Archive

Antrag 162/II/2022 Realitäten anerkennen und Zukunft gestalten: Endlich eine moderne Drogenpolitik für Berlin entwickeln

10.10.2022

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die SPD-Mitglieder im Berliner Senat werden aufgefordert ein konkretes Reformkonzept zur Neugestaltung der Berliner Drogenpolitik vorzulegen und in Zusammenarbeit mit Expert*innen ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren anzustoßen. Bei notwendigen Anpassungen des Bundesrechts werden entsprechende Bundesratsinitiativen angestoßen.  Dieses Konzept soll folgende Punkte enthalten:

 

  • Parallel zu der Regelung für den Besitz von Cannabis wird ein Katalog erstellt, der für alle gängigen Drogen zulässige Mengen definiert, deren Besitz zum Zweck des Eigenbedarfs nicht strafrechtlich verfolgt wird. Anhängige Verfahren werden nicht weiterverfolgt.
  • Beschlusslagen zum sog. Drug Checking, d.h. der Vor-Ort- und Ad-hoc-Prüfung von Drogen auf ihre Zusammensetzung werden endlich umgesetzt und ausreichend finanziert.
  • Gesundheits- und Suchtberatung sowie zielgruppenorientierte Informationskampagnen werden ausgebaut und ausreichend finanziert
  • Alle Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr und Rettungsdienste werden mit Medikamenten für die Behandlung einer Überdosis ausgestattet und das medizinische Rettungspersonal in ihrer Verabreichung geschult, um bei Fällen von Überdosis schnell helfen zu können. Eine Abgabe durch Apotheken an Suchterkrankte mit entsprechender Anleitung zur Nutzung wird geprüft. Schulungen zum Umgang mit Überdosisfällen sollen in Drogenpräventionsarbeit eingebaut werden.
  • Der Fokus der Strafverfolgung liegt auf der Ermittlung gegen Großdealende und nicht auf Konsumierenden und Kleindealenden. Entsprechende Anordnungen und Erlasse werden daraufhin überprüft und angepasst und Schulungen für alle Mitarbeitenden der Strafverfolgungs- und Justizbehörden durchgeführt.
  • Die Bezirke werden in der Einrichtung von sog. Drogenkonsumräumen finanziell und personell unterstützt.

Diese Reforminitiative verfolgt folgende Ziele und folgt folgenden Grundannahmen:

 

  • Grundsätzlich gilt: Durch die Entkriminalisierung des Besitzes kleinerer Mengen von kontrollierten Substanzen zum Eigenbedarf wird Präventionsarbeit und medizinische Notfallversorgung deutlich erleichtert. Menschen müssen nicht aus Angst vor Strafverfolgung auf den Notruf oder Hilfsangebote verzichten. So warnt die Aidshilfe beispielsweise derzeit noch den Begriff „Drogen“ bei einem entsprechenden Notfall zu nutzen, wodurch medizinische und therapeutische Maßnahmen unverhältnismäßig erschwert werden.
  • Drogenkonsum ist eine Realität in Berlin, die wir anerkennen müssen. Dies gilt sowohl für aktuell „legale“ und „illegale“ Drogen. Das bedeutet vor allem, dass wegschauen, verleugnen und gewaltvolles Vorgehen bisher keinen nennenswerten Erfolg vorweisen. Die Reform soll dazu beitragen, dass Drogenkonsum sicherer, Ausstieg einfacher und Prävention nachhaltiger wird. Hierbei ist klar, dass es zwischen gelegentlichem Freizeitkonsum und Suchtkrankheiten signifikante Unterschiede gibt, die unterschiedlich betrachtet werden müssen, bspw. wo und ich welcher Form der Konsum stattfindet. Wir betrachten dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf Basis von Ehrlichkeit und Fakten angegangen werden muss.
  • In Bezug auf das Erkennen und richtiges Handeln bei einer Überdosis herrscht oft große Unwissenheit und mangelnde Sensibilität: Schnelle, effektive Hilfe kann im Ernstfall Leben retten und das hat für uns oberste Priorität. Hieran soll sich zukünftig der öffentliche und politische Diskurs orientieren.
  • Suchtkrankheiten stehen selten allein. Sie finden sich oft im Zusammenhang mit sozialen Härten. Nur, wenn professionelle Behandlung stattfindet, kann anderen Faktoren nachhaltig begegnet werden. Gleichzeitig können Suchtkrankheiten nicht nachhaltig behandelt werden, wenn soziale Härten bestehen.
  • Die Bezirke leisten z.B. durch ihre Präventionsarbeit gute Arbeit, da sie die Menschen dort erreichen, wo sie sind. Zusätzlich zu stärkerer Zusammenarbeit müssen hier finanziell und personell Planungssicherheit herrschen und ausreichende Mittel sichergestellt sein.
  • Drogenkriminalität bekämpfen bedeutet die Netzwerke in den Fokus zu nehmen, die im Hintergrund agieren und große Mengen umsetzen. Die Ressourcen der strafverfolgenden Behörden sollten hierhin umgeleitet werden. Die Verfolgung von Konsumierenden und Kleindealenden hat maximal kosmetische Wirkung. Der Straßenverkauf von Drogen beeinflusst sicherlich bei vielen Menschen das Gefühl von Sicherheit im öffentlichen Raum. Auch das erkennen wir an. In den Debatten hierzu wird aber oft vergessen, dass diese Form des Handels eine Konsequenz von Kriminalisierung ist und nicht ein Anlass hierzu, auch wenn dies als Argument oft genutzt wird, z.B. bei der fragwürdigen Einrichtung der sog. „Kottiwache“. Der illegale Drogenhandel und an ihn angeschlossene kriminelle Netzwerke florieren nach wie vor. Außerdem ist die aktuelle Strafverfolgung von Drogendelikten geprägt von massivem Rassismus und Armutsfeindlichkeit vonseiten der Sicherheitsbehörden. Ein Paradigmenwechsel hierbei muss zwangsläufig Teil jeder Reform sein.

Antrag 163/II/2022 Mehr Polizei bedeutet nicht mehr Sicherheit – Keine Polizeiwache am Kotti!

10.10.2022

Das Kottbusser Tor ist Begegnungsort für viele Menschen der Berliner Stadtgesellschaft. Immer wieder ist das Kottbusser Tor ein polarisierendes Diskussionsthema. Sei in der mietenpolitischen Debatte über das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ), den Umgang mit Drogenkonsument*innen und Obdach- und Wohnungslosigkeit oder das Vorgehen der Berliner Polizei an einem durch sie selbst definierten „kriminalitätsbelasteten Ort“. Dass nun gerade am Kotti die Polizeipräsenz verstärkt werden soll, hat System: Als kriminalitätsbelastete Orte werden meistens solche Orte definiert, an denen viele Black, Indigenous, and People of Color (BIPoCs) leben und arbeiten. Dass hier bisher verdachtsunabhängige Polizeimaßnahmen erlaubt sind, führt dazu, dass überproportional viele BIPoCs von diesen Maßnahmen betroffen sind. Auch durch diesen Teufelskreis werden Narrative von kriminellen „Ausländern“ seit Jahrzehnten in der öffentlichen Debatte befeuert. In diese Diskussion kommt nun der Vorstoß der Senatsverwaltung für Inneres, im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrum eine Polizeiwache zu errichten. Als Vorbild dient die Polizeiwache am Alexanderplatz, die aktuell wegen Rassismusvorwürfen und Beschuldigung der Körperverletzung im Amt in der Kritik steht. Wir Jusos sehen uns daher in unserer Position bestärkt, dass mehr Polizeipräsenz nicht zu mehr Sicherheit führt. Eine höhere Polizeipräsenz verstärkt vorherrschende Machtstrukturen und führt zu stärkerer Ausgrenzung marginalisierter Gruppen. Gleichzeitig fühlen sich BIPoC durch vermehrte Polizeipräsenz oft alles andere als sicher, da für diese Communitys die Gefahr steigt, Racial Profiling ausgesetzt zu sein und Polizeigewalt zu erleben. Wenn überhaupt, steigt das subjektive Sicherheitsgefühl durch die Anwesenheit der Polizei somit nur für weiße Menschen. Wir Jusos stehen für einen inklusiven Sicherheitsbegriff, der die soziale Sicherheit in den Blick nimmt und sich auch an den Bedürfnissen marginalisierter Gruppen wie FINTA, BIPoC und Menschen mit Behinderungen orientiert. Während die Polizeiwache am Kottbusser Tor insgesamt von einigen Anwohner*innen und örtlichen Gastronom*innen gefordert wird und sich auch im Bezirk und im Land die Fraktionen der Grünen, Linken und SPD für eine Wache am Kottbusser Tor ausgesprochen haben, ist der nun festgelegte Standort mehr als problematisch. Die Polizeiwache soll im ersten Stock des NKZ durch eine Glasfassade Überblick über das gesamte Kottbusser Tor haben. Dabei ist die Wache weder barrierefrei zugänglich noch räumlich ausreichend dimensioniert für eine dauerhafte Besetzung. Dennoch wurde der Mietvertrag ohne eine vorherige gesamtgesellschaftliche oder innerparteiliche Debatte ein paar Tage vor dem Landesparteitag der SPD Berlin unterschrieben. Dieses Vorgehen trägt nicht zur allgemeinen Akzeptanz der Maßnahme bei.

 

Abgesehen von den grundsätzlichen Argumenten gegen die Wache haben sich sowohl einige der Anwohner*innen und Gastronomiebetreiber*innen, als auch die SPD-Fraktion der BVV Friedrichshain-Kreuzberg deutlich gegen den gewählten Standort positioniert. Aus Kreisen der Senatsverwaltung für Inneres heißt es, es wären mehrere mögliche Standorte geprüft worden und der nun gewählte Platz sei die bestmögliche Lösung. Eine transparente Liste der geprüften Standorte und der zugrundeliegenden Auswahlkriterien existiert jedoch nicht. Die Polizeiwache ist Teil eines Gesamtkonzepts für das Kottbusser Tor, das neben der Polizeipräsenz eine stärkere Unterstützung der sozialen Projekte vor Ort und ein Konzept für mehr Sauberkeit vorsieht. Diese sind in der Verantwortung der Senatsverwaltung für Soziales und dem Straßen- und Grünflächenamt. Nach der Vorstellung des Plans für die Polizeiwache halten sich die anderen Ressorts leider sehr zurück mit der Umsetzung ihrer Verantwortlichkeiten. Ursprünglich waren Finanzmittel von 250.000 Euro für den Neubau der Wache vorgesehen, inzwischen belaufen sich die Kosten auf 3,75 Millionen. Dieses Geld wäre aus unserer Sicht mit Investitionen in soziale Projekte, eine bessere Ausstattung der Drogenkonsumräume und mehr Sauberkeit der Straßen- und Grünflächen sinnvoller angelegt.

 

Wir fordern daher von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus sowie den sozialdemokratischen Mitgliedern des Berliner Senats:

  • Den Stopp der Planungen und Baumaßnahmen der Polizeiwache am Kottbusser Tor
  • Eine stärkere Finanzierung und Bereitstellung von mehr Drogenkonsumräumen
  • Ausbau der Zusammenarbeit mit Streetworker*innen und Suchtberater*innen
  • Offenlegung der Liste der geprüften Standorte für die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor
  • Umsetzung des im Koalitionsvertrag verankerten Racial-Profiling-Verbotes
  • Einwirken auf die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz zur Umsetzung ihres Sauberkeits- und Grünflächenkonzepts, sowie auf das Straßen- und Grünflächenamt für das Kottbusser Tor
  • Einwirken auf die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zur Umsetzung des Sozialkonzepts für das Kottbusser Tor

 

Antrag 94/II/2022 Städtepartner*innenschaft Berlin – Kyjiw

10.10.2022

Das Land Berlin unterhält aktuell 17 Partner*innenschaften zu Städten in der ganzen Welt – von Brüssel bis Jakarta. Durch diese Partner:innenschaften wird die Kooperation in Bereichen wie Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Kultur oder Kommunalpolitik gefestigt. Neben Akteuer*innen aus Regierung und Verwaltung werden Bürger*innen, zivilgesellschaftliche Verbände und andere gesellschaftliche Gruppen in die Städtepartner*innenschaft eingebunden. Diese 17 Netzwerke sind also mehr als ein symbolischer Zusammenschluss, sondern ein konkretes Netzwerk zur Internationalisierung Berlins.

 

Noch vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, in dem weite Teile des Landes schon zerstört wurden und tausende Menschen ihr Leben bereits lassen mussten, galt die Hauptstadt der Ukraine als das neue Berlin. Eine lebendige Clubszene, eine aufstrebende Tech- und Start-Up Szene sowie ein breites Gastro- und Freizeitangebot machten das Stadtbild aus. Vieles von dem wurde zerstört und wird Jahre brauchen, bis es wieder an die Tage vor dem Krieg herankommen kann.

 

Die Partner*innschaft mit Kyjiw soll daher einen besonderen Fokus darauf legen, die Stadtstruktur Kyjiws wiederaufzubauen und das zivilgesellschaftliche Leben wieder zu fördern.

 

In der angestrebten Städtepartner*innenschaft zwischen Berlin und Kyjiw soll diese Partner*innschaft darauf beruhen, Netzwerke wiederherzustellen oder neu zu formen. Neben materieller Unterstützung soll daher auch Expertise und Know-How ausgestauscht werden.

 

Wir fordern die Städtepartner*innenschaft mit Kyjiw auch aus symbolischer Geste: Wir stehen solidarisch mit der Ukraine und den Bürger*innen Kyjiws.

 

In der weiteren Gestaltung der Städtepartner*innenschaft muss darüber hinaus stärker darauf bedacht werden, dass die Zusammenarbeit beider Städte nicht nur im offiziellen Rahmen durch Besuche auf politischer Ebene stattfindet, sondern einen wahrnehmbareren Einfluss auf die Bürger*innen der Städte hat. Die Städtepartnerschaft der Zukunft hat daher einen stärkeren Fokus auf die Zivilgesellschaft und die Förderung des Austausches zwischen Vereinen, NGOs, Kultur- und Jugendeinrichtungen, und ehrenamtlichen Strukturen. Auch Jugendaustausche sollen vermehrt im Rahmen von Städtepartner*innenschaften gefördert werden.

Antrag 157/II/2022 Kolonialverbrechen nicht unter den Teppich kehren – für eine feministische, dekoloniale Erinnerungskultur in Berlin

10.10.2022

Noch immer tut sich Deutschland schwer mit der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit. Zwar hat die Bundesregierung 2021 nach über 100 Jahren den deutschen Völkermord an den Herero, Nama, Damara und San anerkannt, aber noch immer ist die deutsche Kolonialzeit nicht abschließend aufgearbeitet und ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent.

 

Schließlich wurden Völkermorde nicht nur im heutigen Namibia, sondern auch im heutigen Tansania (z.B. gegen den Maji-Maji-Aufstand) begangen. Zudem fanden zahlreiche grausame völkerrechtswidrige Verbrechen in Kamerun (z.B. mit der ‚Pazifizierung‘ des Binnenlandes), in Togo (durch Ausbeutung und Zerstörung ganzer Orte), im Südpazifik (z.B. mit der Niederschlagung des Sokehs-Aufstand) oder in Kiautschou (z.B. mit der Gewalt gegen den „Boxeraufstand“ / Aufstand der Yihetuan) statt.

 

Anstatt an die Opfer dieser Verbrechen zu erinnern, erinnert Berlins Stadtbild noch immer lieber an die Täter – Der Nachtigal-Platz und der Nettelbeck-Platz (Nachtigal war der Reichskommissar von “Deutsch-Westafrika” und dabei an Verbrechen beteiligt. Nettelbeck war am Sklavenhandel beteiligt und ein Unterstützer des deutschen Kolonialismus) in Mitte sind nur einige Beispiele von vielen.

 

Das ist eine Tatsache, die wir nicht hinnehmen können und fordern daher eine kritische Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialgeschichte im öffentlichen Raum. Gerade Berlin als Hauptstadt des ehemaligen Deutschen kolonialen Reiches und Veranstaltungsort der sogenannten „Kongo- Konferenz“ von 1884/85, bei der die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Weltmächten ausgehandelt wurde, muss seiner historischen Verantwortung gerecht werden. Es darf seine Kriegsverbrechen nicht unter den Teppich kehren, sondern muss an diese im öffentlichen Raum erinnern. Es geht darum, dauerhaft auf den physischen und psychischen Schmerz sowie die lebenslange Traumatisierung von Kriegsopfern allgemein und insbesondere von Frauen und nicht-binären Personen durch sexualisierte Gewalt in Kriegen aufmerksam zu machen. 

 

Denn es waren oftmals Frauen, die während den Verbrechen sexuellen Missbrauch erfahren haben, welche als Sklavinnen ausgebeutet wurden. Dabei ist das Schicksal meist noch weniger im Fokus des allgemeinen und wissenschaftlichen Diskurses. Dieses Schicksal dieser Frauen und queeren Personen in den Kolonien sichtbar zu machen, begreifen wir daher als wichtigen Beitrag einer feministischen, dekolonialen Erinnerungskultur.

 

Daher fordern wir die SPD-Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten und im Senat auf, neben den Umbenennungen der entsprechenden Straßen und Plätze, mehrere dezentrale Denk- und Mahnmale in Berlin umzusetzen. Diese Denk- und Mahnmale sollen vor allem auch die Perspektive von Mädchen, Frauen und nicht-binären Personen aufgreifen, da bisher die koloniale Vergangenheit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive gedacht wird. Diese weiblichen und queeren Perspektiven müssen außerdem bei der Planung des bereits geforderten Zentralen Mahnmals mit Dokumentationszentrum in Berlin mitbedacht werden. An der Gestaltung und Planung dieses zentralen und der weiteren, dezentralen Mahnmale sollten Interessenvertretungen von Betroffenen sowie Organisationen wie Decolonize Berlin beteiligt werden.

 

Doch Denk- und Mahnmäler allein reichen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen feministischen dekolonialen Erinnerungskultur. Diese muss in der Schule beginnen. Doch zurzeit ist es noch nicht mal verpflichtend den deutschen Kolonialismus im Unterricht zu thematisieren. Stattdessen ist dieses Thema ein Wahlmodul, wodurch viele Kinder und Jugendliche die Schule verlassen, ohne überhaupt zu wissen, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat und Verbrechen begangen hat. Es fehlt dadurch ein Verständnis, warum wir in rassistischen Strukturen leben und aufwachsen. Denn diese Strukturen wurden maßgeblich in der Kolonialzeit erbaut.

 

Doch selbst wenn die Völkermorde, Verbrechen und Unterdrückungen in der Kolonialzeit thematisiert werden, wird dies meist nur aus einer männlichen Perspektive mit “männlichen” Quellen getan. Dass Frauen und queere Personen jedoch in der Kolonialzeit Täterinnen, aber vor allem Opfer waren, wird nicht behandelt.

 

Daher fordern wir die SPD Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten auf und im Senat auf, zusätzlich eine Berücksichtigung der deutschen Kolonialvergangenheit – insbesondere aus feministischer Perspektive – im Rahmenlehrplan und der Lehrkräfteausbildung. Denn nur dadurch kann unsere rassistische und patriarchale Geschichte und Gegenwart verstanden werden 

Antrag 132/II/2022 Mental Health ins 21. Jahrhundert holen!

10.10.2022

Die Covid-Pandemie scheint in den Augen vieler Menschen in Deutschland bereits überwunden zu sein, doch viele folgende Probleme stehen noch vor uns.

 

Während im ersten Lockdown im Jahre 2020 noch im Vordergrund stand, die Inzidenz von Covid-Fällen zu senken, wurden bereits im zweiten Lockdown vermehrt Stimmen laut, die vor psychischen Folgen von Isolation und weiteren Infektionsschutzmaßnahmen warnten. Aus damaliger Sicht war es dennoch zunächst wichtiger, die Inzidenz zu senken und sich zunächst auf Menschen fokussiert, die akut an COVID erkrankt sind.

 

Im Jahre 2022 treten nun die psychischen Folgen in den Vordergrund, unsere psychotherapeutische Infrastruktur ist aber kaum bis gar nicht auf diese Belastungen vorbereitet. Aus diesem Grund ist es jetzt an der Zeit, an den notwendigen Stellschrauben zu drehen, damit der Leidensdruck bei Betroffenen so gering wie möglich und die Versorgung so gut wie möglich ist.

 

In Zeiten fortschreitender Digitalisierung muss auch Therapie digital funktionieren können!

 

Seit September 2020 dürfen neben Rezepten für Arzneimittel auch sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGa) verschrieben werden. Digitale Gesundheitsanwendungen sind Apps, die für eine bestimmte Erkrankung, unter anderem psychische Erkrankungen, verschrieben werden dürfen und so auch von den gesetzlichen Krankenkassen (kurz: GKV) übernommen werden müssen.

 

Viele dieser Apps basieren auf therapeutischen Interventionen, die wissenschaftlich fundiert sind. Aber trotzdem ist die Verwendung der DiGa noch eher eine Seltenheit. An dieser Stelle möchten wir auch unterstreichen, dass die Übernahme der Kosten für DiGa ein großer Fortschritt ist, dennoch sollte dabei immer die Effektivität dieser Anwendungen überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Linderung von psychischer Symptomatik wirklich eintritt. Wir erwarten, dass Projektgelder und Übernahmen nur für Anwendungen gewährleistet werden, die aktuellen Forschungserkenntnissen entsprechen.

 

Neben der DiGa gibt es aber auch einen großen Graubereich an Internetseiten oder Apps, die einen forenähnlichen Charakter haben und in denen unqualifizierte Menschen Ratschläge geben und damit andere Menschen, die auf professionelle Hilfe angewiesen sind, gefährden. In diesen Foren geben teils nicht lizensierte oder geschulte Privatpersonen unprofessionelle und der Gesundheit häufig schadende Empfehlungen. In diesen Foren braucht es eine verpflichtende Einordnung der
Beiträge als keine Behandlungsvorschläge, sondern Ratschläge von Privatpersonen. Zusätzlich sollten
offizielle Beratungsangebote der Ärztekammern oder Krankenkassen verlinkt werden, ähnlich zu Corona-Informationen in social media. So bleibt die Möglichkeit, Erfahrungsberichte und Meinungen zu teilen, aber die notwendige Einordnung findet statt. Durch die weiterhin zu starke Stigmatisierung vieler Erkrankungen ist ein Austausch über Erkrankung und Behandlung vielen Menschen nur im anonymen digitalen Raum möglich.

 

Dass sich die Beschwerden von Menschen aufgrund von gesellschaftlichen Stigmata von Psychotherapie verschlechtern, darf nicht zugelassen werden!

 

Aus diesem Grund fordern wir die Bundesregierung und das Gesundheitsministeriumauf, …

 

  • einen Ausbau der DiGa und eine Schulung von Ärzt*innen und Therapeut*innen über die Verschreibung von DiGa, zu unterstützen
  • die konsequente Verfolgung von Foren, die gefährlichen und lebensbedrohlichen Rat geben und den Ausbau von alternativen Onlineangeboten, die durch medizinisch geschultes Personal betreut werden
  • die Aufhebung der freien Preisfindung von DiGas im ersten Jahr und stattdessen die direkte Preisverhandlung, um die Leistungsausgaben zu senken und das Missverhältnis in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Nutzennachweis auszugleichen. Oft bewegen sich aktuell die Bepreisungen weit über den Preisen, die außerhalb des DiGa-Verfahrens gefordert werden und konventionell vergütet werden
  • einen größeren Fokus auf digitalen personalisierten Therapieangeboten mit lizensierten und professionellen Therapeut*innen zu legen
  • mehr Angebote im E-Mental-Health-Bereich anzubieten bzw. zu fördern, sodass die Infrastruktur in der Zukunft besteht
  • Der IT-Sicherheit und dem Datenschutz der DiGa höchste Priorität einzuräumen und zu kontrollieren
  • Die DiGa darf Therapeut*innen nicht ersetzen. Wir unterstreichen unsere Forderungen, mehr Therapieplätze in Deutschland zu schaffen