Antrag 151/I/2020 Don’t feed the troll - Sensibilisierung im Umgang mit Hetze gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk

Status:
Annahme

Ein Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlicht ein Satire-Video, in dem eine fiktive Großmutter als Umweltsünderin bezeichnet wird. Rechte Gruppierungen und Politiker*innen interpretieren dieses Scherz-Video bewusst fehl und leiten daraus ein abstruses Narrativ gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab, es kommt zu Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen den Sender und seine Journalist*innen. Rechte und Neonazis übernehmen gezielt den Diskurs und sorgen für eine künstlich aufgeblähte Debatte. Schließlich äußern sich da vermeintlich besorgte Bürger*innen, über deren Sorgen man im Geiste der Ausgewogenheit der Berichterstattung sprechen müsse. Der gezielte Shitstorm der rechten und rechtsradikalen Accounts geht auf. Auch bürgerliche Politiker*innen lassen sich vor den Karren der Rechten spannen und verbreiten die Kritik. Da der verantwortliche Sender, der WDR, das Video fast sofort nach Lautwerden der ersten Anschuldigungen von rechts löscht, kann sich auch niemand mehr ein eigenes Bild davon machen, wie harmlos der Scherz war, wie künstlich die Aufregung von den Rechten entzündet wurde.

 

Dieser Vorfall ist alleine beunruhigend genug, steht aber leider nur am Ende einer langen Reihe von Ereignissen, in denen der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk vor vermeintlicher “Kritik” von rechts eingeknickt ist. So wurde zum Beispiel ein FCK AFD-Aufkleber im Hintergrund einer Polizeiruf 110-Folge nachträglich retuschiert, weil Rechte und AfD-Vertreter*innen lautstark eine linke Unterwanderung des Öffentlich-Rechtlichen vermuteten. Als auf dem AfD-Bundesparteitag ein Materialkoffer von Phoenix mit “Say no to racism”-Aufklebern versehen war, bedauerte der ÖR auch dies im Nachgang – ohne zu erklären, was denn am Nein zu Rassismus so bedauerlich sei.

 

Die Trennung von Staat und Medien ist richtig und wichtig. Daher möchten wir auch nicht für uns beanspruchen, den Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Vorschriften zu machen. Wir stehen aber solidarisch an der Seite aller Journalist*innen und freien Mitarbeiter*innen, die von Rechten bedroht werden, wenn sie Rückgrat zeigen; die von ihren Intendant*innen nicht bestärkt und geschützt werden; die bedroht, eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden sollen.

 

Aufgabe aller Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat, beim Deutschlandradio: Hörfunkrat) der einzelnen Sendeanstalten ist es, die Interessen aller Hörer*innen und Zuschauer*innen zu vertreten – nicht nur einer lauten Gruppe von Rechten und Rechtsradikalen, die on- und offline hetzen und künstliche Empörung erzeugen.

 

Wir appellieren daher an alle demokratischen Mitglieder aller Rundfunkräte, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen und darauf hinzuwirken, dass

  • Richtlinien erstellt werden, nach denen Beiträge, sofern sie nach Ausstrahlung stark kritisiert werden, objektiv beurteilt werden können statt diese ungeprüft zu löschen und somit rechte Hetze vermeintlich zu legitimieren
  • Beiträge nicht aus Mediatheken gelöscht werden, solange sie nicht faktisch falsch sind oder aus anderen, im Pressekodex festgelegten, Gründen dem Rundfunkauftrag nicht gerecht werden. Ausgenommen sind Beiträge, die sowieso nur für beschränkte Zeit bzw. gar nicht online zur Verfügung gestellt werden.
  • die Sendeanstalten sich solidarisch mit ihren Journalist*innen und Mitarbeiter*innen, besonders den freien, verhalten und sie in öffentlichen Debatten verteidigen und stärken. Zudem muss die Sicherheit und körperliche sowie seelische Unversehrtheit aller Mitarbeitenden von den Sendeanstalten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewährleistet werden. Hierbei sollen die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer*innenvertretungen eingebunden werden
  • keine willkürliche nachträgliche Retuschierung von antifaschistischen Symbolen stattfindet
Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Ein Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlicht ein Satire-Video, in dem eine fiktive Großmutter als Umweltsünderin bezeichnet wird. Rechte Gruppierungen und Politiker*innen interpretieren dieses Scherz-Video bewusst fehl und leiten daraus ein abstruses Narrativ gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab, es kommt zu Drohungen und Einschüchterungsversuchen gegen den Sender und seine Journalist*innen. Rechte und Neonazis übernehmen gezielt den Diskurs und sorgen für eine künstlich aufgeblähte Debatte. Schließlich äußern sich da vermeintlich besorgte Bürger*innen, über deren Sorgen man im Geiste der Ausgewogenheit der Berichterstattung sprechen müsse. Der gezielte Shitstorm der rechten und rechtsradikalen Accounts geht auf. Auch bürgerliche Politiker*innen lassen sich vor den Karren der Rechten spannen und verbreiten die Kritik. Da der verantwortliche Sender, der WDR, das Video fast sofort nach Lautwerden der ersten Anschuldigungen von rechts löscht, kann sich auch niemand mehr ein eigenes Bild davon machen, wie harmlos der Scherz war, wie künstlich die Aufregung von den Rechten entzündet wurde.

 

Dieser Vorfall ist alleine beunruhigend genug, steht aber leider nur am Ende einer langen Reihe von Ereignissen, in denen der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk vor vermeintlicher “Kritik” von rechts eingeknickt ist. So wurde zum Beispiel ein FCK AFD-Aufkleber im Hintergrund einer Polizeiruf 110-Folge nachträglich retuschiert, weil Rechte und AfD-Vertreter*innen lautstark eine linke Unterwanderung des Öffentlich-Rechtlichen vermuteten. Als auf dem AfD-Bundesparteitag ein Materialkoffer von Phoenix mit “Say no to racism”-Aufklebern versehen war, bedauerte der ÖR auch dies im Nachgang – ohne zu erklären, was denn am Nein zu Rassismus so bedauerlich sei.

 

Die Trennung von Staat und Medien ist richtig und wichtig. Daher möchten wir auch nicht für uns beanspruchen, den Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Vorschriften zu machen. Wir stehen aber solidarisch an der Seite aller Journalist*innen und freien Mitarbeiter*innen, die von Rechten bedroht werden, wenn sie Rückgrat zeigen; die von ihren Intendant*innen nicht bestärkt und geschützt werden; die bedroht, eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden sollen.

 

Aufgabe aller Rundfunkräte (beim ZDF: Fernsehrat, beim Deutschlandradio: Hörfunkrat) der einzelnen Sendeanstalten ist es, die Interessen aller Hörer*innen und Zuschauer*innen zu vertreten – nicht nur einer lauten Gruppe von Rechten und Rechtsradikalen, die on- und offline hetzen und künstliche Empörung erzeugen.

 

Wir appellieren daher an alle demokratischen Mitglieder aller Rundfunkräte, sich dem Rechtsruck entgegenzustellen und darauf hinzuwirken, dass

  • Richtlinien erstellt werden, nach denen Beiträge, sofern sie nach Ausstrahlung stark kritisiert werden, objektiv beurteilt werden können statt diese ungeprüft zu löschen und somit rechte Hetze vermeintlich zu legitimieren
  • Beiträge nicht aus Mediatheken gelöscht werden, solange sie nicht faktisch falsch sind oder aus anderen, im Pressekodex festgelegten, Gründen dem Rundfunkauftrag nicht gerecht werden. Ausgenommen sind Beiträge, die sowieso nur für beschränkte Zeit bzw. gar nicht online zur Verfügung gestellt werden.
  • die Sendeanstalten sich solidarisch mit ihren Journalist*innen und Mitarbeiter*innen, besonders den freien, verhalten und sie in öffentlichen Debatten verteidigen und stärken. Zudem muss die Sicherheit und körperliche sowie seelische Unversehrtheit aller Mitarbeitenden von den Sendeanstalten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewährleistet werden. Hierbei sollen die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer*innenvertretungen eingebunden werden
  • keine willkürliche nachträgliche Retuschierung von antifaschistischen Symbolen stattfindet
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme des Senats 2022: Der Senat hält hier Zurückhaltung für geboten, um nicht ggf. in die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten einzugreifen. Alle Bürger:innen haben das Recht, sich mit allgemeiner Programmkritik oder gar einer Programmbeschwerde an den Rundfunkveranstalter zu wenden. Eine Programmbeschwerde, die vor Ausstrahlung erfolgt, ist indes nicht statthaft. Dies geht bereits aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen hervor, die eine „Sendung“ voraussetzen. Präventive Programmkontrollen würden zudem eine erhebliche, unmittelbar bevorstehende Rechtsverletzung voraussetzen, die deshalb nicht besteht, weil bis zur Ausstrahlung der endgültige Programminhalt gar nicht feststeht.

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist staatsvertraglich in § 26 MStV normiert: Abs. 1 konkretisiert die verfassungsrechtlich verankerte Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, indem er bestimmt, dass der Rundfunk als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung wirkt und dabei demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft zu genügen hat. Demgegenüber betrifft Abs. 2 die Art und Weise der Erfüllung des Auftrags; die Vorgaben der Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit überschneiden sich hierbei.
Überweisungs-PDF: