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Antrag 64/II/2025 Hoch die internationale Solidarität für die Ukraine: Deutschlands Beitrag zu Sicherheit, Frieden und Demokratie in der Ukraine

9.10.2025

Die Ukraine verteidigt seit dem russischen Angriffskrieg nicht nur ihre eigene Souveränität, sondern auch die europäische Friedensordnung. Ein zukünftiges Friedensabkommen kann nur Bestand haben, wenn es durch verlässliche Schutz- und Sicherheitsgarantien abgesichert ist.

 

Deutschland trägt hier eine besondere Verantwortung. Historisch, weil die Ukraine während des Zweiten Weltkriegs unermessliches Leid durch deutsche Besatzung erfuhr. Politisch, weil Deutschland in den letzten Jahrzehnten durch Entscheidungen wie die Blockade einer NATO-Beitrittsperspektive 2008 und die energiepolitische Abhängigkeit von Russland mit dazu beigetragen hat, dass die Ukraine lange in einer sicherheitspolitischen Grauzone blieb.

 

Auch nach Beginn der Krim-Annexion 2014 hielt Deutschland an Projekten wie Nord Stream 2 fest, trotz der Warnungen osteuropäischer Partner*innen. Diese Politik hat Russlands Handlungsspielräume erweitert und die Sicherheitslage der Ukraine verschlechtert. Aus diesen Fehlern erwächst eine moralische und politische Pflicht: Deutschland darf sich nicht erneut zurückziehen, wenn es um die Verteidigung europäischer Sicherheit und der Demokratie geht.

 

Auch wir haben uns zur Zeitenwende bekannt. Dieses Bekenntnis muss den Anspruch einer langfristigen sicherheits- und friedenspolitischen Verantwortung tragen. Zur Zeitenwende gehört deshalb auch, die Ukraine nicht nur in der akuten Verteidigung, sondern langfristig abzusichern – politisch, finanziell und im Zweifel auch militärisch. Sicherheitsgarantien für die Ukraine sind damit kein Bruch mit unseren Grundsätzen, sondern die konsequente Fortführung unserer Haltung: Internationale Solidarität und Verantwortung enden nicht am Tag eines Waffenstillstands, sondern erst, wenn die Menschen in der Ukraine dauerhaft in Frieden und Sicherheit leben können.

 

Sicherheitsgarantien müssen glaubwürdig und umfassend sein. Die Friedens‑ und Sicherheitsforschung betont zwei Kernanforderungen: Schutz vor erneuter Aggression und Durchhaltefähigkeit im Fall eines brüchigen Waffenstillstands. Halbherzige Zusagen, wie das gescheiterte Budapester Memorandum 1994, haben Russland nicht abgehalten. Auch eine rein symbolische Präsenz ohne ein klares Mandat würde Gefahr laufen, dass sie Russland dazu einlädt, erneut Grenzen auszutesten. Realistische Modelle setzen deshalb auf ein mehrschichtiges Sicherungsdispositiv, das die ukrainische Eigenverteidigung stärkt, verlässliche Unterstützung organisiert und klare Reaktionsmechanismen definiert.

 

Gleichzeitig warnen Stimmen aus der Friedensforschung vor den Risiken: eine direkte Konfrontation zwischen NATO-Staaten und Russland könnte zu einer gefährlichen Eskalation führen, und Deutschland ist aktuell in seinen sicherheitspolitischen Kapazitäten stark belastet. Daraus folgt, dass eine glaubwürdige Garantie auf mehreren Säulen stehen muss: der Befähigung der Ukraine, sich selbst zu schützen, langfristiger finanzieller Unterstützung, humanitären Hilfen und der Bereitschaft, im Rahmen klarer völkerrechtlicher Grundlagen auch über eine mögliche deutsche Beteiligung an internationalen Schutzmissionen zu sprechen.

 

Zu einer langfristigen Unterstützung der Ukraine gehört jedoch weit mehr als die Sicherung gegen militärische Angriffe. Ein nachhaltiger Frieden setzt auch auf Wiederaufbau und gesellschaftliche Stabilität. Das bedeutet: zerstörte Infrastruktur, Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser müssen neu errichtet werden, um den Menschen eine Perspektive zu geben. Ebenso braucht die Ukraine unsere Unterstützung bei der Weiterentwicklung demokratischer Institutionen, beim Aufbau einer unabhängigen Justiz, beim Schutz von Minderheiten und beim Kampf gegen Korruption. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern auch die Garantie von sozialen Rechten, Bildung, Gesundheit und demokratischer Teilhabe. Deshalb muss Deutschland seine Verantwortung umfassend begreifen und auch in diesen Bereichen an der Seite der Ukraine stehen. Dieser nachhaltige Frieden bedeutet für uns auch, eine feministische Perspektive konsequent einzubeziehen. Eine feministische Außen- und Sicherheitspolitik stellt den Schutz der Menschen vor Gewalt, Diskriminierung und Entrechtung in den Mittelpunkt und berücksichtigt dabei ebenfalls die Erfahrungen von Frauen, queeren Personen und marginalisierten Gruppen in Kriegs- und Nachkriegsgesellschaften. Sicherheitspolitik darf deshalb niemals eindimensional militärisch gedacht werden, sondern muss soziale, ökonomische und gesellschaftliche Dimensionen ebenfalls umfassen.

 

Marginalisierte und systematisch benachteiligte Gruppen müssen an Friedensprozessen beteiligt werden, um eine nachhaltige Sicherheit gewährleisten zu können. Der Wiederaufbau muss geschlechtergerecht gestaltet werden, Programme zum Schutz vor sexualisierter Gewalt als integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur anerkannt werden. Ein feministisches Sicherheitsverständnis verbindet den Schutz marginalisierter und systematisch benachteiligter Gruppen in Kriegsgebieten mit einer intersektionale Perspektive, die Diskriminierungsformen zusammendenkt.

 

Wir fordern daher:

 

  • einen mehrjährigen, haushaltsfesten Rahmen für eine umfassende sicherheits- und friedenspolitische Unterstützung der Ukraine, einschließlich Rüstung, Waffen, Ausbildung, Infrastrukturaufbau und humanitärer Hilfe;
  • die Stärkung der ukrainischen Eigenverteidigung durch Ausrüstung, Ausbildung und verlässliche Nachschublinien;
  • die Entwicklung eines Sicherheitsmodells für die Ukraine, das abgesicherte politische, finanzielle und verteidigungspolitische Unterstützung auf quasi-bündnisgleichem Niveau gewährleistet – bis ein NATO-Beitritt möglich wird – und das im Falle eines Friedensabkommens auch die Vorbereitung auf eine internationale Stabilisierungs- oder Schutzmission einschließt, bei der ein deutscher Beitrag vorgesehen wird, sofern er völkerrechtlich legitimiert, parlamentarisch beschlossen, in einem breiten multinationalen Rahmen verankert ist und die sicherheitspolitischen Kapazitäten Deutschlands berücksichtigt.
  • die Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für Wiederaufbau und Reparationen, flankiert von klaren Sanktionsmechanismen bei erneuter Aggression;
  • die aktive Unterstützung des EU-Beitrittsprozesses der Ukraine und die mittelfristige Öffnung eines klaren Weges in die NATO;
  • die langfristige Unterstützung des Wiederaufbaus und der gesellschaftlichen Entwicklung in der Ukraine, insbesondere beim Wiederaufbau von Infrastruktur, Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern sowie bei der Förderung demokratischer Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Teilhabe;
  • die dauerhafte Unterstützung der internationalen strafrechtlichen und völkerrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsverbrecher*innen des russischen Angriffskriegs, u. a. durch Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, Förderung von Ermittlungs- und Dokumentationsstrukturen sowie Initiativen für Sondertribunale;
  • den klaren Grundsatz, dass mit diesem russischen Regime keine Handels- oder Wirtschaftsbeziehungen wieder aufgenommen werden dürfen.

     

    Antrag 65/II/2025 Syriens Machtwechsel – vom Regen in die Traufe?

    9.10.2025

    Seit Ahmed al-Scharaa als Übergangspräsident in Syrien aufgetreten ist, versuchen sich europäische Regierungen an einer neuen Erzählung: Die Situation habe sich stabilisiert, es gebe neue politische Verhältnisse, vielleicht sogar Reformpotenzial. Doch die Realität sieht anders aus – und sie ist brandgefährlich. Insbesondere Minderheiten wie Alawit*innen, Alevit*innen, aber auch Christ*innen, Jesid*innen und andere ethnische oder religiöse Minderheiten werden immer wieder Opfer von Gewalt.

     

    Al-Scharaa war jahrelang führender Kopf der HTS – einer Organisation, die aus der Al-Nusra-Front und damit direkt aus dem Al-Qaida-Netzwerk hervorgegangen ist. Seine Vergangenheit ist dokumentiert: als ehemaliger Kommandeur, mitverantwortlich für Repression, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Rebellengebieten. Lange stand er auf internationalen Terrorlisten. Dass er sich heute als reformorientierter Staatsmann inszeniert, ist mehr Kalkül als Wandel.

     

    Die für September 2025 angesetzten Parlamentswahlen – von internationalen Beobachtern zunächst als Schritt in Richtung politischer Neuanfang begrüßt – entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als demokratische Fassade. Ein Drittel der 210 Sitze soll direkt vom Übergangspräsidenten ernannt werden, der Rest wird in einem indirekten, von regierungsnahen Wahlgremien kontrollierten Verfahren vergeben. Oppositionelle Stimmen, unabhängige Medien und Minderheitenvertreter*innen sehen darin keine faire Beteiligung, sondern eine gezielte Machtabsicherung.

     

    Demokratie oder Legitimation gibt es unter seiner Führung nicht. In Idlib wurden politische Beteiligung und freie Opposition systematisch ausgeschlossen. Entscheidungen wurden zentralistisch über religiös-konservative und militärische Netzwerke getroffen. Transparenz fehlt, ebenso wie unabhängige Institutionen. Frauenrechte, Minderheitenschutz oder Gewaltenteilung – allesamt essenzielle Demokratieprinzipien. Diese tauchen zwar in öffentlichen Statements auf – in der Praxis bleibt davon kaum etwas übrig. Die angekündigte Einbeziehung von Minderheiten in den Wahlprozess wirkt wie ein Feigenblatt: Kurdische, drusische, alawitische und christliche Vertreter*innen berichten weiterhin von strukturellem Ausschluss.

     

    Und auch seit seinem Amtsantritt haben sich Gewalt und Repression fortgesetzt. Im März 2025 kam es in alawitisch geprägten Regionen zu schweren Menschenrechtsverletzungen – rund 1.000 überwiegend alawitische Zivilist*innen wurden dabei getötet. Es häufen sich zudem Berichte über Zerstörung religiöser Stätten und gezielte Vertreibungen. Die alawitische und alevitische Minderheit in Syrien ist daher akut bedroht Opfer einer ethnischen Säuberung zu werden. Die Rechtfertigung der Regierung: Vergeltung für frühere Angriffe. Ein angekündigter Untersuchungsprozess? Bis heute ohne erkennbare Wirkung. In Suweida eskalierte die Lage zwischen verschiedenen Gruppen – Drus*innen, Beduin*innen, Regierungstruppen. Auch hier: Hunderte Tote, keine politische Aufarbeitung. Gleichzeitig halten sich zahlreiche bewaffnete Milizen unter Kontrolle von HTS-nahen Kräften. Eine vollständige Entwaffnung, wie sie versprochen wurde, ist nicht erfolgt.

     

    Ökonomisch formiert sich unter al-Scharaa eine neue Elite: Ein inoffizieller Machtzirkel um seinen Bruder und enge Vertraute kontrolliert Milliardenwerte. Statt alte Assad-nahe Strukturen zu zerschlagen, wurden sie integriert – gegen politische Zugeständnisse und Immunität. Aus Saudi-Arabien fließen Investments in Milliardenhöhe. Das stärkt nicht die Gesellschaft – sondern nur das Regime.

     

    Besonders perfide ist jedoch, wie diese neue politische Lage international gelesen wird – auch in Deutschland. Mit dem Narrativ der Stabilisierung und den inszenierten Wahlen wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen: Die internationale Bühne verleiht al-Scharaa Legitimität, obwohl Gewalt, Repression und struktureller Ausschluss weitergehen.

     

    Mit dieser Erzählung kommt eine alte Debatte wieder auf: Rückführungen nach Syrien. Österreich hat bereits begonnen, abzuschieben. Auch in Deutschland mehren sich Stimmen, die das Schutzbedürfnis syrischer Geflüchteter infrage stellen. Es wird offen diskutiert, ob Syrien wieder „sicher genug“ sei – während das Land sich in einem Klima der Gewalt, Instabilität und selektiven politischen Scheinbeteiligung befindet.

     

    Diese Argumentation ist hoch problematisch. Sie stellt nicht nur den realen Zustand Syriens falsch dar. Sie instrumentalisiert ihn. Die Anerkennung oder diplomatische Duldung des al-Scharaa-Regimes dient nicht etwa dazu, Menschenrechte durchzusetzen oder Stabilität zu fördern – sie dient der Möglichkeit, Geflüchtete abzuschieben.

     

    Diese Logik ist nicht neu. Wir erleben, wie Menschenrechte zunehmend geopolitisch verhandelbar gemacht werden – solange es dem Ziel dient, Migration zu verhindern. Doch die Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention ist unmissverständlich: Kein Mensch darf in ein Land zurückgeschickt werden, in dem Folter, Verfolgung oder Gefahr für Leib und Leben drohen. Genau das ist aber in Syrien weiterhin der Fall – und zwar für breite Teile der Bevölkerung, besonders für Minderheiten, Oppositionelle und marginalisierte Gruppen.

     

    Wir fordern deshalb:

     

    • Keine Anerkennung des Regimes al-Scharaa.
      Weder direkt noch indirekt darf die Bundesregierung einem autoritären Ex-Terroristen politische Legitimität verschaffen – die einzigen diplomatischen Kooperationen müssen insbesondere dem Minderheitenschutz, dem Schutz der Menschenrechte und für tatsächlich demokratische Wahlen dienen.
    • Abschiebungen prinzipiell, und auch nach Syrien, kategorisch ausschließen.
      Die Lage im Land bleibt instabil, gefährlich und repressiv. Rückführungen – ob direkt oder über Drittstaaten – sind völkerrechtswidrig und müssen weiterhin untersagt werden.
    • Schutz und Unterstützung für gefährdete Gruppen.
      Deutschland muss sich konsequent für jene einsetzen, die unter al-Scharaa besonders gefährdet sind: Alawi*tinnen, Kurd*innen, FINTA-Personen, Drus*innen und andere marginalisierte Gruppen brauchen international hörbare Solidarität & Schutz – nicht neue Bedrohung.
    • Außenpolitik darf nicht migrationspolitisch missbraucht werden.
      Die deutsche Syrien-Politik muss sich an Menschenrechten orientieren – nicht an der Illusion, über „Deals“ mit autoritären Regimen Menschen auf der Flucht stoppen zu können.
    • Die Untersuchung der Hinrichtungen an alawitischen Zivilist*innen als Kriegsverbrechen

     

    Antrag 66/II/2025 Koloniales Unrecht in Namibia anerkennen – Wiedergutmachung, Rückgabe und Dialog mit den Betroffenen jetzt vorantreiben

    9.10.2025

    Die SPD setzt sich auf allen politischen Ebenen für eine gerechte und umfassende Aufarbeitung des Genozids an den Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) ein. Dazu fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder in Exekutive und Legislative auf Bundes- und Landesebene auf:

     

    1. Neuauflage und Erweiterung des deutsch-namibischen Versöhnungsabkommens unter angemessener Beteiligung von Repräsentant*innen der Herero- und Nama-Gemeinschaften.
    2. Anerkennung und finanzielle Wiedergutmachung über die bisherigen Entwicklungszusagen hinaus – ausdrücklich als Entschädigung für das kollektive Unrecht der kolonialen Gewalt und des Genozids.
    3. Die Restitution menschlicher Gebeine und Kulturgüter, die sich in deutschen Museen, Universitäten und privaten Sammlungen befinden, nach Namibia – in Kooperation mit lokalen Ahnenräten, Museen und zivilgesellschaftlichen Gruppen.
    4. Die Einrichtung eines dauerhaften deutsch-namibischen Dialogforums, das die historischen Nachwirkungen des Genozids thematisiert, Versöhnungsinitiativen begleitet und konkrete Projekte (z. B. Bildungsprogramme, Gedenkorte) unterstützt.
    5. Die Einrichtung eines offiziellen Gedenkortes in Berlin, in Zusammenarbeit mit Vertreter*innen der Herero und Nama, um die Erinnerung an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts dauerhaft sichtbar zu machen.
    6. Eine Untersuchung, wie die deutsche Bundesregierung mit der Frage nach finanzieller Wiedergutmachung umgegangen ist.

     

    Zusätzlich fordern wir eine interne Auseinandersetzung der SPD mit ihrer eigenen kolonialen Geschichte und möglichen Mitverantwortung während des Kaiserreichs und darüber hinaus.

    Antrag 67/II/2025 Koloniales Unrecht in Namibia anerkennen – Reparationen, Rückgabe und Dialog mit den Betroffenen jetzt vorantreiben

    9.10.2025

    TW: Gewalt, Völkermord, sexualisierte Gewalt

     

    Zwischen 1904 und 1908 verübte das Deutsche Kaiserreich in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika einen systematischen Völkermord an den Herero und den Nama. Etwa 65.000 Herero und 10.000 Nama wurden ermordet – durch Massaker, Lager, Hunger und medizinische Experimente. Die koloniale Gewalt war rassistisch motiviert und wurde offen als Vernichtungskrieg geführt. Die Bundesregierung bezeichnete im Jahr 2021 die Verbrechen als Genozid ”nach heutigem Verständnis” und verabschiedete gemeinsam mit der namibischen Regierung eine “gemeinsame Erklärung”.

     

    Dies war laut Bundesregierung keine völkerrechtliche Entschuldigung, sondern nur eine politische Erklärung. Vertreter*innen von Herero und Nama forderten bereits 2021 eine völkerrechtliche Anerkennung, da rechtliche Ansprüche auf Reparationen ansonsten nicht gegeben sind.

     

    Diese Erklärung enthielt einige Lücken: Keine direkte Reparation, sondern sog. Entwicklungszusagen ohne verbindliche Beteiligung der Opfergruppen. Außerdem entsprach der Umfang der über 30 Jahre avisierten Leistungen von 1,1 Milliarden € nicht einmal besonders hohen Unterstützungsmitteln. Keine konsequente Rückgabe menschlicher Überreste oder Kulturgüter, wie bereits intensiv in E3_1/22 besprochen, obwohl viele davon eindeutig identifizierbar sind. Kein Gedenkort in Deutschland, der das kollektive Erinnern ermöglicht.

     

    Die Herero und Nama gehören in Namibia bis heute zu den strukturell benachteiligten Gruppen, unter anderem aufgrund von Landenteignungen, fehlendem Zugang zu Bildung und fehlender politischer Mitsprache. Eine gerechte Erinnerungspolitik muss diese Realität anerkennen – und ihr aktiv entgegenwirken.

     

    Im August 2004 nannte die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die Gräueltaten von 1904 bis 1908 erstmals einen „Völkermord“ und bat in Namibia um Entschuldigung. Die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer ließ erklären, dass dies nur die private Meinung einer Ministerin sei.

     

    Wir stehen für Menschenrechte, postkoloniale Gerechtigkeit und internationale Solidarität. Es ist überfällig, dass Deutschland Verantwortung übernimmt durch Rückgabe und Reparationen – und für eine neue Haltung im Umgang mit kolonialem Erbe. Daher fordern wir eine gerechte und umfassende Aufarbeitung des Genozids an den Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) ein. Dazu fordern wir:

     

    • Eine Neuauflage und Erweiterung des deutsch-namibischen Versöhnungsabkommens unter gleichberechtigter Beteiligung von Repräsentant*innen der Herero- und Nama-Gemeinschaften
    • Anerkennung und finanzielle Reparationen über die bisherigen Entwicklungszusagen hinaus – ausdrücklich als Entschädigung für das kollektive Unrecht der kolonialen Gewalt und des Genozids
    • Die systematische Rückgabe menschlicher Überreste und Kulturgüter, die sich in deutschen Museen, Universitäten und privaten Sammlungen befinden, nach Namibia – in Kooperation mit lokalen Ahnenräten, Museen und zivilgesellschaftlichen Gruppen
    • Die Etablierung und Finanzierung wissenschaftlicher Austauschprogramme für Wissenschaftler*innen aus Namibia zur Erschließung, Systematisierung und Erforschung kolonialer deutscher Sammlungen, um Restaurierungen vorzubereiten und möglich zu machen
    • Die Einrichtung eines dauerhaften deutsch-namibischen Dialogforums, das die historischen Nachwirkungen des Genozids thematisiert, Versöhnungsinitiativen begleitet und konkrete Projekte (z. B. Bildungsprogramme, Gedenkorte) unterstützt
    • Die Einrichtung eines offiziellen , dauerhaften Gedenkortes in Berlin, in Zusammenarbeit mit Vertreter*innen der Herero und Nama, um die Erinnerung an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts dauerhaft sichtbar zu machen
    • Eine interne Auseinandersetzung der SPD mit ihrer eigenen kolonialen Geschichte und Mitverantwortung während des Kaiserreichs und darüber hinaus
    • Eine Aufarbeitung, wieso die deutsche Bundesregierung jahrzehntelang strategisch die Frage nach Reparationen herauszögert
    • Die Thematik soll in den Rahmenlehrplänen enthalten sein.
    • Weiterführenden Schulen wird empfohlen eine Exkursion im Rahmen des gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts zu Gedenkorten durchzuführen, vorzubereiten und im Unterricht nachzuarbeiten.

     

    Antrag 69/II/2025 Abschieben um jeden Preis? Keine Verhandlungen mit Terrorregimen!

    9.10.2025

    Die SPD-Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgefordert sofort die Planungen des Bundesinnenministeriums zu stoppen, nach denen mit den Taliban als de facto Regime Afghanistans bezüglich Abschiebungen nach Afghanistan verhandelt werden soll. Entsprechend werden Abschiebungen und/oder sonstige Rückführungen nach Afghanistan sofort ausgesetzt und bleiben auch ausgesetzt. Afghanistan wird nicht als sog. “sicheres Herkunftsland” geführt oder de facto als solches behandelt. Diplomatische Beziehungen werden nicht mit der Taliban aufgenommen. Die  Aufnahme afghanischer Ortskräfte wird schnellstmöglich und mit Nachdruck umgesetzt; wie auch bereits seitens des VG Berlin in mehreren Verfahren entschieden.