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Antrag 151/I/2020 Don’t feed the troll - Sensibilisierung im Umgang mit Hetze gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk

30.09.2020

Ein Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlicht ein Satire-Video, in dem eine fiktive Großmutter als Umweltsünderin bezeichnet wird. Rechte Gruppierungen und Politiker*innen interpretieren dieses Scherz-Video bewusst fehl und leiten daraus ein abstruses Narrativ gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab, es kommt zu Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen den Sender und seine Journalist*innen. Rechte und Neonazis übernehmen gezielt den Diskurs und sorgen für eine künstlich aufgeblähte Debatte. Schließlich äußern sich da vermeintlich besorgte Bürger*innen, über deren Sorgen man im Geiste der Ausgewogenheit der Berichterstattung sprechen müsse. Der gezielte Shitstorm der rechten und rechtsradikalen Accounts geht auf. Auch bürgerliche Politiker*innen lassen sich vor den Karren der Rechten spannen und verbreiten die Kritik. Da der verantwortliche Sender, der WDR, das Video fast sofort nach Lautwerden der ersten Anschuldigungen von rechts löscht, kann sich auch niemand mehr ein eigenes Bild davon machen, wie harmlos der Scherz war, wie künstlich die Aufregung von den Rechten entzündet wurde.

 

Dieser Vorfall ist alleine beunruhigend genug, steht aber leider nur am Ende einer langen Reihe von Ereignissen, in denen der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk vor vermeintlicher “Kritik” von rechts eingeknickt ist. So wurde zum Beispiel ein FCK AFD-Aufkleber im Hintergrund einer Polizeiruf 110-Folge nachträglich retuschiert, weil Rechte und AfD-Vertreter*innen lautstark eine linke Unterwanderung des Öffentlich-Rechtlichen vermuteten. Als auf dem AfD-Bundesparteitag ein Materialkoffer von Phoenix mit “Say no to racism”-Aufklebern versehen war, bedauerte der ÖR auch dies im Nachgang – ohne zu erklären, was denn am Nein zu Rassismus so bedauerlich sei.

 

Die Trennung von Staat und Medien ist richtig und wichtig. Daher möchten wir auch nicht für uns beanspruchen, den Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Vorschriften zu machen. Wir stehen aber solidarisch an der Seite aller Journalist*innen und freien Mitarbeiter*innen, die von Rechten bedroht werden, wenn sie Rückgrat zeigen; die von ihren Intendant*innen nicht bestärkt und geschützt werden; die bedroht, eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden sollen.

 

Aufgabe aller Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat, beim Deutschlandradio: Hörfunkrat) der einzelnen Sendeanstalten ist es, die Interessen aller Hörer*innen und Zuschauer*innen zu vertreten – nicht nur einer lauten Gruppe von Rechten und Rechtsradikalen, die on- und offline hetzen und künstliche Empörung erzeugen.

 

Wir appellieren daher an alle demokratischen Mitglieder aller Rundfunkräte, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen und darauf hinzuwirken, dass

  • Richtlinien erstellt werden, nach denen Beiträge, sofern sie nach Ausstrahlung stark kritisiert werden, objektiv beurteilt werden können statt diese ungeprüft zu löschen und somit rechte Hetze vermeintlich zu legitimieren
  • Beiträge nicht aus Mediatheken gelöscht werden, solange sie nicht faktisch falsch sind oder aus anderen, im Pressekodex festgelegten, Gründen dem Rundfunkauftrag nicht gerecht werden. Ausgenommen sind Beiträge, die sowieso nur für beschränkte Zeit bzw. gar nicht online zur Verfügung gestellt werden.
  • die Sendeanstalten sich solidarisch mit ihren Journalist*innen und Mitarbeiter*innen, besonders den freien, verhalten und sie in öffentlichen Debatten verteidigen und stärken. Zudem muss die Sicherheit und körperliche sowie seelische Unversehrtheit aller Mitarbeitenden von den Sendeanstalten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewährleistet werden. Hierbei sollen die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer*innenvertretungen eingebunden werden
  • keine willkürliche nachträgliche Retuschierung von antifaschistischen Symbolen stattfindet

Antrag 149/I/2020 Presse- und Meinungsfreiheit und -vielfalt schützen – Soziale Medienplattformen nicht für Gewaltaufrufe missbrauchen!

30.09.2020

Am 14. August 2017 in Folge des G20-Gipfels in Hamburg wurde die Website  linksunten.indymedia vom Bundesministerium des Innern verboten. Das Verbot nach dem Vereinsrecht durch den damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellte das erste Verbot einer “linksextremistischen Vereinigung” dar. Das Verbot basierte maßgeblich auf der Einschätzung des damals von Hans Georg Maaßen geführten Verfassungsschutzes, laut dem die gesamte Plattform als ‘verfassungsfeindlich’ einzustufen sei.

 

Das Verbot der Website halten wir für nicht gerechtfertigt. Das Bundesinnenministerium argumentierte in der Verbotsverfügung, dass die mutmaßlichen Betreiber*innen sich zu einem, den Strafgesetzen zuwiderlaufenden Zweck, zusammengeschlossen hätten. Ziel der Plattform sei die „Schaffung einer linken Gegenöffentlichkeit“, unter anderem durch die Veröffentlichung von Gewaltaufrufen und anderen verbotenen Inhalten. Deshalb habe das Betreiber*innenkollektiv eine Vereinigung gebildet, auf die das Vereinsrecht anwendbar sei. Die Betroffenen reichten gegen das Verbot der Plattform Klage ein und scheiterten damit im Januar 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Begründung des Gerichts lag darin, dass die mutmaßlichen Betreiber*innen als Einzelpersonen nicht klageberechtigt seien. Um im Prozess klageberechtigt zu sein,  müssten sie sich laut Gericht als Mitglieder des mutmaßlichen Vereins bekennen, was vor dem Hintergrund der damit zusammenhängenden drohenden Strafverfolgung unmöglich erscheint. Die bisher laufenden Verwahren gegen die fünf Betroffenen wurden aufgrund des Mangels an Beweisen eingestellt. Auf eine materielle Prüfung der Vorwürfe verzichtete das Gericht ausdrücklich.

 

Linksunten.indymedia war eine Open-Posting-Plattform, das heißt, jede*r konnte dort eigene Inhalte anonym veröffentlichen. Die Inhalte umfassten größtenteils linke Theoriedebatten, Demonstrationsaufrufe und antifaschistische Recherchen, die auch von traditionellen Medien als Grundlage ihrer Berichterstattung genutzt wurden. Deshalb stellt linksunten.indymedia keine Vereinigung mit verbotenem Zweck, wie der Veröffentlichen von z.B. Gewaltaufrufen, sondern eine publizistische Plattform dar, die im Rahmen des Rundfunkstaatsvertrags zu behandeln und durch die Pressefreiheit geschützt ist. Wir sehen in dem Verbot von linksunten.indymedia somit einen schweren Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit, da damit durch eine fragwürdige Berufung auf das Vereinsrecht eine journalistische Plattform durch die Hintertür  verboten wird.

 

Einzelne Beiträge auf der Plattform mögen als verfassungsfeindlich einzustufen sein. Allerdings wurde gegen diese nicht einzelnen juristisch vorgegangen und die unterstellte Strafbarkeit somit nicht durch ein Gericht festgestellt – stattdessen wurde einfach die gesamte Plattform verboten.

 

Das Verbot war unmittelbar aus den Vorfällen bei G20 motiviert. Dies ist beunruhigend, da somit die Presse- und Meinungsfreiheit aus politischem Kalkül eingeschränkt wird. Die Argumentation des Bundesinnenministerium fußt dabei darauf, dass die Betreiber*innen diese verfassungsfeindlichen Inhalte nicht entfernten. Da allerdings keine Aussagen darüber vorliegen, wie groß der Anteil dieser mutmaßlich verfassungsfeindlichen Beiträge auf der Plattform war, schafft der Fall linksunten.indymedia einen besorgniserregenden Präzedenzfall. Basierend auf der Argumentation, dass einzelne mutmaßlich verfassungsfeindliche Beiträge auf einer Plattform ausreichen, um diese zu verbieten, müssten konsequenterweise auch andere Plattformen wie beispielsweise Facebook verboten werden, da dort regelmäßig Todesdrohungen und klare Bekenntnisse gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung publiziert werden. Die Argumentation zum Verbot von linksunten.indymedia ist insbesondere vor dem aktuellen gesellschaftlichen Hintergrund bemerkenswert. Während das Bundesinnenministerium fast 30 Jahre braucht um eine militante Neonazi-Organisation zu verbieten, reicht hier im Falle einer linken Plattform eine mehr als schwammige Argumentation. Wir stellen uns entscheiden gegen solch eine Instrumentalisierung des Vereinsrechts.

 

Wir sehen das Verbot von linksunten.indymedia daher als massiven Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit. Insbesondere sehen wir auch die dort angewendete Argumentation und Vorgehensweise, die Plattform über den Umweg des Vereinsrecht es zu verbieten, als höchst problematisch an. Denn dies öffnet die Tür dahingehend, dass auch in Zukunft kritische Portale selektiv mit Berufung auf das Vereinsrecht verboten werden könnten. Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags und insbesondere der Bundesregierung auf, auf eine Rücknahme des Verbots der Plattform linksunten.indymedia hinzuwirken und so die Presse- und Meinungsfreiheit zu stärken.

Antrag 135/I/2020 Raus aus dem Octagon! – Gegen die Kommerzialisierung von rechtem Kampfsport

30.09.2020

Neonazis sind im Sport kein neues Phänomen. Doch neben gewaltaffinen Spektren der Fußballfanszenen und rechter Musikkultur haben sich nun Teile der Kampfsportwelt zum dritten Standbein einer erlebnisorientierten Rekrutierung der radikal rechten Szene entwickelt. Neonazis trainieren nicht mehr vereinzelt in Vereinen, sondern betreiben eigene Trainingsräume, vertreiben Merchandise, veranstalten Kampfevents und vernetzen sich international. Die radikal rechte Szene investiert zurzeit ganz gezielt in den Bereich des Kampfsports. Und sie verdient daran. Dadurch können sie sich noch salonfähiger und sich in der Kampfsportszene weiter ausbreiten. Es braucht dringend eine Unterbindung dieser Entwicklung.

 

Ideologie

Die radikal rechte Szene hat den Wert von Kampfsport für die eigenen ideologischen Strategien erkannt. Das Ideal eines „gesunden Volkes“ anknüpfend an den Körperkult des Nationalsozialismus, wird mit Ideen der modernen, aus dem Hardcore stammenden Straight-Edge-Bewegung verbunden. Mit dem Fokus auf körperliche Fitness unter Verzicht auf Alkohol und Drogen sollen Reinheit, Fitness und Stärke gebündelt werden unter dem Motto „Gesunder Geist – Gesunder Körper“. Dabei geht es nicht um das persönliche Wohlbefinden, sondern sowohl um das Bild eines gesunden Körpers nach weißen, rassistischen Vorstellungen als auch um das Training für den politischen Straßenkampf und die Wehrhaftigkeit einer Nation bzw. Europas. Das Erlernen und Verbessern von Technik und Tricks entspricht also einer „Bewaffnung“ der Szene, mit der die Ausmaße und Konsequenzen der Gewalt enorm gesteigert werden. Die derzeitigen Entwicklungen im rechten Kampfsport zeigen, dass es einen Nährboden für die Ausbreitung dieser Ideologie gibt, in der sich immer mehr ein identitätsstiftendes „Wir“ herausbildet, das rassistisch, völkisch und nationalistisch aufgeladen ist. Die Zusammenhänge von radikal rechter Gewalt und Kampfsportausbildung bleiben bis heute allerdings größtenteils noch ein Dunkelfeld, da es kaum Erhebungen darüber gibt bzw. Verstrickungen in die rechte Kampfsportszene nicht beachtet werden.

 

MMA

MMA (Mixed Martial Arts) ist ein Vollkontaktkampfsport, der Elemente aus Standkampf (z.B.: Boxen, Kickboxen, Muay Thai) und Bodenkampf (z.B.: Grappling, Jiu-Jitsu) und Griff- und Wurftechniken (z.B.: Judo) miteinander verbindet. Die grundlegende Idee ist, durch eine Kombination der Disziplinen einen technisch und körperlich höchst anspruchsvollen Kampfsport zu kreieren. MMA ist nicht per se ein Sport, der nur von radikal Rechten betrieben wird. Der Großteil der Trainingsräume, die diesen Sport anbieten, betreiben ihn als Sport ohne rechtsideologische Agenda. Gesellschaftlich ist MMA aber noch immer verschrien als extrem brutaler Sport. Zudem werden die Kämpfe oft gladiatorenhaft und bewusst martialisch inszeniert. Während bis 2013 keine Frauenkämpfe erlaubt waren, werden heute ca. 10% der Kämpfe von Frauen ausgetragen. Dennoch ist MMA noch immer eine Männerdomäne. Diese Sportart bietet aus den genannten Gründen also einen guten Boden für die Ausbreitung neonazistischer Ideologie.

 

Ein Problem, das die Ausbreitung rechter Strukturen im MMA den Weg bereitet, ist, dass MMA noch nicht als offizieller Sport vom DOSB (Deutschen Olympischen Sportbund) anerkannt wurde. Während anerkannte Sportarten wie Boxen, Ringen usw. unter offiziellen Dachverbänden organisiert sind, die Vereine (häufig gemeinnützige Sportvereine) umfassen, offizielle Turniere organisieren und ein überall gültiges Regelwerk haben, ist das bei MMA nicht der Fall.

 

In Deutschland ist der Großteil der Kampfsportschulen und Trainingsräume, in denen MMA-Training angeboten wird, weder gemeinwohlorientiert als Sportverein noch über Verbände organisiert. Zahlreiche Anbieter*innen wenn nicht sogar die Mehrzahl sind kommerziell geführte Sportschulen, die ihre Dienste auf einem freien und ungeregelten Kampfsportmarkt anbieten. Diese Form von „Wildwuchs“ begünstigt die Ausbreitung radikal rechter Strukturen bzw. ermöglicht die Kommerzialisierung durch radikal rechte Veranstalter*innen. Es gibt demnach keine staatliche Sportförderung und die Handhabung der MMA-Events und die dazugehörigen Auflagen werden unterschiedlich auf kommunaler Ebene entschieden. Prävention vor rechten Strukturen, wie sie etwa in Fußballclubs gefördert wird, ist hier deswegen besonders schwer. Es gibt allerdings Bemühungen von zwei größeren Dachverbänden („German Mixed Martial Arts Federation“ – GEMMAF, „Global Association of Mixed Martial Arts“ – GAMMA) dem entgegenzuwirken, indem sie sich auf ein festes Regelwerk einigen, Kämpfer*innen vor Turnieren durch einen Background-Check prüfen und für die Anerkennung von MMA als offizielle Sportart streiten. Doch bisher ordnen sich nur wenige Trainingsräume diesen Dachverbänden zu.

 

Kommerzialisierung von rechtem Kampfsport

Die fehlende einheitliche Organisation des MMA-Sports ermöglicht nicht nur, dass vereinzelte radikal Rechte bei einzelnen gängigen Turnieren als Kämpfer*innen gelistet sind, sondern auch, dass dezidiert rechte Kampfsportevents mit eigenem Merchandise und manchmal auch in Verbindung mit Rechtsrockkonzerten veranstaltet werden können. Exemplarisch dafür steht der „Kampf der Nibelungen“, ein 2013 von Dortmund aus von neonazistischen Vereinigungen ins Leben gerufene Kampfsportevent, das 2018 im sächsischen Ostritz erstmals offiziell in Verbindung mit dem Rechtsrock-Festival „Schild und Schwert“ veranstaltet wurde.

 

Der „Kampf der Nibelungen“ ist nicht nur ein Treffpunkt für recht Hooligangs, Neonazi-Kader und Teile der internationalen Neonaziszene und dient damit der Vernetzung. Er ist auch eine zunehmende Finanzierungsquelle für die radikal rechte Szene. Die Eventkultur ermöglicht, rechtsoffene Menschen für die Szene zu rekrutieren. Die rechte Erlebniswelt aus Gewalt und Ideologie zieht immer mehr Menschen an. 2017 wurde der „Kampf der Nibelungen“ beim Deutschen Patent- und Markenamt offiziell angemeldet. Er kann vermarktet werden, beispielsweise durch eigene Handschuhe mit Logo. 2018 wurde das am „Kampf der Nibelungen“ orientierte Kampfsportevent „Tiwaz“ von lokalen Autohäusern, aber auch von einer bundesweit bekannten Biermarke gesponsert. Außerdem vermarkten Plattformen, vor allem aus den europäischen Nachbarländern aber auch deutsche Versandhäuser, nicht nur Kleidung mit klarer NS-Symbolik, sondern kreieren für die Szene neue Symboliken, die an Runen erinnern sollen, und Gewalt oder Körperkult betonende Slogans, die auf dem deutschen Markt noch nicht verboten sind. Diese Labels sponsoren wiederum vereinzelte Kampfsportevents. Immer mehr Labels zielen darauf ab, neonazistische Komplettausrüster zu werden. Neben Kleidung, Sportausrüstung und der Eröffnung eigener Trainingsräume, die wiederum kleinere bis großere Turniere austragen, verkaufen sie sogar Nahrungsergänzungsmittel und vegane Fitnessnahrung, sodass sich alles im Spiegel des ideologischen Fitnesstrends der rechten Szene innerhalb des Kampfsports vermarkten lässt. Es findet eine deutliche Kommerzialisierung des rechten Kampfsportes statt.

 

Die bei solchen Kampfsportevents antretenden Kämpfer*innen kommen jedoch nicht alle zwangsläufig aus radikal rechten Trainingsräumen, sondern aus Kampfsporthallen aus dem ganzen Bundesgebiet, wie auch aus Frankreich, Russland, Tschechien, Skandinavien, Österreich und der Schweiz und trainieren in Kampfsporthallen, die keineswegs organisiert radikal rechts sind, die aber kaum sensibilisiert sind und das organisierte Kampfsportevent als Möglichkeit zur Kampferfahrung wahrnehmen. Hierüber rekrutiert die rechte Szene wiederum einzelne Kämpfer*innen und breitet mit dem Eventmerchandise ihr Einzugsgebiet weiter aus, wenn die Kämpfer*innen in ihre eigenen Trainingsräume zurückkommen.

 

Die Strategie ist offenkundig: Durch die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung, finanziert sich die Szene gut, sie können sich ausbreiten und die Kampfsportszene unterwandern.

 

Sie wollen Fuß fassen durch massive Präsenz. Dem muss entschieden entgegengewirkt werden.

 

Deswegen fordern wir:

  • Wir setzen uns für die Durchsetzung des Verbots von rechtsradikalen Kampfsportevents ein.
  • Wir setzen uns für ein Verbot des Vertriebs von Merchandise für rechte Kampfsportevents ein. Das Deutsche Patent- und Markenamt soll zudem     keine rechten Kampfsportevents mehr offiziell anmelden, sich mit neu entstehenden rechtsradikalen Symbolen auseinandersetzen und bei Notwendigkeit intervenieren.
  • Die Einrichtung eines bundesweiten Meldesystems, bei dem rechtsradikale Vorfälle innerhalb von Trainingsräumen, Vereinen oder Turnieren dokumentiert werden. Insbesondere soll eine bundesweite Beschwerdestelle eingegliedert werden, bei der rechte Kampfsportler*innen, die auf Fightcards von Kampfsportevents stehen, und das Zeigen von neonazistischen und rechten Symboliken oder Slogans bei Kämpfen oder das Abspielen rechter Musik bei den Einmärschen zum Kampf gemeldet werden können.
  • Ein Austausch zwischen den sportpolitischen Akteur*innen der SPD, dem DOSB, den Landessportbünden und den MMA-Dachverbänden GEMMAF und GAMMA zur Prüfung einer Zulassung von MMA als offiziellen Sport durch den DOSB unter der Berücksichtigung der Entwicklung von Qualitätsstandards zu bestehenden Risiken und Problemlagen im MMA, sport-ethischer Prinzipien und dem Ziel der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Prävention von rechter Gewalt, sodass der MMA-Sport zukünftig flächendeckend einheitlich organisiert werden kann und das Sportangebot vom freien Markt in gemeinnützige Sportvereine umgelagert werden kann.
  • Eine Unterstützung der MMA-Organisationen und Veranstalter*innen, die eine demokratische Haltung vertreten und sich klar von der radikal rechten Szene abgrenzen, sodass noch während der Nicht-Anerkennung von MMA die großen und überwiegend nicht rechten Organisationen durch Regularien bezüglich Hausordnungen für Kleidung, Tattoos und Musik und Lizenzauflagen für Sponsor*innen und Veranstalter*innen zu einer Einheitlichkeit gebracht werden können.
  • Förderung von Initiativen, die Interventions- und Präventionsarbeit in den Kampfsportschulen, den Trainingsräumen, bei den professionellen und semiprofessionellen Turnierveranstalter*innen leisten. Ebenso sollen Kampagnen/Broschüren, die für diese Thematik sensibilisieren, aus öffentlichen Mitteln gefördert werden und an all jene Orte, Veranstaltungen und Akteur*innen gesandt werden

 

Antrag 57/I/2020 Digitalpakt nachhaltig umsetzen und weiterentwickeln

30.09.2020

Aus dem Digitalpakt Schule stehen dem Land Berlin in den nächsten fünf Jahren 257 Millionen Euro zur Verfügung. Ziel ist der Ausbau und Aufbau der digitalen IT-Infrastruktur in den Schulen, um eine Grundlage für erfolgreiches digitales Lernen und für eine sinnvolle Förderung der Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen.

 

Für dieses Ziel kann die Bereitstellung und Schaffung einer technischen Grundausstattung allerdings nur ein erster Schritt sein. Der Digitalpakt ist als Impulsgebung für die Berliner Schulen im Hinblick auf den digitalen und medialen Ausbau der Schulen und des Unterrichts zu verstehen, die es vom Land Berlin aufzunehmen und nachhaltig zu einem geschlossenen Medienkonzept umzusetzen gilt. Dabei müssen insbesondere die Bezirke bedarfsgerecht unterstützt werden.

 

Wir fordern die Mitglieder der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhauses und des Senats daher dazu auf, die bevorstehende Umsetzung des Digitalpaktes nachhaltig zu unterstützen und zu diesem Zwecke folgende Forderungen umzusetzen:

 

1: Bezirke bei IT-Wartung und -Betrieb personell unterstützen

Die Wartung, der Betrieb und Support muss mit dem Ausbau der wachsenden schulischen IT-Infrastruktur personell ausgebaut werden. Dazu braucht es an jeder Schule mind. eine feste, vollzeitbeschäftigte IT und Medienpädagogische Stelle und ausreichend Personal in den zuständigen Abteilungen der Bezirksämter. Die zur Finanzierung dieser zusätzlichen Personalstellen benötigten Mittel sind vom Land zu erbringen. Zu betonen ist hierbei, dass die Wartung, der Betrieb und Support der IT Infrastruktur einer Schule nicht in die Hände von Lehrkräften gelegt werden soll. Beim Ausbau der Stellen sollen Schulen in sozial schwieriger Lage bevorzugt berücksichtigt werden.

 

2: verbindliche Festlegung auf Betriebssysteme und Anwendungsprogramme

Für eine erfolgreiche Digitalisierung der Schulen spielt neben der Ausstattung an digitaler Hardware der Schulen auch Software-Ausstattung eine entscheidende Rolle. Hierzu müssen im ersten Schritt vor allem Schulen, die bislang nur ungenügend mit moderner und funktionstüchtiger IT-Infrastruktur ausgestattet sind, bei der Beantragung von Mittel aus dem Digitalpakt unterstützt und in besonderer Weise berücksichtigt werden. Im zweiten Schritt braucht es für grundlegende Betriebssysteme und Anwendungsbereiche eine landesweite Standardisierung. Um den Schulen dennoch eine individuelle Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen, soll die Senatsverwaltung eine Basis-Softwarelösung für alle Schulen festlegen. Diese festgelegten Basis-Betriebssysteme und -Anwendungsprogramme werden darüber hinaus den Schulen vom Land kostenfrei, auf Dauer und volllizenziert bereitgestellt. Dabei sind im Sinne der digitalen Souveränität quelloffene Softwarelösungen unter freier Lizenz zu bevorzugen.

 

3: Schulen bei der Erarbeitung der Medienkonzepte entlasten

Die Vorlage eines Medienkonzepts ist Voraussetzung für die Beantragung der Mittel aus dem Digitalpakt. Zur Entlastung der Schulen bei der Erarbeitung ist daher von der Senatsbildungsverwaltung ein Schema für ein Digitalisierungskonzept zu erstellen, worauf die Schulen ähnlich wie einem Baukastensystem entsprechend der eigenen Bedürfnisse zugreifen können. Die Erarbeitung und Auswertung der Medienkonzepte ist durch einen schulübergreifenden Erfahrungsaustausch zu begleiten.

 

4: Verschlankung des Antragsverfahrens

Die Mittel im Digitalpaket fließen nicht schnell genug ab. Das liegt mitunter an den strengen Fördervoraussetzungen. Wir fordern, dass ein schnellerer Abfluss der Mittel über eine Vereinfachung der Fördervoraussetzungen sichergestellt wird. Bspw. soll es künftig genügen, dass die Schulen Eckpunkte (Baukastensystem) ihres Medienkonzeptes einreichen und eine ernsthafte Weiterentwicklung des Konzepts garantieren.

 

5: Schulpersonal unterstützen und Medienforum ausbauen

Damit der Ausbau an technischer Grundausstattung auch im Unterricht zu den gewünschten Bildungserfolgen führt, muss das Lehrpersonal an Schulen geschult werden. Bei diesen Schulungen sollte vor allem auch auf das verschiedene Expertiselevel der Lehrkräfte im Umgang mit aber auch die Reflektion der neuen technischen Ausstattung geachtet werden. So soll sichergestellt werden, dass unerfahrenen Lehrkräften einen leichten Einstieg in die Nutzung gewährleistet wird und erfahrenere Lehrkräfte direkt von den erweiterten Möglichkeiten der neuen Ausstattung profitieren können. Gleichzeitig brauchen die Schulen ein größeres, kostenfreies Angebot an digitalen Lehr- und Lernmaterialien.

Deshalb wird das Medienforum der Senatsverwaltung massiv ausgebaut, um

  • bedarfsgerechte Medien-Fortbildungen für das Lehrpersonal zu schaffen,
  • frei verfügbare, landeseigene digitale Lehr- und Lernmaterialien für sämtliche Fächer und Jahrgänge (Open Educational Resources) zu erstellen und anzubieten sowie
  • das Online-Angebot für Lehrer*innen damit erheblich zu erweitern.
  • Fort- und Weiterbildungskurse für Lehrkräfte /Seiteneinsteiger*innen und sog. LOVLs, zum Einsatz digitaler Medien und Materialien im Unterricht
  • Eine sichere Online-Plattform für Online-Unterricht bereitzustellen, womit auch online Klassenstunden abgehalten werden können.

 

Es gilt festzustellen, dass einmalige 5 Mrd. € nicht ausreichen um eine Nachhaltige Finanzierung zu gewährleisten. Bei einem (nach seriösen Schätzungen) jährlichen Bedarf von 20 Mrd. Euro muss der Digitalpakt nachverhandelt werden. In einer Nachverhandlung sollen insbesondere auch Universitäten berücksichtigt werden. Denn die Qualifikation des Personals ist eine Gelingensbedingung für Digitalisierung.

Antrag 79/I/2020 Forschen statt Verkaufen: Stärkere Grundfinanzierung von (Grundlagen-) Forschung

30.09.2020

Als eine der weltweit stärksten Forschungsnationen investierte Deutschland 2015 circa 3.1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (dies entspricht etwa 115 Milliarden Euro) in Forschung und Entwicklung. Etwa ein Drittel dieser Ausgaben entfällt laut Forschungsatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

 

Trotz dieser auf den ersten Blick hoch scheinenden Investitionen klagen Universitäten und Forschungseinrichtungen immer wieder über massive Finanzierungsprobleme. Investitionen von Seiten des Bundes sind aufgrund des Kooperationsverbots oft schwierig. Weil der Großteil der ‚garantierten‘ Finanzmittel für Administration und Aufrechterhaltung von Lehrbetrieb und Infrastruktur bei steigenden Student*innenzahlen verwendet werden müssen, zwingen diese Finanzierungsmängel Professor*innen, Doktorand*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit dem Einwerben von Drittmitteln zu verbringen um bestehende Stellen zu erhalten und neue – meist befristete – Anstellungsverhältnisse zu schaffen. Dies hat dazu geführt, dass die Drittmittelquote bei Universitäten knapp unter 30 Prozent, bei außeruniversitären Forschungseinrichtungen mittlerweile sogar über 30 Prozent liegt.

 

Bund, EU und staatlich finanzierte Förderorganisationen beteiligen sich neben Wirtschaftsunternehmen munter am Ausschreiben von befristeten Projekten mit Finanzierungssummen in Milliardenhöhe. Dies soll durch Wettbewerb unter den Forschenden die optimale Investition in die aussichtsreichsten Projekte garantieren, führt aber zu einer unproportionalen Verteilung der Forschungsgelder zu Gunsten von Professor*innen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die besonders gut darin sind, sich selbst zu vermarkten. Beispielhaft dafür sind die Ergebnisse der dritten Runde der sogenannten Exzellenzinitiative, bei der kleinere Universitäten quasi chancenlos waren. Die dringend benötigten Fördermittel wurden an die großen namhaften Universitäten vergeben, bei denen immense Ressourcen in die Antragsarbeit gesteckt wurden.

 

Des Weiteren fokussieren sich bei dieser wettbewerbsartigen Vergabe von Forschungsmitteln – meist in Kooperation mit Industriepartner*innen – die Investitionen auf vermarktbare und gewinnversprechende Ideen. Auch die Wissenschaft schafft es nicht sich der kapitalistischen Verwertungslogik zu entziehen. Oft werden nur Kombinationen bereits erfolgreicher Forschung als innovativ verkauft und wegen hoher Erfolgsaussichten finanziert. Ideen, Visionen und Träume, die einst der Ursprung von wissenschaftlichem Fortschritt in allen Bereichen waren, gehen bei solchen Vergabeverfahren tendenziell eher leer aus, da die Aussichten auf Erfolg oft nicht kalkulierbar sind. Professor*innen und Wissenschaftler*innen, die zwar als Visionär*innen in ihren jeweiligen Fachgebieten Außergewöhnliches erreichen können, allerdings keine Drittmittel anwerben, werden für ihre Universitäten und Forschungseinrichtungen wertlos, da Kennzahlen und Statistiken die Leistungsbewertung dominieren und Wissenschaftler*innen ohne Finanzmittel weniger forschen und publizieren können.

 

Da die hier kurz dargestellte gegenwärtige Praxis im Wissenschaftsbetrieb eine bürokratische Ressourcenverschwendung ist, die der Grundlagenforschung, dem wissenschaftlich präzisen Arbeiten und Innovation im Weg steht, fordern wir zunächst erneut, dem beschlossenen Antrag C14 – Umdenken bei der Hochschulfinanzierung vom BuKo 2013 folgend:

 

  • Eine vollständige Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern um zielgerichtete Forschungsfinanzierung zu erleichtern.
  • Eine Reduzierung der Drittmittelfinanzierung – bei gleichzeitiger Erhöhung der Grundfinanzierung von Forschungseinrichtungen und Universitäten.
  • Eine Überwindung von privaten Drittmittelinvestitionen an öffentlichen Forschungseinrichtungen, um die Freiheit der Forschung zu erhalten.

 

Des Weiteren fordern wir:

  • Die Schaffung von Forschungseinrichtungen mit allen wissenschaftlichen Freiheiten und großzügigen finanziellen Mitteln, losgelöst von ständiger Kontrolle von Erfolgen und Profitabilität, zur Versammlung von führenden Wissenschaftler*innen welche auf ihren Fachgebieten und interdisziplinär zivile Forschung nach Grundregeln wissenschaftlicher Ethik für eine freiere und gerechtere Gesellschaft betreiben.
  • Eine Minimierung der Verwaltungstätigkeit für Forschende. Der Akademische Karriereweg mit einer fortschreitenden Entfernung von Forschung und Entwicklung hin in Administrative Positionen kann nicht der einzig finanziell logische sein. Dafür müssen Arbeitsverträge entfristet werden und eine gerechte Bezahlung für Wissenschaftler*innen in allen Stufen ihrer Karriere garantiert werden.
  • Studentische Hilfskräfte leisten einen wichtigen Beitrag für Lehre und Forschung an den Hochschulen. Um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, müssen auch studentische Beschäftigte in die Personalvertretungsgesetze der Länder aufgenommen werden. Wissenschaftler*innen sowie studentische Beschäftigte haben außerdem einen Anspruch auf tarifvertraglichen Schutz. Wir fordern daher mit Bezugnahme auf das Templiner Manifest der GEW die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes auf alle Beschäftigten in Lehre und Forschung.
  • Eine Abschaffung der Exzellenzinitiative zur Forschungsförderung. Die finanziellen Mittel sollen stattdessen für die bedingungslose Ausfinanzierung von Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen verwendet werden.
  • Eine Abkehr der Beurteilung von wissenschaftlichem Erfolg anhand von rein quantitativen Größen im Allgemeinen. Bei den immer weiter steigenden Zahlen an Veröffentlichungen, Konferenzen und Konferenzbeiträgen, ist eine Qualitätssicherung und -beurteilung meist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

 

Eine Erhöhung der Investitionen und Zuschüsse für frei zugängliche Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und Rohdaten, um wissenschaftlichen Austausch zu stärken und Forschung dadurch zu beschleunigen. Hierbei sollen kleine und sozial- und geisteswissenschaftliche Fachgebiete genauso berücksichtigt werden, wie große- und MINT-Fachgebiete. Wissenschaftler*innen sollten nicht im Wettbewerb gegeneinander antreten, sondern vereint die Forschung vorantreiben. Die Bereitschaft dafür wird aber durch den Wettbewerb um Fördergelder eingeschränkt.