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Antrag 286/II/2019 Schadstoffbelastung auf den Berliner Wasserwegen reduzieren - Fahrgastschiffe schneller umrüsten

23.09.2019

Belastungen durch Schadstoffe wie etwa Dieselrußpartikel oder Stickoxide werden nicht nur durch Straßenverkehr hervorgerufen, sondern auch durch Schiffsverkehr etwa auf der Spree. Die Schadstoffemission durch ein einzelnes Schiff ist ungleich höher als durch PKW oder LKW; die technische Umrüstung ist aufwändig und vor allem teuer. Im Rahmen eines Pilotprojektes des Senats wurden fünf Fahrgastschiffe, die auf Berliner Wasserwegen unterwegs sind, technisch umgerüstet. Dennoch ist das Tempo der Umrüstung insgesamt wenig zufriedenstellend. Immerhin fahren 85 Fahrgastschiffe regelmäßig auf der Spree und anderen Wasserwegen.

 

Die Belastung für Anwohner*innen, aber auch für Fahrgäste und auf den Schiffen Arbeitenden ist immer noch deutlich hoch. Um Klarheit darüber zu haben, bedarf es neben Messungen an Anlegestellen auch Messungen in Wohngebieten, die direkt an der Spree liegen. Darüber hinaus müssen die Umrüstungen der Fahrgastschiffe mit Nachdruck vorangetrieben werden – vorzuziehen sind freiwillige Umrüstungen und geförderte Programme. Falls diese Maßnahmen nur unzureichend greifen, müssen Fahrverbote in Betracht gezogen werden.

 

Wir fordern die Fraktion im Abgeordnetenhaus auf:

  • sich dafür einzusetzen, dass Stationen zur Messung von Schadstoffen an Wasserstraßen installiert werden
  • sich dafür einzusetzen, dass die Umrüstung von Fahrgastschiffe schneller vorangetrieben wird als bisher, Fördermaßnahmen und Freiwilligkeit in Kombination mit Grenzwerten sind vorzuziehen, ggf. müssen aber auch Fahrverbote in Betracht gezogen werden
  • sich dafür einzusetzen, dass Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Schiffe zügig auf umweltfreundliche und schadstoffarme Antriebe umzurüsten und in naher Zukunft Schiffe mit Elektroantrieb zu betreiben

 

Antrag 122/II/2019 Sicherheit erhöhen und Ehrenamt unterstützen – Schulsanitäter*innen in Berlin fördern

23.09.2019

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses und die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senates werden ersucht, die Ausbildung von Schulsanitäter*innen an den Schulen im Land zu fördern und diesbezügliche Kooperationen mit Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen, wie z.B. dem Arbeiter-Samariter-Bund oder dem Deutschen Roten Kreuz, einzugehen.

 

Zudem soll durch entsprechendes Werbematerial an den Berliner Schulen für den Schulsanitätsdienst geworben und für die Ausbildung interessierter Schüler*innen Räume bereitgestellt werden.

Antrag 99/II/2019 Kita-Qualität verbessern, Arbeitsbedingungen in der Frühen Bildung attraktiv gestalten und Ausbildungssystem modernisieren

23.09.2019

Kita-Qualität verbessern

 

1. Heute schon an die Zukunft denken – Qualitätsausbau in Kitas weiter vorantreiben

Berlin verbessert auf Initiative der SPD kontinuierlich den Betreuungsschlüssel. Dieser Weg ist richtig, da er die Qualität der Bildungsangebote für die Kinder in den Kitas erhöht und die Belastung für die Erzieher*innen senkt. Auch wenn der Fachkräftemangel derzeit akut ist, kann nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Bereich zu einer langfristigen Behebung des Mangels und damit auch zu einer Steigerung der Qualität beitragen. Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich für die Umsetzung der Beschlusslage der Berliner SPD einzusetzen und den Betreuungsschlüssel bis 2023 schrittweise auf 1:3 in der Krippe und in der Kita auf maximal 1:7,5 zu verbessern.

 

2. Kita-Leitung großer Einrichtungen durch Freistellung von stellv. Leitung entlasten

Die Schlüsselposition von Kita-Leitungen für eine gute Qualität in den Einrichtungen ist empirisch bereits belegt. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung macht deutlich, wie stark sich das Berufsfeld der Kita-Leitung gewandelt hat, welchen hohen Belastungen die Leitungskräfte ausgesetzt sind und in welchen Spannungsfeldern sie sich täglich bewegen. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass in Einrichtungen über einer zu definierenden Mindestgröße die stellvertretende Leitung zusätzlich zur Kita-Leitung freigestellt wird. Je größer die Einrichtungen sind, desto größer sind auch potenzielle gesundheitliche Gefährdungen für die Kita-Leitung. Die Leitung hat jedoch als pädagogisches Vorbild und als Visionär*in eine Schlüsselfunktion für die Organisations- und Teamentwicklung und in dem Zusammenhang auch für die Kooperation mit den Familien und im Sozialraum, weshalb ein Ausfall der Leitungsebene in der Praxis zu großen Engpässen führt. Um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden, trägt die Freistellung der Stellvertretung effektiv und präventiv zur Unterstützung und Verantwortungsteilung der pädagogischen Leitung bei.

 

3. Bildungspotenziale nicht am Schreibtisch zurücklassen

Bürokratie und Verwaltungsaufgaben in Kitas nehmen immer weiter zu. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass allen Kitas mit einer zu definierenden Mindestgröße Verwaltungsmitarbeiter*innen per Kostenblatt-Finanzierung zur Verfügung gestellt werden. Diese Verwaltungsmitarbeiter*innen sollen zusätzlich zur pädagogisch ausgebildeten Leitung eingestellt werden und die Leitung bei Aufgaben wie bspw. Aufnahme von Krankheitsmeldungen, Wartelisten-Management, Aktualisieren von Homepages und allgemeinen Schrift- und Telefonverkehr entlasten. Diese Personen sind dem Betreuungsschlüssel nicht anzurechnen. Die Mindestgröße der Kita ist an der Anzahl der Kinder zu bemessen und in Rücksprache mit Trägern und Verbänden zu definieren. Im Fall, dass mehrere kleine Einrichtungen nicht über die erforderliche Mindestgröße kommen, kann eine Verwaltungsperson auch für mehrere Kitas zuständig sein und abwechselnd Tätigkeiten vor Ort an unterschiedlichen Standorten absolvieren. Das Land muss sicherstellen, dass in den Einrichtungen ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird.

 

4. Finanzierung von öffentlichen und freien Trägern für gute Qualität sichern

Die Berliner Kita-Landschaft ist bunt und das soll auch so bleiben. Ca. 25 Prozent der Berliner Kinder besuchen eine landeseigene Kita und erhalten dadurch eine vollständige Finanzierung durch das Land. Die freien Kitas tragen aktuell einen finanziellen Eigenanteil von 6 Prozent. Dieser wird in erster Linie durch geringere Ausgaben erbracht – mit oftmals negativen Auswirkungen auf die Qualität. Die derzeit geltende Finanzierung, die bis 2021 eine Erstattung von 95 Prozent vorsieht, ist besonders mit Blick auf die stetig steigenden Kosten (Miete, Betriebskosten, Sachkosten, etc.) kaum noch zu bewältigen. Der hohe Eigenanteil verschärft die derzeitig schwierige Personalsituation noch mehr. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass eine Trägerbasisfinanzierung von 100 Prozent und die allgemeine Gleichstellung zwischen den öffentlichen und freien Trägern realisiert werden. Zugleich muss sichergestellt werden, dass das Geld auch bei den Erzieher*innen ankommt. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert für mehr Transparenz und Kontrolle dieser Kitas zu sorgen. Beispielsweise sollen freie Träger nur dann den vollen Finanzierungssatz bekommen, wenn sie ihr Personal mindestens tariflich bezahlen. Eine gleiche Behandlung aller Akteure und ein gemeinsames Vorgehen gegen Sozialdumping und schlechte Bedingungen an Kindertagesstätten stärken den Frühe Bildungsstandort Berlin.

 

5. Gerechte Mieten für Kitas

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass neu geschaffene Räumlichkeiten für Kitaplätze durch die Wohnungseigentümer nicht zu Neumieten von 10€ oder mehr pro Quadratmeter angeboten werden. Da Kitaträger einen Durchschnittspreis pro vergebenen Kitaplatz per Kostenblatt erhalten, sollten diese angesetzten Durchschnittsmieten auch den Kitaträgern angeboten werden. Hohe Mieten gehen sonst meist direkt in eine schlechtere Bezahlung des Personals über. Hier sind gerade die Landeseigenen Wohnungsunternehmen mit in die Verantwortung zu nehmen. Ob Ausgleichszahlungen für die Wohnungsunternehmen durch das Land Berlin finanziert werden soll, gilt es zu prüfen. Mit den Landeseigenen Wohnungsunternehmen sollte ein Kooperationsvertrag verhandelt und geschlossen werden, sodass alle öffentlichen Träger für geringe Mieten Kitas eröffnen können. Somit wird mit dem öffentlichen Wohnungsbau auch der kommunale Kita-Bau gefördert und Berlin bekommt einen stärkeren Einfluss in die kommunale Kitagestaltung und Bezahlung des Personals. Dies würde eine weitere Verbesserung in der Re-Kommunalisierung gesellschaftlich bedeutsamer Aufgaben für Berlin bedeuten. Kitas freier Träger sollten zudem nicht mehr unter das Gewerbemietrecht fallen, sondern mietrechtlich wie Wohnungen behandelt werden, damit sie besser geschützt sind.

 

6. Bezahlung von staatlich anerkannten Erzieherinnen und Erziehern in Berlin nach Tarifgruppe E 11 (TV-L) – Altersarmut von Erzieherinnen stoppen

90% aller Frauen zwischen 30 Jahren und 50 Jahren verdienen nach Abzug aller Steuern und Beiträge unter 2000 Euro. Die meisten Erzieherinnen in Berlin gehören zu dieser Einkommensgruppe. Geringe Einkommen, fehlende Aufstiegschancen und kleine Renten im Alter sind mehrheitlich die Folge für Frauen. Die Bezahlung und Arbeitsbedingungen stehen in einem eklatanten Ungleichgewicht zu ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung für unsere Gesellschaft. Auch die in diesem Jahr durchgeführte Tariferhöhung reicht nicht aus, um mehrheitlich Erzieherinnen vor Altersarmut zu bewahren. Wir fordern die sozialdemokratischen Senatsmitglieder und des Abgeordnetenhauses auf, sich dafür einzusetzen, dass staatlich anerkannte Erzieher*innen in Berlin nach Tarifgruppe E 11 (TV-L) bezahlt werden. Ein höherer Lohn ist der erste entscheidende Schritt, um diesen Beruf aufzuwerten und seiner Bedeutung für unsere Gesellschaft gerecht zu werden. Das Kostenblatt muss entsprechend angepasst werden, um zu gewährleisten, dass die höheren Personalkosten nicht zu Einsparungen in anderen Bereichen der Betreuungseinrichtungen führen. Wenn dies nicht möglich ist nach Abschluss der Tarifverhandlungen in der Tarifgemeinschaft durchzusetzen, sollte diese Lücke zu E 11 (TV-L) über eine Sonderzahlung geschlossen werden.

 

7. Stärkere Strukturierung des Arbeitsfelds und tätigkeitsbezogene Aufstiegschancen in Kitas schaffen

In einer stärkeren Strukturierung des Arbeitsfeldes mit unterschiedlichen Stellenprofilen für verschiedene Qualifikations- und Erfahrungsstufen und die Etablierung von horizontalen wie vertikalen Karrieremöglichkeiten läge die Chance, die Tätigkeit in der Frühen Bildung für breitere Zielgruppen attraktiv zu machen. Beispielhaft sei die Tätigkeit des Praxisanleiters/der Praxisanleiterin genannt, die sowohl für die berufsbegleitende Ausbildung als auch in der klassischen Fachschulausbildung wesentliche Teile der Qualifizierung in der Kita begleiten. Wir fordern die sozialdemokratischen Senatsmitglieder und des Abgeordnetenhauses auf, weitere tätigkeitsbezogene Aufstiegsmöglichkeiten zu identifizieren und diese durch entsprechende Zulagen zu vergüten. Dies würde auch dazu beitragen, dass Fachkräfte, die ihr Studium an Hochschulen und Universitäten in Studiengängen mit einem Bachelor oder Master abgeschlossen haben und bisher nicht in der Kita ankommen, Anreize haben, sich für solche Tätigkeiten zu bewerben und langfristig an das Arbeitsfeld der Frühen Bildung gebunden werden.

 

8. „Brennpunkt-Kitas“ zu Familienzentren ausbauen

In Berliner Stadtteilen mit besonders großen sozialen Herausforderungen ist die Rolle von Kitas für den Kiez umso wichtiger. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses dazu auf, einen massiven Ausbau von Kitas zu Familienzentren voranzutreiben. Nur mit Unterstützung von Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Stadtteilmüttern und -vätern und Übersetzer*innen können Kitas zu Leuchttürmen in ihren Kiezen werden. Familienzentren sind Investitionen in die Kieze, die dazu beitragen können, soziale Spaltung zu verhindern.

 

9. Die Ausbildung als Chance verstehen – Anreize zum Ausbilden auch für Kitas schaffen

Immer mehr Menschen stellen sich den besonderen Herausforderungen einer berufsbegleitenden Ausbildung. Für die Kita bedeutet diese Form der Ausbildung, dass an zwei Tagen in der Woche Personal fehlt. Je mehr berufsbegleitende Auszubildende an einer Kita sind, desto größer sind die daraus resultierenden Engpässe. Zudem benötigen Auszubildende noch Hilfen, Hospitationen und individuelle Gespräche durch Praxisanleiter*innen. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass berufsbegleitende Auszubildende sofort nur zu 80 Prozent auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden. Mittelfristig sollten die Arbeitszeiten der berufsbegleitenden Auszubildenden nicht mehr auf den Betreuungsschlüssel angerechnet werden. Dies erhöht die Qualität der Ausbildung, reduziert die Belastung für das Personal und schafft gleichzeitig Anreize dafür, dass Kitas ausbilden. Einrichtungen bekommen somit mehr Personal und sichern sich gut ausgebildeten Nachwuchs. Um junge Menschen stärker für den Erzieher*innen-Beruf zu motivieren, sollen die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses sich für eine Ausbildungsvergütung einsetzen, die an die mittlerweile hohen Lebenshaltungskosten in Berlin angepasst ist.

 

10. Ausbildung zur Frühen Bildung fokussieren und vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten ansprechender aufbereiten

Die derzeitige Ausbildung befähigt Erzieher*innen sowohl in Krippen, Kitas, Schule und Hort zu arbeiten als auch in Behinderteneinrichtungen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Ämter sowie teilweise in Krankenhäusern und in der Altenarbeit tätig zu werden. Da die Vorbereitung auf einen Einsatz in nahezu allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern zu umfangreich für eine dreijährige Ausbildung erscheint, fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses auf, eine Spezialisierung zur „Fachkraft Kita, Schule, Hort“ im Rahmen der Ausbildung zu prüfen. Darüber hinaus werden die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses aufgefordert, an einer transparenten Informationsplattform zu arbeiten, an der die vielfältigen Ausbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten in Berlin für die Frühe Bildung übersichtlich und ansprechend dargestellt werden.

Antrag 111/II/2019 Diskriminierungskritische Berliner Schulkulturen stärken: Rassismus konsequent benennen, bearbeiten und beheben!

23.09.2019

2018 gab es 180 Beschwerden von Diskriminierung an Berliner Schulen. Die meisten Vorfälle fallen in die Kategorie Rassismus (106). Die meisten Beschwerden beziehen sich auf Lehrer*innen und weiteres Schulpersonal (84) oder Schulmaterial/Schulregeln (24).

 

Aus aktuellen, diskriminierungskritischen wissenschaftlichen Studien – die bekannteste unter ihnen im Auftrag der ehemaligen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özuguz – wissen wir: Deutsche Schulbücher bilden die gesellschaftliche Realität oft einseitig ab. Migration und Vielfalt werden vor allem als Problem dargestellt für eine weiterhin überwiegend als homogen abgebildete Gesellschaft. Migrant*innen werden wiederholt als passiv Betroffene oder Opfer dargestellt. In Schulbüchern haben Deutsche in der Mehrzahl keinen Migrationshintergrund bzw. sind alle weiß. Viele Schulbuchdarstellungen verfallen immer wieder in das dramatisierende Muster „eigen“ und „fremd“. Noch schlimmer steht es um die Darstellung von »Afrika«-Bildern und Schwarz-Weiß-Konstruktionen in deutschen Schulbüchern. Auch hier belegen wissenschaftliche Studien, wie Unterrichtsmaterialien koloniale Afrikabilder reproduzieren und oft rassistisches Gedankengut transportieren. Der koloniale Duktus bleibt von den Lehrenden oft unerkannt. Denn rassismuskritische Aus- oder Weiterbildung sind keine verpflichtenden Fortbildungen für Lehrer*innen in Berlin.

 

Die deutsche Kolonialzeit mit ihrer Linie vom Rassismus und Imperialismus zum Nationalsozialismus ist kein verpflichtender Inhalt im Geschichtsunterricht an Berliner Schulen.
Seit 2004 gibt es im Land Berlin keine zentrale Zulassung von Schulbüchern mehr (als einziges Bundesland). Das bedeutet, jede Schule muss selbst entscheiden, welche Lehr- und Lernmittel sie im Unterricht einsetzt. Die Auswahl trifft die jeweilige Fachkonferenz der Schule unter Berücksichtigung der Grundsätze, die von der Gesamtkonferenz beschlossen wurden. Eine diskriminierungskritische Leitlinie gibt es für Schulbücher in Berlin nicht.
Die SPD forderte 2014 in einem Beschluss des Landesparteitages „dass alle Lehrbücher, -hefte und weiteres Lehr- und Lernmaterial, dass in Berliner Schulen genutzt wird, auf alle Diskriminierungsformen überprüft werden, und, dass das Ergebnis dieser Prüfung veröffentlicht wird. Die Prüfung der Lehrmaterialien soll durch eine Berliner Schulbuchkommission erfolgen.“
Bis heute ist dies jedoch nicht umgesetzt.

 

Die von der SPD Fraktion eingebrachte Änderung in der Novelle des Berliner Schulgesetzes 2018 hält fest: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf zukunftsfähige, diskriminierungsfreie schulische Bildung und Erziehung ungeachtet insbesondere (…) , der ethnischen Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung. (…) Schulen sind verpflichtet, Schülerinnen und Schüler vor Diskriminierungen zu schützen. Ziel ist es, die Vielfalt der Lebensweisen und unterschiedlichen kulturellen Werte und Normen zu vermitteln und (…) nicht ein rassendiskriminierendes Verständnis zu fördern.“ Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus von 2017 und die Verankerung der UN Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft im Berliner Koalitionsvertrag (2016 – 2021) seien hier als zwei weitere wichtige Bezugspunkte genannt, die formal anerkennen, dass systematische Barrieren einschneidend auf die Lebensführung marginalisierter Menschen in Deutschland wirken.

 

Im Vergleich mit anderen Schulgesetzen in Deutschland geht das Diskriminierungsverständnis im Berliner Schulgesetz sehr weit. Die darin enthaltenen gerechtigkeitsorientierten Innovationen müssen gefestigt und erweitert werden!

In den letzten Jahren wurde in der Senatskanzlei die hohe Sensibilisierung für dieses Thema auch haushaltmäßig unterlegt. Berlin besitzt noch immer als einziges Land in Deutschland eine Antidiskriminierungsbeauftragte für Schulen, die an den Senat für Bildung angegliedert ist.

 

Doch dies alleine reicht nicht aus, um die gemeldeten Diskriminierungsfälle gründlich zu bearbeiten und um eine grundlegende diskriminierungskritische Schulkultur einzuführen!
Wir Sozialdemokrat*innen setzen uns für eine gleichgestellte und diskriminierungsfreie Gesellschaft ein, die eine soziale Mitgliedschaft aller Gruppen – vor allem vulnerabler Gruppen -sichert und konsequent umsetzt. Das Schulgesetz ist der Rahmen, eine solche Gesellschaft an jenem Ort zu ermöglichen, der entscheidend für das Leben aller Menschen ist: die Schule.

 

Um das zu erreichen und die immer noch bestehenden Lücken zu schließen, fordern wir die Mitglieder des Berliner Senats auf, folgende Elemente einer Antidiskriminierungsstrategie auf den Weg zu bringen:

 

1. Lang angelegte, Studien, regelmäßige Stichproben und periodische Prüfungen von Schulbüchern aller Fachrichtungen unter Einbeziehung von migrantisch-diasporischen Selbstorganisationen und Wissenschaft für alle großen Diskriminierungsbereiche durchführen, um diskriminierende Muster aufzuweisen (bestenfalls bundeslandübergreifende Kooperationen) und die regelmäßige Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Studien werden von einer unabhängigen Beschwerdestelle eingeführt.

 

2. Der Senat muss ein Konzept für „Kunstfehleranalysen“ für das Bildungssystem entwerfen und einführen, um analytisch und systematisch festzuhalten, warum bestimmte Abläufe, Verfahren und Prozesse strukturelle und institutionelle Diskriminierungsrealitäten hervorbringen!

 

3. Verbindliche Antidiskriminierungsfortbildungen von der Spitze (Schulaufsicht) durch in die Fläche gehend (einzelnen Schulen)!
Die verpflichtende Fortbildung des Schulpersonals ist bereits im Schulgesetz vorgeschrieben. Eine diskriminierungskritische Fortbildung muss verpflichtend vom Senat vorgeschrieben werden für alle Lehrer*innen aller Fächer sowie weiteres pädagogisches Personal und Rektor*innen an der Schule und die Verwaltung. Dies schließen alle Beschäftigten der Schulbehörden sowie der angegliederten Verwaltung im Land Berlin mit ein.

 

4. Die Antidiskriminierungsbeauftragte für Berliner Schulen und Kitas muss mit festgelegten Befugnissen ausgestattet werden, um einen effektiven und wirksamen Diskriminierungsschutz herzustellen. Die Antidiskriminierungsstelle muss mit einem rassismus- und diskriminierungskritisch kompetenten Menschen besetzt werden. Die oder der Beauftragte muss umfassende intersektional-rassimuskritische Kompetenzen mitbringen und zudem eine fundierte, solidarische Netzwerkarbeit mit den Selbstorganisationen vulnerabler Gruppen nachweisen können. Die Antidiskriminierungsbeauftragte sorgt für die verwaltungsinterne Aufarbeitung von
Diskriminierungsfällen. Sie muss durch eine beim Parlament angesiedelte Unabhängige Beschwerdestelle ergänzt werden, die Akzeptanz in der zivilgesellschaftlichen Landschaft schafft. Die Stelle muss unabhängig, weisungsungebunden und mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet sein. Vorbild ist dabei die Stelle der Datenschutzbeauftragten. Zu den für die unabhängige Informations- und Beschwerdestelle einzuführenden Rechten gehören: Umfassendes Informations- und Akteneinsichtsrecht, Recht, Maßnahmen vorzuschlagen und Handlungsempfehlungen zu geben und in besonderen Fällen Eskalationsrechte sowie Erhebung von Diskriminierungsdaten.

 

5. Eine diskriminierungskritische didaktische Qualifizierung an Hochschulen sichern!
Lehrer*innen müssen didaktisch geschult werden, wie sie Diskriminierung erkennen und Strategien vermitteln können, wie mit Diskriminierung umgegangen und ihr vorgebeugt werden kann. Schüler*innen müssen dazu befähigt werden, Diskriminierung zu erkennen, zu benennen und ihr entgegenzuwirken. Didaktische Forschung muss gefördert werden, um herauszuarbeiten, wie Schlüsselkompetenzen in der Erkennung von Stigmatisierung und Ungerechtigkeit durch Lehrer*innen, Schüler*innen und der Schulverwaltung erlernt und aufgebaut werden. Kollektive Empathie, soziale Wertschätzung und solidarisches Handeln müssen als Schlüsselkompetenzen für die Erhöhung des sozialen Zusammenhalts in stark pluralisierten Gesellschaften im Lehrplan fundiert werden.

 

6. Vorgaben des Senates für Bildung zur Didaktisierung von Lehrmaterialien anhand von Kriterien von Diversität und Rassismuskritik schaffen!
Verfahren müssen entwickelt werden, um die Expertise von migrantisch-diasporischen Communities in der Produktion von Schulbüchern und Bildungsmaterialien systematisch nutzbar zu machen. Der Senat muss Vorgaben für einen Mindeststandarts für fachliche Expertise aus der Wissenschaft für die Entwicklung von Schulbüchern vorgeben.
Einseitige eurozentristische Perspektiven müssen dokumentiert, überarbeitet und überwunden werden. Vor allem afrikanische Gesellschaften dürfen nicht mehr als geschichtslos und passiv abgebildet werden. Durch staatliches Handeln angeregte Diversität muss ein Rahmen geschaffen werden, vielfältige Entwürfe und Perspektiven auf Geschichte und Gegenwart in Lehrmaterialen, Film, Lehrbüchern und digitalisierten Materialien abzubilden. Leitperspektiven von Respekt, Vielfalt und Gemeinsamkeiten müssen in allen Fächern geschaffen und deren Einhaltung durch Prüfung sichergestellt werden.

 

7. Die Befassung mit dem europäischen und insbesondere mit dem deutschen und von Berlin ausgehenden Kolonialrassismus sowie mit dem antikolonialen Widerstand muss sowohl als verpflichtender Teil, als auch Querschnittsthema des Lehrplans für die gesamte Neuere Geschichte eingeführt werden (Globalgeschichtliche Ausrichtung des Unterrichts, Thematisierung der Ambivalenz von Humanismus und europäischer Aufklärung auf der einen sowie Kolonisierung, Versklavung und Rassismus auf der anderen Seite). Berlins koloniales Erbe im Spiegelbild heutiger stadtpolitischer Realitäten zu reflektieren muss Bestandteil des Geschichtsunterrichtes in Berlin werden!

 

8. Rassismuskritik muss als Mainstream des Curriculums aufgenommen werden! 

Soziale und kulturelle Diversität muss in den Rahmenlehrplänen stärker verankert werden. Der große Spielraum, den die Berliner Curricula bieten, muss diesbezüglich rassismuskritisch strukturiert werden. Gleichstellungsorientierte Kompetenzbildung von Grundlagen der wechselseitigen Anerkennung zur Akzeptanz von sozialer, geschlechtlicher, religiöser und kultureller Vielfalt, müssen als Querschnittsqualifikation in allen Fächern verankert werden. Deren Erreichung muss durch Prüfungen sichergestellt werden.

 

9. Der Anteil von sozialer und kultureller Diversität beim Lehrerpersonal systematisch erhöhen: Ansätze von ‚Recruitment and Retainment’ sowohl für die horizontale Ebene (Anzahl), als auch für der vertikale Ebene (Entscheidungs- und Führungspositionen) umsetzen!
Gemeinsam mit vulnerablen Communities, ihren Selbstorganisationen und der Wissenschaft muss der Senat Strategien erarbeiten und finanziell hinterlegen, die soziale und kulturelle Diversität unserer pluralen Gesellschaft im Lehrpersonal konsequent abzubilden.

Fürsorgepflicht muss diskriminierungskritisch reformuliert werden: Fürsorge gilt nicht nur gegenüber marginalisierten Schüler*innen sondern auch gegenüber marginalisierten Lehrer*innen und Verwaltungspersonal aus vulnerablen Gruppen. Ziel ist es nicht nur, ein vielfältiges Personal im Schulwesen durch gezieltes Anwerben von Führungspersonal aus marginalisierten Gruppen aufzubauen, sondern Strategien zu entwickeln, dieses auch dauerhaft in der Organisation zu halten zu können (Retainment) wie z.B. durch Mentor*innenprogramme.
Hauptkernschraube kann der Rückkehr zum Konzept der ‚Pädagogischen Hochschule’ sein. Hier hat der Staat stärker Einwirkung auf die spezifische Strukturierung der Ausbildung und kann gezielt Räume für eine Heterogenitäts- und Diskriminierungskritische Didaktik schaffen.

 

10. Einen Tag gegen Diskriminierung an jeder Berliner Schule!

Es soll ein verpflichtender Tag gegen Diskriminierung eingeführt werden, an dem sich jede Schule beteiligen muss. Inwiefern die Organisation erfolgt, ist der Schule freigestellt, ein individueller Beitrag ist aber Pflicht. An einem solchen Tag sollen die Schüler*innen sich einen ganzen Tag (und vielleicht durch die Vorbereitung auch schon im Vorfeld) mit dem Thema Diskriminierung heute befassen. Sie sollen beispielsweise innerhalb eines Projekts lernen, was Diskriminierung überhaupt heißt. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass der Tag für die Schüler*innen trotz eines ernsten Themas altersgerecht und attraktiv gestaltet wird. Das Land soll durch Aufzeigen oder Bereitstellen von (bereits bestehenden) Angeboten die Schulen unterstützen. Dieser Tag sollte jedoch nicht an einem zentralen Datum stattfinden, da beispielsweise versch. Initiativen nicht die Kapazitäten haben, an einem Tag in allen Berliner Schulen zu sein.

Antrag 117/II/2019 Qualitätsoffensive für Berliner Schulen!

23.09.2019

Wir leben in einer wachsenden Stadt, damit stehe auch unsere Schulen vor sehr großen Herausforderungen. Für uns als Sozialdemokrat*innen steht fest, dass die Qualität an den Schulen unter der wachsenden Stadt nicht zurückstecken darf.

 

In den letzten Monaten und Jahren wurde bereits viele Anstrengungen unternommen, um die Herausforderungen zu meisten. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder in den Bezirksverordnetenversammlungen, Bezirksämtern, dem Abgeordnetenhaus und des Berliner Senats auf, sich für eine Qualitätsoffensive an den Berliner Schulen einzusetzen. Dabei stehen folgende Maßnahmen im Vordergrund:

 

  • Mit mobilen Erweiterungsbauten und Containerlösungen konnte an vielen Standorten die größte Not gelöst werden. Aus diesen Erfahrungen müssen die zukünftigen Projekte lernen können: Welche Anbieter haben sich etabliert? Bei welchen Schnittstellen gibt es noch Verbesserungspotential? Bestehende Mängel müssen unverzüglich behoben werden und dürfen nicht erst über die nächsten Sanierungspläne abgehandelt werden.
  • Wir begrüßen die zahlreichen Sanierungen an Berliner Schulen, bei der Umsetzung sollen Beeinträchtigungen durch Schmutz und Lärm für Lehrkräfte und Schüler*innen so gering wie möglich gehalten werden. Eine gute Kommunikation zu den Sanierungen und Neubauten mit den Schulleitungen, Elternvertretungen und der Öffentlichkeit ist sehr wichtig. Wir begrüßen die Bemühungen der AG Öffentlichkeit der Berliner Schulbauoffensive und fordern die Etablierung einer zentralen Ansprechperson in jedem Schulamt, die die Schulleitungen regelmäßig informiert und ansprechbar ist.
  • Mit dem kostenlosen Schulessen an Grundschulen hat die SPD einen wichtigen Beitrag zur familienfreundlichen Stadt geleistet. Bei der Umsetzung müssen wir die Schulen und Eltern weiter unterstützen: das formale Antragsverfahren muss abgestellt oder vereinfacht werden, gelungene Umstellungen müssen unter den Schulen ausgetauscht werden, damit sichergestellt wird, dass das kostenlose Mittagessen in ausreichend Zeit eingenommen werden kann und nicht zu Unterrichtsausfall führt. Das kostenlose Mittagessen soll eine finanzielle Entlastung für Berliner Familien sein, dies gilt auch für die Mitarbeiter*innen der Caterer. Es muss sichergestellt werden, dass auch hier trotz des Mehraufwands keine Arbeitnehmerrechte verletzt werden.
  • Mit der Einstellung von Quer- und Seiteneinsteiger*innen ist es gelungen, dass die Anzahl der Lehrer*innen in Berlin trotz des bundesweiten Lehrkräftemangels erneut angestiegen ist. Wir brauchen eine bessere Verteilung dieser Lehrkräfte, damit neue von erfahrenen Kolleg*innen profitieren können. Eine bessere Verteilung muss dazu führen, dass die Schulen in besonders sensiblen Bereichen (Klassenleitung, Lernanfangs-Klassen) grundsätzlich auf vollausgebildete Lehrkräfte zurückgreifen können.
  • Um die Qualität zu verbessern, muss Berlin ein attraktiver Arbeitgeber für Lehrkräfte sein, daher müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden: Entlastung von Verwaltungsaufgaben, Möglichkeiten für Weiterbildung der Lehrkräfte schaffen, Klassenfrequenzen absenken und Personalschlüssel erhöhen, verlässliche Schulreinigung sicherstellen, Gesundheits- und Schwangerschaftsschutz umsetzen.