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Antrag 60/II/2021 Schweigen durchbrechen! Schutz vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung durch Akteure der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe!

9.11.2021

Am 28. September hat ein WHO-Bericht schwere Vorwürfe von Kongolesinnen über Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und sexuelle Ausbeutung durch WHO-Personal in der Demokratischen Republik Kongo bestätigt.

Nach Missbrauchsskandalen in Haiti durch Mitarbeiter von Oxfam 2018 ein erneuter Hinweis, dass das Verhalten von zivilen Helfern auf den Prüfstand muss, um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu verhindern und dem Eindruck der Straf- und Verantwortungslosigkeit unter dem Deckmantel der Hilfe entgegenzutreten.

 

Wir fordern

  • Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) muss seine Weigerungshaltung gegenüber der Einführung von Maßnahmen zum Schutz von gefährdeten Erwachsenen und Kindern vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung durch zivile Helfer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit durch sogenannte Safeguarding Richtlinien instellen und eine System von Safeguarding einführen – ein Verweis auf die Einführung durch die Durchführungsorganisationen reicht nicht!
  • Maßnahmen und Standards zu Safeguarding müssen in der entsprechenden Gleichstellungsstrategien der Bundesregierung bzw des BMZ verankert sein.
  • Unabhängige Kontrollen zum Einhalten von Safeguarding-Standards der in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und der humanitären Hilfe tätigen Durchführungsorganisationen und Zuwendungsempfänger müssen durch das BMZ und das Auswärtige Amt (AA) regelmäßig in Auftrag gegeben werden
  • Es müssen regelmäßig Daten zum Fehlverhalten im Kontext sexueller Gewalt von Mitarbeitern deutscher Durchführungsorganisationen und Zuwendungsempfängern erhoben und in einem Rechenschaftsbericht veröffentlicht werden.
  • Verfahren zum Melden von Fehlverhalten müssen in den Einsatzländern eingeführt und bekannt gemacht werden.
  • Eine neue Kultur von Safeguarding Policies, Audits und Reform der Strukturen und Kulturen, die diesen Machmissbrauch der sexuellen Ausbeutung hat entstehen lassen, muss erfolgen, inklusive der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen. Dazu gehört auch, mehr Frauen an Macht und Entscheidungen in Leitungsebene in Einsätzen der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen.
  • Sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch durch Mitarbeiter deutscher Durchführungsorganisationen und NGOs im Ausland müssen strafrechtliche Konsequenzen haben
  • Betroffene sexualisierter Gewalt durch Akteure der EZ oder der Humanitären Hilfe müssen entschädigt werden: durch Unterstützung beim Bestreiten des Lebensunterhalts ihrer livelihood Aktivitäten, medizinische und psychosoziale Unterstützung, und ggfs. einkommensschaffende Maßnahmen zur Rehabilitierung. Kinder, die durch die sexualisierte Gewalt entstanden sind, müssen Garantien auf gesundheitliche Fürsorge und Bildungsunterstützung haben.

 

Antrag 61/II/2021 Für eine konsequente sozialdemokratische Russlandpolitik!

9.11.2021

Der Umgang mit Moskau auf der internationalen Bühne ist in letzter Zeit immer schwieriger geworden. Europas Beziehungen zu Russland sind immer wieder Rückschlägen ausgesetzt. Innenpolitisch hat Moskau nicht erst mit der Vergiftung des Oppositionellen Alexej Nawalny seine brutale Seite gezeigt. Das wurde auch durch die zahlreichen Inhaftierungen und die massive und repressive Polizeigewalt als Reaktion auf regierungskritische Proteste nach der Verurteilung Nawalnys sichtbar. Dies reiht sich ein in eine mittlerweile lange Liste der vergifteten, getöteten, bedrohten, verhafteten oder ins Exil getriebenen Kritiker*innen.

 

Gleichzeitig sind bei den politischen Machthabern in Russland Korruption und Kleptokratie an der Tagesordnung, wie zuletzt auch durch die Enthüllungen der “Pandora-Papiere” belegt. Wirtschaft und Gesellschaft werden für die Eigeninteressen einer kleinen Elite instrumentalisiert. Dies führt insbesondere bei Teilen der jüngeren Generation zu Empörung. Die Parlamentswahlen im September 2021, die als die unfairsten und unfreisten Wahlen seit dem Ende der Sowjetunion bezeichnet werden können,[1] haben gezeigt, dass politische Mitbestimmung eine Illusion ist und nicht-systemtreue Kandidat*innen systematisch unter Druck gesetzt und ausgeschlossen werden. Eine neue Repressionswelle, bei der Proteste verboten und Teilnahme hoch bestraft wird, zeigt, dass die autokratische Entwicklung Russlands eine neue Qualitätsstufe erreicht hat. Dabei geraten auch zunehmend deutsche Organisationen und Medien sowie ihre Kooperationspartner, wie zum Beispiel Memorial und die Deutsche Welle, unter Druck.

 

Auch international befinden sich Russland und die EU sowie ihre Partner und Verbündeten im geopolitischen Konflikt. In Afrika, Osteuropa und im Nahen Osten verfolgt Russland politische und militärische Interessen, die die regelbasierte Ordnung unterminieren, und versucht eine Einflusszone sowie Machtinstrumente gegen die EU und NATO aufzubauen. Dabei werden – wie in der russischen Verteidigungsdoktrin dargelegt – nicht nur militärische, sondern auch politische und wirtschaftliche Instrumente wie zum Beispiel Desinformation eingesetzt, um Konflikte zu gewinnen.

 

Mit Blick auf die neusten Entwicklungen ist zu erwarten, dass die Repressionen noch zunehmen werden, je mehr gesellschaftliche Unzufriedenheit sich rührt. Klar ist: Jegliche Stärkung und Legitimation des russischen Machtsystems geht zu Lasten der russischen Bürger*innen, insbesondere Menschenrechtsverteidiger*innen, Umweltaktivist*innen und Kämpfer*innen für soziale Gerechtigkeit. Eine sozialdemokratische Russlandpolitik muss primär darauf zielen, die russische Zivilgesellschaft zu stärken und sich solidarisch zu zeigen mit den Bürgerinnen und Bürgern statt mit den Machthabern und Eliten.

 

Es ist unsere Verantwortung, unabhängige zivilgesellschaftliche Initiativen zu unterstützen und Kritiker*innen Schutz zu bieten, die im In- und Ausland der Gefahr von Attentaten ausgesetzt sind. Wir unterstützen das Streben nach Demokratie und politischer Beteiligung durch die russische Zivilgesellschaft, unabhängig davon, dass einzelne Oppositionspolitiker*innen wie Nawalny auch kritisch zu betrachten sind. Nur durch freie, gleiche und demokratische Wahlen kann echte Partizipation erreicht und Menschenrechte durchgesetzt werden.

 

Die Einbindung der Zivilgesellschaft muss ganz klar im Mittelpunkt einer sozialdemokratischen Russlandpolitik stehen, die langfristig und strategisch die Zukunft Russlands und der deutsch-russischen und europäisch-russischen Beziehungen im Blick hat. Dabei soll der schwierige Dialog mit russischen Entscheidungsträger*innen fortgesetzt werden, insbesondere bei den drängendsten Herausforderungen von heute, wie dem Klimawandel und der Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele wie der Agenda 2030 der Vereinten Nationen.

 

Trotz dieses Bekenntnisses zum Dialog reicht ein Kurs des „Weiter so“ mit Blick auf das neue Level der Autokratisierung und Repression, das in den letzten zwei Jahren erreicht worden ist, sowie der sich ausbreitenden Korruption und Kleptokratie in Russland, nicht aus. Auf Worte müssen Taten folgen! Die Bundesregierung und die Regierungskoalition unter Führung der SPD müssen entschieden für Menschenrechte einstehen, auch wenn diese möglicherweise Wirtschaftsinteressen gegenüberstehen, und sie gegen staatliche Repression verteidigen. Die personenbezogenen Sanktionen durch die Bundesregierung und weitere Staaten der Europäischen Union sind dafür alleine nicht ausreichend.

 

Deswegen fordern wir:

  • die SPD-Bundestagsfraktion sowie die Mitglieder der Bundesregierung auf, sich klar gegen die Menschenrechtsverletzungen durch die russische Regierung zu positionieren und weitere entsprechende Maßnahmen zur Sanktionierung von verantwortlichen Eliten und Machthabern zu ergreifen. Diese sollen sich ausschließlich gegen für Menschenrechtsverletzungen Verantwortliche richten, und nicht der Bevölkerung schaden. Russische Oligarchen sind oft Komplizen der politischen Machthaber und sollten daher mit einbezogen werden. Maßgeblich dafür ist das EU-Menschenrechts-Sanktionsregime auch unter Einsatz der erst vor kurzem von der EU verabschiedeten neuen Sanktionsinstrumente zur individuellen Ahndung von Menschenrechtsverletzungen.
  • als symbolische Geste der Solidarität mit unseren Nachbarn und zur Stärkung der EU als glaubwürdige Akteurin die Einbeziehung der EU Battlegroups in der NATO Enhanced Forward Presence in den baltischen Staaten.
  • den Kampf gegen Korruption und Geldwäsche zu verstärken. Aus Russland exportiertes schmutziges Geld darf in der EU keinen Platz haben. Das europäische und deutsche Finanzsystem darf nicht mehr wie aktuell für die russische Geldwäsche missbraucht werden. Die EU und alle ihre Mitgliedstaaten müssen entschieden gegen Geldwäsche, organisiertes Verbrechen, Desinformation und Propaganda auf europäischem Boden vorgehen.
  • mehr Räume und Förderung für kulturelle, soziale und politische Initiativen für russischsprachige Deutsche, die ein primäres Ziel russischer Desinformation sind.
  • die Weiterführung des Dialogs über eine allgemeine Visaliberalisierung, insbesondere für die Jugend, zur Förderung des gesellschaftlichen Austauschs.
  • besseren Schutz russischer Oppositioneller und Regierungskritiker*innen in der Bundesrepublik, beispielsweise durch ein humanitäres Visaprogramm, damit die russische Diaspora und Geflüchtete in Deutschland und Europa solange wie nötig einen sicheren, vertrauenswürdigen und willkommenen Hafen vorfinden.
  • „Die Bundesregierung und den Senat von Berlin dazu auf: eine „Osteuropauniversität in Berlin“ einzurichten und zu finanzieren, die eine neue Heimstätte für unabhängige Forschung durch Wissenschaftler*innen aus Russland und Belarus außerhalb ihrer Länder ermöglichen wird und dadurch einen Beitrag zur Ausbildung der wissenschaftlichen Elite für die Zeit nach Vladimir Putin beitragen kann
  • Unterstützung für unabhängige Medienprojekte aus der russischsprachigen Welt vorzusehen, die gegen die Propaganda der regierungsnahen und regierungseigenen Medien aus Russland wirken. Diese kann in Form spezieller Fortbildungsprogramme, Unterstützungsstipendien, Zuschuss- und Darlehensprogramme und weitere Instrumente erfolgen.“

 

[1] https://www.swp-berlin.org/publikation/russlands-dumawahl-2021

 

Antrag 64/II/2021 Keine Unterstützung für Diktatoren – Ausländer*innen-Reisepässe für afghanische und syrische Geflüchtete Jetzt!

9.11.2021

Wir fordern die künftige Bundesregierung  auf syrischen und afghanischen Geflüchteten mit subsidiärem Schutz einen Reisepass für Ausländer*innen als Passersatz zu gewähren, damit diese nicht in Kontakt mit der syrischen oder der afghanischen Botschaft treten müssen.
Wir fordern weiter, dass sich die Bundestagsfraktion dafür einsetzt, diese Verwaltungspraxis im gesamten Bundesgebiet zu ändern.

Antrag 67/II/2021 Corona-Impfstoffe global zugänglich machen und Impfstoffspenden ermöglichen

9.11.2021

Trotz fortschreitender Dauer der Pandemie existiert noch immer dramatische Verteilungsungleichheit keine ausreichende Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus in weiten Teilen der Welt. Insbesondere in Afrika wird ein Großteil der Länder das Ziel der WHO bis Jahresende 40% der Bevölkerung zu impfen, verpassen. Bestehende Versorgungsengpässe im globalen Süden werden durch das aktuelle Regelungsregime nicht gelöst. Gleichzeitig besteht in Deutschland und in vielen Industrieländern inzwischen aufgrund der nur noch langsam voranschreitenden Impfkampagne ein Überangebot an Impfstoff.

Aktuellen Lieferverträge erlauben eine Spende oder Weiterverkauf von ungenutzen Impfstoffdosen nur mit Zustimmung des jeweiligen Herstellers.

Neben des fehlenden Impfstoffes tragen auch strukturelle Faktoren wie Impfskepsis, schlecht ausgestattete lokale Gesundheitssysteme, sowie Logistikfaktoren wie Kühlkette, Lagerung und Transport dazu bei, dass die Impfkampagnen viele Länder nur schleppend vorankommen.

 

Deutschland soll sich vor diesem Hintergrund für eine nachhaltige, gerechte, globale Versorgung mit Impfstoffen stark machen.

 

Wir fordern deshalb:

  • Die nachhaltige, gerechte globale Versorgung mit Impfstoffen sollte ein zentrales außen- und gesundheitspolitisches Thema der neuen Bundesregierung sein.
  • Gerechte globale Impfstoffversorgung sollte im Zentrum der deutschen G7 Präsidentschaft 2022 stehen mit konkreten Finanzierungs- und Spendenneuzusagen der 7 reichsten Industrieländer.
  • Weitere Stärkung des multilateralen Ansatzes mit dem ACT-Accerlator (ACT-A) und der Impfstoffsäule COVAX im Zentrum. Die neue Bundesregierung sollte eine ausreichende Finanzierung des ACT-A auch 2022 sicherstellen und darauf einwirken, dass alle Industrieländer ihren gerechten Finanzierungsanteil für ACT-A beisteuern.
  • Bessere Förderung relevanter WHO-Initiativen (COVAX, COVID-19 Technology Access Pool, etc.)
  • Unterstützung der WTO-Initiative zur Aussetzung des Patentschutzes durch die Bundesregierung
  •  Das gezielte Schaffen von Anreizen für die Auslizenzierung durch die Impfstoffhersteller an Hersteller im globalen Süden.
  • Finanzielle und technische Unterstützung im Aufbau von Impfstoffproduktionskapazitäten insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, in enger Koordination mit der WHO und regionalen Initativen (etwa Africa CDC, PAHO, etc), um Abhängkeiten von Impfstoffimporten langfristig aufzulösen. etc.
  • Deutschland sollte sich dafür stark machen, dass Impfstoffe auch besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen erreichen, etwa in Konflikregionen oder Menschen auf der Flucht. Hierfür sollte inbesondere die humanitäre Reserve (Buffer) von COVAX weiter unterstützt werden.

 

Deutschland soll die folgenden Maßnahmen ergreifen um Spenden von überschüssigen Impfstoffen zu vereinfachen:

  • Klares Bekenntnis zur unentgeltlichen Abgabe aller überschüssiger Dosen ohne regionale Vorfestlegung an COVAX als zentrale multilaterale Plattform, auch 2022 und darüber hinaus.
  • Klärung aller rechtlichen Aspekte, insbesondere von Haftungsfragen für bereits bestehende Lieferverträge und ausgelieferte Impfstoffe
  • Im EU-Verband darauf hinwirken, dass die neuen Generationen von Lieferverträge Möglichkeiten enthalten, Impfstoffe ohne Herstellervorbehalt an Drittstaaten in Not zu spenden.
  • Neue Lieferverträge am tatsächlichen europäischen Bedarf ausrichten, um eine Überversorgung von Impfstoffen zu vermeiden.
  • Im EU-Verband darauf einwirken, dass die Hersteller größere Flexibilität betreffend der Abwicklung von Impfstoffspenden aus bestehenden Verträgen zeigen.
  • Mehr Transparenz in den Verhandlungen über Impfstofflieferverträge.
  • Schaffung eines geordneten Verfahrens für die Rückgabe ungenutzter Impfstoffe und Einrichtung einer zentralen Sammelstelle.
  • Bessere Koordination von Impfstoffabgaben im Kreis aller Geber, um eine gleichmäßige Verteilung von Impfstoffspenden zu garantieren und Überversorgung einzelner Länder oder Regionen vorzubeugen.
  • Unterstützung von Maßnahmen und Projekten, im Bereich Impfskepsis, ebenso wie Unterstützung von Ländern in den Umsetzungen der jeweiligen nationalen Impfkampagnen, damit verfügbar gemachter Impfstoff auch effizient genutzt werden kann.

 

        Antrag 72/II/2021 Hilfe für Helfende! Sonderprogramm für medizinisches Fach- und Pflegepersonal

        9.11.2021

        Die sozialdemokratischen Mitglieder der Landtagsfraktionen, der Bundestagsfraktion, der Landesregierungen und der Bundesregierung werden aufgefordert, sich in Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaften und Krankenkassen für ein umfassendes Hilfs- und Reha-Sonderprogramm einzusetzen, welches auf die Bedürfnisse des medizinischen und pflegenden Personals in den Krankenhäusern, den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und in der häuslichen Pflege zugeschnitten ist und spätestens nach Bewältigung der Pandemie – also des allgemeinen gesellschaftlichen Krisenzustands – bestenfalls aber bereits währenddessen gestartet wird.

        Die derzeitigen Eindrücke von zahlreichem Sterben über viele Wochen hinweg, hinterlassen auch beim Vollprofi Spuren. Mit einem unbürokratischen (!) Sonderprogramm für Erholungskuren, Rehamaßnahmen für Körper und Psyche, sowie Psychotherapien etc. muss dieser drohenden massenhaften Traumatisierung und Erschöpfung begegnet werden. Dies und vieles mehr, schuldet die Gesellschaft den in der Medizin Tätigen.