Archive

Antrag 153/I/2020 Die Amtszeit Maaßen aufklären

30.09.2020

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der aufklären soll, ob und wie Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz rechten Organisationen Vorschub geleistet hat. Des Weiteren soll der Untersuchungsausschuss klären, in wiefern seine Handlungen die grundsätzliche Arbeit des Verfassungsschutzes während seiner Amtszeit beeinflusst haben und welche dieser Strukturen heute noch bestehen. Ziel ist es, aus diesen Untersuchungen konkrete politische Forderungen zur Zukunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz resultieren zu lassen.

 

Von August 2012 bis November 2018 war Hans-Georg Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damit war er 6 Jahre lang Leiter einer Behörde, deren Auftrag es einerseits ist, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu erhalten und Sicherheitsrisiken aufzudecken, indem sie Informationen über verfassungsfeindliche Gruppierungen sammelt, die andererseits aber über Kompetenzen verfügt, mit denen sie massiv in die Grundrechte von Bürger*innen eingreifen kann. Sein Verhalten vor, während und nach seiner Amtszeit lässt darauf schließen, dass Hans-Georg Maaßen weder die gebotene politische Neutralität noch die Grundrechtssensibilität besitzt, die dieses gleichermaßen mächtige wie gefährliche Amt erfordert. Seine gesamte Karriere zeigt, dass er ein ausgeprägtes rechtes Weltbild hat und nicht davor zurückschreckt, seine Entscheidungen als Beamter zulasten von Bürger*innen und der liberalen Demokratie aufgrund dieses Weltbildes zu fällen. Hans-Georg Maaßen verhält sich in der Öffentlichkeit, insbesondere seitdem er sein Amt nicht mehr innehat, auf eine Weise, die es sehr wahrscheinlich macht, dass auch seine Amtsführung durch seine politischen (rechten) Ansichten beeinflusst wurde. In Anbetracht der Versäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Bezug auf rechtsterroristische Straftaten, in deren Folge etliche Mitbürger*innen zu Schaden gekommen sind, ist die Aufarbeitung der Amtszeit von Hans-Georg Maaßen sehr nötig.

 

Seiner Promotionsschrift “Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht” wird in einer Rezension der ehemaligen Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff vorgeworfen, einseitig bei der Quellenbewertung vorzugehen und sich alle erdenklichen Szenarien zu überlegen, in denen Zuwanderung eine Bedrohung darstellen könnte. 2002 vertrat er in einem Gutachten für das Bundesinnenministerium die Auffassung, Murat Kurnaz, der über 4 Jahre in Guantánamo festgehalten wurde, sei nicht nach Deutschland zurückzuholen. Sein Aufenthaltsrecht sei verfallen, da er sich für mehr als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten hatte.

 

Dieser Rechtsauffassung wurde später vom Verfassungsgericht Bremen widersprochen. Dieses Gutachten ist ein erstes Indiz dafür, dass Maaßens rechte Gesinnung sein Verhalten als Beamter beeinflusst haben könnte.

 

Seine mangelnde Sensibilität für Grundrechte wurde 2015 besonders deutlich, als er dafür sorgte, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Blogger von netzpolitik.org durch den damaligen Generalbundesanwalt eingeleitet wurde. Er bestreitet zwar, das Verfahren gezielt gegen Journalisten angestrengt zu haben, diese Aussage ist aber nicht glaubwürdig, da es eindeutige Hinweise gibt, die das Gegenteil belege. Auch seine anhaltende, mit Verschwörungstheorien untermauerte Kritik an Edward Snowden sind ein Beleg für seine Unfähigkeit, den Stellenwert von Grundrechten in einer liberalen Demokratie zu erkennen.  In etwa zur selben Zeit führte Maaßen Gespräche mit führenden AfD-Politiker*innen. Inhalt dieser Gespräche war höchstwahrscheinlich die Frage, wie die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz verhindern könnte. Der genaue Inhalt der Gespräche ist nicht aufgeklärt, es gibt aber starke Indizien, wie geleakte Chatprotokolle von AfD-Funktionär*innen, die auf eine Sympathie Maaßens für die AfD hinweisen. Ein weiteres Indiz für Maaßens mangelhaftes Demokratieverständnis ist, dass er nachweislich den Bundestag belogen hat, als mit einer kleinen Anfrage abgefragt wurde, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz V-Leute im Umfeld des Attentäters Anis Amri hatte.

 

Gemeinhin bekannt und letztlich der Grund für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist Maaßens Versuch aus dem Jahr 2018 Angriffe auf ausländisch-aussehende Menschen in Chemnitz als gezielte Desinformationskampagne zu diskreditieren, wobei er auf rechte Narrative bediente.

 

Nach dem Ende seiner Amtszeit ist Maaßen immer wieder mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen. So diskreditiert er Medien und bezeichnet solche die ihm genehm sind als “West-fernsehen”. Auf Twitter teilte er auch Beiträge der rechtspopulistischen Plattform “Journalisten- Watch”.

 

In einer Markus Lanz-Sendung vom 18.12.2019 sagte Maaßen, Menschen die Asylunterkünfte angreifen seien keine “Rechtsextremisten” sondern stammen aus der bürgerlichen Mitte. Aufgrund der Geschichte des Verfassungsschutzes und der Verstrickung in die NSU-Morde ist hier besondere Vorsicht geboten. Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist bereits seit 2013 erklärtes Ziel der Jusos Berlin. Der Skandal um Maaßen knüpft hieran an. Das gefährliche Extremismus-Dogma zeigt hier seine Nähe zu rechten Einstellungen und Parteien. Im März 2019 rief er über Twitter indirekt dazu auf, im Thüringischen Landtag den AfD-Kandidaten Höcke zum Ministerpräsidenten zu wählen um den „SED-Kandidaten Ramelow“ zu verhindern.

 

All diese Umstände ergeben zusammengenommen das Bild, dass Hans-Georg Maaßen durchaus Sympathie für rechtsradikales Gedankengut hegt und nicht auszuschließen ist, dass er seine Macht als Präsident des BfV genutzt hat, um rechten Strukturen Vorschub zu leisten. Jedenfalls scheint er nicht erfolgreich darin gewesen zu sein, gegen diese vorzugehen. Daraus folgt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, aufzuklären, wie sich Maaßens Weltbild auf die Arbeit der Sicherheitsbehörde ausgewirkt hat und ob er durch sein Verhalten die Gefahr rechter Straftaten erhöht hat. Doch die Aufklärung der Präsidentschaft Maaßen darf sich nicht nur an der Personalie Maaßen orientieren. Es müssen auch mögliche hinterlassene Strukturen innerhalb des Verfassungsschutzes überprüft und wenn nötig, beseitigt werden. Insgesamt haben diese und viele weitere Vorfälle uns Jusos bereits in der Vergangenheit zur Überzeugung gebracht, die Abschaffung des Bundesamts für Verfassungsschutz zu fordern. Die bisherige Aufklärungsarbeit hat uns nicht davon überzeugt, von dieser Forderung abzuweichen. Außerdem sind ehemalige Mitarbeiter*innen Maaßens, die möglicherweise noch beim Verfassungsschutz tätig sind eingehend zu prüfen.

Antrag 144/I/2020 Yas Tutuyoruz, Em Xemgîn – Konsequenzen aus den rassistischen Morden von Hanau ziehen!

30.09.2020

Die Morde von Hanau lassen uns auch mehrere Wochen nach dem Tattag schockiert zurück. Wir trauern und nehmen Anteil an dem Schicksal der betroffenen Familien und Communitys. Politisch sind wir es den Opfern schuldig, alles dafür zu tun, weitere rechtsterroristische Gewaltakte zu verhindern. Es kann nicht sein, dass der deutsche Staat immer und immer wieder darin versagt, Bürger*innen vor rassistischen Angriffen zu schützen. Aus dem Versagen der staatlichen Sicherheits- und Ordnungsbehörden müssen Konsequenzen folgen. Es ist für uns weder nachvollziehbar, dass ein behördenbekannter Anhänger eines zutiefst rassistischen und verschwörungsideologischen Weltbildes legal im Besitz von Schusswaffen sein darf und zudem relativ kurz vor der Tat einer ergebnislosen Routineüberprüfung unterzogen wird, noch ist es entschuldbar, dass auch 10 Jahre nach dem NSU die Gefahr durch rechten Terror von den Behörden weiterhin unterschätzt wird und nicht genug Ressourcen in seine Bekämpfung fließen.

 

Zusätzlich zur rassistisch motivierten rechten Waffengewalt stellt aber auch die Stigmatisierung der Politik, Medienberichterstattung und Polizei eine Gefahr für Migrant*innen in Deutschland. Schischa-Bars dienen für migrantisch bzw. muslimisch gelesene Menschen auch deshalb oft als Aufenthaltsort, weil ihnen an anderen Orten der Zutritt verweigert wird. Gleichzeitig haben Medien und politische Verantwortliche in der Vergangenheit mit ihrer Berichterstattung bzw. mit öffentlichen Aussagen dazu beigetragen, Shisha-Bars als kriminalitätsbelastete Orte zu stigmatisieren. Diese Stigmatisierung setzt sich in den oftmals mindestens fragwürdigen polizei- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen die Betreiber*innen fort. Dahinter verbirgt sich oftmals ein Generalverdacht, der sich gegen Menschen mit Migrationsgeschichte oder Migrant*innen richtet. Dahinter verbirgt sich im Kern Rassismus und diesem stellen wir uns entschieden entgegen.

 

Wir fordern deshalb

  • eine Verschärfung des Waffenrechts in der Gestalt, dass Schusswaffen, die für das Töten oder Verletzen von Menschen hergestellt werden, nicht länger legal als Sportwaffen besessen, benutzt oder vertrieben werden dürfen,
  • die Verpflichtung sämtlicher Bundes- und Landesbehörden dazu, relevante Erkenntnisse über Sportschütz*innen unverzüglich an die für die Ausstellung der Waffenbesitzkarte zuständigen Behörden zu melden,
  • eine verstärkte Sensibilisierung von Behördenmitarbeiter*innen im Umgang mit Bürger*innen, welche Verschwörungsideologien und Anzeichen eines rassistischen Weltbildes äußern,
  • die Kontrollmaßnahmen gegenüber Inhaber*innen einer Waffenbesitzkarte kritisch zu evaluieren und zu intensivieren,
  • bei den Staatsanwaltschaften Abteilungen für die Verfolgung von rechtsterroristisch bzw. rechts motivierten Straftaten einzurichten und sie finanziell und personell mit adäquaten Mitteln auszustatten,
  • bei der Polizei und bei Ordnungsbehörden verpflichtende Schulungen zu interkultureller Kompetenz anzubieten,
  • die polizei- und ordnungsbehördliche Praxis gegenüber Sisha-Bars kritisch auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.
  • eine Evaluation der psychischen Gesundheit als verpflichtendes Kriterium der turnusmäßigen Kontrolle von Waffenbesitzkarten hinzuzufügen

Antrag 125/I/2020 Femizid ist Mord und muss als solcher benannt werden!

30.09.2020

Der Begriff „Femizid“ bezeichnet Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts. Sie haben gemein, dass sie aus einem patriarchalen Hintergrund verübt werden. Häufig sind der Partner*, Expartner* oder anderweitig nahestehende Personen die Täter.“

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau* von ihrem Partner* oder Ex-Partner* getötet. Oft beginnt es mit einer Zurückweisung des Mannes* durch die Frau*. In der Presse ist dann häufig von „Familiendramen“ oder „Eifersuchtstaten“ zu lesen. Das klingt als hätten die Frauen* einen Anteil an dem, was ihnen angetan wird. Doch eine Verharmlosung und Relativierung der Gewalt gegen Frauen* findet sich nicht nur in der Berichterstattung, sondern auch in der Rechtsprechung wieder.
So genannte Trennungstötungen werden in der Regel als Totschlag und nicht als Mord gewertet, da keine niedrigen Beweggründe erkennbar sein. Dies wird oft damit begründet, dass „die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. Nicht nur wird hier ein Teil der Schuld vom Täter* auf das Opfer geschoben, patriarchale Besitzansprüche werden als persönliche Verletzlichkeit kaschiert und strafmildernd interpretiert. Die Trennung wird als besondere Kränkung für den Täter* empfunden, denn durch sie löst sich die Frau* aus dem vermeintlichen Besitzverhältnis heraus. Sie stellt den Besitzanspruch und somit den Status des Mannes* als „Eigentümer“ oder „Herrscher“ über den weiblichen* Körper in Frage. Trans Frauen*, deren alleinige Existenz die patriarchalen und gender binären Denkmuster der Täter* widersprechen, sind besonders durch diese Hassverbrechen gefährdet.

Durch den Akt des Tötens wird in den Augen des Täters* die Aneignung der Frau* und ihres Körpers als sein Eigentum wiederhergestellt. Der absolute Besitzanspruch über weibliche* Körper legitimiert für Täter* selbst die Tötung, den Femizid. Auf den Punkt gebracht: Der Mann* entscheidet, ob eine Frau* leben darf oder nicht. Wird eine Frau* von einem Mann* getötet, weil dieser sich alleine durch den Wunsch der Frau* nach einem selbstbestimmten Leben gekränkt fühlt, so ist dies nach unserem Verständnis ein niedriger Beweggrund. Die Idee, ein Mann könne eine Frau* besitzen, ist verachtenswert!

Deutlich leichter tut sich die Rechtsprechung und Öffentlichkeit bei sogenannten „Ehrenmorden“, die von türkisch- oder arabischstämmigen Tätern* verübt werden. Vor 15 Jahren wurde Hatun Sürücü von ihrem Bruder auf offener Straße erschossen, weil sie sich für ein eigenständiges und freies Leben entschieden hatte. Das Mordmerkmal wurde bei diesem Femizid nicht in Frage gestellt, obwohl auch hier männliche Vorherrschaft über die Lebensweise einer Frau* Auslöser der Tat war. Es ist nicht hinnehmbar. dass Frauenrechte in der Gesellschaft sowie Rechtsprechung nur von Relevanz sind, wenn gleichzeitig rassistische Narrative bedient werden.
Eine Zurückweisung führt dann zu Gewalt oder sogar zu Mord, wenn der Täter* glaubt, ein Anrecht auf die Frau* zu haben, sie zu besitzen. Wenn ihr abgesprochen wird, dass sie selbst über ihr Leben entscheidet und darüber, mit wem sie wie Beziehungen führt. Kurzum: Es ist der Frauen*hass des Täters*, der zu Gewalt und Mord führt, niemals die Frauen* selbst!

Indem man Frauen*morde nicht als solche benennt, ignoriert man diese patriarchalen Muster. Diese Ignoranz ist weitere Gewalt. Femizide und Gewalt gegen Frauen* müssen auch so benannt werden. Es sind keine „Beziehungstaten“ oder Fälle von „häuslicher Gewalt“. Diese Begriffe gaukeln vor, dass es Männer* und Frauen* gleichermaßen treffen kann und dass Geschlecht keinerlei Rolle spielen würde.

 

Wir fordern,

  • dass Femizide in den polizeilichen Statistiken als eine Form von Hassverbrechen erfasst werden.
  • dass Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts und damit auch Trennungstötungen von Frauen* als Form von Femiziden gewertet werden
  • dass Femizide als Morde aufgrund eines niedrigen Beweggrunds eingestuft werden.
  • dass die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung darauf hinwirken, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz eine gemeinsame Aufklärungskampagne über Hass auf und Gewalt an Frauen, mit dem Schwerpunkt gezielte Frauenmorde als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, durchführen.
  • dass die Existenz patriarchaler und genderbinärer Denkmuster in der Gesellschaft und unter Straftätern in der juristischen Ausbildung angemessen thematisiert wird.
  • dass Fortbildungen zu Femiziden für Richter*innen und Staatsanwält*innen angeboten werden!

 

Antrag 90/I/2020 Leave no one behind – Europäisch, Solidarisch, Menschlich!

30.09.2020

Seit Jahren spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab: Die europäische Asylpolitik! Eine Polizei, die Menschen, die vor Flucht, Hunger und Vertreibung fliehen, zusammenschlägt. Europäische Länder, die ihre Grenzen schließen, um Menschen den Wunsch auf Frieden und Sicherheit zu verwehren. Regierungen, die um die Aufnahme jedes Fluchtsuchenden unsolidarisch feilschen.

 

Dann Oktober 2015 – Auf einer Insel vor der Küste Griechenlands entsteht das größte Flüchtlingslager in Europa seit dem Mauerfall. 19.000 Menschen leben hier unter unmenschlichen Bedingungen: Mangelnde Versorgung, desaströse hygienische Bedingungen und Gewalt. Moria war bereits vor der Corona- Zeit Ort tiefer Besorgnis.

 

Das sich mit Corona die ohnehin schon besorgniserregende Situation noch weiter verschlimmert hat, braucht nicht weiter ausgeführt werden.

 

So verwundert es auch nicht, dass neben Ärzte ohne Grenzen noch 16 weitere NGOs eine sofortige Evakuierung des Lagers fordern. Die Reaktion der griechischen Regierung ist eine andere: Gerade einmal 500 der 19.000 Menschen wurden seit Mai aus dem Lager evakuiert. Weiterhin sollen die minderjährigen Geflüchteten zwar Asyl erhalten und können so innerhalb von zwei bis vier Wochen die Lager verlassen, jedoch müssen sie sofort eine Unterkunft und Arbeit finden, um sich selbst finanzieren zu können. Unfassbar, wenn man bedenkt, dass es sich um Minderjährige handelt, die die geforderten Sprachen größtenteils nicht beherrschen, psychisch geschädigt sind und dringend medizinische Versorgung benötigen. Natürlich bedeutet dies für viele der Weg in die Obdachlosigkeit, illegaler Arbeit oder Prostitution.

 

Und die deutsche Bundesregierung?

Berlin hat angekündigt 300 Menschen aufnehmen zu wollen – Thüringen will weitere 500 unbegleitete Geflüchtete aufnehmen. Alles scheitert an einer Person: Horst Seehofer. Sein Vetorecht zu den Landesaufnahmeprogrammen begründet er dabei mit einem „bundeseinheitlichen Handeln“.  Er verweist damit auf Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes, wonach das „Einvernehmen“ des Ministeriums bei Landesaufnahmeprogrammen nötig ist, um die „Wahrung der Bundeseinheitlichkeit“ herzustellen. Zurecht bezeichnen viele Politiker*innen dieses Vorgehen als Skandal. Denn was soll hier gewahrt bleiben? Die Abschottungspolitik? Ein einheitliches inhumanes Vorgehen gegen Geflüchtete?

 

Der Fall Moria ist ein trauriger Höhepunkt einer seit Jahren andauernden rassistischen Asylpolitik. Diese muss durchbrochen werden.

 

Wir als Jusos bleiben dabei, dass Menschen die vor Krieg, Hunger oder Verfolgung fliehen, selbstverständlich geholfen werden muss. Menschen gehören nicht in eingezäunte Lager.

 

Wir fordern deshalb:

 

  • dass der Bundesparteitag, die SPD-Bundestagsfraktion sowie die SPD-Regierungsmitglieder das Vorgehen des Bundesinnenministers verurteilen und darauf hinwirken, dass es den deutschen Bundesländern erlaubt wird, Landesaufnahmeprogramme für die Geflüchteten auf Lesbos aufzustellen.
  • dass sich der Bundesparteitag, die SPD-Bundestagsfraktion, die SPD-Regierungsmitglieder, dafür einsetzen, auf eine gerechte und gleichmäßige Verteilung der Geflüchteten hinzuwirken. Gerade Deutschland muss mit seiner historischen Verantwortung, die humanitäre Hilfe als Selbstverständlichkeit begreifen und es als Pflicht ansehen, notleidenden Menschen zu helfen
  • die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament, den Vorsitzenden des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und deren sozialdemokratischen Mitgliedern sowie die sozialdemokratischen Regierungen Europas auf, sich für eine sofortige Schließung Morias und eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten einzusetzen. Dass ein solches Lager überhaupt in Europa existiert, kann wahrlich als Schande bezeichnet werden.
  • die S&D-Fraktion im Europäischen Parlament, den Vorsitzenden des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und deren sozialdemokratischen Mitgliedern sowie die sozialdemokratischen Regierungen Europas auf, sich dafür einzusetzen, dass das europäische Asylrecht dahingehend umgestaltet wird, dass bereits unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die sich im Asylprüfungsverfahren befinden, mit sofortiger Wirkung ein oder beide Elternteile nachholen dürfen. Zudem soll die Grundsatzentscheidung des EuGHs von 2018 im gesamten EU-Gebiet 1:1 umgesetzt werden. Demnach dürfen unbegleitete Geflüchtete ihre Eltern bei einem positiven Asylbescheid nachholen. Dies gilt auch dann, wenn Sie während ihres Asylverfahrens 18 Jahre alt werden. Dieses Urteil wird bei weitem (z.T. nicht mal in Deutschland) umgesetzt.
  • dass eine PG Flucht & Migration der Jusos Berlin eingesetzt wird. Die erwähnte rassistische Asylpolitik zu durchbrechen bedarf weiterhin intensiver Arbeit. Dabei müssen wir stetig die Themen rund um Flucht und Migration in der Gesellschaft thematisieren, kampagnenfähig bleiben sowie Veranstaltungen und Aktionen weiterhin durchführen. Damit der Landesvorstand sowie die Kreisverbände, gerade im Hinblick auf die anstehenden Wahlen entlastetet werden können und gleichzeitig Mitglieder in diese Arbeit noch stärker involviert werden können, fordern wir die Einsetzung dieser PG. Es kann nicht sein, dass wir dieses Gebiet den Rechten überlassen, die es ständig für ihre widerliche Politik instrumentalisieren. Wenn wir einen Wandel der Gesellschaft antreiben wollen, müssen wir weiterhin der Motor sein!

Antrag 145/I/2020 Den Begriff “Rasse” im Grundgesetz ersetzen

30.09.2020

Artikel 3 GG lautet seit seiner letzten Veränderung vom 15. November 1994 wie folgt:

 

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

 

Als SPD lehnen wir die Einteilung von Menschen in Rassen grundliegend ab. Die SPD und ihre Fraktionen setzen sich daher auf allen Ebenen und besonders als Fraktion des Deutschen Bundestages dafür ein, dass im Art. 3 Abs. 3 GG die Formulierung „wegen seiner Rasse“ durch die Formulierung „aufgrund einer rassistischen Zuschreibung“ oder eine mindestens gleich geeignete Formulierung ersetzt wird und regen nachdrücklich an, dazu „aufgrund einer antisemitischen Zuschreibung“ zu ergänzen. Ebenso fordern wir, dass sich die SPD Berlin und die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin dafür einsetzen, dass die Formulierung „wegen seiner Rasse“ im Art. 10 Abs. 2 Verfassung von Berlin ebenfalls „aufgrund einer rassistischen Zuschreibung“ ersetzt wird und in demselben Absatz „aufgrund einer antisemitischen Zuschreibung“ ergänzt wird.”.