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Antrag 74/II/2021 Gemeinsam für mehr Patient*innen-Sicherheit - Interprofessionalität leben

9.11.2021

Der rasante Fortschritt in der modernen wissenschaftlichen Medizin hat dazu geführt, dass wir Menschen immer länger leben. Auch lässt sich beobachten, dass das Alter der Gesamtbevölkerung sukzessiv immer weiter ansteigt.

Dass wir immer älter werden stellt uns vor neue Herausforderungen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Herzinfarkte, oder Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes, treten mit einem fortgeschrittenen Lebensalter immer häufiger auf. Bei der Behandlung dieser Krankheiten sind im Alltag der Patient*innen viele Akteure des Gesundheitswesens beteiligt: Die Diagnose wird von den Haus- oder Fachärzt*innen gestellt, Apotheker*innen informieren über die Medikamente und deren Anwendung und Physiotherapeut*innen unterstützen den Genesungsweg oft durch weiterführende Maßnahmen. Pflegekräften kommt hier besonders in einer stationären Betreuung in der Klinik, aber auch in der ambulanten Betreuung zuhause eine besondere Bedeutung zu. Sie ebnen den Weg, damit alle anderen Maßnahmen ihre Wirkung entfalten können. Momentan laufen diese Prozesse der Patient*innenbehandlung nach einander ab und haben großes Potential, enger mit einander verzahnt zu werden.

Interprofessionalität

Die verschiedenen Professionen im Gesundheitswesen zeichnen sich durch ihr immenses Fachwissen in Ihrem spezifischen Gebiet aus. Von einer engeren Zusammenarbeit dieser Berufsgruppen – einer Interprofessionalisierung – kann dann gesprochen werden, wenn durch diese Zusammenarbeit das spezifische Fachwissen jeder Profession in die Therapie und den Genesungsprozess der Patient*innen einfließt. Die verschiedenen Blickwinkel ergänzen sich zu einem umfassenden Gesamtbild und befähigen das Versorgungsteam zu den bestmöglichen Entscheidungen zum Wohle der Patient*innen. Dies ist leider im Land Berlin, aber auch in der gesamten Bundesrepublik, noch die Ausnahme.

#Interprof – Was bringt das?

Bei einem medizinischen Notfall muss es schnell gehen. Doch wenn die akute Gefahr gebannt ist, werden Patient*innen oft noch eine längere Zeit im Krankenhaus behandelt. Für die stationäre Aufnahme ist das Wissen um die Medikamente, die bereits eingenommen werden, sehr wichtig. Einige Medikamente sind lebenswichtig, aber auch das Ergänzen der Medikation, wie es oft im Krankenhaus geschieht, setzt ein gutes Wissen über die bereits berstende Medikation voraus.

Dies ist ein kritischer Punkt in der Versorgung, bei dem Ärzt*innen und Apotheker*innen eng zusammenarbeiten müssen.  Beide Berufsgruppen haben bei der Auswahl der Medikamente einen anderen Blickwinkel und können nur gemeinsam die beste Entscheidung für die Behandlung der Patient*innen treffen. Nicht nur im Krankenhaus sollten Ärzt*innen und Apotheker*innen eng zusammen arbeiten, auch nach der Entlassung muss sich diese enge Absprache im ambulanten Bereich fortsetzen, wenn von den Medikamenten der Klinik auf die Medikamente zu Hause umgestellt werden muss. Leider gibt es große Unterschiede in der stationären und ambulanten Medikation.

Nach einem Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages gehen Schätzungen davon aus, dass es in Folge von vermeidbaren Medikationsfehlern zu ca. 500.000 Krankenhausaufnahmen pro Jahr kommt, Schätzungen zu Todesfällen bewegen sich im fünfstelligen Bereich.

Was muss sich ändern?

Dieses eine Beispiel zeigt, dass allein die gut funktionierende Zusammenarbeit von zwei Professionen viel Leid ersparen und sogar Leben retten kann.

Interprofessionalisierung bedeutet auch, Bewusstsein für die Kompetenzen der jeweils anderen zu schaffen. Der Gegenseitige Respekt muss durch gemeinsame Schulungen gestärkt werden; vorhandene Ressentiments müssen abgebaut werden. Wir fordern daher besonders in Landeseigenen Krankenhäusern die Interprofessionalität im Berufsleben zu stärken, beispielsweise durch professionsübergreifende Visiten. Darüber hinaus muss es, ähnlich wie bereits im Land Niedersachsen eingeführt, verpflichtend Apotheker*innen auf Krankenhausstationen geben.

Darüber hinaus müssen Anreize geschaffen werden, um auch in der Gesundheitsforschung Interprofessionalität im Sinne der Patient*innensicherheit Projekte zu fördern.

Hierbei sollen auch Studierenden- und Auszubildendenvertretungen, Betriebs- und Personalräte und die Gewerkschaften aktiv eingebunden werden.

Der Interprofessionelle Gedanke muss jedoch bereits vom ersten Tag an in Ausbildung und Studium gelehrt und gelebt werden. Wir fordern, dass in den Ausbildungs-, Studien-, und Approbationsordnungen besondere Lehrveranstaltungen mit fächerübergreifenden Lehrinhalten und Auszubildenden bzw. Studierenden implementiert werden. Den Berliner Senat fordern wir zudem auf, in der Gesundheitsminister*innen Konferenz entsprechende Anpassungen der Ausbildungs- und Studienordnungen einzubringen und für ihre zeitnahe Umsetzung einzustehen.

Forderungen

Wir fordern,

  1. Dass die Interprofessionalität im Gesundheitssystem gestärkt wird.
  2. die schrittweise, aber konsequente Einführung von Apotheker*innen auf Krankenhausstationen, ähnlich wie im Bundesland Niedersachsen.
  3. Die Beteiligung von Auszubildenden- und Studierendenverbänden sowie der Gewerkschaften an der Entwicklung von interprofessionellen Projekten.
  4. Die Implementierung der Interprofessionalität in die Ausbildungs-, Approbations- und Studienordnungen.

Antrag 81/II/2021 Kostenlose Menstruationsprodukte an öffentlichen Einrichtungen

9.11.2021

Am 24. November 2020 verabschiedete das schottische Parlament einen Gesetzesentwurf namens „Period Products (Free Provision) (Scotland) Bill“, der allen menstruierenden Menschen kostenlose Menstruationsartikel wie Tampons und Binden in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten zuspricht. Als erstes Land der Welt hat Schottland damit die Debatte über die finanziellen Nachteile des Menstruierens und die Normalisierung von Menstruationen gesetzlich aufgegriffen.

In Schottland hat 2020 eine Studie des Young Scott festgestellt, dass mindestens 20% der menstruierenden Schüler*innen und Student*innen Schwierigkeiten mit der Finanzierung von Menstruationsartikeln hatte. Viele der Befragten sahen sich auch nicht in der Lage, ihre Menstruationsprodukte so oft, wie eigentlich angebracht, auszuwechseln. Jede zehnte Person kann sich gar keine Menstruationsprodukte leisten. Laut einer Studie des britischen Portals Money Saving Heroes geben menstruierende Menschen im Jahr im Durchschnitt 552 Euro aus, was sich bei durchschnittlich 456 Perioden im Leben einer menstruierenden Person auf etwa 20.700 Euro addiert. Das führt dazu, dass sich viele Menschen keine oder qualitativ nur minderwertige Menstruationsartikel leisten können.

Dieses Phänomen, bekannt auch als Periodenarmut oder „period poverty“, kann dazu führen, dass die menstruierende Person nicht oder nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Periodenarmut ist – wie generell Armut, als auch die Periode betreffende Themen – gesellschaftlich tabuisiert und kann eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen darstellen. Die Nutzung von Ersatzprodukten wie beispielsweise Stoffresten, Toilettenpapier oder Socken kann durch Verunreinigung und Bildung von Keimen zudem die Gesundheit der betroffenen Person gefährden.

Deutschland hat zwar die Mehrwertsteuer auf Menstruationsprodukte am Jahresanfang von 2019 auf sieben Prozent gesenkt, diese Maßnahme hat jedoch aufgrund von Preiserhöhungen der Hersteller*innen zu keiner wirklichen Ersparnis geführt. Langfristig günstigere Alternativen wie Menstruationstassen sind oft nicht bekannt und aus biologischen, gesundheitlichen oder anderen Gründen auch nicht für alle Menschen eine Alternative.

Kostenlose Menstruationsprodukte sind eine Frage der Chancengleichheit und wären eine konkrete Maßnahme zur Gleichstellung der Geschlechter. Da menstruierende Student*innen in ihrem Bachelorstudium alleine durchschnittlich 141 Euro für Menstruationsprodukte ausgeben, wären sie gerade für Studierende, die BAföG beziehen und oft unter Periodenarmut leiden, eine große Hilfe. Eine weitere Folge der Anerkennung von Menstruationsprodukten als Teil des grundsätzlichen Hygienebedarfs wäre die Enttabuisierung und Beginn eines gesellschaftlichen Diskurses über Menstruationen. Weitere positive Effekte wären unter anderem eine Verbesserung der mentalen Gesundheit, die Verminderung der Sorge vor der Menstruation und die Erleichterung der Durchführung von Alltagsaktivitäten. Zusätzlich birgt der kostenlose Zugang zu Menstruationsartikeln einen großen Vorteil für alle, die das erste Mal ihre Periode bekommen. Da die Betroffenen meist nicht darauf vorbereitet sind und oftmals keine Hygieneartikel dabeihaben, es ihnen aber ggf. unangenehm sein kann, das erste Mal danach zu fragen, sind kostenfreie Menstruationsartikel eine gute Variante.

In Schottland haben laut einer Studie der Young Scots 87% der Befragten mindestens einmal auf die angebotenen Produkte zurückgegriffen. Kostenlose Menstruationsartikel in öffentlichen Einrichtungen wäre somit eine einfache, vergleichsweise kostengünstige und niederschwellige Chance, die Geschlechter- und Bildungsgerechtigkeit zu verbessern.

Immer öfter entschließen sich einzelne Universitäten, Schulen oder Arbeits- und Ausbildungsplätze, vor Ort Menstruationsprodukte kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Damit dies nicht der einzelnen Entscheidung der örtlichen Verantwortlichen überlassen wird, fordern wir die verpflichtende kostenlose Bereitstellung von Menstruationsartikeln an öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Universitäten, Stadtteilzentren, Bürger*innenämtern, Jugendclubs und Apotheken. Die zuständigen Bezirksämter sollen diese Regelung über die Bezirkshaushalte und ggf. mit finanzieller Unterstützung des Landes umsetzen. Entsprechende Fördermittel des Bundes sollen eingefordert werden.

Antrag 83.1/II/2021 Sexarbeit ist Arbeit!

9.11.2021

In unserer Gesellschaft denken viele bei “Prostitution” häufig an ein System, das Menschen dazu nötigt, ihren Körper und sexuelle Handlungen zu verkaufen. Dies ist jedoch ein Verständnis, das zu kurz greift. Gemeint ist dann häufig die Zwangsprostitution, welche wiederum strafbar ist. Eine sprachlich korrekte Trennung zwischen diesen beiden Begriffen ist wichtig, um kein fälschliches Bild von selbstbestimmter Sexarbeit zu zeichnen. Darüber hinaus ist es wichtig, eben diese selbstbestimmte Sexarbeit zu entstigmatisieren. Eine Lösung wie das Nordische Modell oder Sexkaufverbot, das lediglich Kund*innen kriminalisiert und dabei Sexarbeiter*innen außenvorlassen möchte, führt allerdings zu vermehrter Illegalität und Verdrängung der selbstbestimmten Arbeit und gefährdet so Sexarbeiter*innen – so ist es in Ländern erkennbar, die diese Regelung eingeführt haben.

 

Gerade im illegalen Bereich, in dem die Sexarbeiter*innen, die diese Arbeit ausüben, nicht selbstbestimmt sind, sind die psychischen Erkrankungen, wie Sucht, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Depressionen signifikant häufiger vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig haben diese Menschen einen deutlich erschwerten Weg ins Hilfesystem oder kommen erst gar nicht dahin. Während der Corona-Zeit hatten außerdem auch Sexarbeiter*innen massive Probleme, sei es durch Einkommensnot oder Berufsverbote mit darauffolgender unvermeidbarer Arbeit im illegalen Bereich. Deshalb gilt es besonders jetzt, erneut darauf hinzuweisen, in welchen prekären Situationen sich Sexarbeiter*innen befinden, und die Gewährleistung einer sicheren Ausübung dieses Berufs zu fordern.

 

Unser Ziel als Jusos ist es, diese Arbeit, wie jede andere auch, bestmöglich zu unterstützen und Sexarbeiter*innen zu schützen. Wir müssen Sexarbeiter*innen helfen, die diese Arbeit nicht zwanglos ausüben können und verschiedene Hilfsangebote schaffen. Die Selbstbestimmung des eigenen Körpers sollte immer unabdingbar sein – dabei dürfen Menschen, die diese Arbeit als ihren Beruf ansehen, nicht ausgeschlossen werden. Durch das Zusammenspiel dieser Aspekte ist die Lösung, alle Menschen, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen, zu kriminalisieren, ein Rückschritt für diejenigen, die diesen Beruf ohne Zwang oder sozio-ökonomischen Druck ausüben und bringt sie zudem in Gefahr.

 

Wir wollen alle Sexarbeiter*innen adäquat unterstützen und schützen und deshalb steht für uns fest:
Wir fordern einen Ausbau der finanziellen Förderung von Programmen, die Einsteiger*innen in die Sexarbeit begleiten.
Im Bereich der Sexarbeit gibt es Programme wie z.B. von Hydra e.V., die Treffen und Beratungen organisieren, um die Menschen auf ihren Beruf vorzubereiten. Hier besteht die Möglichkeit, sich offen und ohne Scham über schon bereits gemachte Erfahrungen auszutauschen und zu lernen, wie man sich schützen kann. Es ist unabdingbar, dass in diesem Bereich eine stärkere und bessere Vernetzung stattfinden kann. Deshalb ist eine staatliche Förderung solcher Programme sinnvoll und sollte finanziell ausgebaut werden.

 

Wir fordern eine Förderung der Ausübung selbstbestimmter Sexarbeit, in dem das Meldeverfahren einer solchen Tätigkeit wie für eine Selbstständigkeit reduziert und die gesundheitliche Betreuung vereinfacht wird.

Teile der Sexarbeit sind zwar legal, allerdings kann man diesen Bereich durch vereinfachte Bürokratie und aktive Unterstützung vergrößern. Dabei hilft es z.B., dass angemietete Wohnungen der Arbeiter*innen unkomplizierter als Geschäftsräume akzeptiert und als Arbeitsstelle registriert werden. Des Weiteren sollten regelmäßige ‚Gesundheits-CheckUps‘ auch bei Hausärzt*innen oder Gynäkolog*innen gemacht werden können und nicht nur wie so häufig in gesonderten Stellen. Die allgemeine Absonderung durch das Prostituiertenschutzgesetz berücksichtigt nicht den Fall einer völlig eigenständigen Arbeit, sondern drängt die Menschen wieder in eine Opferrolle.

 

Wir fordern eine Förderung der Entstigmatisierung des Berufs und einer aktiven Aufklärungsarbeit, die schon im Schulunterricht beginnt.

Ein großer Teil der Bevölkerung schließt Menschen mit diesem Beruf aus Teilen des gesellschaftlichen Lebens aus, hat Vorurteile und stigmatisiert diese Menschen. Deshalb ist es unabdingbar schon früh Schüler*innen den Unterschied zwischen selbstbestimmter Sexarbeit und Zwangsprostitution aufzuzeigen. In Verbindung mit Aufklärungsunterricht sollten Programme entwickelt werden, die alle Aspekte der Sexarbeit thematisieren, die Gefahren, aber auch, dass es Menschen gibt, die diesen Beruf selbstbestimmt ausüben. Des Weiteren sollten Menschen, die aussteigen wollen, Unterstützung, auch gesetzlich, gegen Diskriminierung erhalten. Es ist immer noch der Fall, dass ehemalige Sexarbeiter*innen große Lücken in ihrem Lebenslauf bei Bewerbungen in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass sie keine Ausbildung oder einen Job bekommen, wenn sie angeben, was sie beruflich gemacht haben. Die gesellschaftliche Entstigmatisierung und Akzeptanz selbstbestimmter Sexarbeit, würde also auch bedeuten, dass Menschen selbstbestimmt aus diesem Beruf aussteigen können und nicht dadurch fürchten müssen, keine Anstellung im Anschluss zu finden.

 

Wir fordern die stärkere finanzielle, materielle und personelle Förderung von Programmen für Aussteiger*innen aus der Zwangsprostitution, Prostitution und Sexarbeit im Rahmen von Notunterkünften und niedrigschwelligen Beratungsstellen.

Ebenfalls ist es eine wichtige Aufgabe, allen Menschen, die diese Arbeit nicht mehr machen wollen oder nie machen wollten, schnelle und einfache Möglichkeiten zu bieten, aus der Prostitution bzw. Sexarbeit auszusteigen. Hierfür gibt es bereits vorhandene Strukturen, die erweitert und staatlich gefördert werden sollten. Beratungsstellen helfen dabei den Sexarbeiter*innen Bewerbungen zu formulieren, sie zu schützen und vor potenzieller Gewalt abzuschirmen. Auch hier wird deutlich das Strukturen wie Frauen*häuser ausgebaut und die Platzzahl erhöht werden muss. Die Beratungsstellen begleiten diese Menschen oft über einen langen Zeitraum, weshalb mehr geschulte Sozialarbeiter*innen in diesem Bereich benötigt werden. Organisationen wie z.B. Olga e.V. (Unterstützung primär bei Drogenabhängigkeit von Frauen*) oder Hydra e.V. sind sehr nah und niedrigschwellig bei Sexarbeiter*innen und können so besser eingreifen und unterstützen. Häufig ist es so, dass eine lange Begleitung notwendig ist, weshalb es umso wichtiger ist Strukturen wie Notunterkünfte, niedrigschwellige Beratungen und Zukunftsperspektiven staatlich zu fördern und die vorhandenen Strukturen auszubauen und zu fördern.

 

Wir fordern eine Änderung des Prostitutionsgesetzes (ProstG), sodass die Eigenständigkeit und Selbstständigkeit von Sexarbeiter*innen stärker herausgestellt und gefördert wird.

2016 wurde das Prostitutionsgesetz novelliert. Das neue Prostitutionsschutzgesetz sieht u.a. eine Kondompflicht, eine Registrierung und regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen vor. Das Gesetz weist allerdings Mängel aus. So fehlt bspw. eine klare Differenzierung zwischen selbstständig ausgeführter Arbeit (einzelner oder Zusammenschlüsse von Sexarbeiter*innen) und Sexarbeit über “Zwischenhändler*innen”. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, selbstständige Arbeitsmodelle bzw. selbstständig organisierte Gruppen zu fördern. In der Konsequenz kann das Geschäftsmodell nur als durch Sexarbeiter*innen selbst organisiertes weiter bestehen. Sexarbeiter*innen müssen außerdem Anspruch auf Sozialleistungen erhalten.

 

Wir fordern die Förderung und den Ausbau von professioneller therapeutischer Begleitung im Bereich der Sexarbeit und Prostitution.

Dieser Beruf ist, auch wenn selbstbestimmt, psychisch belastender als viele andere Berufe. Die häufigen Grenzüberschreitungen, die stattfinden können, müssen ähnlich auch wie in anderen Berufen, aufgearbeitet werden. Deshalb sollten es spezielle Begleitmöglichkeiten geben, die Sexarbeiter*innen niedrigschwellig in Anspruch nehmen können. Eine Integration von Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und approbierte Psychotherapeut*innen, die auf diesen Bereich spezialisiert sind, sollte in den Beratungs- und Vernetzungsstellen etabliert werden. Damit könnten Situationen, in denen Grenzen überschritten wurden, beziehungsweise Arbeit, der nicht selbstbestimmt nachgegangen wird, besser aufgearbeitet und begleitet werden. Durch diese Form der Absicherung, garantiert man erneut, dass Menschen auf absolut freiwilliger Basis und selbstbestimmt in diesem Beruf arbeiten können. Durch therapeutische Maßnahmen können Sexarbeiter*innen ebenfalls lernen, kritische Situationen zu vermeiden.

 

Wir fordern die Erweiterung und Förderung eines niedrigschwelligen Zugangs zur Gesundheitsprävention von vulnerablen Gruppen.

Die bestehende Testpflicht für Sexarbeiter*innen wurde von vielen Sexarbeitsverbänden kritisch gesehen. Dies liegt darin begründet, dass eine Pflicht unterstellt, dass Sexarbeiter*innen zwingend alle Krankheiten hätten, was zur Stigmatisierung der Personen und des Berufs beiträgt. Professionell ausgeführte Sexarbeit findet meist in stark kontrollierten Kontexten statt, in welchen die Sexarbeiter*innen selbst ein hohes Bewusstsein für Hygiene und gesundheitliche Vorsorge haben. Zudem sind sie die einzige Berufsgruppe, bei der diese Art der Testpflicht besteht, was bereits eine Unterstellung und Diskriminierung in sich darstellt.

Durch weniger professionalisierte Bereiche der Sexarbeit treten sexuell übertragbare Krankheiten allerdings immer noch häufiger auf als anderswo.

Um die bestehende Testpflicht für Sexarbeiter*innen zugänglicher und diskriminierungsfreier zu gestalten, ist eine Umgestaltung der Maßnahmen notwendig.

Dafür braucht es die Möglichkeit, sich in regelmäßigen Abständen kostenlos präventiv bei Hausärzt*innen oder Gynäkolog*innen testen lassen zu können. Sexarbeiter*innen sollen Zugang zu regelmäßigen (Selbst-)Tests haben, um sowohl sich selbst schnell testen zu können, als auch potenzielle Kund*innen. Dabei müssen alle Testmöglichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Neben der direkten Testung der Sexarbeiter*innen ist es unabdingbar, auch die Gesamtbevölkerung regelmäßig zu testen. Eine selbstverständliche und kostenlose Testung bei den üblichen ärztlichen Check-Ups führt neben der Entdeckung von Infektion auch zu einer massiven Entstigmatisierung von sexuell übertragbaren Erkrankungen.

 

Ziel unseres politischen Handelns und Tuns, als Jungsozialist*innen, ist die Überwindung des Patriarchats und des Kapitalismus, die ausbeuterische Strukturen ermöglichen und begünstigen. Die im den voraus genannten Maßnahmen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, eine rein selbstbestimmte Sexarbeit zu ermöglichen und sicher zu gestalten. Klares Ziel ist, dass Sexarbeit nur freiwillig ausgeübt wird. Wer dies aber tut, verdient vollständige gesellschaftliche Akzeptanz, keine Benachteiligung und eine vollständige Entstigmatisierung. Denn Sexarbeit ist Arbeit!

Antrag 84/II/2021 Für eine echte Förderung weiblicher und diverser Literatur: Berliner Literaturpreis für Frauen und nicht-binäre Personen!

9.11.2021

Der literarische Kanon ist sehr männlich geprägt. Viele Schüler*innen beenden ihre Schulzeit, ohne als Schullektüre auch nur ein einziges Buch einer Autorin gelesen zu haben. Die Initiative #frauenlesen hat es sich zur Aufgabe gemacht zu untersuchen, wie es um die Repräsentation der Geschlechter in den Medien und der Literaturbranche steht. Die Ergebnisse decken sich mit vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft: Frauen und nicht-binäre Personen werden strukturell benachteiligt. Bei den 13 höchstdotierten Literaturpreisen in Deutschland gewinnen Männer fünfmal häufiger als Frauen*.

 

Die Förderung vielfältiger Literatur muss ein zentrales Anliegen einer modernen und bunten Stadt wie Berlin sein. Was wir lesen prägt unseren Blick auf die Welt. Es ist also an der Zeit, dass im öffentlichen Diskurs nicht mehr überwiegend die Literatur weißer cis-männlicher Personen besprochen wird. Frauen* und nicht-binäre Personen schreiben schließlich von jeher auch; ihren Werken wird nur weniger Beachtung geschenkt. Es ist eben kein Zufall, dass z.B. die Werke Lew Tolstois zur großen Weltliteratur zählen, kaum Leser*innen aber die Bücher seiner Frau Sofja Tolstaja, die selbst eine hervorragende Schriftstellerin war, kennen. Was als literarisch wertvoll gilt, bestimmen Männer seit Jahrhunderten.

 

Die geschlechterspezifischen Unterschiede in der Literaturbranche beginnen schon vor den Preisverleihungen. So werden Bücher von Männern eher im Hardcover veröffentlicht, während jene von Frauen eher im deutlich weniger prestigeträchtigen Format Taschenbuch verlegt werden. Für Literaturpreise werden meist jedoch Bücher nominiert, die als hochliterarisch gelten und im Hardcover erschienen sind. Zudem werden im Feuilleton mehr Bücher von Männern besprochen: Knapp zwei Drittel der Besprechungen drehen sich um Bücher von Männern. Auch die Personen, die die Kritiken verfassen, sind überwiegend männlich. Schließlich sind auch Rezensionen, welche von Männern verfasst werden im Schnitt länger als die von Frauen* und ihnen wird damit mehr medialer Raum gegeben. Schaffen es Bücher von Frauen* allerdings dennoch nominiert zu werden, so zeigt sich das „Genderauge“. Das Phänomen des „Genderauge“ beschreibt, dass am meisten Literaturpreise an Bücher gehen, die sowohl von einem Mann verfasst wurden als auch aus der Perspektive eines Mannes geschrieben sind. Darauf folgen Bücher, die zwar von Frauen* geschrieben wurden, jedoch aus der Perspektive eines Mannes erzählen. Am wenigsten Preise gewinnen solche Bücher, die von Frauen* und über Frauen* sind. Die Welt aus einer männlichen Perspektive wird öfter ausgezeichnet als die aus anderen Perspektiven. So gibt es viel weniger Identifikationsmöglichkeiten für nicht cis-Männer in preisgekrönter Literatur.

 

Auch die Jurys für Literaturpreise sind nicht gerade feministische Vorzeigegremien: Bei den acht höchst dotierten deutschen Literaturpreisen sind zusammen gerechnet gerade einmal 23 % der Mitglieder der Jury weiblich. Darüber hinaus sind nicht-binäre Juror*innen und Rät*innen in den Jurys überhaupt nicht vertreten.

 

Die staatlich geförderten Akademien glänzen auch nicht durch mehr Diversität: Bei der Berliner Akademie der Künste sind etwa nur 22 % der Mitglieder weiblich.

 

Es ist eine staatliche Aufgabe, Chancengleichheit zu fördern. In diesem Fall ist es also notwendig, der Literatur von Frauen* und nicht-binären Personen zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen.

 

Bei Literaturpreisen werden Frauen* und nicht-binäre Personen konsequent zu wenig nominiert und auch ausgezeichnet. Es geht nicht nur um unmittelbare Vorteile wie Ruhm und Geldpreise für Nominierte und Gewinner*innen, sondern auch darum den literarischen Blick auf die Welt diverser zu gestalten und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken.

 

Es ist höchste Zeit, die männliche Dominanz im Literaturkanon aufzubrechen!

 

Daher fordern wir u. a.

 

  • von der Senatsverwaltung für Kultur eine Schaffung eines Buchpreises ausschließlich für deutschsprachige Werke weiblicher und nicht-binärer Autor*innen, der mit 37.500 € genauso hoch wie der deutsche Buchpreis dotiert ist. Zudem soll eine paritätisch besetzte Jury den Preis verleihen.
  • Außerdem muss für solch einen Preis der Anspruch gelten, auch nicht-weiße Autor*innen und ihre Werke verstärkt zu berücksichtigen.

 

So wird Literatur, die von Frauen* oder nicht-binären Autor*innen verfasst wurde, mehr Raum in der Öffentlichkeit sowie Anerkennung entgegengebracht. Gute Literaturförderung ist auch feministische Literaturförderung.

 

Antrag 90/II/2021 Ausgleichstage für Feiertage am Wochenende einführen

9.11.2021

Die SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses Berlin wird aufgefordert sich für die folgende Ergänzung des Feiertagsgesetzes des Landes Berlin einzusetzen:

 

Fällt einer der in § 1 benannten allgemeinen Feiertage sowie der Tag der Deutschen Einheit auf einen Sonnabend, Sonn- oder anderen arbeitsfreien Feiertag, ist der kalendarisch nächstliegende Arbeitstag (Montag bis Freitag) als arbeitsfreier Ersatzruhetag.