevölkerung und vor allem die Jugend vor Ort. Weit vorne auf der internationalen Bühne und mitten im Geschehen ist dabei kein geringerer als der Kreml, der den Westbalkan als nächsten Krisenherd für seine Machtspiele anvisiert hat. Denn der Westbalkan ist eine komplexe, aber überaus wichtige geopolitische Region.

 

Seit Jahren weitet Russland seinen Einfluss auf die Länder des Westbalkans aus mit dem Ziel, diese politisch zu destabilisieren und die europäische Integration und NATO-Annäherung dieser Staaten zu blockieren. Beispiele hierfür sind Geheimdienstoperationen, Anschlagspläne gegen Oppositionelle und gezielte Cyberangriffe gegen demokratische und zivilgesellschaftliche Organisationen.  Neben militärischen Mitteln bedient sich die russische Regierung auch “soft power” Instrumenten, wie Desinformation, den Austausch über die serbisch bzw. russisch-orthodoxe Kirche und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Die Abhängigkeit von Russland zeigt sich auch daran, dass Serbien und BiH sich geweigert haben, die Sanktionen der EU gegen Russland nach dessen Einmarsch in die Ukraine mitzutragen. Die Rolle Russlands liegt dabei in der Funktion als Gegenpol zur EU, indem Russland aktiv anti-europäische Sentiments und nationalistische Parteien unterstützt, die mit ethnopolitischen Ideologien für gesellschaftliche und politische Instabilität in den Staaten des Westbalkan sorgen.

 

Im besonderen Fokus Moskaus stehen dabei vor allem zwei Staaten, die von kontinuierlichen und tiefgreifenden Krisen geprägt sind und dessen Beziehungen zu der EU bisher am schwächsten voranschreiten: Bosnien und Herzegowina sowie die Republik Kosovo.

 

BiH besteht seit dem Ende des blutigen Krieges durch den Friedensvertrag von Dayton von 1995 aus zwei teilautonomen Entitäten: Die mehrheitlich von ethnischen Serb*innen bewohnte Republika Srpska, sowie die Föderation BiH, welche wiederum zu rund 75% von Bosniak*innen und zu 20% von Kroat*innen besiedelt ist. Bis heute ist das Land von einer innenpolitischen Krise geprägt und ethnische Konflikte überdauern sowohl in der Zivilgesellschaft, als auch an der politischen Spitze des Landes. Haupttreiber dieser Konflikte ist der serbische Vertreter im Staatspräsidium, Milorad Dodik, der im Herbst 2021 die Abspaltung der Republika Srspka vom restlichen Teil Bosnien-Herzegowinas durch die Blockade und Boykottierung zentraler Staatsinstitutionen, dem Austritt aus dem bosnischen Steuer- und Justizsystem und den Aufbau einer eigenen Armee ankündigte. Neben seinen völkerrechtswidrigen Sezessionsbestrebungen leugnete er offen den Völkermord von Srebrenica, proklamiert offen nationalistische Ansichten, die mit der Abwertung anderer einhergehen und sein Ziel, die „Wiedervereinigung aller Serben in einem Groß-Serbien“ erreichen zu wollen, obwohl dies ein klarer Verstoß gegen die Verfassung und den Friedensvertrag von Dayton ist. Als Antwort darauf hat die Bundesregierung und allen voran Außenministerin Annalena Baerbock Sanktionen der EU gegen Dodik gefordert, etwaige Pläne sind aber bisher noch nicht umgesetzt und werden seitens Dodik auch eher belächelt.

 

Doch auch auf bosnisch-kroatischer Seite kommt es zu Destabilisierungsversuchen: Der kroatische Nationalist und Vorsitzende der kroatisch-rechts-nationalistischen Partei HDZ-BiH, Dragan Covic, fordert die Gründung einer weiteren Entität, der sogenannten „Herceg-Bosna“, ein Pseudo-Staat, welcher 1992 ausgerufen wurde, jedoch nicht im Vertrag von Dayton festgeschrieben wurde. Covic arbeitet derweil daran, die Region unabhängiger zu machen, um ein neo-faschistisches Kleinkroatien zu etablieren, welches an das Mutterland angegliedert werden soll. Um diesem Schritt näher zu kommen, forderte er im Sommer dieses Jahres eine Wahlrechtsreform, welche ihm und seiner Partei eine Dauerkarte für die bosnische Regierung verleihen würde, sodass die HDZ jegliche staatlichen Prozesse blockieren könnte, wie sie es bereits in der Föderation BiH seit vier Jahren tut.

 

Dodik und Covic stehen für Nationalismus, Faschismus, Rassismus, Despotismus und Sezessionismus und tun alles in ihrer Macht Stehende, um die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in BiH auszuhebeln! Dabei werden sie von Kroatien und Serbien unterstützt. So unterstützt die serbische Regierung unter Aleksandar Vucic die Sezessionsbestrebungen der Republika Srpska mit dem Ziel eines “Großserbiens”, obwohl es das Abkommen von Dayton mitunterzeichnet hat. Daneben nutzte die ultranationalistische kroatische Regierung Kanäle der Europäischen Union, vor allem durch den EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi, um die eigenen nationalen Interessen zu verfolgen und beteiligt sich an dem Plan, die Entität “Herceg-Bosna” zu etablieren. Nicht zuletzt versucht die kroatische Regierung die Wahlrechtsreform in BiH durchzusetzen und drohte unlängst eine Blockade des NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands an, sollte es keine Wahlrechtsreform nach eigenen Vorstellungen in Bosnien-Herzegowina geben.

 

Auch der Kreml nutzt alle Möglichkeiten aus, die innenpolitische Lage in BiH im Zusammenspiel mit Kroatien und Serbien weiter zu destabilisieren: Denn Russland sorgte unter anderem dafür, dass der Hohe Repräsentant Christian Schmidt seinen Rechenschaftsbericht zu der Lage in Bosnien und damit zu den ethnopolitischen Krisen vor dem Weltsicherheitsrat nicht präsentieren konnte, wodurch aktiv das Bewusstsein für die Sezessionsbestrebungen Dodiks durch die Unterstützung Serbiens und Kroatiens gezielt vor der internationale Staatengemeinschaft geschwächt werden sollte. Zudem äußerte sich der russische Botschafter Igor Kalabuchow im März 2022 in Sarajevo zu einem möglichen NATO-Beitritt von BiH und sagte zwar, dass es eine interne Angelegenheit des Landes sei, die Reaktion Russlands jedoch nicht und Moskau bereits am Beispiel der Ukraine gezeigt habe, was es erwarten werde. Auch wird befürchtet, dass der Kreml bei der Weiterführung der Abspaltungsversuche der Republika Srpska dessen Unabhänigkeit anerkennt, wie er es bei den Regionen Donezk und Luhansk getan hat.

 

Fest steht: Die Souveränität und territoriale Integrität von BiH ist gefährdet und es bedarf einer internationalen Kraftanstrengung, um die Fehler aus den 90er Jahren nicht erneut zu begehen! Die EU steht in der historischen Verantwortung und in der Pflicht, Sanktionen gegen Dodik und Covic, sowie ihre Parteien zu verhängen, um sie daran zu hindern, den sezessionistischen Kurs weiterzuführen und um die territoriale Integrität Bosniens zu bewahren!

 

Wir brauchen zudem eine starke EU, die ihren Versprechen einer sicheren Beitrittsperspektive gerecht wird und die Hürden des Beitrittsprozesses endlich an die politischen Realitäten auf dem Westbalkan anpasst! BiH gilt bereits seit 2003 als potentieller Beitrittskandidat, hat 2016 einen EU-Beitrittsantrag gestellt und nicht zuletzt im Oktober 2021 stellte die Europäische Kommission einen großen Fortschritt bei der Umsetzung der von ihr festgelegten Reformprioritäten fest und forderte BiH daraufhin auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um eine Chance auf den Beitrittskandidatenstatus zu bekommen. Der Ukraine wurde derweil am 23. Juni 2022 offiziell der Kandidatenstatus zum EU-Beitritt zugesprochen. Diesen Schritt befürworten wir ausdrücklich. Es lässt sich jedoch nicht ignorieren, dass BiH in allen Beitrittskriterien, wie etwa zur Korruptionsbekämpfung und der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und der wirtschaftlichen Freiheit, größere Fortschritte erzielt hat, als die Ukraine. Trotz dieser ganzen Bemühungen und Errungenschaften ist der offizielle Beitrittskandidatenstatus für BiH dem Land bis heute verwehrt geblieben, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass der Westbalkan grundsätzlich weniger Unterstützung erhält, als andere Länder bisher und sich die Beitrittsprozesse dieser Region insgesamt schwieriger gestalten. Denn nach den Erweiterungsrunden von 2004 und 2007 und den Schwierigkeiten durch die Finanz- und Euro-Krise wurde die West-Balkan-Erweiterung zunehmend weniger wichtig, bis der Prozess schließlich einschlief. Zudem haben die Mitgliedsstaaten beschlossen, die Kriterien für den Beitritt zu verschärfen und den Prozess komplexer für Bewerber zu machen – schließlich wollte man die Fehler der vorherigen Runden vermeiden. Die EU ist mitverantwortlich für die Destabilisierung der Region. Dabei lässt sich vor allem aus den Erfahrungen und den Erkenntnissen der bisherigen europäischen Geschichte festhalten, dass eine glaubwürdige EU-Perspektive zur Stärkung liberal-demokratischer Kräfte führt und Reformprozesse positiv vorantreiben kann und hier ein Handlungsauftrag der EU besteht!

 

Doch nicht nur BiH ist von einer immensen Instabilität geprägt, sondern auch die Republik Kosovo, die sich im Jahr 2008 als damalige Provinz der Republik Serbien völkerrechtskonform unabhängig erklärte. Seitdem gilt der Kosovo lediglich als potentieller Beitrittskandidat und bemüht sich um die Stärkung und Sicherung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen. Die EU beteiligte sich an diesen Prozessen unter anderem durch die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der Aussicht auf einen EU-Beitritt der Republik Kosovo im Jahr 2015. Dabei konnte der Kosovo bereits Erfolge in den Reformbemühungen erzielen, wie etwa die vollständige Umsetzung der wesentlichen Eckpfeiler für eine Visaliberalisierung, Fortschritte im Justizwesen und der Gewährleistung und Achtung von Menschenrechten.

 

Innenpolitisch steht der Kosovo jedoch vor erheblichen Herausforderungen, was sich nicht zuletzt in häufigen Regierungswechseln in der Republik zeigt. So kam es in den vergangenen zwei Jahren zu mehreren Regierungswechseln aufgrund von Misstrauensanträgen, gerichtlichen Interventionen zur Regierungsbildung sowie dessen Annullierung aufgrund unzulässiger Stimmabgaben und einer vorgezogenen Wahl im Februar 2021.

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Dynamik in der europäischen Erweiterungspolitik kündigte die Regierung an, Ende des Jahres einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft zu stellen. Im Mai 2022 stellte die Republik Kosovo zudem einen Antrag auf Mitgliedschaft im Europarat. Jedoch reagierte Serbien mit starken Worten auf den Antrag sowie auf mögliche EU- und Natobeitrittsgesuche mit der Drohung, dass die serbische Regierung ihre “Zähne zeigen” würde.

 

Denn seit der kosovarischen Unabhängigkeit herrscht ein andauernder Konflikt mit Serbien, der die Eigenstaatlichkeit des Kosovos gemeinsam mit Russland und weiteren Mitgliedern des Europarats nicht anerkennt, darunter auch Spanien, Rumänien, Griechenland, Zypern und die Slowakei. Die Spannungen zwischen beiden Republiken erreichten ihren Höhepunkt zuletzt wegen Konflikten an den Grenzübergängen aufgrund der geplanten Nichtanerkennung serbischer Personaldokumente und KfZ-Zeichen durch die kosovarische Regierung, wobei diese Regelungen zuvor von der serbischen Regierung eingeführt wurden.

 

Das Problem der fehlenden Anerkennung des Kosovos wirkt dabei auch in andere Bereiche fort: Denn die EU rief ein moderiertes Dialogformat zwischen Serbien und dem Kosovo ins Leben, mithilfe dessen die Beziehungen beider Staaten normalisiert werden und in ein rechtsverbindliches Normalisierungsabkommen münden sollten. Prämisse ist dabei, dass sich die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien erst normalisieren müssen, bevor ein EU-Beitritt beider Staaten möglich ist. Bisher konnte der Dialog jedoch nicht voranschreiten. Ohne internationale Anerkennung des Kosovos wird es nicht nur unwahrscheinlicher, dass das Land eine echte EU-Beitrittsperspektive hat. Auch für eine Mitgliedschaft in der UNO muss die Souveränität und Unabhängigkeit des Kosovos international geklärt sein.

 

Bis heute steht dem aber auch das UN-Vetorecht Russlands im Sicherheitsrat entgegen, mit dem es versucht, die Versuche des Kosovos um die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit und der UN-Mitgliedschaft zu untergraben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Verschärfungen zwischen dem Kosovo und Serbien sicherte Dimitri Peskow, Sprecher des Kremls, die volle Unterstützung für Serbien zu. Staaten wie Serbien und Russland versuchen, den dysfunktionalen Status Quo des Westbalkan zu wahren, veraltete Herrschafts- und Territorialansprüche über souveräne und demokratische Staaten zu erheben und den Westbalkan zu destabilisieren. Das kann nicht sein! Deshalb begrüßen wir die bereits erzielten Errungenschaften des Kosovos hinsichtlich der Reformbemühungen zu einem rechtsstaatlichen, demokratischen und menschenrechtsachtenden Staat sowie die Bekämpfung von Kriminalität und Korruption und unterstützen den Antrag der Republik Kosovo für die Mitgliedschaft im Europarat. Zudem begrüßen wir, dass die Bundesregierung ihre Unterstützung des Kosovos ausdrücklich zusagt.

 

Um sowohl in BiH und auch im Kosovo für Stabilität zu sorgen, bedarf es hier vor allem der Präsenz von NATO-Friedenstruppen. In beiden Fällen hat sich die Bundesrepublik in der Vergangenheit an Friedensmissionen der NATO-Sicherheitsgruppen EUFOR Althea und KFOR beteiligt, stellte die Beteiligung an der EUFOR Althea Mission jedoch 2012 ein. Doch auch vor dem Hintergrund der geopolitischen Machtspiele Russlands nach dem Angriff auf die Ukraine kam es hier zur erneuten Beteiligung Deutschlands an der Friedensmission durch die Entsendung von bis zu 50 Soldat*innen. Im Mai 2022 verlängerte das Bundeskabinett zudem das Mandat für den unbefristeten Sicherheitseinsatz KFOR im Kosovo mit Zustimmung des Bundestages bis zum Juni 2023. Aufgrund der aktuellen und andauernden Spannungen zwischen den Republiken Serbien und Kosovo hat sich die NATO zudem dazu bereit erklärt, von ihrem Beobachterstatus abzuweichen und im Rahmen des KFOR-Mandats einzugreifen, sofern die Stabilität des Kosovos gefährdet sein sollte.

 

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Entscheidung der Bundesregierung zur Wiederaufnahme des EUFOR Althea Mandates vom 7. Juli 2022 zur Stabilisierung Bosniens, blicken jedoch mit großer Sorge auf die anstehende Abstimmung im UN-Sicherheitsrat zur Verlängerung des EUFOR-Mandates im November und befürchten ein Veto Russlands. Eine solche Blockade würde fatale Auswirkungen auf die innere Stabilität Bosnien-Herzegowinas haben und den Sezessionsbestrebungen Dodiks weiterzuspielen. Dies gilt es zu verhindern.

 

Es lässt sich insgesamt festhalten, dass die anhaltenden Destabilisierungsversuche im Westbalkan ein massives Sicherheitsrisiko für die EU darstellen und ohne weiteres Zutun der EU in einem Flickenteppich autokratischer Systeme auf dem Westbalkan münden werden. Denn was sich in jüngster Zeit beobachten ließ, war ein Wiedererstarken Russlands in der Region, das nur möglich wurde, weil die EU ihren Blick zu lange nach Innen richtete, anstatt sich mit den Versprechen einer realistischen europäischen Zukunft im Westbalkan auseinanderzusetzen. Der Kreml konnte sich so als wichtiger Partner, als eine Alternative zur europäischen Zukunft inszenieren und den Westbalkan so als Schachbrett für seine geopolitischen Ziele nutzen. Liberal-demokratische Kräfte werden gezielt geschwächt und die EU kann und darf hier nicht länger zuschauen. Wir haben vor allem gesehen, dass Putins Strategie in der Zusammenarbeit mit autokratischen und populistischen Kräften in der Region liegt und Staaten wie Serbien und Kroatien sich hier eindeutig als politische Verbündete entblößt haben, die im Vergleich zu anderen Westbalkanstaaten in puncto der von Europa vertretenen Werte nicht weiter entfernt sein könnten. Deshalb müssen wir jetzt klare Kante zeigen und dem Kreml sowie verbündeten Staaten signalisieren, dass wir geschlossen hinter den demokratischen Kräften des Westbalkans stehen, welcher eine echte europäische Zukunft verdient und für ein vereintes, multiethnisches und rechtsstaatliches politisches und gesellschaftliches System einsteht.

 

Wir fordern daher von der SPD-Bundestagsfraktion, der Bundesregierung und den SPD-Abgeordneten im Europaparlament:

 

  1. sich entschieden und klar gegen jegliche separatistischen Bewegungen, Kriegsdrohungen oder Maßnahmen, die die innere staatliche Ordnung in BiH gefährden, zu stellen und sich aktiv gegen äußere Einmischungen durch kroatische und serbische Vertreter*innen zu positionieren.
  2. eine Neuausrichtung der Beziehungen zu Serbien und Kroatien aufgrund der anhaltenden Versuche, die territoriale Integrität in BiH zu zerschlagen, zu gestalten
  3. vor diesem Hintergrund die Verurteilung der sezessionistischen Politik Milorad Dodiks und Dragan Covics und die Verhängung von Sanktionen gegen alle politischen Vertreter*innen, die die Sezessionsbestrebungen fördern
  4. auf europäischer und internationaler Bühne die Verherrlichung und Leugnung von Kriegsverbrechen und von Völkermorden in BiH zu verurteilen und Sanktionen gegen solche politischen Vertreter*innen zu erlassen, die unter anderem den Völkermord von Srebrenica leugnen.
  5. sich auf europäischer Ebene für eine Neuausrichtung der europäischen Westbalkan-Strategie einzusetzen, die eine tatsächliche Perspektive auf einen EU-Beitritt erlaubt.
  6. die sozialdemokratischen Mitglieder im Europäischen Parlament sollten sich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission die künftigen Beitrittsverhandlungen mit BiH auch unter Einbeziehung multiethnischer Parteien führt und BiH als multiethnische Bürgerrepublik aufrechterhalten wird.
  7. vor diesem Hintergrund eine intensive Zusammenarbeit mit den Regierungen des Kosovos und BiH zur weiteren Unterstützung der Reformbemühungen im Zuge des Beitrittsprozesses und ein zügiges Verleihen des Beitrittskandidatenstatus für BiH, um Destabilisierungsversuchen ein klares Signal durch den Beistand der EU entgegenzuhalten.
  8. vor diesem Hintergrund die Pausierung der (Vor-)Beitrittsgespräche und EU-Fördergelder in Bezug auf die Republik Serbien, die nicht direkt der Zivilbevölkerung zugutekommen, bis jegliche Unterstützung nationalistischer Kräfte in und Handlungen entgegen der territorialen Integrität und Souveränität von BiH eingestellt und auch zukünftig unterlassen werden. Das gleiche gilt für die anhaltende Nichtanerkennung der Eigenstaatlichkeit des Kosovos durch die Republik Serbien, sodass die Vor-Beitrittsverhandlungen erst dann voranschreiten können, wenn der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo voranschreitet und in ernsthafte Bemühungen zur Unterzeichnung eines Normalisierungsabkommen münden.
  9. vor diesem Hintergrund jedoch die Intensivierung und Unterstützung zivilgesellschaftlicher und demokratischer Projekte in Serbien.
  10. Vor diesem Hintergrund die Sanktionierung Kroatiens aufgrund der missbräuchlichen Nutzung europäischer Kanäle zur Unterstützung und des Verfolgens antidemokratischer, völkerrechtswidriger und sezessionistischer Pläne auf dem Westbalkan, insbesondere in BiH, sowie die Einleitung von Schritten, um diesen Missbrauch künftig zu unterbinden. Daher soll sich klar für eine Neubesetzung des Amtes des Erweiterungskommissars ausgesprochen werden und entsprechender Druck ausgeübt werden.
  11. Vor diesem Hintergrund die Etablierung eines Mechanismus im Rahmen einer neu ausgerichteten Westbalkanstrategie, angelehnt an den Konditionalitätsmechanismus, mit welchem die EU Verstöße gegen ihre Grundwerte und insbesondere gegen die Rechtsstaatlichkeit durch das Verhalten von Mitgliedstaaten in ihren außenpolitischen Beziehungen auf dem Westbalkan ahnden können. Dies sollte durch den schrittweisen Entzug der EU-Gelder geschehen, sofern die Konsequenzen der außenpolitischen Beziehungen den finanziellen und ressourcenorientierten Investitionen der EU zuwiderlaufen.
  12. Wir fordern daher eine proaktive Unterstützung des Antrages der Republik Kosovo im Europarat durch einen gezielten Dialog auf europäischer Ebene sowie intensive, diplomatische Anstrengungen hinsichtlich jener Mitglieder im Europarat, die die Eigenstaatlichkeit des Kosovos nicht anerkennen. Zudem fordern wir die proaktive Unterstützung des Antrages der Republik Kosovo für eine EU-Mitgliedschaft!
  13. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, auf internationaler und europäischer Ebene sowie im Kontakt mit BiH und in Zusammenarbeit mit der tschechischen Ratspräsidentschaft auf alternative Möglichkeiten hinzuarbeiten, um die Verlängerung des EUFOR-Mandates sicherzustellen. Eine solche Möglichkeit stellt die Entkoppelung der Mission vom UN-Mandat durch eine offizielle und verbindliche Einladung an die EU durch BiH dar, um die EUFOR-Althea Mission fortzuführen oder eine (Re-)Legitimierung der EUFOR-Mission über Annex 1 des Friedensabkommens von Dayton. Zudem fordern wir die Bundesregierung dazu auf, sich im Falle der Intensivierung der innenpolitischen Spannungen in Bosnien und Herzegowina und von wachsenden Destabilisierungsversuchen Russlands oder andere Akteure für eine Aufstockung der Anzahl von Soldat*innen innerhalb der Friedensmission einzusetzen
  14. Wir fordern die Bundesregierung zudem dazu auf, sich im Falle von Intensivierungen des Konfliktes zwischen der Republik Kosovo und der Republik Serbien an der Abweichung vom Beobachterstatus der NATO im Rahmen des KFOR-Mandates ausdrücklich zu beteiligen und die territoriale Integrität des Kosovos zu wahren
  15. Wir fordern die Unterstützung des Kosovos hinsichtlich der Eigenstaatlichkeit der Republik und seiner Anstrengungen, international anerkannt zu werden. Daher sollen die Bemühungen auf europäischer Ebene gegenüber den EU-Mitgliedstaaten, die den Kosovo nicht als eigenständige Republik anerkennen, intensiviert werden, um die Westbalkanstrategie zwischen den Mitgliedsstaaten zu harmonisieren.
  16. Wir fordern aktive Bemühungen, russische Kanäle zur Destabilisierung des Westbalkan durch ein erhöhtes Engagement in der Region zu schließen
  17. Vor diesem Hintergrund die Einrichtung einer europäischen oder internationalen Monitoring-Gruppe, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den USA oder anderen Staaten, um russische Destabilisierungsversuche und -aktivitäten zu überwachen und Maßnahmen dagegen zu entwickeln
  18. Vor diesem Hintergrund auf europäischer Ebene gegen russische Desinformationskampagnen auf dem Westbalkan vorzugehen, die antieuropäische Sentiments fördern, Falschinformationen verbreiten und die Stabilität der Region bedrohen, indem russische Propaganda öffentlich enttarnt wird und aktiv ein Zugang zu den lokalen Medien geschaffen wird.
  19. Unabhängige Medien in dieser Region zu fördern. Medienplattformen, die gegen geltendes Recht verstoßen, sind entsprechend zu sanktionieren.
Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Überweisungs-PDF: