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Antrag 39/I/2022 Planen und Bauen für eine inklusive (Stadt-)Gesellschaft

17.05.2022

Für sozialdemokratische Amts- und Mandatsträger*innen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene muss gelten: Eine vollumfängliche Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist unverzichtbarer integraler Bestandteil jeder Offensive für ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten sowie für eine inklusive Stadt- und Quartiersentwicklung. Nur barrierefreier Wohnungsbau verdient den Namen „sozialer Wohnungsbau“.

 

Auch Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und altersbedingten Beeinträchtigungen wollen selbstbestimmt und mit Assistenz oder Unterstützung überall leben – auch sie wollen Wahlmöglichkeiten in den Metropolregionen, in den Mittelstädten ebenso wie auf dem Land. Es gilt daher nicht besondere sondern inklusive Wohnformen zu schaffen. Dies ist nur mit der konsequenten Umsetzung einer umfassenden Barrierefreiheit möglich.

 

Bundesweit fehlen nach Aussagen diverser Studien, zuletzt vorgetragen auf dem „13. Wohnungsbau-Tag 2022“, ca. 3 Millionen barrierefreie und barrierearme Wohnungen. Allein in Berlin fehlen laut „Wohnraumbedarfsbericht 2019“ bis 2025 mindestens 116.000 barrierefreie Wohnungen. Im Wohnungsbestand fehlt es also schon jetzt und überall an bezahlbaren und barrierefreien sowie uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen für Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen.

 

Wir wollen eine inklusive, diskriminierungsfreie und offene Gesellschaft sein. Um dieses tatsächlich zu werden, müssen Wohnungswirtschaft, Politik und Gesellschaft „lernen“, dass kostenrelevant letztlich ausschließlich die zu geringe Beachtung der Barrierefreiheit ist. Barrierefreiheit von Anfang an spart kurz-, mittel- und langfristig enorme Ausgaben.

 

UN-BRK als zentrales Element der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik

 

Die Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und damit die Umsetzung der Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen ist bisher auf allen staatlichen Ebenen kein zentrales Element von Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Obwohl die UN-BRK die Bedeutung eines Bundesgesetzes mit Bindungswirkung für sämtliche staatliche Stellen hat, sind die für das Bauordnungsrecht zentralen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention u.a. zur Zugänglichkeit (Artikel 9 UN-BRK), zur Unabhängigen Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft (Artikel 19 UN-BRK) und zum Angemessenen Lebensstandard und sozialer Schutz (Artikel 28-UN-BRK) noch nicht bestmöglich umgesetzt.

 

Barrierefreiheit ist ebenso wie der Klimaschutz ein dringendst notwendiger  Qualitätsstandard für eine moderne zukunftsorientierte Infrastruktur sowohl im öffentlichen, gemeinwohlorientiertem als auch im privaten Alt- und Neubaubestand. Klimaschutz und Barrierefreiheit liegen beide im Interesse aller Bürger*innen mit und ohne Beeinträchtigungen. Für Menschen mit Behinderungen ist eine umfassende Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen allerdings die Grundvoraussetzung für Chancengerechtigkeit und soziale und diskriminierungsfreie Teilhabe.

 

Dem eklatanten Mangel an barrierefreiem Wohnraum ist im Bund als auch in Berlin zu begegnen. Wir fordern sozialdemokratische Amts- und Mandatsträger*innen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene auf, in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich Sorge zu tragen für:

 

  • Die Musterbauordnung (MBO) selbst muss endlich sämtliche Verpflichtungen der UN-BRK ausnahmslos integrieren. Auch alle daraus folgenden Regularien müssen sich eindeutig zur ausnahmslosen Umsetzung der UN-BRK verpflichten und so die realen gesellschaftlichen Bedarfe in unserer Gesellschaft aufgreifen. Das Bauordnungsrecht auf Basis der aktuell gültigen MBO setzt die UN-BRK nicht hinreichend um.

 

  • Barrierefreiheit muss bei Bauvorschriften zum durchgängigen Qualitätsstandard werden. Die Herstellung von Barrierefreiheit als Grundsatz der Bauleitplanung muss daher im Baugesetz des Bundes verankert werden.

 

  • Generell muss der gesamte Neubau im Mehrparteienwohnungsbau barrierefrei und ein deutlicher Anteil uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. Dafür wird in allen Bundesländern, auch in Berlin, die DIN 18040 in allen ihren Teilen zugrunde gelegt.

 

  • Leitbild für die Gestaltung der Städtebauförderung muss ein „Design for All“ sein. Die Entwicklung von inklusiven und umfassend barrierefreien Stadtquartieren ist so auszurichten, dass ein gleichberechtigtes, am Sozialraum orientiertes Zusammenleben aller Bürger*innen mit und ohne Be-Hinderungen erreicht wird. Die Städtebauförderung ist verpflichtend an Barrierefreiheit zu binden.

 

  • Förderprogramme und steuerliche Anreize für den Alt- und Neubau oder dem Büroumbau haben sowohl im Hinblick auf eine vollumfängliche Barrierefreiheit als auch dem Klimaschutz auf als gleichwertig anerkannte Effizienzstandards zu beruhen.

 

  • Die Mittel für die soziale Wohnraumförderung sind mit der Umsetzung von Barrierefreiheit ausnahmslos zu verbinden.

 

  • Die Mittel für das KfW Programm „Altersgerecht umbauen“ sind zu erhöhen, damit mehr Barrierefreiheit bei bestehenden Wohnungen erreicht wird.

 

  • Mit der verstärkten Nutzung öffentlicher Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus sind inklusive Wohnangebote zu realisieren. Bei der Vergabe von Grundstücken des Bundes an die Länder und Kommunen, des Bundes, der Länder und Kommunen an Dritte für den Wohnungsbau sind anspruchsvolle Zielvorgaben für inklusive barrierefreie Wohnangebote festzulegen.

 

Der UN-BRK ist bei der anstehenden Novellierung der Bauordnung Berlin umfassend gerecht zu werden. Ebenfalls ist bei der Überarbeitung des „Stadtentwicklungsplans Wohnen 2030“ das Kriterium Barrierefreiheit bedeutend stärker als bisher zu integrieren. Eine unsachgemäße Benachteiligung von Menschen mit Be-hinderungen ist sowohl u.a. durch die angestrebte Nachverdichtung vor allem in der Innenstadt als auch aus Kosteneinsparungsgründen zu verhindern.

 

Nichts über uns ohne uns

 

Wir fordern von unseren sozialdemokratischen Mitgliedern im Bundestag und in der Bundesregierung ebenso wie von unseren sozialdemokratischen Mitgliedern des Senates von Berlin und der Bezirksämter sowie von den sozialdemokratischen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen wohnungsbau- und städtebaupolitische Entscheidungen und Gesetzgebungsverfahren unter partizipativer Einbeziehung von Menschen mit Be-hinderungen und ihrer jeweiligen Selbstvertretungsorganisationen zu treffen. Die UN-BRK ist ebenso wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz -, das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) konsequent einzuhalten.

 

Wir wollen für Berlin eine Offensive für barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum- und Städtebau, zu der u.a. auch gehört:

 

  • Im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen muss die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen sowie die Interessensvertretungen der Menschen mit Behinderungen, insbesondere der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, beteiligt werden. Gleiches gilt für zahlreiche Leistungsträger der Eingliederungshilfe – auch unter ihnen sind zahlreiche Genossenschaften -, die mehr Selbstbestimmung im Lebensbereich Wohnen anstreben und daher mit in die Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen sind.

 

  • Die bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ansässige „Arbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen – Barrierefreies Bauen“ muss zügig wieder regelmäßig tagen. Ergebnisse sind auch direkt der politischen Spitze des Hauses zu übergeben. Gleiches gilt für die Koordinierungsstelle Barrierefreies Wohnen.

 

  • Insbesondere für einen den Rollstuhl nutzenden Menschen braucht es eine Vermittlungsstelle für barrierefreie und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnungen. Deren Arbeit würde durch ein zügig zu erstellendes Kataster für barrierefreie Wohnungen erleichtert.

 

  • Sachverständige für Barrierefreiheit sind gesetzlich zu verankern, damit die Einhaltung der Vorschriften zur Barrierefreiheit und die damit verbundenen Schutz- und Gewährleistungspflichten staatlicherseits auch hinreichend geprüft und sichergestellt werden. In den Senats- und Bezirksverwaltungen sind dringend Sachverständige für Barrierefreiheit einzustellen.

 

  • Es sind mieter*innenschutzrechtliche Lösungen zu finden, die für einen barrierefreien Umbau keine Zustimmung der Vermieter*in mehr erfordern und auch einen späteren Rückbau nicht mehr vorschreiben.

 

  • Es braucht auch mieter*innenschutzrechtliche Lösungen u.a. für ältere Menschen, die in Milieuschutzgebieten wohnen und in deren Häusern bisher kein Aufzug eingebaut werden darf.

Antrag 42/I/2022 Sanieren statt Abriss und Neubau

17.05.2022

In den letzten Jahren wird Wohnraum, insbesondere im urbanen Raum, stetig knapper und teurer. Diese Tendenzen ausnutzend, versuchen Investoren vermehrt ältere, jedoch noch sanierfähige oder sogar bewohnbare Gebäude, abzureißen und durch einen Neubau zusätzliche Gewinne zu realisieren. Auf diesem Weg kann es zusätzlich zu langen Zeiträumen von Leerstand kommen, teilweise um den Verfall von Immobilien zu beschleunigen und somit einen Abriss begründen zu können. Allein im ersten Halbjahr 2021 wurden in Berlin bereits über 800 Wohnhäuser abgerissen. Als Folge dessen verlieren immer mehr Menschen ihren Wohnraum und besitzen oft nicht die finanziellen Mittel, ihre bisherige Wohnsituation beizubehalten.

 

Neben den sozialen Folgen solchen Verhaltens, verursacht es zusätzlich signifikante Klimaschäden. Der Abriss als auch der Neubau von Immobilien ziehen den Ausstoß von hohen CO2 Werten nach sich. Dies begründet sich vor allem durch die Verwendung von Zement als Baustoff. Weltweit liegen die CO2 Emissionen, die durch Zement verursacht werden bei 8% und sind damit mehr als doppelt so hoch wie beispielsweise der Verbrauch des gesamten afrikanischen Kontinents. Des Weiteren ist Zement, so wie auch andere Baustoffe, kaum recyclebar, was zu einem Abfallaufkommen von 200 Millionen Tonnen Bau und Abbruchabfällen führt (50% des Gesamtvolumens).

 

Diese Emissionen können verhindert werden. Experten bestätigen, dass die Sanierung eines Gebäudes nachgewiesenermaßen wesentlich geringere CO₂-Emissionen verursacht und damit in fast jedem Fall einem Abriss und Neubau aus Klimaschutz-Perspektive vorzuziehen verursacht.

 

Wir fordern einen grundsätzlichen Stopp der Genehmigungen für den Abriss von Gebäuden. Statt einem Abriss und anschließendem Neubau muss eine klimagerechte Sanierung erfolgen. Ausnahmen sollen nur in Betracht gezogen werden, wenn Einsturzgefahr oder andere irreparable Schäden bestehen. Auch wenn nach dem Abriss kein anschließender Neubau vorgesehen ist und die Fläche anderweitig, beispielsweise als Grünfläche, genutzt wird, sollen Ausnahmen möglich sein. Abreißen und Neubauen soll auch bei höherem ökologischem Fußabdruck möglich sein, wenn dadurch mehr und soziale Wohnungen geschaffen werden und dabei langfristig der ökologische Fußabdruck pro Kopf sinkt. Wir müssen ökologische und soziale Folgen gleichermaßen berücksichtigen und dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen. Ein Abriss darf nur nach intensiver Prüfung stattfinden, welche weitreichende Mängel bestätigt, die durch Sanierungen nicht behoben werden können und zu einer Unbewohnbarkeit der Immobilie führen würden. Dazu müssen das Baurecht und die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften angepasst werden sowie gegebenenfalls Schulungen der zuständigen Verwaltungsmitarbeitenden erfolgen.

 

Es sollen neue Förderprogramme eingerichtet werden, die eine klimagerechte Sanierung im Vergleich zu Abriss und anschließendem Neubau für die*den Eigentümer*n wirtschaftlich attraktiver machen.

 

Zudem fordern wir eine regelmäßige Überprüfung aller Gebäude bezüglich ihres Sanierungsbedarf. Diese soll auch als verpflichtend angeordnet werden können. So soll verhindert werden, dass Gebäude absichtlich dem Verfall preisgegeben werden, um einen Abriss zu rechtfertigen. Die Verwaltung ist mit den für die angemessene Umsetzung dieser Maßnahmen erforderlichen Mitteln auszustatten. Werden die notwendigen Sanierungen in einem vorgegebenen Zeitraum nicht umgesetzt, werden die Gebäude in den Besitz des Landes Berlin übergehen.

 

Wir bleiben bei unserer Forderung, dass die Kosten einer Sanierung nicht auf die Mieter*innen abgewälzt werden dürfen.

Antrag 52/I/2022 Kitakrise heißt Zukunftskrise! 

17.05.2022

In Berlin fehlen zur Zeit 26.000 Kita-Plätze. Dabei sollen bis 2030 rund 7.000 Erzieher*innen fehlen. Allein an diesen Zahlen wird sichtbar, es besteht Handlungsbedarf. Nicht selten müssen werdende Eltern bereits mit dem Start der Schwangerschaft sich um einen Kitaplatz bewerben. In der Theorie gibt es eine Kitagarantie, in der Praxis meist verzweifelte Eltern auf der unendlichen Suche nach einem freien Platz. Ein Zustand, den es zu ändern gilt und sofortiges Handeln verlangt.

 

Gute Arbeitsbedingungen für Erzieher*innen 

Eine der wichtigsten Ursachen für die Kitakrise ist, dass es zu wenig Erzieher*innen gibt, und diese Situation wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Schon jetzt müssen Kitas hunderte Kinder ablehnen, weil sie nicht genug Personal für deren Betreuung haben. Auch wenn es bereits Bemühungen gegeben hat, mehr Erzieher*innen einzustellen, bleibt diese Arbeit doch – besonders in Berlin – unattraktiv, unterbezahlt und wird nicht ausreichend wertgeschätzt.

 

Dies beginnt bereits in der Ausbildung, in vielen Kindertagesstätten wird so in den ersten beiden Ausbildungsjahren gerade einmal der Mindestlohn bezahlt. Erst im dritten Ausbildungsjahr erhält man mindestens 930 € im Monat. Hinzu kommt, dass viele Studierende kein oder ein halbiertes BAföG erhalten, da die Berliner Fachschulen nicht als „echte“ Fachschulen anerkannt werden. An den Berliner Fachschulen werden auch Bewerber*innen ohne Berufsabschluss – also „lediglich“ mit Abitur oder Fachhochschulreife – aufgenommen, vor diesem Hintergrund erkennen die BAföG-Ämter die Berliner Fachschulen nur als Berufsfachschulen an. Zwar wurde die Form der berufsbegleitenden Ausbildung intensiv ausgeweitet, um die Bildungseinrichtungen und hier insbesondere die Kitas schnell mit Personal zu versorgen. Die Studierenden haben einen Arbeitsvertrag und einen Ausbildungsvertrag. Diese sind in der Regel nicht aufeinander abgestimmt. Das birgt besondere Herausforderungen für die Studierenden. Sowohl für den Arbeitgeber*innen als auch für die Ausbildungsstätte ergeben sich daraus überschneidende Forderungen. Die Studierenden können diesen vielfach nur durch Mehrarbeit gerecht werden, denn Lern- und Praxiszeiten überschneiden sich. Der Erzieher*innenberuf leidet zudem unter fehlender Anerkennung, sowohl sozial als auch finanziell. Für junge Abiturient*innen, die gerne im sozialen Bereich arbeiten möchten, gibt es deutlich attraktivere Berufsfelder als zum Beispiel die Berliner Kindertagesstätten.

 

Dabei liegt das Einstiegsgehalt in Berlin bei 2.860 Euro brutto. So ist es auch nicht verwunderlich, dass tausende Erzieher*innen Ende letzten Jahres für mehr Geld demonstrierten.  Denn zu der fehlenden Wertschätzung durch eine angemessene Bezahlung kommen die herausfordernden Arbeitsbedingen hinzu. Überfüllte Kitas, Personalmangel, wo auch Praktikant*innen fest eingeplant werden und unbezahlte Überstunden. Das alles gehört zum Berufsalltag dazu. Hierbei ist die Situation umso dramatischer, wenn man sich bewusst macht, dass hier der elementare Grundstein für die schulische Laufbahn gelegt wird. Die Grundschule baut größtenteils auf die Arbeit in den Kindertagesstätten auf, wenn hier die frühkindliche Erziehung nicht qualitativ gewährleistet werden kann, verwundert es nicht, dass die Bildungsungerechtigkeit bereits zu Anfang des Lebens in eine dramatische Schieflage gerät.

 

Somit fordern wir die Mitglieder der SPD Fraktion des Berliner Abgeordnetenhaus, sowie die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie auf:

 

  1. Verbindliche Regelungen zu schaffen, damit die BAföG-Ämter in die Lage versetzen, einzelne Klassen der Fachschule als förderungswürdig anzuerkennen.
  2. Eine angemessene Bezahlung aller Erzieher*innen sicher zu stellen. Die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind auszuschöpfen. Denn für uns steht fest: Erzieher*innen sind Pädagog*innen. Als Pädagog*innen in den ersten Bildungseinrichtungen der Kinder legen sie die wichtigste Grundlage für selbstständiges, eigenverantwortliches und lebenslanges Lernen.
  3. Dass eine gezielte Kampagne zur Fachkräftegewinnung entwickelt und finanziert wird, die junge Menschen motiviert den Beruf zu ergreifen.
  4. Für eine bessere Vergütung und eine Professionalisierung der Kindertagespflege Sorge zu tragen.

 

Räumlichkeiten kaufen, bauen und das gemeinsam!

Die Kitakrise ist eindeutig auch die Folge eines Mangels an Gebäuden und Räumlichkeiten. Es braucht von staatlicher Seite die Förderung von Kitas beim Bau und Erweiterung ihrer Flächen wie auch die Verpflichtung, Land zu erwerben und selbst zu bauen. Zudem hat Berlin einen sehr großen Teil der vorschulischen Bildung in freie Trägerschaft gegeben (80% der betreuten Kinder). Dies rächt sich nun, denn bei diesen Kitas fehlt es an Einfluss. Hier gilt es nun zum einen vermehrt selbst zu bauen und private Trägerschaften in die öffentliche Hand zurückzuführen. Denn auch frühkindliche Bildung sollte in erster Linie allen gleichermaßen zustehen. Gleichzeitig müssen alle bestehenden Einrichtungen dahingehend geprüft werden, ob ein Ausbau sinnvoll und möglich ist.

Somit fordern wir die Mitglieder der SPD Fraktion der Bezirksversammlungen und des Berliner Abgeordnetenhaus, sowie die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie auf:

  1. Alle Bauämter für die Dringlichkeit der Kitakrise zu sensibilisieren und zu beauftragen, bei bestehenden Einrichtungen einen Rückkauf zu prüfen und die bauliche Erweiterung von Einrichtungen. Hierbei sollen auch gesetzliche Ausnahmeregelungen für eine Erhöhung der Traufhöhe im Falle einer Kitanutzung geschaffen werden.
  2. Dass alle verfügbaren bezirklichen oder landeseigenen Räume dahingehend geprüft werden, ob eine Doppelnutzung möglich wäre.
  3. Dass jede leerstehende private Ladenfläche angemietet wird, sollte in diesem Gebiet ein Kitabedarf festgestellt werden und nicht anders abgedeckt werden können, zum Beispiel durch Modularbauten. Hierfür sollen Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt werden.

 

Denkt an die Eltern!

Die Kitaplatz-Suche ist frustrierend und ineffizient. Das System der Voranmeldung auf einen Kitaplatz ist nicht einheitlich und nicht mehr zeitgemäß.

Somit fordern wir die Mitglieder der SPD Fraktion der Bezirksversammlungen und des Berliner Abgeordnetenhaus, die betreffenden Bezirksämter sowie die Senatorin für Bildung, Jugend und Familie auf:

  1. Eine moderne und funktionierende zentrale Datenbank und Webseite zu schaffen, auf der Kitas freie Plätze veröffentlichen und sich Eltern um die Plätze bewerben können.
  2. Für die Formulare zur Beantragung des Kita-Gutscheins Leitfäden in den meistgesprochenen Sprachen in Berlin wie Türkisch, Arabisch, Russisch und Englisch zu entwickeln.
  3. Einen anonymisierten Bewerbungsprozess zu entwickeln und zu etablieren, damit Kinder aufgrund ihres Migrationsstatus, Ethnie, Religion oder Behinderung bei der Platzvergabe nicht benachteiligt werden.
  4. Eine gezielte Kampage für die Anwerbung von Kitavermittlungsstellen in allen Jugendämtern zu entwickeln und auszufinanzieren. So, dass mehr Personal eingestellt werden kann, um Eltern bei der Kita- Suche und dem Ausfüllen des Antrags auf einen Kita-Gutschein unterstützt werden kann.

 

Antrag 94/I/2022 Bedarfe von Flüchtenden und Geflüchteten mit Beeinträchtigungen sichern

17.05.2022

Wir sind solidarisch mit den Flüchtenden in und den Geflüchteten aus der Ukraine, deren Anzahl angesichts des völkerrechtswidrigen und brutalen Überfalls Putins zunehmen wird. Damit steigen auf allen föderalen Ebenen die mit der Aufnahme verbundenen Herausforderungen des Schutzes, der Unterbringung und Integration. Unsere Sorge gilt allen Geflüchteten unabhängig vom Herkunftsort.

 

Besorgniserregend ist die Situation der Menschen, die aufgrund ihrer hohen Vulnerabilität nicht eigenständig in der Lage sind, die Ukraine zu verlassen. Hierfür müssten dringend humanitäre Korridore geöffnet und für die Rettung dieser Personengruppen genutzt werden. Gleiches gilt für die Situation von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen in ukrainischen Pflege- und Waisenheimen oder der Behindertenhilfe.

 

Viele der geflüchteten Menschen mit Beeinträchtigungen und/oder psychischen oder chronischen Erkrankungen haben besondere Bedarfe und Bedürfnisse. Von den Verantwortlichen im Senat und in den Bezirksämtern, im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen erwarten wir, dass für eine gute Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten mit Beeinträchtigungen gesorgt wird. Hierbei ist auch in enger Kooperation mit Selbstvertretungsorganisationen zu gewährleisten:

 

  • Systematische Identifizierung von Geflüchteten mit Behinderungen und ihrer Bedarfe bei ihrer Ankunft
  • Durchführung psychologischer, physio- und sozialtherapeutischer Untersuchungen sowie eine ganzheitliche Erfassung und Bewertung des Gesundheitszustands und eine Erstellung eines Behandlungsplans mit Therapieempfehlungen für weiterbehandelte Ärzte*innen
  • Benennung übergeordneter Lots*innen auf Landesebene zur Koordination erster Schritte nach Ankunft.
  • Bereitstellung notwendiger Informationen in umfassend barrierefreier Form, u.a. in Leichter Sprache, in Gebärdendolmetschung, in Brailleschrift, etc..
  • Unmittelbare Bereitstellung dringend erforderlicher Hilfsmittel.
  • Bedarfsgerechte Unterbringung – möglichst außerhalb von Sammelunterkünften.
  • Für die medizinische Versorgung der Vertriebenen, die nach §§ 4 und 6 AsylbLG erfolgt, ist mit den Krankenkassen flächendeckend eine „auftragsweise Betreuung“ nach § 264 Abs. 1 SGB V zu vereinbaren.
  • Bundesweit sind die Kommunen auf die Sonderregelung des § 6 Absatz 2 AsylbLG für Vertriebene hinzuweisen. Diese Regelung ist weiter als § 6 Abs. 1 AsylbLG, der für Asylbegehrende gilt. Vertriebenen, die besondere Bedarfe und Bedürfnisse haben, wird danach die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt. Damit haben Vertriebene mit Behinderungen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Gleiches gilt für psychotherapeutische Leistungen. Um eine möglichst einheitliche und unkomplizierte Leistungsgewährung zu ermöglichen, ist z.B. durch ein Rundschreiben darüber zu informieren.
  • Sicherstellung, dass für die Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften Schutzmaßnahmen für Frauen und andere schutzbedürftige Personen wie Menschen mit Behinderungen getroffen sind bzw. werden (vgl. §§ 44 Abs. 2a, 53 Abs. 3 AsylG).
  • Unverzügliche Eingliederung von Kindern mit Behinderungen in Kitas und Schulen.
  • Schneller und unkomplizierter Zugang zu tagesstrukturierenden Maßnahmen (z.B. Tagesstätten der gemeindepsychiatrischen Dienste und Werkstätten für behinderte Menschen).
  • Barrierefreie Informationsangebote, Informationen in Leichter Sprache, Dolmetschung sowie Gebärdensprachdolmetschung vorhalten.
  • Hinzuweisen ist auf das Beratungsangebot der kommunalen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB).

 

Antrag 35/I/2022 Städte geschlechtergerecht entwickeln!

17.05.2022

Um Gleichstellung in der Stadtentwicklungspolitik voranzutreiben, werden alle Partei-, Fraktions- und Regierungsmitglieder der SPD in Bund und Land aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

 

  • Die Einführung einer umfassenden Datenbank aufgeschlüsselt nach Geschlechtern ist die wichtigste Grundlage, um geschlechtergerechte Städte verlässlich entwickeln zu können. Diese muss auf Bundesebene geschaffen werden. Neben Informationen zu Arbeitsentgelt, Haushaltseinkommen, Familienstruktur, Eigentums- und Vermögensverhältnissen und Nutzung von Verkehrsmitteln und anderen öffentlichen Dienstleistungen soll sie auch Daten zur Identifikation von Orten liefern, an denen es häufig zu sexistischen Übergriffen kommt. Es bedarf einer Übersicht, welche geschlechtsspezifischen Daten auf Städteebene in der EU verfügbar sind.
  • Die Festsetzung von Gender Budgeting und Gender Mainstreaming auf allen Verwaltungsebenen ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer geschlechtergerechten Stadtentwicklung. Dies muss sich vor allem auch in der Implementierung von gleichstellungspolitischen Kriterien im öffentlichen Vergaberecht, im Haushaltsrecht, im Zuwendungsrecht und bei der Entwicklung von Städtebauprogrammen widerspiegeln. Laut der Gleichstellungsstrategie für 2020-2025 legt die EU-Kommission einen Fokus darauf, mit der Richtlinie für sozialverantwortliche öffentliche Auftragsvergabe auch Geschlechtergerechtigkeit bei allen öffentlichen Aufträgen beachten zu wollen. Dieses Ziel muss auch in Deutschland auf allen Verwaltungsebenen eingehalten werden. Um die oftmals versteckten Auswirkungen von Programmen und Maßnahmen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen auch auf unteren Verwaltungsebenen bestmöglich analysieren zu können, sollte auf Bundesebene eine Taskforce eingesetzt werden, die einen Leitfaden zur Hilfe bei der Analyse und Aufstellung von Programmen und Haushalten, erstellt.
  • Ein verstärkter Fokus muss auf die Interdisziplinarität in allen Ausführungsschritten der Stadtplanung gelegt werden: So müssen beispielsweise auch bei der Aufstellung der Bebauungsplänen und im gesamten Bauplanungsprozess noch stärker Interessenvertreter:innen und Expert:innen für Gleichstellung einbezogen werden, um den Ansprüchen an eine „Stadt für Alle“ gerecht zu werden.
  • Die verbindliche Einbeziehung der lokale Interessenvertretungen (z.B. Frauen-, Gleichstellungs-, Queer-, Migrations-, und Senor:innenbeauftragte, Fraueninstitutionen, Frauenprojekte, Frauenrat, Frauenhäuser, Vertreterinnen von Frauen mit Behinderung, etc.), Jugendämter und Gender Mainstreaming Expert:innen im frühen Stadium der Planung, der Durchführung und Evaluation von städtebaulichen Vorhaben ist erforderlich.
  • Bei Digitalisierungsprozessen in der Verwaltung und bei städtebaulichen Vorhaben müssen Gleichstellungsexpert:innen einbezogen werden, um die oft fehlende Repräsentation in MINT-Berufen (MINT = Mathematik-Informatik-Naturwissenschaften-Technik) von Frauen auszugleichen. Auf EU-Ebene stellen Männer mehr als acht von zehn Arbeitnehmer*innen in MINT-Berufen. Diesem Mangel an Vielfalt muss in der Planung und Durchführung aktiv begegnet werden. Es gilt, bereits bestehende Technologien auf Gendergerechtigkeit zu untersuchen und Gender Mainstreaming-Expert:innen aktiv in kommenden Prozessen auf allen Verwaltungsebenen einzubinden.
  • Die paritätische Besetzung von Gremien und Jurys, die städtebauliche Vorhaben und Wettbewerbe begleiten und ausschreiben, ist sicherzustellen.
  • Polyzentrische Strukturen müssen geschaffen werden: Städtebauliches Ziel ist die Entwicklung lokaler Zentren, in denen Dienstleistungs- und Infrastruktureinrichtungen und Wohngebiete dezentral organisiert, gut vernetzt und aufeinander abgestimmt werden, um so den diversen Fortbewegungsarten von Frauen Rechnung zu tragen. Frauen legen häufiger Versorgungswege zurück und sind häufiger mit ihren Kindern unterwegs. Dies erfordert insbesondere den Ausbau eines umweltfreundlichen ÖPNV (Taktung, Zeiten etc.), sicherer und gut ausgebauter Radwege und breiternbarrierefreier Gehwege.
  • Erforderlich ist die Bereitstellung eines breiten Spektrums an Wohnungstypen und bezahlbarem Wohnraum, um auch alleinerziehenden Elternteilen, Senior:innen und weiteren diversen Bevölkerungsgruppen ein lebenswertes Zuhause in allen Stadtbereichen zu ermöglichen. Da Frauen und Senior:innen im Durchschnitt weniger Einkommen oder Rente beziehen, sind sie überdurchschnittlich hart von den stark steigenden Mieten in Ballungsgebieten betroffen.
  • Die Ausweitung von qualitativ hochwertigen öffentlichen Nutzungsflächen und Grünanlagen muss systematisch voran getrieben werden, um Treffpunkte innerhalb von Quartieren zu schaffen.
  • Gendergerechtes Bauen und gendergerechte Stadtentwicklung ist zum verbindlichen Bestandteil von Lehrplänen einschlägiger Studienrichtungen zu machen.

 

Der vorliegende Antrag ist ein Diskussionsauftakt. Im Rahmen einer folgenden Landesfrauenkonferenz soll die ASF Berlin sich mit dem Thema gendergerechte Stadtplanung und gendergerechte Mobilität im Detail beschäftigen.