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Antrag 86/I/2022 Die SPD fordert das Ende der Verfolgung und den Schutz von Julian Assange

17.05.2022

Die Bundesregierung, die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratische Fraktion des EU-Parlaments werden aufgefordert, sich in den internationalen Beziehungen mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) für die Freilassung des im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in England wg. Hochverratsvorwürfen in den USA in Auslieferungshaft verwahrten Gründer der Plattform Wikileaks Julian Assange einzusetzen und seine Freilassung unverzüglich zu erwirken.

Antrag 88/I/2022 Völkerstrafrecht stärken auf nationaler und internationaler Ebene

17.05.2022

Im Jahr 2022 Jahr feiern wir das 20-jährige Jubiläum des Inkrafttretens des Römischen, Statuts, der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag sowie das Bestehen des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) in Deutschland. Anlässlich dieses Jubiläums, des erfolgreichen Al-Khatib-Verfahrens in Koblenz, weiterer Verbrechen in Syrien sowie der Ukraine und anderswo, sowie des Bekenntnisses im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, die „Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen weltweit zu beenden“ sowie sich für die „Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts einzusetzen“, fordern wir die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dazu auf, Völkerstrafrecht auf nationaler wie internationaler Ebene konkret zu stärken.

 

Auf nationaler Ebene betrifft dies drei zentrale Punkte: das Schließen der Regelungslücken im deutschen Völkerstrafgesetzbuch und die Anpassung an das Römische Statut hinsichtlich der Straftatbestände des Verschwindenlassens sowie der sexualisierten, reproduktiven und geschlechtsbezogenen Gewalt; das Sicherstellen der stärkeren Beteiligung von Betroffenen und des besseren Zugangs der Zivilbevölkerung an Prozessen; und das Stärken der personellen und materiellen Ausstattung der für die Prozesse zuständigen Strafsenate der Oberlandesgerichte und der Generalbundesanwaltschaft sowie das Verbessern der internationalen Zusammenarbeit.

 

Auf internationaler Ebene gilt es, den Internationalen Strafgerichtshof und Beweissicherungsmechanismen zur Aufarbeitung von Straftaten politisch und finanziell umfassend, dauerhaft und nicht nur anlassbezogen, umfassend zu unterstützen.

 

Stärkung des Völkerstrafrechts auf nationaler Ebene

1. Verfolgen des Straftatbestands des Verschwindenlassens:

Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch erkennt den Tatbestand des zwangsweisen Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an (§ 7 I Nr. 7 a) VStGB), formuliert aber eine engere Definition im Vergleich zum Römischen Statut. Dies erschwert oftmals die Nachverfolgung und Verurteilung des Verbrechens, wie zuletzt beim Al-Khatib Verfahren in Koblenz, und muss daher angepasst werden.

 

Daneben muss das Wissen über und die Fähigkeit zur Kontextualisierung des Verbrechens geschärft werden, um entsprechende Ermittlungen und schließlich die Verfolgung zu gewährleisten. Hierfür sind entsprechende Schulungen für Ermittler*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen notwendig.

 

2. Abschaffung geschlechtsbezogener Verzerrungseffekte:

Um eine effektive Verfolgung von sexualisierter, reproduktiver und geschlechtsbezogener Gewalt als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder als Kriegsverbrechen in Deutschland zu ermöglichen, muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, sowohl den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB als auch den des § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB zu reformieren und jedenfalls an die Mindeststandards des Römischen Statuts anzugleichen.

  1. Der Tatbestand der sexuellen Sklaverei und der Auffangtatbestand „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ müssen in die Auflistung der Tathandlungen aufgenommen werden.
  2. Das Tatbestandsmerkmal der erzwungenen Schwangerschaft muss entsprechend der Definition in Art. 7 (2) (f) Römisches Statut erweitert werden. Wer eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält, muss bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen auch dann bestraft werden können, wenn dies in der Absicht geschieht, schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen.
  3. Der dem internationalen Strafrecht fremde Tatbestand der sexuellen Nötigung sollte gestrichen werden.

 

3. Stärkere Beteiligung von Betroffenen an Prozessen:

  1. Um zu gewährleisten, dass die Betroffenen von Völkerstraftaten an Strafverfahren teilnehmen können und die hierfür erforderliche anwaltliche Unterstützung erhalten, müssen Völkerstraftaten nach dem VStGB (§§ 6 – 13) in den in § 395 Abs. 1 StPO (Nebenklagebefugnis) und § 397a Abs. 1 StPO (Rechtsanspruch auf Verfahrensbeistand) enthaltenen Katalog der dort angeführten Straftaten aufgenommen werden.
  2. Die Kommunikation und Dokumentation von Strafverfahren zu Völkerstraftaten muss erheblich verbessert werden, um die weltweite Aufmerksamkeit über derart besondere Verfahren im Sinne des Menschenrechtsschutzes zu erhöhen und Betroffene stärker zu involvieren. So sollte die Außenkommunikation der deutschen Gerichte, etwa von Form von Pressemitteilungen oder soziale Medien, intensiviert und regelmäßig in die jeweilige Sprache der Betroffenen übersetzt werden. Außerdem sollte die Dokumentation durch Betroffene während der Prozesse ermöglicht und Übersetzungsangebote gewährleistet werden.
  3. Daneben muss das Angebot psychosozialer Begleitung der – oftmals schwer traumatisierten Opfer und Zeugen – ausgeweitet werden. Die Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung nach § 406g StPO ist aktuell für die in § 397a StPO genannten Straftaten möglich. Dazu zählen die Verbrechen des VStGB nicht. Dies gilt es zu ändern.
  4. Ferner muss der Zeug*innenschutz verbessert werden. Als Vorbild können hier die Mechanismen des IStGH dienen.

 

Ausstattung der deutschen Gerichte verbessern und internationale Kooperation vertiefen

Es ist zu begrüßen, dass die personellen Mittel der Generalbundesanwaltschaft in den letzten Jahren erhöht wurden. Diese Mittel müssen jedoch weiter gestärkt werden. Um die Verfahren erfolgreich durchzuführen, muss insbesondere gewährleistet werden, dass auch die Spezialabteilungen innerhalb der einzelnen Anklagebehörden mit ausreichenden Personalmitteln ausgestattet sind. Im Interesse einer Effizienzsteigerung sollte geprüft werden, ob die Gerichtsbarkeit bei einem Oberlandesgericht gebündelt werden kann, das die Verfahren in Deutschland zentral bearbeitet.

 

Von zentraler Bedeutung für die Ermittlungen der Justizbehörden ist die Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Referat beim Bundeskriminalamt (Referat Völkerstrafrecht-Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV)) und den ZBKV-Ansprechstellen der Landeskriminalämter. Auf eine Stärkung dieser Stellen sollte hingewirkt werden.

 

Den Austausch mit der internationalen Strafgerichtsbarkeit und neuen Beweissicherungsverfahren wie dem von der UN-Generalversammlung geschaffenen IIIM- Mechanismus für Syrien oder dem vom UN-Menschenrechtsrat eingerichteten IIMM für Myanmar muss weiter vertieft werden. Der IIIM und IIMM könnte in einen permanenten Mechanismus umgewandelt werden, der bei Bedarf zur Anwendung käme, um Beweise zu sammeln und schließlich nationale und internationale Strafverfolgungsbemühungen zu unterstützen.

 

Daneben muss die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ausgebaut werden. Innerhalb der EU gilt es, die Kooperation im Rahmen des EU Genocide Networks zu stärken. Bei der Ermittlungszusammenarbeit können die EU-Agenturen, insbesondere Eurojust und Europol, einen wichtigen Beitrag leisten. Die Bundesregierung sollte ferner auf eine gemeinsame Initiative europäischer Staaten zur Stärkung der Strafgerichtsbarkeit sowie auf eine Harmonisierung der nationalen Völkerstraftrechtsansätze innerhalb der EU hinwirken.

 

An das Bündnis gegen Straflosigkeit im Rahmen der Allianz für Multilateralismus gilt es anzuknüpfen und konkrete Initiativen zu entwickeln und umzusetzen. Ein weiterer Anknüpfungspunkt könnte die Alliance for Democracy sein.

 

Stärkung des Völkerstrafrechts auf internationaler Ebene

Dem Internationalen Strafgerichtshof kommt unverändert eine zentrale Position in der Verfolgung von Völkerstraftaten zu. Es ist dringend notwendig, dass die Bundesregierung an ihrer finanziellen und politischen Unterstützung des IStGH anknüpft und weiter ausbaut sowie andere Staaten kontinuierlich davon überzeugt, dies ebenfalls zu tun. Zudem sind Investitionen, etwa in digitale Technologien, zur zeitgemäßen Verbrechensaufarbeitung unerlässlich geworden. Neben der unzureichenden finanziellen Ausstattung für die große Bandbreite an Verfahren ist ein Grundproblem beim IStGH die fehlende Planungssicherheit des eigenen Personals aufgrund einer relativ kurzfristigen Budgetplanung. Die aktuellen Ermittlungsbemühungen zu den russischen Verbrechen in der Ukraine verdeutlichen die Notwendigkeit, Kapazitäten zur Nutzung, Auswertung und Überprüfung digitaler Informationen zu stärken. Neben der Mittelerhöhung muss die Bundesregierung zugleich auf die konsequente Umsetzung der aktuellen Reformprozesse des IStGH, einschließlich der Reform des Auswahlverfahrens der Richter*innen, drängen.

 

Daneben sollte sich die Bundesregierung weiterhin bilateral und multilateral dafür einsetzen, dass sich weitere Staaten dem IStGH anschließen. Bei zentralen internationalen Akteuren wie den USA als ständigem Mitglied des UN-Sicherheitsrats muss die Bundesregierung ihre Bemühungen fortsetzen, eine Unterstützung der Arbeit des IStGH etwa in Form von Überweisungen von unter das Völkerstrafrecht fallenden Fällen (Kriegsverbrechen, Genozidverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) durch den UN-Sicherheitsrat oder den UN-Menschenrechtsrat an den IStGH oder ein gleichwertiges Ad-hoc-Tribunal sowie durch Unterstützung von Ermittlungen des Chefanklägers des IStGH zu erreichen.

 

Neben der Unterstützung für den IStGH sollte sich Bundesregierung dafür engagieren, internationale Beweissicherungsmechanismen (aktuell für Syrien, Irak, Myanmar) zu stärken und darauf zu drängen, eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen zu gewährleisten.

 

Um die Kriegsverbrechen in Syrien, Jemen und jüngst in der Ukraine zu ahnden, sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, Prozesse entweder durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für den IStGH oder durch Schaffung eines Ad-hoc-Tribunals einzuleiten.

Antrag 94/I/2022 Bedarfe von Flüchtenden und Geflüchteten mit Beeinträchtigungen sichern

17.05.2022

Wir sind solidarisch mit den Flüchtenden in und den Geflüchteten aus der Ukraine, deren Anzahl angesichts des völkerrechtswidrigen und brutalen Überfalls Putins zunehmen wird. Damit steigen auf allen föderalen Ebenen die mit der Aufnahme verbundenen Herausforderungen des Schutzes, der Unterbringung und Integration. Unsere Sorge gilt allen Geflüchteten unabhängig vom Herkunftsort.

 

Besorgniserregend ist die Situation der Menschen, die aufgrund ihrer hohen Vulnerabilität nicht eigenständig in der Lage sind, die Ukraine zu verlassen. Hierfür müssten dringend humanitäre Korridore geöffnet und für die Rettung dieser Personengruppen genutzt werden. Gleiches gilt für die Situation von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen in ukrainischen Pflege- und Waisenheimen oder der Behindertenhilfe.

 

Viele der geflüchteten Menschen mit Beeinträchtigungen und/oder psychischen oder chronischen Erkrankungen haben besondere Bedarfe und Bedürfnisse. Von den Verantwortlichen im Senat und in den Bezirksämtern, im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen erwarten wir, dass für eine gute Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten mit Beeinträchtigungen gesorgt wird. Hierbei ist auch in enger Kooperation mit Selbstvertretungsorganisationen zu gewährleisten:

 

  • Systematische Identifizierung von Geflüchteten mit Behinderungen und ihrer Bedarfe bei ihrer Ankunft
  • Durchführung psychologischer, physio- und sozialtherapeutischer Untersuchungen sowie eine ganzheitliche Erfassung und Bewertung des Gesundheitszustands und eine Erstellung eines Behandlungsplans mit Therapieempfehlungen für weiterbehandelte Ärzte*innen
  • Benennung übergeordneter Lots*innen auf Landesebene zur Koordination erster Schritte nach Ankunft.
  • Bereitstellung notwendiger Informationen in umfassend barrierefreier Form, u.a. in Leichter Sprache, in Gebärdendolmetschung, in Brailleschrift, etc..
  • Unmittelbare Bereitstellung dringend erforderlicher Hilfsmittel.
  • Bedarfsgerechte Unterbringung – möglichst außerhalb von Sammelunterkünften.
  • Für die medizinische Versorgung der Vertriebenen, die nach §§ 4 und 6 AsylbLG erfolgt, ist mit den Krankenkassen flächendeckend eine „auftragsweise Betreuung“ nach § 264 Abs. 1 SGB V zu vereinbaren.
  • Bundesweit sind die Kommunen auf die Sonderregelung des § 6 Absatz 2 AsylbLG für Vertriebene hinzuweisen. Diese Regelung ist weiter als § 6 Abs. 1 AsylbLG, der für Asylbegehrende gilt. Vertriebenen, die besondere Bedarfe und Bedürfnisse haben, wird danach die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt. Damit haben Vertriebene mit Behinderungen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Gleiches gilt für psychotherapeutische Leistungen. Um eine möglichst einheitliche und unkomplizierte Leistungsgewährung zu ermöglichen, ist z.B. durch ein Rundschreiben darüber zu informieren.
  • Sicherstellung, dass für die Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften Schutzmaßnahmen für Frauen und andere schutzbedürftige Personen wie Menschen mit Behinderungen getroffen sind bzw. werden (vgl. §§ 44 Abs. 2a, 53 Abs. 3 AsylG).
  • Unverzügliche Eingliederung von Kindern mit Behinderungen in Kitas und Schulen.
  • Schneller und unkomplizierter Zugang zu tagesstrukturierenden Maßnahmen (z.B. Tagesstätten der gemeindepsychiatrischen Dienste und Werkstätten für behinderte Menschen).
  • Barrierefreie Informationsangebote, Informationen in Leichter Sprache, Dolmetschung sowie Gebärdensprachdolmetschung vorhalten.
  • Hinzuweisen ist auf das Beratungsangebot der kommunalen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB).

 

Antrag 35/I/2022 Städte geschlechtergerecht entwickeln!

17.05.2022

Um Gleichstellung in der Stadtentwicklungspolitik voranzutreiben, werden alle Partei-, Fraktions- und Regierungsmitglieder der SPD in Bund und Land aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

 

  • Die Einführung einer umfassenden Datenbank aufgeschlüsselt nach Geschlechtern ist die wichtigste Grundlage, um geschlechtergerechte Städte verlässlich entwickeln zu können. Diese muss auf Bundesebene geschaffen werden. Neben Informationen zu Arbeitsentgelt, Haushaltseinkommen, Familienstruktur, Eigentums- und Vermögensverhältnissen und Nutzung von Verkehrsmitteln und anderen öffentlichen Dienstleistungen soll sie auch Daten zur Identifikation von Orten liefern, an denen es häufig zu sexistischen Übergriffen kommt. Es bedarf einer Übersicht, welche geschlechtsspezifischen Daten auf Städteebene in der EU verfügbar sind.
  • Die Festsetzung von Gender Budgeting und Gender Mainstreaming auf allen Verwaltungsebenen ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Stadtentwicklung. Dies muss sich vor allem auch in der Implementierung von gleichstellungspolitischen Kriterien im öffentlichen Vergaberecht, im Haushaltsrecht, im Zuwendungsrecht und bei der Entwicklung von Städtebauprogrammen widerspiegeln. Laut der Gleichstellungsstrategie für 2020-2025 legt die EU-Kommission einen Fokus darauf, mit der Richtlinie für sozialverantwortliche öffentliche Auftragsvergabe auch Geschlechtergerechtigkeit bei allen öffentlichen Aufträgen beachten zu wollen. Dieses Ziel muss auch in Deutschland auf allen Verwaltungsebenen eingehalten werden. Um die oftmals versteckten Auswirkungen von Programmen und Maßnahmen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen auch auf unteren Verwaltungsebenen bestmöglich analysieren zu können, sollte auf Bundesebene eine Taskforce eingesetzt werden, die einen Leitfaden zur Hilfe bei der Analyse und Aufstellung von Programmen und Haushalten, erstellt.
  • Ein verstärkter Fokus muss auf die Interdisziplinarität in allen Ausführungsschritten der Stadtplanung gelegt werden: So müssen beispielsweise auch bei der Aufstellung der Bebauungsplänen und im gesamten Bauplanungsprozess noch stärker Interessenvertreter:innen und Expert:innen für Gleichstellung einbezogen werden, um den Ansprüchen an eine „Stadt für Alle“ gerecht zu werden.
  • Die verbindliche Einbeziehung der lokale Interessenvertretungen (z.B. Frauen-, Gleichstellungs-, Queer-, Migrations-, und Senor:innenbeauftragte, Fraueninstitutionen, Frauenprojekte, Frauenrat, Frauenhäuser, Vertreterinnen von Frauen mit Behinderung, etc.), Jugendämter und Gender Mainstreaming Expert:innen im frühen Stadium der Planung, der Durchführung und Evaluation von städtebaulichen Vorhaben ist erforderlich.
  • Bei Digitalisierungsprozessen in der Verwaltung und bei städtebaulichen Vorhaben müssen Gleichstellungsexpert:innen einbezogen werden, um die oft fehlende Repräsentation in MINT-Berufen (MINT = Mathematik-Informatik-Naturwissenschaften-Technik) von Frauen auszugleichen. Auf EU-Ebene stellen Männer mehr als acht von zehn Arbeitnehmer*innen in MINT-Berufen. Diesem Mangel an Vielfalt muss in der Planung und Durchführung aktiv begegnet werden. Es gilt, bereits bestehende Technologien auf Gendergerechtigkeit zu untersuchen und Gender Mainstreaming-Expert:innen aktiv in kommenden Prozessen auf allen Verwaltungsebenen einzubinden.
  • Die paritätische Besetzung von Gremien und Jurys, die städtebauliche Vorhaben und Wettbewerbe begleiten und ausschreiben, ist sicherzustellen.
  • Polyzentrische Strukturen müssen geschaffen werden: Städtebauliches Ziel ist die Entwicklung lokaler Zentren, in denen Dienstleistungs- und Infrastruktureinrichtungen und Wohngebiete dezentral organisiert, gut vernetzt und aufeinander abgestimmt werden, um so den diversen Fortbewegungsarten von Frauen Rechnung zu tragen. Frauen legen häufiger Versorgungswege zurück und sind häufiger mit ihren Kindern unterwegs. Dies erfordert insbesondere den Ausbau eines umweltfreundlichen ÖPNV (Taktung, Zeiten etc.), sicherer und gut ausgebauter Radwege und breiternbarrierefreier Gehwege.
  • Erforderlich ist die Bereitstellung eines breiten Spektrums an Wohnungstypen und bezahlbarem Wohnraum, um auch alleinerziehenden Elternteilen, Senior:innen und weiteren diversen Bevölkerungsgruppen ein lebenswertes Zuhause in allen Stadtbereichen zu ermöglichen. Da Frauen und Senior:innen im Durchschnitt weniger Einkommen oder Rente beziehen, sind sie überdurchschnittlich hart von den stark steigenden Mieten in Ballungsgebieten betroffen.
  • Die Ausweitung von qualitativ hochwertigen öffentlichen Nutzungsflächen und Grünanlagen muss systematisch voran getrieben werden, um Treffpunkte innerhalb von Quartieren zu schaffen.
  • Gendergerechtes Bauen und gendergerechte Stadtentwicklung ist zum verbindlichen Bestandteil von Lehrplänen einschlägiger Studienrichtungen zu machen.

 

Der vorliegende Antrag ist ein Diskussionsauftakt. Im Rahmen einer folgenden Landesfrauenkonferenz soll die ASF Berlin sich mit dem Thema gendergerechte Stadtplanung und gendergerechte Mobilität im Detail beschäftigen.

 

Antrag 46/I/2022 Schulstraßen-Konzept nach Wiener Vorbild

17.05.2022

Zur Erhöhung der Schulwegsicherheit an Berliner Schulen fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat sowie die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus auf, sich dafür einzusetzen, dass in Berlin das Schulstraßen-Konzept nach Wiener Vorbild einführt und etabliert wird.

 

Zunächst soll das Konzept in Form eines Modellprojektes in Pankow, dem größten Schulbezirk Berlins erprobt und entwickelt werden.

 

Um die Einführung von Schulstraßen zu ermöglichen, muss auf Landesebene eine entsprechende Rechtsgrundlage für temporäre Fahrverbote vor Schulen im Berliner Mobilitätsgesetz geschaffen werden. Des Weiteren soll eine Bundesratsinitiative zur entsprechenden Änderung der Straßenverkehrsordnung gestartet werden. Wir fordern zudem unsere sozialdemokratischen Mitglieder im Bundestag auf, sich dafür einzusetzen