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Antrag 80/I/2017 Häusliche und sexuelle Gewalt erkennen und handeln

20.04.2017

Eine im März 2014 erschienene Studie der EU-Grundrechteagentur zeigte deutlich, dass Frauen* überproportional oft von Gewalt betroffen sind. Von 42.000 befragten Frauen* haben ein Drittel schon einmal häusliche oder sexuelle Gewalt erlitten, 22% davon in Partner*innenschaften. Häusliche und sexuelle Gewalt passiert unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung Die Istanbul-Konvention (2014) definiert Gewalt gegen Frauen* als Verletzung von Menschenrechten. Unser Rechtssystem, Hilfsangebote und letzlich die Gesellschaft sind für Betroffene nicht unterstützend genug.

 

Die Ursache von häuslicher und sexueller Gewalt liegt in der patriarchalischen Gesellschaft. Heteronormative Geschlechterhierarchien und ungleiche Machtverhältnisse führen zu systemischer Gewalt. Häusliche und sexuelle Gewalt ist immer ein Mittel, um einen Machtanspruch durchzusetzen, sie kann als Folge von struktureller Ungleichheit zwischen Männern* und Frauen* verstanden werden. Männer* werden immer noch als das „starke“ und Frauen* als das „schwache, unterlegene“ Geschlecht angesehen. Die Ausübung von häuslicher und sexueller Gewalt führt zur Reproduktion dieser Machtverhältnisse.

 

Häusliche und sexuelle Gewalt ist noch immer ein Tabuthema, unsere gesellschaftlichen Strukturen fördern ein Totschweigen von Fällen häuslicher und sexueller Gewalt. Fast 70 Prozent der Betroffenen von häuslicher und sexueller Gewalt haben die Vorfälle nie zur Anzeige gebracht.

 

Häusliche und sexuelle Gewalt muss aufgrund ihres überproportionalen Auftretens und der hohen Dunkelziffer endlich als gesamtgesellschaftliches Problem anerkannt werden!

 

Folgen häuslicher und sexueller Gewalt

Folgen von häuslicher und sexueller Gewalt sind nicht immer sichtbar, jedoch immer schwerwiegend. So treten psychische, physische und psychosomatische, chronische Organschäden (z.B. Seh- und Hörschädigungen) und Schäden am Bewegungsapparat auf.

 

Versorgungsdefizit im Gesundheitswesen

Für das Thema sensibilisierte Ärzt*innen können diese Folgen erkennen und die Betroffenen ansprechen. Oft wird häusliche Gewalt jedoch nicht als mögliche Ursache angesehen. Die körperlichen Symptome werden behandelt, jedoch steigt ohne eine ausreichende psychosoziale Behandlung das Risiko für unerkannte gesundheitliche Schäden. Die Chronifizierung der Beschwerden wird durch das Versorgungsdefizit für Betroffene von häuslicher und sexueller Gewalt im Gesundheitssystem in Kauf genommen.

 

Mediziner*innen und Pflegekräfte fühlen sich nicht gut vorbereitet für den Umgang mit sexueller und häuslicher Gewalt, sagen oft aus Unsicherheit lieber nicht, was ihnen auffällt oder es fällt ihnen gar nicht erst auf. Sie kennen sich nicht mit den verschiedenen Instrumenten zur Erfassung aus und/oder wissen nicht welche Beratungsstellen existieren. Laut einer Studie von Mark (2000) erkennen Hausärzt*innen in Berlin nur jeden zehnten Fall von häuslicher Gewalt. Dazu kommt, dass viele Betroffene den Weg zur medizinischen Behandlung aus Angst vor mangelndem Bewusstsein der Ärzt*innen für das Thema, einer Retraumatisierung oder einem Kontrollverlust gar nicht erst gehen.

 

Eine Nichtberücksichtigung von Gewalt als Krankheitsursache kann zu einer Überversorgung führen, z.B. durch übermäßige invasive Maßnahmen zur Diagnosestellung. Grundsätzlich fehlt es an auf speziell Betroffene ausgerichteter Versorgung; Schutzräumen, in denen sich Betroffene äußern können und speziellen Therapieformen.

 

Durch das Versorgungsdefizit entstehen in der Behandlung von Folgen häuslicher und sexueller Gewalt außerdem Unkosten in Milliardenhöhe. Laut der WHO variieren die Folgekosten häuslicher Gewalt weltweit zwischen 1 und fast 13 Milliarden Dollar (WHO 2004: 18).

 

Betroffene nehmen oft Kontakt zu medizinischem Personal auf

Viele Betroffene können oder wollen sich nicht an Polizei oder Justiz wenden, wenn sie von häuslicher oder sexueller Gewalt betroffen sind. Oft suchen sie jedoch medizinische Hilfe in Notaufnahmen, privaten Kliniken oder bei ihren Hausärzt*innen. Medizinisches Personal hat damit eine gute Möglichkeit zu intervenieren, tut es jedoch aufgrund von Unwissen oder fehlender Bereitschaft nicht. Oftmals fehlen Handlungsstrategien oder auch ganz einfach Kontaktmöglichkeiten zu Organisationen, die sich mit dem Thema bestens auskennen. Weiterbildungen für medizinisches Fachpersonal werden bereits seit vielen Jahren von mehreren Studien empfohlen (z.B. „Domestic violence victims in a hospital emergency department, 1993“), dies hatte bisher jedoch keine Konsequenzen.

 

Die Zusammenarbeit zwischen medizinischen Einrichtungen und Organisationen, die sich auf die Unterstützung von Opfern häuslicher oder sexueller Gewalt spezialisiert haben, muss gestärkt werden. Der Teufelskreislauf von häuslicher und sexueller Gewalt kann und muss mit allen Mitteln durchbrochen werden.

 

Maßnahmen

 

  • Pflicht-Fortbildung von medizinischem Personal (Krankenhaus, Hausarztpraxen, niedergelassene Ärzt*innen, Hauskrankenpflege, stationäre Altenpflege, Versorgungszentren)

 

  • Erkennen und Handeln bei häuslicher und sexueller Gewalt zu festem Bestandteil der Ausbildung im medizinischem Bereich machen

 

  • Stärkung der Vernetzung zwischen medizinischen Einrichtungen und Hilfsorganisationen, die sich auf die Arbeit mit Betroffenen von häuslicher und sexueller Gewalt spezialisiert haben

 

  • Förderung und Bekanntmachung von Gewaltschutzambulanzen (wie z.B. die der Charité), die Betroffenen von Gewalt anonym eine Dokumentation ihrer Verletzungen erstellen, falls sie sich später für ein Strafverfahren entscheiden

 

  • Schaffung und Ausweitung von Schutzräumen für Betroffene von häuslicher und sexueller Gewalt, wie z.B. Frauenhäusern und Pflegefamilien

 

Wir sollten uns auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass Betroffene von häuslicher und sexueller Gewalt die Hilfe erhalten, die sie benötigen und ihnen Schutzräume geboten werden. Die Sicherstellung der Schulung von medizinischem Personal als Ansprechpartner*innen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Antrag 81/I/2017 Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP)

20.04.2017

Berlin ist 2016 der „Fast-Track Cities Initiative to End AIDS“ beigetreten, einem weltweiten Zusammenschluss von mehr als 50 Metropolen, die es sich zum Ziel gemacht haben, die AIDS-Epidemie bis 2030 zu beenden. Damit hat sich Berlin verpflichtet, die 90-90-90-Ziele von UNAIDS bereits bis 2020 umzusetzen.

 

90-90-90 bedeutet: 90% der HIV-infizierten Menschen kennen ihren Status, 90% dieser Menschen sind in Behandlung und bei 90% der Behandelten ist eine nachhaltige Senkung der Viruslast erreicht. Ein weiteres Ziel ist der vollständige Abbau von Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV (zero discrimination).

 

Die Präventionsarbeit in Deutschland ist vorbildlich. Neue Ansätze, die den Präventionsbaukasten erweitern, gilt es deshalb zu nutzen. Die medikamentöse Prophylaxe vor einer HIV-Ansteckung, Präexpositionsprophylaxe (PrEP) genannt, ist ein solcher, erfolgreicher Ansatz. Hier ist noch einiges zu tun. Hier müssen Kräfte in Berlin und Deutschland gebündelt werden.

 

Deshalb werden die SPD Abgeordnetenhausfraktion, die SPD Senatoren und die Berliner SPD-Mitglieder des Bundestags aufgefordert, folgende Forderungen umzusetzen:

 

  1. Die Kosten einer PrEP müssen zumindest für die Risikogruppen, analog zu den Leitlinien von UNAIDS und der WHO (bspw. Männer, die häufig wechselnde männliche Sexualpartner haben), in Deutschland übernommen werden.
  2. Die Akteure des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) werden aufgefordert, die Aufnahme der PrEP in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen. Sofern notwendig, fordern wir die Berliner SPD-Landesgruppe in der Bundestagsfraktion auf, entsprechende gesetzliche Anpassungen in den Bundestag einzubringen und ihren Beschluss zu fordern.
  3. Die PrEP muss langfristig einkommensunabhängig für jede*n zugänglich sein.
  4. Die Hersteller von PrEP-Medikamenten fordern wir auf, die Preise den Herstellungskosten anzugleichen, die nur einen Bruchteil des aktuellen Verkaufspreises betragen.
  5. Die PrEP muss in das bestehende Präventionskonzept unter Einbeziehung der Ärzteschaft, der öffentlichen Gesundheitsfürsorge sowie der freien Träger eingebettet werden. Dies beinhaltet bspw. eine ausführliche Beratung und begleitende Testangebote für weitere sexuell übertragbare Krankheiten. Die guten Behandlungsmöglichkeiten im Falle eines positiven Testergebnisses bzw. das Angebot einer PrEP bei einem negativen Test können dabei als Anreiz dienen, sich regelmäßig auf alle sexuell übertragbare Krankheiten kontrollieren zu lassen. Hierzu müssen die finanziellen Mittel in Berlin sichergestellt und dem Bedarf regelmäßig angepasst werden.
  6. Wir werden gegen noch bestehende Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-positiven Menschen konsequent vorgehen. Die SPD Berlin wird darauf hinwirken, dass ein aktuelles Bild von Menschen mit HIV vermittelt wird. Wir fordern dazu eine Berliner Aufklärungskampagne. Diesbezügliche Projekte in Berlin werden bedarfsgerecht ausgestattet.
  7. Ein Pilotprojekt zur PrEP mit niedrigschwelligen Testangeboten und einem freien Zugang zu den Medikamenten wird in Berlin eingerichtet und finanziell gefördert.

 

Antrag 82/I/2017 Inklusionsplan der SPD Berlin 2017-2023

20.04.2017

Fünfhunderttausend Berliner Bürgerinnen und Bürger haben eine anerkannte Schwerbehinderung. Die Behinderungsformen und die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich haben alle Behinderungen in ihrer Wirkung etwas Gemeinsames: Sie grenzen Menschen mit Behinderung überall dort aus, wo auf Grund der Behinderungen keine uneingeschränkte Teilhabe am beruflichen, gesellschaftlichen, politischen oder persönlichen Leben möglich ist.
Das gilt auch für ihre Mitwirkungsmöglichkeiten in Verbänden und politischen Parteien, also auch in der SPD.
Deshalb ist es zwingend erforderlich, im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die im Jahr 2009 in Deutschland ratifiziert wurde, einen innerparteilichen Berliner SPD Inklusionsplan aufzustellen. Die SPD leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung des Artikels 29 der UN-BRK, in dem uneingeschränkte Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben gefordert wird. Wir haben uns u.a. vorgenommen, dass kein Mitglied mehr auf Grund seiner Behinderung am innerparteilichen politischen Leben ausgeschlossen werden darf.
Daher wird der Landesvorstand der Berliner SPD aufgefordert, in Zusammenarbeit mit betroffenen Mitgliedern, Vertretern des Landesvorstandes und vor allem der AG Selbst Aktiv einen Inklusionsplan zu entwickeln. Er soll auch eine Handlungsanleitung/Leitfaden für jede Gliederung der Partei enthalten (oder wesentlicher Bestandteil sein…). Grundlage dafür kann die vom Bundesvorstand der Partei herausgegebene Broschüre zum inklusiven Parteileben sein.

 

Die Umsetzung des Inklusionsplans der SPD Berlin ist für den Zeitraum 2017 bis 2023 geplant. Der Plan kann wie in unseren Vorschlägen in der Anlage modular aufgebaut sein. Die einzelnen Ziele können grundsätzlich voneinander unabhängig erreicht werden. Dafür sollen jeweils konkret die notwendigen Maßnahmen, die Verantwortlichkeiten, eventuell erforderliche Finanzmittel und ein Evaluierungsprozess festgeschrieben werden. Der Landesvorstand der SPD berichtet jährlich (alle zwei Jahre anlässlich der Parteiwahlen?) über den Stand der Zielerreichung.

Antrag 84/I/2017 Gendergerechte Sprache im Bezirksverwaltungsgesetz einführen

20.04.2017

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert, das Bezirksverwaltungsgesetz dahingehend zu ändern, dass die sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter auch in den Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlungen zur Regel gemacht wird. Hierfür soll im BezVG unter § 8 ein entsprechender Absatz hinzugefügt werden.

Antrag 85/I/2017 Frauenrechtskonvention: Konsistente zielorientierte Gleichstellungspolitik

20.04.2017

Die „CEDAW-Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland“ hat festgestellt, dass es im Berichtszeitraum an einer konsistenten zielorientierten Gleichstellungspolitik, wie sie der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung fordert, gemangelt hat.

 

Mit Bezug auf den Alternativbericht der „CEDAW-Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland“ zum kombinierten siebten und achten Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß „Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Frauenrechtskonvention)“ (CEDAW Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women) fordern wir:

 

  • das CEDAW-Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sowie weitere relevante Texte in Deutsch und anderen in Deutschland gesprochenen Sprachen barrierefrei auf einer zentralen Internetseite zu veröffentlichen;
  • diese Texte im Druck zur Verfügung zu stellen, pädagogisch aufzuarbeiten und in schulischen Lehrplänen, in der Berufsausbildung sowie in der Erwachsenenbildung zu verankern;
  • die CEDAW-Umsetzung in allen Gesetzgebungsverfahren nachvollziehbar zu prüfen;
  • den Staatenbericht im Entwurf ergebnisoffen im Bundestag zu debattieren, NRO-Konsultationen durchzuführen und zwischen den Staatenberichten einen Umsetzungsprozess im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans CEDAW zu steuern, der eine De-facto-Umsetzung auch in den Bundesländern bewirkt;
  • die deutschen Rechtsnormen mit dem CEDAW-Übereinkommen in Einklang zu bringen, Fortbildung für Richter*innen auszuweiten und CEDAW zentral als verbindlichen Lehrstoff in allen juristischen Ausbildungszweigen zu verankern;
  • einen Follow-up-Prozess zu den Abschließenden Bemerkungen des CEDAW-Ausschusses unter Beteiligung von NRO auf den Weg zu bringen.