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Antrag 62/I/2017 Für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik in der EU

20.04.2017

Die SPD-Mitglieder der Bundesregierung, die SPD-Bundestagsfraktion und der Bundesvorstand der SPD sowie die Mitglieder der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament werden aufgefordert, sich für ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Sozialdemokratie in der EU-Flüchtlingspolitik einzusetzen, das sich an folgenden Grundsätzen und Einzelforderungen orientiert:

 

Sichere und legale Zugangswege in die EU schaffen:

  • Wir fordern sichere und legale Einreisewege in die EU zu schaffen, etwa durch humanitäre Visa sowie geregelte, zügige und transparente Einreiseverfahren für alle Formen und Stationen der unfreiwilligen Migrationsbewegung. Anträge zu einem Asylverfahren sollen einem jedem flüchtenden Menschen entlang seiner Fluchtroute ermöglicht werden, unabhängig davon, ob er bzw. sie sich innerhalb oder außerhalb des EU-Raums befindet. Dabei sollte auch die Möglichkeit eingerichtet werden, beispielsweise in Botschaften oder in den Zentren des UNHCR Asylanträge zu stellen.

 

Die Situation in den Hot-Spots verbessern:

–     Wir wenden uns im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention (Non-Refoulement-Gebot) gegen Forderungen nach einer Rückschiebung der im Mittelmeer aufgegriffenen Geflüchteten in Auffanglager außerhalb der EU.

–     Wir fordern eine Verbesserung der humanitären Situation in den bestehenden Hot-Spots im Sinne einer menschenwürdigen Unterbringung und medizinischen Versorgung und die Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse. Gleichzeitig fordern wir die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundätze bei der Bearbeitung von Asylanträgen.

–     In die Bearbeitung der Asylanträge sind kompetente Fachkräfte vor Ort einzubeziehen. Für die Ausbildung und Einstellung örtlicher Fachkräfte hat die EU mit entsprechenden Ressourcen zu sorgen.

 

Keine Einschränkung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit anerkanntem Status

–     Wir fordern, allen Geflüchteten mit einem anerkannten Schutzstatus (anerkannte Asylberechtigte, Geflüchtete mit Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie Geflüchtete mit subsidiärem Schutz) das Recht auf Familiennachzug zu gewähren.

 

Für eine faire Verantwortungsverteilung in Europa:

  • Wir fordern, den von der EU beschlossenen Umverteilungsmechanismus zwischen den EU-Staaten faktisch umzusetzen.
  • Wir fordern zudem die Einrichtung eines EU-Fonds bei der EU, bei dem sich EU-Staaten bewerben können, die zusätzliche Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus aus Griechenland und Italien aufnehmen wollen. Auf diese Weise können diese Staaten auch der Erfüllung der Zusage von 2015 zur Aufnahme von 160.000 Flüchtigen aus Griechenland und Italien näherkommen.
  • Dieser Fonds sollte aber auch für Kommunen innerhalb der gesamten EU geöffnet werden, die bereit sind, in Eigeninitiative und oft im Widerspruch zur jeweiligen nationalen Flüchtlingspolitik, geflüchteten Menschen in ihren Mauern Zuflucht zu bieten. Gemeinden, die bereit sind, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren, sollen nicht nur die entstehenden Kosten erstattet bekommen, sondern darüber hinaus auch Mittel erhalten, die sie für die Verbesserung der kommunalen Infrastruktur vor Ort (Schulen, Verwaltung, Gewerbeförderung) verwenden können. Schließlich übernehmen die Kommunen ohnehin die Hauptaufgabe der Integration. Durch ein positives Anreizsystem werden ihnen damit zugleich neue Handlungsspielräume eröffnet.
    • Hierfür sollte eine europäische Finanzierungsbasis geschaffen werden. Die Gelder aus diesem Fonds können auch aus nicht abgerufenen Geldern in EU-Etats gespeist werden, ggf. auch aus Anleihen.
    • Die Formalien und Abläufe zu Beantragung und zum Abrufen sollten idealerweise unkomplizierter sein, als es die Modalitäten bei bisher bestehenden Programmen vorsehen. Es sollte den Kommunen zudem ermöglicht werden, eigene integrierte Vorschläge für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten zu machen, um nicht gezwungen zu sein, Anträge aufsplitten zu müssen. Die Evaluation dieser Maßnahmen soll über einen Governance-Trialog-Ansatz erfolgen, in dem neben den Kommunen auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sowie Organisationen der Zivilgesellschaft (NGOs, Kirchen etc.) vor Ort eingebunden sind.
    • Diese Methode der Einbindung der Kommunen und der unmittelbaren Mittelabrufung für beides, Unterbringungen von Geflüchteten und weitere Investitionen vor Ort, kann im Effekt sowohl Europa näher zu den Menschen bringen als auch den menschenrechtsorientierten Zusammenhalt der EU stärken.
  • Diese Initiative kann den EU-Staaten zudem helfen, ihre Zusagen vom September 2015 einzuhalten. Durch das Engagement von Kommunen, die im eigenen Interesse Flüchtlinge aufnehmen wollen, soll eine neue positive Dynamik „von unten“ ausgelöst werden.

 

Antrag 63/I/2017 Staaten in die Pflicht nehmen

20.04.2017

Intern Vertriebene* oder Binnengeflüchtete* sind Personen, die gezwungen sind ihre Heimat zu verlassen, aber innerhalb der Grenzen des Staates bleiben. Interne Vertreibung ist konkrete Folge von bewaffneten Konflikten, Verfolgung, Natur- oder von Menschen verursachten Katastrophen und inzwischen auch Reaktion auf große Entwicklungsprojekte. Im Jahre 2014 sind laut dem Internal Displacement Monitoring Centre weltweit 38 Millionen Menschen dazu gezwungen worden, ihre Heimat wegen bewaffneter Konflikte und generalisierter Gewalt zu verlassen.

 

Die Auswirkungen dieser internen Vertreibung können verheerend sein. Während der Zwang zur Umsiedlung bereits oftmals die Menschrechte der Betroffenen verletzt, sind auch die Beeinträchtigungen, die logisch folgend entstehen, und die langzeitigen Aussichten nicht zu vernachlässigen. Der einer Vertreibung folgende Verlust des Hauses, der Lebensgrundlage, der Verlust von Angehörigen und sozialer Verbindungen, konstituiert eine nicht hinnehmbare Einschränkung elementarer Grundrechte. In Betrachtung langzeitiger Auswirkungen wird die furchtbare Ausmaß für das Leben intern Vertriebener* deutlich.

 

Während es den Menschen zunächst an Grundbedürfnissen wie Schutz, Nahrung und Wasser fehlt, verschärft sich die Situation durch einen versperrten Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Bildung und Arbeit. Je länger die Vertreibung anhält, desto wahrscheinlicher zerfällt das Verständnis für bekannte Familien- und Sozialstrukturen, so dass einzelne Binnenvertriebene* abhängig von Hilfe von außen und anfällig für wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung sind. Diese Abhängigkeit verringert wiederum die Chance auf eine dauerhafte Lösung, gar einer nachhaltigen Wiedereinbindung in die Gesellschaft. Somit können bereits kurzzeitige, bewaffnete Ausschreitungen zur Destabilisierung vieler Leben und ganzer Regionen für Generationen führen.

 

Es gilt, den Rechtsstatus von Binnengeflüchteten* zu sichern. Dieser bildet einen unabdingbaren Aspekt, um Menschenrechte und Grundfreiheiten weltweit zu festigen. Deshalb, in Verwirklichung der Geltung von Menschenrechten für jede*n, gilt es für uns, Binnengeflüchtete* zu fördern. Dafür sollte u.a. die Definition für Binnengeflüchtete* aus den Leitlinien des UN-Sonderbeauftragten für die Rechte von Binnengeflüchteten* endlich international anerkannt und verbindlich werden:

 

„Binnenvertriebene sind Personen oder Personengruppen, die gezwungen oder genötigt wurden, aus ihren Heimstätten oder dem Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts zu fliehen oder diese zu verlassen, insbesondere in Folge oder zur Vermeidung der Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts, von Situationen allgemeiner Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und natürlichen oder vom Menschen verursachten Katastrophen, und die keine international anerkannte Staatsgrenze überschritten haben.“

 

In Erinnerung an die Pflicht staatlicher Behörden, Menschenrechte zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen, indem Maßnahmen ergriffen werden, die ihre vereinfachte Ausübung ermöglichen, soll allen Beteiligten bewusst sein, dass der Schutz und die Unterstützung von Binnengeflüchteten* auf eben dieser Verpflichtung – Menschenrechte zu respektieren – beruht. Die international geltende Souveränität eines Staates beinhaltet somit nicht nur das Recht, eigene Angelegenheit zu leiten, sondern auch die primäre Pflicht und Verantwortung, Schutz und Unterstützung ohne Diskriminierung – einschließlich der Binnenvertriebenen* – zu gewährleisten.

 

Damit intern Vertriebene* ihrer Menschenrechte nicht beraubt werden, sind Staaten im Einklang mit internationalem humanitären Recht dazu verpflichtet, besondere Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für die Binnenvertriebenen* vorzusehen und eine Gleichbehandlung mit nicht intern Vertriebenen* sicherzustellen.

 

Für uns ist klar:

  • die Missachtung der verheerenden Situation von Binnengeflüchteten* ist nicht zu akzeptieren.
  • jede erdenkliche Möglichkeit muss genutzt werden, um auf die gravierenden Missstände im Umgang mit Binnengeflüchteten* aufmerksam zu machen und deren Situation zu verbessern.
  • wir wollen die Kooperation mit allen Institutionen und Gruppierungen suchen, die sich für die Stärkung der Recht von Binnengeflüchteten* einsetzen und zum Dialog einladen.

 

Wir fordern daher die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung auf, Initiative zu ergreifen

 

  • um den Status und Schutz von Binnengeflüchteten* völkerrechtlich klar zu regeln.
  • eine internationale Konvention sowie eine internationale Organisation zum Schutz intern Vertriebener* auszuarbeiten bzw. zu errichten. Alle Beteiligten werden dazu aufgerufen, keine Maßnahme zu unterlassen, die der Konvention und dem Mandat der Organisation international rechtliche Bindung verschafft.

 

Weiterhin fordern wir, dass die Situation der Binnengeflüchteten* innerhalb der SPD in geeigneten Formaten diskutiert und in die gesellschaftliche Debatte getragen wird.

Antrag 64/I/2017 Dublin IV ablehnen!

20.04.2017

Die Europäische Kommission hat Vorschläge zur Neufassung der sogenannten Dublin Verordnung vorgelegt, die wir in grundsätzlichen Punkten ablehnen.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Abgeordneten im europäischen Parlament und im Bundestag, sowie die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder auf, die Vorschläge abzulehnen und Reformschritte vorzulegen, die ein solidarisches, faires und einheitliches Aufnahmesystem in Europa begründen. U. a. folgende Aspekte der Reformvorschläge lehnen wir aufs Schärfste ab:

 

Keine Zulässigkeits- und Beschleunigte Verfahren

In Anlehnung an die EU-Türkei-Vereinbarung soll bei jedem Asylantrag als erster Schritt geprüft werden, ob der Asylantrag zulässig ist. War der Asylsuchende vorher in einem „ersten Asylstaat“ (ein Land, wo die Person schon einen Schutzstatus zugesprochen bekommen hat) oder in einem „sicheren Drittstaat“ dann soll der Asylantrag als unzulässig erklärt werden. Kommt die Person aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ dann soll auch in einem beschleunigten Verfahren der Antrag abgelehnt werden. Auf europäischer Ebene sollen „sichere Dritt- und Herkunftsstaaten“ festgelegt werden. Wir lehnen die Idee der „sicheren Herkunftsstaaten“ wie schon auf Bundesebene auch auf europäischer Ebene und die Zulässigkeitsverfahren ab.

 

Ermessenklausel und Fristen für Wiederaufnahmegesuch und Überstellung erhalten

Mithilfe der Ermessenklausel hat Deutschland 2015 die Dublin-Verfahren bezüglich syrischer Flüchtlinge ausgesetzt und aus humanitären Gründen die Zuständigkeit für diese übernommen. Mit Dublin IV soll dies nicht mehr möglich sein. Auch sollen die Fristen entfallen, nach denen ein Wiederaufnahmegesuch an den Ersteinreisestaat gestellt oder eine Überstellung durchgeführt werden muss. Somit wird den Staaten an den EU-Außengrenzen die permanente Verantwortung übertragen. Beide Änderungen lehnen wir ab.

 

Korrekturmechanismus für Zuweisung von Asylsuchenden kein Ansatz für solidarische Verteilung

Der Vorschlag zur Verteilung von Asylsuchenden zur Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen ist unzureichend und am Ende wahrscheinlich kaum wirksam. Die Korrektur beschränkt sich zum einen nicht auf den Großteil der Anträge – die, die wahrscheinlich als unzulässig erklärt werden, sind nicht beinhaltet. Eine Verteilung wird darüber hinaus erst ab einer Überschreitung der Zielgröße von über 150%, für die der jeweilige Staat laut Quotenverteilung (nach Bevölkerungsgröße und Gesamt-BIP) zuständig wäre, gestartet. Die Verbindlichkeit an der Verteilung ist weiterhin dürftig geregelt und Ausstiegsmöglichkeit durch einen „Solidarbeitrag“ wird sicher ohne Wirkung bleiben. Wir wollen eine tatsächliche solidarische Verteilung, die auch den Bedürfnissen der Geflüchteten gerecht wird und diese berücksichtigt. Ein „Weiter so“ des nationalen Egoismus lehnen wir ab.

 

Sanktionierung von Sekundärmigration gehört gestrichen

Asylsuchenden sollen im Falle, dass sie ihren Antrag nicht im Ersteinreise-Land gestellt haben durch beschleunigte Verfahren, die zu massiven Nachteilen führen werden, bestraft werden. Wenn Asylsuchen nicht im zuständigen Land bleiben, soll auch noch der Verlust aller „materiellen Leistungen im Rahmen der Aufnahme“ entfallen. Leistungsbegrenzung auf Basisleistungen für Geflüchtete dürfen nicht gegen bestehende Rechtsgrundlagen verstoßen. Diese harte Drangsalierung von Geflüchteten gehört gestrichen.

Antrag 65/I/2017 Keine Abschiebungen nach Afghanistan – Berlin leistet Widerstand gegen lebensbedrohliche Abschiebepläne

20.04.2017

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses dazu auf, sich dafür einzusetzen:

  • Dass Berlin alle humanitären Möglichkeiten nutzt, um von Abschiebung bedrohte Afghan*innen vor der Abschiebung in Berlin zu schützen.
  • Dass Berlin im Bundesrat darauf hinwirkt, eine Neubewertung der Lage in Afghanistan vorzunehmen und einen bundesweiten Abschiebestopp zu erlassen

 

Antrag 66/I/2017 Gerechtes Steuersystem

20.04.2017

In das Bundeswahlprogramm wird aufgenommen:

Die SPD setzt sich für ein gerechteres Steuersystem ein. Vermögende und Bezieherinnen und Bezieher sehr hoher Einkommen sollen einen stärkeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Möglich ist dies durch die Anhebung des Spitzen‐ und Reichensteuersatzes bei Beibehaltung des Solidaritätszuschlags, die Besteuerung von Kapitalerträgen nach dem individuellen Steuersatz und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

 

Steuergerechtigkeit wird auch durch eine höhere Besteuerung von großen Erbschaften und eine Wiedererhebung der Vermögensteuer gestärkt, die progressiv ausgestaltet werden sollte. Steuerhinterziehung, -gestaltung und -verlagerung müssen entschiedener bekämpft und so der Steuervollzug gestärkt werden. So können insbesondere die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen spürbar entlastet werden; dem Staat stehen aber weiterhin ausreichende und stabile Einnahmen für dringend benötigte Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur, Rente, Gesundheit und innere Sicherheit zur Verfügung.

 

Wir fordern eine Reform des Steuersystems. Starke Schultern sollen wieder mehr tragen als schwächere.

 

Eine solche Reform muss aus unserer Sicht insbesondere umfassen:

–        Eine Reform des Einkommensteuertarifs, mit der kleine und mittlere Einkommen spürbar entlastet werden, gleichzeitig sehr hohe Einkommen einem höheren Spitzensteuersatz als bisher unterliegen. Dabei soll der Spitzensteuersatz erst bei einem deutlich höheren Einkommen greifen, so dass es zukünftig bei der Einkommensteuer wieder gerechter zugeht.

–        Der Solidaritätszuschlag ist beizubehalten, denn er hat durch die Befreiung kleiner Einkommen, die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen und die Besteuerung der Gewinne und Kapitalerträge eine starke Umverteilungswirkung und ist deshalb besonders gerecht.

–        Wir wollen eine Erbschaftsteuer, die ihren Namen auch verdient: Große Vermögen resultieren in vielen Fällen aus Erbschaften und Schenkungen. Schätzungen des DIW zufolge werden jedes Jahr in Deutschland Vermögen in Höhe von 200 bis 300 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Dagegen beträgt das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer nur ca. 6 Milliarden Euro jährlich. Eine Reform der Erbschaftsteuer sollte zu einer spürbaren Belastung von Erben großer Vermögen führen, die bisher – unter anderem auf Grund der Privilegierung des Betriebsvermögens – effektiv kaum besteuert wurden. Begünstigungen für große Betriebsvermögen darf es nur noch im Ausnahmefall geben. Um die berechtigten Interessen von Unternehmenserben zu berücksichtigen, sollten großzügige Stundungsregelungen eingeführt werden. So werden keine Existenzen und Betriebe durch die Steuer gefährdet. Das Aufkommen kann so langfristig mehr als verdoppelt werden.

–        Wir fordern die verfassungsfeste Wiedererhebung der Vermögensteuer mit einem Freibetrag von 1 Mio. Euro pro Person. Bei Kapitalgesellschaften ist das Betriebsvermögen nach dem bewährten Halbvermögensprinzip einzubeziehen, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden (bei der Kapitalgesellschaft und dem Eigentümer wird die zu entrichtende Vermögensteuer jeweils nur zur Hälfte angesetzt). Für Privatpersonen sollte die Steuer progressiv – beginnend mit einem Satz von 1% – ausgestaltet werden, so dass Multimillionäre und Milliardäre einen deutlich höheren Steuersatz zahlen.

–        Um die massive Begünstigung von Kapitaleinkünften gegenüber Arbeitseinkommen zu beenden, sollen Kapitalerträge zukünftig anstelle der Besteuerung über eine abgeltende Kapitalertragssteuer mit dem individuellen Steuersatz der/des Steuerpflichtigen besteuert werden. Durch den auf internationaler Ebene vereinbarten Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen den Finanzbehörden einer Vielzahl von Staaten ist die ursprünglich zutreffende Begründung für die Abgeltungsteuer weggefallen und eine zutreffende Besteuerung der Kapitalerträge kann sichergestellt werden.

–        Zu einem gerechteren Steuersystem gehört ein deutlich höherer Beitrag des Finanzsektors zu den Steuereinnahmen. Wir fordern daher die Einführung einer Finanztransaktionsteuer. Dadurch würden zusätzliche Einnahmen generiert und die Verursacher der Finanzkrise an den Kosten beteiligt. Eine Finanztransaktionsteuer könnte darüber hinaus eine positive Lenkungswirkung entfalten, weil schädliche Instrumente wie zum Beispiel der Hochfrequenzhandel verteuert und damit unattraktiver würden. Auf europäischer Ebene braucht es hier Fortschritte, die die Einführung der Steuer ermöglichen.

–        Die Steuerverwaltungen der Länder brauchen mehr Personal und eine bessere Zusammenarbeit untereinander. Der internationale Informationsaustausch muss weiter verbessert werden. Dadurch können die Steuergesetze wirksamer als bisher vollzogen werden. Steuersparmodelle müssen offengelegt und länderbezogene Berichterstattung zu Gewinnen und gezahlten Steuern eingeführt werden. Deutschland muss innerhalb der OECD, der EU und in der G7/G20 noch entschiedener für die Trockenlegung von Steueroasen in und außerhalb der EU eintreten.

–        Der zunehmende Wandel der Industrie und der Arbeitswelt mit einer Ausweitung der Automatisierung und einem exponentiellen Wachstum der technischen Möglichkeiten stellt viele Grundlagen des modernen Sozialstaats fundamental in Frage. Wir wollen, dass regelmäßig überprüft wird, ob das Steuersystem mit diesem Wandel Schritt hält und ob neue Anknüpfungspunkte für die Besteuerung erforderlich sind. Bereits vorliegende Ideen wie sogenannte Roboter‐Steuern sollten in diese Prüfung einbezogen werden.