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Antrag 162/I/2020 Prostitutionsschutzgesetz reformieren

30.09.2020

Die SPD Mitglieder im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das Prostituiertenschutzgesetz in folgenden Punkten geändert wird:

  • Die Anmeldepflicht für SexarbeiterInnen zu einer Beratungspflicht umgewandelt wird
  • Bei der Anmeldung auch weiterhin andere Tätigkeiten angegeben werden können
  • Der sogenannte „Hurenpass“ abgeschafft wird
  • Die Beratungsangebote massiv ausgebaut werden
  • Ein Plan zur Bekämpfung des Menschenhandels im Zusammenhang mit der Prostitution vorgelegt wird
  • Dafür soll eine Art runder Tisch mit den verschiedenen Akteuren zum Thema Sexarbeit initiiert werden, der einen Aktionsplan entwickelt und finanziell ausreichend ausgestattet wird

 

Antrag 12/I/2020 Keine Verwirkung von Lohnansprüchen!

30.09.2020

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen, die die Verwirkung von Lohnansprüchen gesetzlich ausschließt. Dafür soll § 611a Abs. 2 BGB um den folgenden Satz ergänzt werden:

 

„Die Verwirkung der Vergütung ist ausgeschlossen.“

 

Die Mehrheit der Arbeitnehmer*innen in Deutschland leistet regelmäßig Überstunden. Viele von ihnen lassen sich diese Überstunden jedoch nicht ordnungsgemäß vergüten, weil sie eine Kündigung fürchten. Erst nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses ist die Position der Arbeitnehmer*innen stark genug, ihr Recht auf Überstundenvergütung durchzusetzen. Selbst wenn die Arbeitnehmer*innen dann den Schritt vor Gericht wagen, kann dieses Recht in der Praxis regelmäßig nicht durchgesetzt werden. Verantwortlich dafür ist der Rechtsgrundsatz der Verwirkung. Dieser besagt, dass die Arbeitnehmer*innen ihr Recht auf Überstundenvergütung verwirken, wenn sie ihr Recht über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht haben und die Arbeitgeber*innenseite sich darauf eingerichtet hat, dass die Arbeitnehmer*innenseite ihr Recht auch in Zukunft nicht durchsetzen würde.

 

Die gängige Rechtspraxis verkennt die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer*innen. Sie geht an der Realität des Arbeitslebens vorbei. Im Regelfall geht der Mensch seiner Arbeit mit einer klaren Vergütungserwartung nach. Daher kann es der Arbeitgeber*innenseite nicht zugebilligt werden, dass sie sich subjektiv darauf einstellen darf, die Arbeitnehmer*innen ab einem gewissen Zeitpunkt für ihre Überstunden nicht mehr bezahlen zu müssen.

 

Durch die Gesetzesänderung kann der Anspruch auf Überstundenvergütung nicht mehr verwirkt werden. Er unterliegt jedoch weiterhin der Verjährung und kann damit immer nur für die letzten drei Jahre durchgesetzt werden. Auch die objektive Schranke zur ehrenamtlichen Arbeit wird durch die Gesetzesänderung nicht verschoben.

Antrag 153/I/2020 Die Amtszeit Maaßen aufklären

30.09.2020

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der aufklären soll, ob und wie Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz rechten Organisationen Vorschub geleistet hat. Des Weiteren soll der Untersuchungsausschuss klären, in wiefern seine Handlungen die grundsätzliche Arbeit des Verfassungsschutzes während seiner Amtszeit beeinflusst haben und welche dieser Strukturen heute noch bestehen. Ziel ist es, aus diesen Untersuchungen konkrete politische Forderungen zur Zukunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz resultieren zu lassen.

 

Von August 2012 bis November 2018 war Hans-Georg Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damit war er 6 Jahre lang Leiter einer Behörde, deren Auftrag es einerseits ist, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu erhalten und Sicherheitsrisiken aufzudecken, indem sie Informationen über verfassungsfeindliche Gruppierungen sammelt, die andererseits aber über Kompetenzen verfügt, mit denen sie massiv in die Grundrechte von Bürger*innen eingreifen kann. Sein Verhalten vor, während und nach seiner Amtszeit lässt darauf schließen, dass Hans-Georg Maaßen weder die gebotene politische Neutralität noch die Grundrechtssensibilität besitzt, die dieses gleichermaßen mächtige wie gefährliche Amt erfordert. Seine gesamte Karriere zeigt, dass er ein ausgeprägtes rechtes Weltbild hat und nicht davor zurückschreckt, seine Entscheidungen als Beamter zulasten von Bürger*innen und der liberalen Demokratie aufgrund dieses Weltbildes zu fällen. Hans-Georg Maaßen verhält sich in der Öffentlichkeit, insbesondere seitdem er sein Amt nicht mehr innehat, auf eine Weise, die es sehr wahrscheinlich macht, dass auch seine Amtsführung durch seine politischen (rechten) Ansichten beeinflusst wurde. In Anbetracht der Versäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Bezug auf rechtsterroristische Straftaten, in deren Folge etliche Mitbürger*innen zu Schaden gekommen sind, ist die Aufarbeitung der Amtszeit von Hans-Georg Maaßen sehr nötig.

 

Seiner Promotionsschrift “Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht” wird in einer Rezension der ehemaligen Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff vorgeworfen, einseitig bei der Quellenbewertung vorzugehen und sich alle erdenklichen Szenarien zu überlegen, in denen Zuwanderung eine Bedrohung darstellen könnte. 2002 vertrat er in einem Gutachten für das Bundesinnenministerium die Auffassung, Murat Kurnaz, der über 4 Jahre in Guantánamo festgehalten wurde, sei nicht nach Deutschland zurückzuholen. Sein Aufenthaltsrecht sei verfallen, da er sich für mehr als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten hatte.

 

Dieser Rechtsauffassung wurde später vom Verfassungsgericht Bremen widersprochen. Dieses Gutachten ist ein erstes Indiz dafür, dass Maaßens rechte Gesinnung sein Verhalten als Beamter beeinflusst haben könnte.

 

Seine mangelnde Sensibilität für Grundrechte wurde 2015 besonders deutlich, als er dafür sorgte, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Blogger von netzpolitik.org durch den damaligen Generalbundesanwalt eingeleitet wurde. Er bestreitet zwar, das Verfahren gezielt gegen Journalisten angestrengt zu haben, diese Aussage ist aber nicht glaubwürdig, da es eindeutige Hinweise gibt, die das Gegenteil belege. Auch seine anhaltende, mit Verschwörungstheorien untermauerte Kritik an Edward Snowden sind ein Beleg für seine Unfähigkeit, den Stellenwert von Grundrechten in einer liberalen Demokratie zu erkennen.  In etwa zur selben Zeit führte Maaßen Gespräche mit führenden AfD-Politiker*innen. Inhalt dieser Gespräche war höchstwahrscheinlich die Frage, wie die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz verhindern könnte. Der genaue Inhalt der Gespräche ist nicht aufgeklärt, es gibt aber starke Indizien, wie geleakte Chatprotokolle von AfD-Funktionär*innen, die auf eine Sympathie Maaßens für die AfD hinweisen. Ein weiteres Indiz für Maaßens mangelhaftes Demokratieverständnis ist, dass er nachweislich den Bundestag belogen hat, als mit einer kleinen Anfrage abgefragt wurde, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz V-Leute im Umfeld des Attentäters Anis Amri hatte.

 

Gemeinhin bekannt und letztlich der Grund für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist Maaßens Versuch aus dem Jahr 2018 Angriffe auf ausländisch-aussehende Menschen in Chemnitz als gezielte Desinformationskampagne zu diskreditieren, wobei er auf rechte Narrative bediente.

 

Nach dem Ende seiner Amtszeit ist Maaßen immer wieder mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen. So diskreditiert er Medien und bezeichnet solche die ihm genehm sind als “West-fernsehen”. Auf Twitter teilte er auch Beiträge der rechtspopulistischen Plattform “Journalisten- Watch”.

 

In einer Markus Lanz-Sendung vom 18.12.2019 sagte Maaßen, Menschen die Asylunterkünfte angreifen seien keine “Rechtsextremisten” sondern stammen aus der bürgerlichen Mitte. Aufgrund der Geschichte des Verfassungsschutzes und der Verstrickung in die NSU-Morde ist hier besondere Vorsicht geboten. Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist bereits seit 2013 erklärtes Ziel der Jusos Berlin. Der Skandal um Maaßen knüpft hieran an. Das gefährliche Extremismus-Dogma zeigt hier seine Nähe zu rechten Einstellungen und Parteien. Im März 2019 rief er über Twitter indirekt dazu auf, im Thüringischen Landtag den AfD-Kandidaten Höcke zum Ministerpräsidenten zu wählen um den „SED-Kandidaten Ramelow“ zu verhindern.

 

All diese Umstände ergeben zusammengenommen das Bild, dass Hans-Georg Maaßen durchaus Sympathie für rechtsradikales Gedankengut hegt und nicht auszuschließen ist, dass er seine Macht als Präsident des BfV genutzt hat, um rechten Strukturen Vorschub zu leisten. Jedenfalls scheint er nicht erfolgreich darin gewesen zu sein, gegen diese vorzugehen. Daraus folgt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, aufzuklären, wie sich Maaßens Weltbild auf die Arbeit der Sicherheitsbehörde ausgewirkt hat und ob er durch sein Verhalten die Gefahr rechter Straftaten erhöht hat. Doch die Aufklärung der Präsidentschaft Maaßen darf sich nicht nur an der Personalie Maaßen orientieren. Es müssen auch mögliche hinterlassene Strukturen innerhalb des Verfassungsschutzes überprüft und wenn nötig, beseitigt werden. Insgesamt haben diese und viele weitere Vorfälle uns Jusos bereits in der Vergangenheit zur Überzeugung gebracht, die Abschaffung des Bundesamts für Verfassungsschutz zu fordern. Die bisherige Aufklärungsarbeit hat uns nicht davon überzeugt, von dieser Forderung abzuweichen. Außerdem sind ehemalige Mitarbeiter*innen Maaßens, die möglicherweise noch beim Verfassungsschutz tätig sind eingehend zu prüfen.

Antrag 145/I/2020 Den Begriff “Rasse” im Grundgesetz ersetzen

30.09.2020

Artikel 3 GG lautet seit seiner letzten Veränderung vom 15. November 1994 wie folgt:

 

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

 

Als SPD lehnen wir die Einteilung von Menschen in Rassen grundliegend ab. Die SPD und ihre Fraktionen setzen sich daher auf allen Ebenen und besonders als Fraktion des Deutschen Bundestages dafür ein, dass im Art. 3 Abs. 3 GG die Formulierung „wegen seiner Rasse“ durch die Formulierung „aufgrund einer rassistischen Zuschreibung“ oder eine mindestens gleich geeignete Formulierung ersetzt wird und regen nachdrücklich an, dazu „aufgrund einer antisemitischen Zuschreibung“ zu ergänzen. Ebenso fordern wir, dass sich die SPD Berlin und die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin dafür einsetzen, dass die Formulierung „wegen seiner Rasse“ im Art. 10 Abs. 2 Verfassung von Berlin ebenfalls „aufgrund einer rassistischen Zuschreibung“ ersetzt wird und in demselben Absatz „aufgrund einer antisemitischen Zuschreibung“ ergänzt wird.”.

 

Antrag 104/I/2020 Lehren aus Covid-19 - Öffentliche Gesundheitsdienste stärken!

29.09.2020

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats und die Berliner Abgeordneten des Bundestages werden aufgefordert:

 

1. Die aus dem „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel sowie weitere dauerhaft zur Verfügung zu stellende Mittel zu nutzen, um die Berliner öffentlichen Gesundheitsdienste

  • Kurzfristig besser in die Lage zu versetzen, ein lokales Wiederaufflammen der Covid 19-Infektion zu erkennen, zu dokumentieren und zu bekämpfen, und Institutionen, insbesondere Altenheime sowie besondere Risikogruppen, bei der Entwicklung von effektiven Konzepten und Maßnahmen der Vorbeugung von Erregereintragung zu unterstützen. Dazu müssen sie nicht nur finanziell und personell gestärkt sondern auch mit den entsprechenden wissenschaftlich begründeten und praktisch umsetzbaren Standardinstruktionen versehen werden.
  • Langfristig besser in die Lage zu versetzen, zukünftige Ausbrüche frühzeitig zu erkennen, zu dokumentieren, Informationen und Daten in zentrale EDV-basierte Systeme einzuspeichern und lokal zu bekämpfen.

 

Das in Berlin bereits beschlossene „Mustergesundheitsamt“ muss endlich auch in der Umsetzung in den Bezirken, insbesondere in Hinblick auf die Personalausstattung, umgesetzt werden. Der Berliner Senat und das Berliner Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, die dazu für die Bezirke vorgesehenen Mittel entsprechend zweckzubinden und somit sicherzustellen, dass die Mittel in den Bezirken nicht anders genutzt werden. Zudem sollte der bereits im Rahmen Aufstellung des bestehenden „Mustergesundheitsamts“ festgestellte Aufgabenrahmen im Rahmen einer partizipativen Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation die epidemiologische Kapazität und die Reaktionsfähigkeit der lokalen öffentlichen Gesundheitsdienste umfangreich gestärkt und weiter entwickelt werden.

 

2. Epidemiologisches und Public-Health-Knowhow gehören genauso zur Ausbruchsbekämpfung wie Virologie, Infektiologie, Versorgungsforschung, Allgemeinmedizin, Immunologie, Demographie, Pflegewissenschaft, Logistik, Ökonomie und andere relevante Disziplinen der Sozialwissenschaften sowie die Berücksichtigung der psychologischen und psychiatrischen Dimension.

 

  • Kurzfristig sollen die vorhandenen Kapazitäten in diesen Bereichen systematischer in Diskussions-, Beratungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden, auf lokaler Aktionsebene wie auf nationaler strategischer Ebene. Die “Gesundheitsstadt” Berlin soll hier eine entschiedene Vorreiter-Rolle spielen und entsprechende Impulse in die Bundespolitik sicherstellen.
  • Langfristig sollte eine Kapazitätsanalyse von existierendem Public-Health- und Epidemiologie-Knowhow erfolgen, wie dieses praxisorientiert gestärkt werden kann und welche Mittel dazu eingesetzt werden können. Dabei sollen insbesondere auch die Bedarfe an und von weiblichen Kompetenzträgerinnen berücksichtigt werden. Auch hier soll Berlin die spezifischen Chancen einer entsprechenden Wissenschafts- und Lehr-Landschaft für eine wegweisende Rolle nutzen.

 

Epidemiologie und Public Health müssen in der Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe adäquat berücksichtigt werden – insbesondere auch in der Facharztweiterbildung der Allgemeinärzt*innen, die als Erstkontakte der Bevölkerung eine besondere Rolle spielen.

 

3. Bundesprogramm „Public Health“ auflegen

Die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, zu fördern und Krankheit zu vermeiden stellt in Zeiten des Klimawandels, des demografischen Wandels und globaler gesellschaftlicher Transformationen unterschiedliche große Herausforderungen dar. Um auf diese angemessen reagieren zu können, wird eine koordinierte Zusammenarbeit starker Akteure aus öffentlichen Einrichtungen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik benötigt.

 

Der Berliner Senat wird aufgefordert, in der Gesundheitsministerkonferenz der Länder und des Bundes (GMK) die Bundesregierung aufzufordern, auf ein Bundesprogramm „Öffentliche Gesundheit (Public Health)“ aufzulegen. Dabei soll auch eine unabhängige Geschäftsstelle aus Bundesmitteln eingerichtet und unterstützt werden. Die Geschäftsstelle

 

  • koordiniert die Aktivitäten des Bundesprogramms Öffentliche Gesundheit;
  • dient der Politik als zentrale Ansprechpartnerin zu Fragen der Öffentlichen Gesundheit;
  • vernetzt die Akteure in Praxis, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik;
  • erarbeitet gemeinsam mit den Akteuren einen Aktionsplan und unterstützt seine Umsetzung;
  • unterstützt Akteure auf verschiedenen Ebenen darin, Entscheidungen zu fachlichen und politischen Themen zu treffen;
  • beantwortet Fragen zur Öffentlichen Gesundheit in Deutschland oder leitet sie an die zuständigen Institutionen weiter;
  • leistet Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit rund um das Thema Öffentliche Gesundheit.

 

Durch gemeinsame Initiativen und Aktivitäten der Leopoldina-Nationalen Akademie der Wissenschaft, von Bundesbehörden, Universitäten und Hochschulen, sowie öffentlichen Einrichtungen der Bundesländer und Kommunen hat sich in den letzten Jahren eine Aufbruchsstimmung entwickelt um die Öffentliche Gesundheit zu verbessern. Um dieses Momentum zu nutzen sollte die Vernetzung der Akteurinnen und Akteure und die Bündelung der Aktivitäten in Deutschland strukturell unterstützt werden. Ein Bundesprogramm „Public Health“ soll aufgelegt werden, welches einerseits prioritäre Handlungsfelder und Maßnahmen ausgestaltet und finanziell stärkt, andererseits eine unabhängige Geschäftsstelle des Bundesprogramms Public Health einrichtet. Dies soll die Kooperation zwischen Praxis, dem Öffentlichem Gesundheitsdienst (ÖGD), Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik stärken – um die Öffentliche Gesundheit nachhaltig zu verbessern.

 

4. Neben einer adäquaten Einordnung der Gefährdung durch einen bestimmten Erreger ist auch eine umfassende Bewertung des Gesundheitsnutzens und der Gesundheitsgefährdungen durch die vorgesehenen Kontrollmaßnahmen erforderlich;

 

  • kurzfristig sind die existierenden Verbindungen zu anderen Diensten hierfür zu verstärken (z.B. innerhalb der Gesundheitsämter zwischen den Abteilungen für Infektionsbekämpfung und dem Kinder- und Jugenddienst, über das Gesundheitsamt hinaus mit den Jugendämtern und Sozialdiensten, sowie anderen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren),
  • langfristig sollen die verstärkte Vernetzung und die verbesserte Einordnung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in den weiteren institutionellen Rahmen erfolgen (RKI, BZGA, Träger der Krankenversorgung, Träger der Kinder- Jugend- und Sozialhilfe, Betroffenen- und Selbsthilfegruppen, strategische Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Fachärzt*innen für Allgemeinmedizin, etc.). Auch hier ist die besondere Rolle von Frauen zu berücksichtigen.

Für das Land Berlin soll eine gender- und gesellschafts-balancierte Task-Force eingerichtet und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden, die in einer entsprechenden Krisen-Situation fach- und sektor-übergreifendes Know-how bündeln und effizient für Entscheidungsfindungen aufbereiten kann.

 

5. Risikoabschätzung und Risikokommunikation auf epidemiologisch-wissenschaftlicher Grundlage müssen gestärkt werden, in der Fachwelt, in den Medien, im politischen Diskurs, in den zuständigen Institutionen, und dies in einer Sprache, die es den Bürger*innen ermöglicht, die Entscheidungen in der Epidemie-Situation zu verstehen und kompetent zu bewerten. Hierzu ist eine kohärente Wissenschaftskommunikation und eine Kommunikationsstrategie erforderlich, die mit evidenzbasierten, belastbaren Daten der wachsenden Flut von „Fake News“ in einer verständlichen Sprache entgegenwirkt. Der gegenwärtige Lernprozess in der Auseinandersetzung mit der Corona-Pandemie zeigt deutlich die Schwierigkeiten, aber auch die Möglichkeiten, die einer solchen Stärkung in einer offenen Gesellschaft innewohnen.

 

Auch hier soll Berlin als Wissenschafts- und Medien-Standort eine Vorreiterrolle übernehmen. Dazu sollen Fördergelder für entsprechende Untersuchungen und Studien ausgelobt und evtl. ein diesbezüglicher multisektoraler Forschungs- und Lehr-Schwerpunkt aufgebaut werden.

 

Darüber hinaus soll Berlin entsprechende Initiativen im Bund anregen und fördern.