Der Landesparteitag/Bundesparteitag begrüßt und teilt die von der Bundestagsfraktion in ihrem Positionspapier vom 25.11. 2019 Schärfung der Kontrolle und Genehmigung von Rüstungsexporten – europäische Abstimmung intensivieren vorgenommene Bewertung, dass die vom Bundeskabinett am 26.6.2019 neu gefassten „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ nicht ausreichen, die Lücke zwischen den seit Jahrzehnten von der deutschen Politik vertretenen Grundsätzen einer restriktiven Rüstungsexportpolitik und der tatsächlichen Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte und deren Kontrolle zu schließen.
Wir unterstützen die an diese Diagnose geknüpften Forderungen der Bundestagsfraktion, die praktische Umsetzung dieser Grundsätze durch eine Rüstungsexportkontrollgesetz und weitere Maßnahmen zur Sicherung der rechtlichen Verbindlichkeit der Vorgaben für Rüstungsexporte und der Wirksamkeit der Kontrollen der tatsächlich getätigten Rüstungslieferungen zu gewährleisten.
Wir erkennen an, dass die von der Bundestagsfraktion in ihrem Papier aufgestellten Forderungen geeignet sind, die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der deutschen und europäischen Rüstungsexportpolitik zu verringern und bei konsequenter Anwendung einen Rahmen für die Realisierung des in den „Politischen Grundsätzen…“ formulierten Leitziels „durch eine Begrenzung und Kontrolle der deutschen Rüstungsexporte einen Beitrag zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte, zur Gewaltprävention sowie einer nachhaltigen Entwicklung der Welt zu leisten“ zu schaffen.
Die notwendige Weiterentwicklung der Rüstungsexportpolitik Deutschlands und der EU muss den grundsätzlichen Widerspruch zwischen normativen Grundsätzen und gängiger Praxis einer „restriktiven Rüstungsexportpolitik“ auflösen:
Bei Rüstungsexporten in sog. Drittländer ist das „grundsätzliche“ Verbot solcher Exporte in
Länder, die gegen die Kriterien sowohl der
- Politische Grundsätze als auch des
- Gemeinsamen Standpunkts der EU betreffend die Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern von 2008
verstoßen, längst zur Ausnahme, die mit besonderen sicherheitspolitischen Belangen Deutschlands zu begründende Ausnahme dagegen in der Genehmigungspraxis zu Regel geworden.
Verschärfung bisheriger Maßnahmen und zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung und Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik
Ein Rüstungsexportkontrollgesetz sollte folgende in dem SPD-Positionspapier und darüber hinaus aus unserer Sicht erforderliche Verschärfungen und Präzisierungen enthalten:
- Eine verbindliche, mit zielgerichteten Sanktionierungen verbundene gesetzliche Normierung der in dem Abschnitt Allgemeine Prinzipien der aktuellen Fassung der Politischen Grundsätze aufgeführten Kriterien sowie der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU.
- Gesetzliche Fixierung der Berichtspflichten der Bundesregierung mit folgenden Elementen:
- quartalsweise Berichterstattung
- Angaben zu konkreten Rüstungsgütern und nicht lediglich zu Waffenkategorien
- Aufnahme von Herstellungsgenehmigungen, Lizenzerteilungen und Reexporten in die Berichterstattung
- Angaben über die im Berichtszeitraum tatsächlich erfolgten Rüstungslieferungen und tatsächlich erfolgten Abschlüsse von Rüstungskooperationen und nicht nur zu den Genehmigungen
- Statistik der im Bundessicherheitsrat und im übrigen Geschäftsgang der sonstigen Genehmigungsbehörden erfolgten Genehmigungen und Ablehnungen
- Angaben zu den auf Grund von Ausnahmetatbeständen entgegen den unter 1. genannten Kriterien erfolgten Genehmigungen im Verhältnis zu den auf Grund dieser Kriterien erfolgten Ablehnungen und ggf. Erklärungen für ein aus diesen Zahlen resultierendes, das Prinzip einer restriktiven Rüstungsexportpolitik in Frage stellendes Missverhältnis
- Gesetzliche Fixierung einer Regelung, welche eine Auslagerung von Rüstungsproduktionen ins Ausland zur Umgehung der strengen deutschen Exportrichtlinien verhindert
- Veröffentlichung alle abschließenden Entscheidungen des Bundessicherheitsrats in transparenter Form im Internet
- Regelmäßige Post-Shipment-Berichte der Bundesregierung zur Sicherung der Endverbleibskontrolle von gelieferten Rüstungsgütern
- Einführung einer Sonderberichtspflicht der Bundesregierung zu bereits erfolgten und noch nicht genehmigten, aber geplanten (z.B. durch Voranfragen auf den Weg gebrachten) Rüstungslieferungen und Rüstungskooperationen bei Bekanntwerden besonders schwerer Verstöße gegen Menschenrechte und das Kriegsvölkerrecht unter Einsatz von Waffen deutscher Herkunft auf Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Bundestags
- Regelhafte Begrenzung der Laufzeit von Genehmigungen von Rüstungslieferungen auf zwei Jahre, Möglichkeit einer früheren Rücknahme oder Aussetzung von Genehmigungen bei nachträglichem Bekanntwerden von Verstößen gegen Genehmigungskriterien
- Verlagerung der Verantwortung für die Genehmigung von Rüstungsexporten vom Wirtschaftsministerium auf das Auswärtige Amt
- Verpflichtung der Bundesregierung zu einer konkreten sicherheitspolitischen Begründung jeder Genehmigung von Rüstungslieferungen und Rüstungskooperation, die unter Berufung auf Ausnahmetatbestände von den vorgegebenen Kriterien abweicht.
Zusätzliche mittelfristige Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung der Grundsätze und Kriterien für deutsche Rüstungsexporten und Ziels der Reduzierung der der Rüstungsexporte:
- Unterzeichnung des ATT-Vertrags (UN-Vertrag über den Waffenhandel) als verbindliches Kriterium für Verträge mit Drittstaaten
- Erhöhung von Zahl und Umfang der Post-Shipment-Kontrollen, verbindlicher Ausschluss von Ländern, welche diese Kontrollen ver- oder behindern oder sonst gegen die Regeln der Transparenz des Endverbleibs gelieferter Rüstungsgüter verstoßen und kein Offenlassen von Schlupflöchern mit Hilfe des Terminus „grundsätzlich“ wie in der aktuellen Fassung der „Politischen Grundsätze“
- Senkung der „de Minimis“-Grenzen für Einsprüche Deutschlands gegen Regelverletzungen des Kooperationspartners bei übernationalen Rüstungsexportprojekten. Wahrnehmung des deutschen Mitsprache- und ggf. Vetorechts gegen eine regelwidrige Durchführung derartiger Projekte im Sinne der Grundsätze der postulierten wertegebundenen deutschen Rüstungsexportpolitik und nicht in der Form einer reinen „salvatorischen Klausel“.
- Start einer diplomatischen Initiative zu Verhandlungen mit den wichtigsten Rüstungsproduzenten und Rüstungsexportländern dieser Erde zu einer numerischen Reduzierung der Waffenproduktion und der Rüstungsexporte auf allen Seiten um 10%.
Stärkere Einbeziehung der europäischen Ebene:
Die in diesem Antrag geforderten nationalen Maßnahmen reichen nicht aus und können ihre Ziele nicht erreichen, wenn nicht zugleich politisch-institutionelle Grundlagen für eine in der Praxis wirksame gemeinsame Rüstungsexportpolitik der EU geschaffen werden. Der Gemeinsame Standpunkt vom 8.12.2008 ist zwar als Beschluss des Europäischen Rates für die EU- Mitglieder rechtsverbindlich, enthält aber keinerlei Überprüfungs- und Sanktionsmöglichkeiten für Verletzungen der in ihm festgelegten Regeln und Kriterien für Rüstungsexporte und auch keine ausreichenden Informationspflichten gegenüber den anderen Mitgliedstaaten und gegenüber EU-Organen. Zudem bilden die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (Art. 346(b)A-EUV) festgeschriebenen Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten ein Hindernis, diese im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung des „Gemeinsamen Standpunkt“ stärker in der Pflicht zu nehmen. Daher treten wir für folgende Maßnahmen auf EU-Ebene ein:
- Verabschiedung einer gemeinsamen Rüstungsexportstrategie durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament
- Schaffung eines europäischen Rüstungsexportkontrollregimes mit einem Überprüfungsorgan auf der Ebene der Kommission oder des EADs
- Präzisierung zentraler Kriterien des „Gemeinsamen Standpunkts“ und Stärkung seiner Rechtsverbindlichkeit durch eine Neuformulierung als EU-Verordnung
- Stärkung der europäischen Rüstungskooperation mit dem Ziel, diese von Exporten in Drittländer unabhängig zu machen
- Abschluss bindender Verträge zwischen den Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen Rüstungsexportstandards. Nutzung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu einem bilateralen Modellvertrag als ersten Schritt auf dem Weg zu gesamteuropäischen Standards. Sollten die Verhandlungen für einen solchen Modellvertrag scheitern oder stocken sind europäische Vorhaben sowie gemeinsame Vorhaben mit anderen EU-Partnerstaaten prioritär zu behandeln, um die europäische Standardsetzung voranzutreiben.
Aktualisierte Fassung der AK 2022:
Änderung Titel: „Für eine gemeinsame europäische Rüstungskontrollpolitik“
Der Landesparteitag/Bundesparteitag begrüßt und unterstützt die zur wirksamen Umsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SPD für den Bund beschlossenen Maßnahmen, insbesondere die Absicherung dieser Zielsetzung durch eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung und ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz. Wir unterstützen die Lieferungen von Waffen und schwerem Gerät in Abstimmung mit unseren NATO-Partnern an die Ukraine, um diese in ihrer Verteidigungsfähigkeit vor dem russischen Angriffskrieg zu unterstützen.
Die Vorgaben des Koalitionsvertrags sind aus unserer Sicht geeignet, bei konsequenter Anwendung die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der deutschen und europäischen Wirklichkeit zu verringern und einen Rahmen für die Realisierung des in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ formulierten Leitziels „durch eine Begrenzung und Kontrolle der deutschen Rüstungsexporte einen Beitrag zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte, zur Gewaltprävention sowie einer nachhaltigen Entwicklung der Welt zu leisten“ zu schaffen.
Gerade auf dem Hintergrund der Last- Minute-Genehmigungen von Großwaffen an das mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und einer indirekten Beteiligung am Krieg im Jemen belastete Militärregime in Ägypten in bisher nicht erreichter Höhe von über 4 Mrd. E. durch die letzte Bundesregierung halten wir jedoch weiterhin die folgenden Präzisierungen und Konkretisierungen der im Koalitionsvertrag formulierten Leitziele für erforderlich:
Die notwendige Weiterentwicklung der Rüstungsexportpolitik Deutschlands und der EU muss den grundsätzlichen Widerspruch zwischen normativen Grundsätzen und gängiger Praxis einer „restriktiven Rüstungsexportpolitik“ auflösen:
Bei Rüstungsexporten in sog. Drittländer ist das „grundsätzliche“ Verbot solcher Exporte in Länder, die gegen die Kriterien sowohl der
- Politische Grundsätze als auch des
- Gemeinsamen Standpunkts der EU betreffend die Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern von 2008
verstoßen, längst zur Ausnahme, die mit besonderen sicherheitspolitischen Belangen Deutschlands zu begründende Ausnahme dagegen in der Genehmigungspraxis zu Regel geworden.
Verschärfung bisheriger Maßnahmen und zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung und Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik
Ein Rüstungsexportkontrollgesetz sollte folgende in dem SPD-Positionspapier und darüber hinaus aus unserer Sicht erforderliche Verschärfungen und Präzisierungen enthalten:
1. Eine verbindliche, mit zielgerichteten Sanktionierungen verbundene gesetzliche Normierung der in dem Abschnitt Allgemeine Prinzipien der aktuellen Fassung der Politischen Grundsätze aufgeführten Kriterien sowie der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU.
2. Gesetzliche Fixierung der Berichtspflichten der Bundesregierung mit folgenden Elementen:
- quartalsweise Berichterstattung
- Angaben zu konkreten Rüstungsgütern und nicht lediglich zu Waffenkategorien
- Aufnahme von Herstellungsgenehmigungen, Lizenzerteilungen und Reexporten in die Berichterstattung
- Angaben über die im Berichtszeitraum tatsächlich erfolgten Rüstungslieferungen und tatsächlich erfolgten Abschlüsse von Rüstungskooperationen und nicht nur zu den Genehmigungen
- Statistik der im Bundessicherheitsrat und im übrigen Geschäftsgang der sonstigen Genehmigungsbehörden erfolgten Genehmigungen und Ablehnungen
- Angaben zu den auf Grund von Ausnahmetatbeständen entgegen den unter 1. genannten Kriterien erfolgten Genehmigungen im Verhältnis zu den auf Grund dieser Kriterien erfolgten Ablehnungen und ggf. Erklärungen für ein aus diesen Zahlen resultierendes, das Prinzip einer restriktiven Rüstungsexportpolitik in Frage stellendes Missverhältnis
3. Gesetzliche Fixierung einer Regelung, welche eine Auslagerung von Rüstungsproduktionen ins Ausland zur Umgehung der strengen deutschen Exportrichtlinien verhindert
4. Veröffentlichung alle abschließenden Entscheidungen des Bundessicherheitsrats in transparenter Form im Internet
5. Regelmäßige Post-Shipment-Berichte der Bundesregierung zur Sicherung der Endverbleibskontrolle von gelieferten Rüstungsgütern
6. Einführung einer Sonderberichtspflicht der Bundesregierung zu bereits erfolgten und noch nicht genehmigten, aber geplanten (z.B. durch Voranfragen auf den Weg gebrachten) Rüstungslieferungen und Rüstungskooperationen bei Bekanntwerden besonders schwerer Verstöße gegen Menschenrechte und das Kriegsvölkerrecht unter Einsatz von Waffen deutscher Herkunft auf Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Bundestags
7. Regelhafte Begrenzung der Laufzeit von Genehmigungen von Rüstungslieferungen auf zwei Jahre, Möglichkeit einer früheren Rücknahme oder Aussetzung von Genehmigungen bei nachträglichem Bekanntwerden von Verstößen gegen Genehmigungskriterien
8. Verlagerung der Verantwortung für die Genehmigung von Rüstungsexporten vom Wirtschaftsministerium auf das Auswärtige Amt
9. Verpflichtung der Bundesregierung zu einer konkreten sicherheitspolitischen Begründung jeder Genehmigung von Rüstungslieferungen und Rüstungskooperation, die unter Berufung auf Ausnahmetatbestände von den vorgegebenen Kriterien abweicht.
Zusätzliche mittelfristige Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung der Grundsätze und Kriterien für deutsche Rüstungsexporten und Ziels der Reduzierung der der Rüstungsexporte:
- Unterzeichnung des ATT-Vertrags (UN-Vertrag über den Waffenhandel) als verbindliches Kriterium für Verträge mit Drittstaaten
- Erhöhung von Zahl und Umfang der Post-Shipment-Kontrollen, verbindlicher Ausschluss von Ländern, welche diese Kontrollen ver- oder behindern oder sonst gegen die Regeln der Transparenz des Endverbleibs gelieferter Rüstungsgüter verstoßen und kein Offenlassen von Schlupflöchern mit Hilfe des Terminus „grundsätzlich“ wie in der aktuellen Fassung der „Politischen Grundsätze“
- Senkung der „de Minimis“-Grenzen für Einsprüche Deutschlands gegen Regelverletzungen des Kooperationspartners bei übernationalen Rüstungsexportprojekten. Wahrnehmung des deutschen Mitsprache- und ggf. Vetorechts gegen eine regelwidrige Durchführung derartiger Projekte im Sinne der Grundsätze der postulierten wertegebundenen deutschen Rüstungsexportpolitik und nicht in der Form einer reinen „salvatorischen Klausel“.
- Start einer diplomatischen Initiative zu Verhandlungen mit den wichtigsten Rüstungsproduzenten und Rüstungsexportländern dieser Erde zu einer numerischen Reduzierung der Waffenproduktion und der Rüstungsexporte auf allen Seiten um 10%.
Stärkere Einbeziehung der europäischen Ebene:
Die in diesem Antrag geforderten nationalen Maßnahmen reichen nicht aus und können ihre Ziele nicht erreichen, wenn nicht zugleich politisch-institutionelle Grundlagen für eine in der Praxis wirksame gemeinsame Rüstungsexportpolitik der EU geschaffen werden. Der Gemeinsame Standpunkt vom 8.12.2008 ist zwar als Beschluss des Europäischen Rates für die EU- Mitglieder rechtsverbindlich, enthält aber keinerlei Überprüfungs- und Sanktionsmöglichkeiten für Verletzungen der in ihm festgelegten Regeln und Kriterien für Rüstungsexporte und auch keine ausreichenden Informationspflichten gegenüber den anderen Mitgliedstaaten und gegenüber EU-Organen. Zudem bilden die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (Art. 346(b)A-EUV) festgeschriebenen Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten ein Hindernis, diese im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung des „Gemeinsamen Standpunkt“ stärker in der Pflicht zu nehmen. Daher treten wir für folgende Maßnahmen auf EU-Ebene ein:
- Verabschiedung einer gemeinsamen Rüstungsexportstrategie durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament
- Schaffung eines europäischen Rüstungsexportkontrollregimes mit einem Überprüfungsorgan auf der Ebene der Kommission oder des EADs
- Präzisierung zentraler Kriterien des „Gemeinsamen Standpunkts“ und Stärkung seiner Rechtsverbindlichkeit durch eine Neuformulierung als EU-Rüstungsexportverordnung
- Stärkung der europäischen Rüstungskooperation mit dem Ziel, diese von Exporten in Drittländer unabhängig zu machen
- Abschluss bindender Verträge zwischen den Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen Rüstungsexportstandards. Nutzung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu einem bilateralen Modellvertrag als ersten Schritt auf dem Weg zu gesamteuropäischen Standards. Sollten die Verhandlungen für einen solchen Modellvertrag scheitern oder stocken, sind europäische Vorhaben sowie gemeinsame Vorhaben mit anderen EU-Partnerstaaten prioritär zu behandeln, um die europäische Standardsetzung voranzutreiben.
Begründung:
Die vorstehenden Forderungen und Maßnahmen können der deutschen und europäischen Rüstungsexportpolitik eine deutlich höhere Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit verschaffen.
Ein auf der Grundlage der friedens- und sicherheitspolitischen Grundpositionen der Sozialdemokratie zu fordernder Paradigmenwechsel in der deutschen und europäischen Rüstungsexportpolitik erscheint aber nur möglich, wenn die mit dieser Politik verbundenen zentralen Dilemmata
- Aufrechterhaltung systemischer Grundfähigkeiten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrien als Grundlage einer ausreichenden Souveränität bei der Beschaffung und Unterhaltung der für den Verteidigungsauftrag erforderlichen Rüstungsgüter und Einrichtugen
- Schaffung einer ausreichenden Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten
- Sicherung der Finanzierung von Rüstungsprojekten durch Garantie einer der Abnahme einer ausreichenden Stückzahl bzw. der Beteiligung mehrerer NATO- oder EU-Partner bei der Entwicklung und Abnahme des Endprodukts
- Europäisierung der Sicherheitspolitik, Stärkung des europäischen Pfeilers der NATOauch durch stärkere Rüstungskoopeation sowie eine bessere ökononische In-Wert- Setzung der Aufwendungen der EU-Staaten für Rüstung für die gemeinsame Sicherheit
nicht durch Aufrechterhaltung und Neueinführung von Ausnahmetatbeständen bei Rüstungslieferungen an und Rüstungskooperationen mit im Sinne der oben angesprochenen Kriterien problematischen Ländern und ggf. auch nichtstaatlichen Geschäftspartnern sondern mit anderen Mitteln aufgelöst werden.
Wir begrüßen die zu zu diesem Punkt in der letzten Legislaturperiode von der SPD-Bundestagsfraktion gemachten Vorschläge, vor allem den Vorschlag einer verpflichtenden Beteiligung aller Unternehmen, die Rüstungsgüter aus Deutschland exportieren wollen, an einem gemeinschaftlichen Risikoausfallfonds.
Dieser aus unserer Sicht sehr zielführende Vorschlag sollte aber nicht nur „zur Diskussion gestellt“, sondern konsequent umgesetzt werden.
Weiter sollte – allerdings in einem breiteren Ansatz – die Vorgabe in Teil III,1 der Politischen Grundsätze zum Themenbereich Rüstungsexporte in Drittländer, nach der der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in diese Länder“ nicht zum Aufbau zusätzlicher, exportspezifischer Kapazitäten führen“ darf, genutzt werden.
Diese Vorgabe muss aus unserer Sicht aber nicht nur Rüstungsexporte in Drittstaaten, sondern auch für alle anderen Länder gelten. Wenn etwa die Erhaltung der „Kernkompetenzen“ des deutschen „Sonderschiffbaus“ und die Erhaltung der Arbeitsplätze in diesem Bereich von langfristigen Liefer- und Kooperationsbeziehungen z.B. mit einem vom Kriterium der Einhaltung der Menschenrechte her problematischen Partnerland wie der Türkei abhängig wird, ist das ebenso großes Problem, wie wenn dieses Partnerland Saudi-Arabien heißt.
Mittel- und langfristig kann dieses Dilemma nur durch Entwicklung und Ausbau von Programmen der Rüstungskonversion aufgelöst werden, mit denen Möglichkeiten geschaffen werden, die Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskapazitäten von reinen Rüstungsfirmen, noch eher aber von Firmen mit militärischen und zivilen Produktsparten, insbesondere aber die Qualifikationen von derzeit noch in der Rüstungsindustrie Beschäftigten in zivilen Bereichen anzuwenden. Eine Erfolgsgeschichte bildet in diesem Kontext die IT-Technologie mit den inzwischen kaum noch überschaubaren zivilen Anwendungsmöglichkeiten des ursprünglich für militärische Zwecke entwickelten Internet.
Letztlich können aber die hier beschriebenen Dilemmata nicht im Rahmen der Denk- und Handlungslogiken der Rüstungs- und Rüstungsexportpolitik aufgelöst werden.
Kriegswaffen – dies gilt in besonderer Weise für die Waffenarten und Rüstungsgüter, um die es in diesem Antrag und in der aktuellen Debatte um die Rüstungsexportpolitik geht – sind von ihrem Wesen und intentional dafür bestimmt, in Kriegen, d.h. in Kriegsgebieten eingesetzt und in Gebieten, in denen bewaffnete Konflikte drohen, also in Spannungsgebieten beschafft und angehäuft zu werden.
Dies gilt um so mehr, wenn es sich um Waffen handelt, die für in bestimmten Regionen typischen Formen der Kriegführung angewandt und damit gebraucht, aber nicht in diesen Regionen selbst, sondern in bestimmten Industrieländern hergestellt werden. Insofern können diese Arten von Waffen ihre immanente Bestimmung und ihr Ziel nur dann erreichen, wenn die Lieferländer die von ihnen selbst aufgestellten Grundsätze, Kriterien und Verfahrensregeln zur Verhinderung oder Beschränkung der Rüstungslieferungen in diese Zielregionen systematisch verletzen oder so weich formulieren, dass sie Lieferungen gerade auch in die sensibelsten und problematischsten Regionen – z.B. an die am Jemen-Krieg beteiligten Länder – zulassen.
Eine Teillösung für diese Problematik bestünde darin, die Lieferung von für den Einsatz in diesen Regionen typischen Waffen oder noch besser schon die Produktion solcher Waffen vollkommen zu verbieten. Dieser Logik folgt das Exportverbot für „kleine und leichte Waffen“ an Drittstaaten, das wir hier ausdrücklich unterstützen, aber nicht „grundsätzlich“, sondern als „verbindliche Regel ohne jede Ausnahme“.
Aber nur ein umfassender Politikansatz einer globalen Friedenspolitik und des konsequenten Eintretens für eine normenbasierte internationale Ordnung kann den Spielraum für gewaltsame Lösungen von politischen und anderen Streitfragen und damit die Anwendung von Gewaltmitteln und damit indirekt auch die Anreize für Rüstungsexporte verringern. Es muss aber das immer wieder neu in den Blick genommene Ziel deutscher und europäischer Rüstungsexportpolitik sein, durch belastbare Vorgaben für eine restriktive Rüstungsexportpolitik und deren konsequente Umsetzung bessere Rahmenbedingungen für eine solche globale Friedens- und Ordnungspolitik sowie für eine erfolgreiche Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik zu schaffen.
Nur ein solcher Politikansatz kann dem Eigengewicht der Waffen die Perspektive einer Welt ohne Waffen oder wenigstens deutlich weniger Waffen und damit auch weniger Rüstungsexporten entgegensetzen.
Der Landesparteitag/Bundesparteitag begrüßt und unterstützt die zur wirksamen Umsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SPD für den Bund beschlossenen Maßnahmen, insbesondere die Absicherung dieser Zielsetzung durch eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung und ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz. Wir unterstützen die Lieferungen von Waffen und schwerem Gerät in Abstimmung mit unseren NATO-Partnern an die Ukraine, um diese in ihrer Verteidigungsfähigkeit vor dem russischen Angriffskrieg zu unterstützen.
Die Vorgaben des Koalitionsvertrags sind aus unserer Sicht geeignet, bei konsequenter Anwendung die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der deutschen und europäischen Wirklichkeit zu verringern und einen Rahmen für die Realisierung des in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ formulierten Leitziels „durch eine Begrenzung und Kontrolle der deutschen Rüstungsexporte einen Beitrag zur Sicherung des Friedens und der Menschenrechte, zur Gewaltprävention sowie einer nachhaltigen Entwicklung der Welt zu leisten“ zu schaffen.
Gerade auf dem Hintergrund der Last- Minute-Genehmigungen von Großwaffen an das mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und einer indirekten Beteiligung am Krieg im Jemen belastete Militärregime in Ägypten in bisher nicht erreichter Höhe von über 4 Mrd. E. durch die letzte Bundesregierung halten wir jedoch weiterhin die folgenden Präzisierungen und Konkretisierungen der im Koalitionsvertrag formulierten Leitziele für erforderlich:
Die notwendige Weiterentwicklung der Rüstungsexportpolitik Deutschlands und der EU muss den grundsätzlichen Widerspruch zwischen normativen Grundsätzen und gängiger Praxis einer „restriktiven Rüstungsexportpolitik“ auflösen:
Bei Rüstungsexporten in sog. Drittländer ist das „grundsätzliche“ Verbot solcher Exporte in Länder, die gegen die Kriterien sowohl der
- Politische Grundsätze als auch des
- Gemeinsamen Standpunkts der EU betreffend die Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern von 2008
verstoßen, längst zur Ausnahme, die mit besonderen sicherheitspolitischen Belangen Deutschlands zu begründende Ausnahme dagegen in der Genehmigungspraxis zu Regel geworden.
Verschärfung bisheriger Maßnahmen und zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung und Durchsetzung einer restriktiven Rüstungsexportpolitik
Ein Rüstungsexportkontrollgesetz sollte folgende in dem SPD-Positionspapier und darüber hinaus aus unserer Sicht erforderliche Verschärfungen und Präzisierungen enthalten:
1. Eine verbindliche, mit zielgerichteten Sanktionierungen verbundene gesetzliche Normierung der in dem Abschnitt Allgemeine Prinzipien der aktuellen Fassung der Politischen Grundsätze aufgeführten Kriterien sowie der acht Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU.
2. Gesetzliche Fixierung der Berichtspflichten der Bundesregierung mit folgenden Elementen:
- quartalsweise Berichterstattung
- Angaben zu konkreten Rüstungsgütern und nicht lediglich zu Waffenkategorien
- Aufnahme von Herstellungsgenehmigungen, Lizenzerteilungen und Reexporten in die Berichterstattung
- Angaben über die im Berichtszeitraum tatsächlich erfolgten Rüstungslieferungen und tatsächlich erfolgten Abschlüsse von Rüstungskooperationen und nicht nur zu den Genehmigungen
- Statistik der im Bundessicherheitsrat und im übrigen Geschäftsgang der sonstigen Genehmigungsbehörden erfolgten Genehmigungen und Ablehnungen
- Angaben zu den auf Grund von Ausnahmetatbeständen entgegen den unter 1. genannten Kriterien erfolgten Genehmigungen im Verhältnis zu den auf Grund dieser Kriterien erfolgten Ablehnungen und ggf. Erklärungen für ein aus diesen Zahlen resultierendes, das Prinzip einer restriktiven Rüstungsexportpolitik in Frage stellendes Missverhältnis
3. Gesetzliche Fixierung einer Regelung, welche eine Auslagerung von Rüstungsproduktionen ins Ausland zur Umgehung der strengen deutschen Exportrichtlinien verhindert
4. Veröffentlichung alle abschließenden Entscheidungen des Bundessicherheitsrats in transparenter Form im Internet
5. Regelmäßige Post-Shipment-Berichte der Bundesregierung zur Sicherung der Endverbleibskontrolle von gelieferten Rüstungsgütern
6. Einführung einer Sonderberichtspflicht der Bundesregierung zu bereits erfolgten und noch nicht genehmigten, aber geplanten (z.B. durch Voranfragen auf den Weg gebrachten) Rüstungslieferungen und Rüstungskooperationen bei Bekanntwerden besonders schwerer Verstöße gegen Menschenrechte und das Kriegsvölkerrecht unter Einsatz von Waffen deutscher Herkunft auf Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Bundestags
7. Regelhafte Begrenzung der Laufzeit von Genehmigungen von Rüstungslieferungen auf zwei Jahre, Möglichkeit einer früheren Rücknahme oder Aussetzung von Genehmigungen bei nachträglichem Bekanntwerden von Verstößen gegen Genehmigungskriterien
8. Verlagerung der Verantwortung für die Genehmigung von Rüstungsexporten vom Wirtschaftsministerium auf das Auswärtige Amt
9. Verpflichtung der Bundesregierung zu einer konkreten sicherheitspolitischen Begründung jeder Genehmigung von Rüstungslieferungen und Rüstungskooperation, die unter Berufung auf Ausnahmetatbestände von den vorgegebenen Kriterien abweicht.
Zusätzliche mittelfristige Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung der Grundsätze und Kriterien für deutsche Rüstungsexporten und Ziels der Reduzierung der der Rüstungsexporte:
- Unterzeichnung des ATT-Vertrags (UN-Vertrag über den Waffenhandel) als verbindliches Kriterium für Verträge mit Drittstaaten
- Erhöhung von Zahl und Umfang der Post-Shipment-Kontrollen, verbindlicher Ausschluss von Ländern, welche diese Kontrollen ver- oder behindern oder sonst gegen die Regeln der Transparenz des Endverbleibs gelieferter Rüstungsgüter verstoßen und kein Offenlassen von Schlupflöchern mit Hilfe des Terminus „grundsätzlich“ wie in der aktuellen Fassung der „Politischen Grundsätze“
- Senkung der „de Minimis“-Grenzen für Einsprüche Deutschlands gegen Regelverletzungen des Kooperationspartners bei übernationalen Rüstungsexportprojekten. Wahrnehmung des deutschen Mitsprache- und ggf. Vetorechts gegen eine regelwidrige Durchführung derartiger Projekte im Sinne der Grundsätze der postulierten wertegebundenen deutschen Rüstungsexportpolitik und nicht in der Form einer reinen „salvatorischen Klausel“.
- Start einer diplomatischen Initiative zu Verhandlungen mit den wichtigsten Rüstungsproduzenten und Rüstungsexportländern dieser Erde zu einer numerischen Reduzierung der Waffenproduktion und der Rüstungsexporte auf allen Seiten um 10%.
Stärkere Einbeziehung der europäischen Ebene:
Die in diesem Antrag geforderten nationalen Maßnahmen reichen nicht aus und können ihre Ziele nicht erreichen, wenn nicht zugleich politisch-institutionelle Grundlagen für eine in der Praxis wirksame gemeinsame Rüstungsexportpolitik der EU geschaffen werden. Der Gemeinsame Standpunkt vom 8.12.2008 ist zwar als Beschluss des Europäischen Rates für die EU- Mitglieder rechtsverbindlich, enthält aber keinerlei Überprüfungs- und Sanktionsmöglichkeiten für Verletzungen der in ihm festgelegten Regeln und Kriterien für Rüstungsexporte und auch keine ausreichenden Informationspflichten gegenüber den anderen Mitgliedstaaten und gegenüber EU-Organen. Zudem bilden die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (Art. 346(b)A-EUV) festgeschriebenen Souveränitätsrechte der Mitgliedsstaaten ein Hindernis, diese im Hinblick auf eine einheitliche Anwendung des „Gemeinsamen Standpunkt“ stärker in der Pflicht zu nehmen. Daher treten wir für folgende Maßnahmen auf EU-Ebene ein:
- Verabschiedung einer gemeinsamen Rüstungsexportstrategie durch den Europäischen Rat und das Europäische Parlament
- Schaffung eines europäischen Rüstungsexportkontrollregimes mit einem Überprüfungsorgan auf der Ebene der Kommission oder des EADs
- Präzisierung zentraler Kriterien des „Gemeinsamen Standpunkts“ und Stärkung seiner Rechtsverbindlichkeit durch eine Neuformulierung als EU-Rüstungsexportverordnung
- Stärkung der europäischen Rüstungskooperation mit dem Ziel, diese von Exporten in Drittländer unabhängig zu machen
- Abschluss bindender Verträge zwischen den Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen Rüstungsexportstandards. Nutzung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu einem bilateralen Modellvertrag als ersten Schritt auf dem Weg zu gesamteuropäischen Standards. Sollten die Verhandlungen für einen solchen Modellvertrag scheitern oder stocken, sind europäische Vorhaben sowie gemeinsame Vorhaben mit anderen EU-Partnerstaaten prioritär zu behandeln, um die europäische Standardsetzung voranzutreiben.
Begründung:
Die vorstehenden Forderungen und Maßnahmen können der deutschen und europäischen Rüstungsexportpolitik eine deutlich höhere Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit verschaffen.
Ein auf der Grundlage der friedens- und sicherheitspolitischen Grundpositionen der Sozialdemokratie zu fordernder Paradigmenwechsel in der deutschen und europäischen Rüstungsexportpolitik erscheint aber nur möglich, wenn die mit dieser Politik verbundenen zentralen Dilemmata
- Aufrechterhaltung systemischer Grundfähigkeiten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrien als Grundlage einer ausreichenden Souveränität bei der Beschaffung und Unterhaltung der für den Verteidigungsauftrag erforderlichen Rüstungsgüter und Einrichtugen
- Schaffung einer ausreichenden Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten
- Sicherung der Finanzierung von Rüstungsprojekten durch Garantie einer der Abnahme einer ausreichenden Stückzahl bzw. der Beteiligung mehrerer NATO- oder EU-Partner bei der Entwicklung und Abnahme des Endprodukts
- Europäisierung der Sicherheitspolitik, Stärkung des europäischen Pfeilers der NATOauch durch stärkere Rüstungskoopeation sowie eine bessere ökononische In-Wert- Setzung der Aufwendungen der EU-Staaten für Rüstung für die gemeinsame Sicherheit
nicht durch Aufrechterhaltung und Neueinführung von Ausnahmetatbeständen bei Rüstungslieferungen an und Rüstungskooperationen mit im Sinne der oben angesprochenen Kriterien problematischen Ländern und ggf. auch nichtstaatlichen Geschäftspartnern sondern mit anderen Mitteln aufgelöst werden.
Wir begrüßen die zu zu diesem Punkt in der letzten Legislaturperiode von der SPD-Bundestagsfraktion gemachten Vorschläge, vor allem den Vorschlag einer verpflichtenden Beteiligung aller Unternehmen, die Rüstungsgüter aus Deutschland exportieren wollen, an einem gemeinschaftlichen Risikoausfallfonds.
Dieser aus unserer Sicht sehr zielführende Vorschlag sollte aber nicht nur „zur Diskussion gestellt“, sondern konsequent umgesetzt werden.
Weiter sollte – allerdings in einem breiteren Ansatz – die Vorgabe in Teil III,1 der Politischen Grundsätze zum Themenbereich Rüstungsexporte in Drittländer, nach der der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in diese Länder“ nicht zum Aufbau zusätzlicher, exportspezifischer Kapazitäten führen“ darf, genutzt werden.
Diese Vorgabe muss aus unserer Sicht aber nicht nur Rüstungsexporte in Drittstaaten, sondern auch für alle anderen Länder gelten. Wenn etwa die Erhaltung der „Kernkompetenzen“ des deutschen „Sonderschiffbaus“ und die Erhaltung der Arbeitsplätze in diesem Bereich von langfristigen Liefer- und Kooperationsbeziehungen z.B. mit einem vom Kriterium der Einhaltung der Menschenrechte her problematischen Partnerland wie der Türkei abhängig wird, ist das ebenso großes Problem, wie wenn dieses Partnerland Saudi-Arabien heißt.
Mittel- und langfristig kann dieses Dilemma nur durch Entwicklung und Ausbau von Programmen der Rüstungskonversion aufgelöst werden, mit denen Möglichkeiten geschaffen werden, die Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionskapazitäten von reinen Rüstungsfirmen, noch eher aber von Firmen mit militärischen und zivilen Produktsparten, insbesondere aber die Qualifikationen von derzeit noch in der Rüstungsindustrie Beschäftigten in zivilen Bereichen anzuwenden. Eine Erfolgsgeschichte bildet in diesem Kontext die IT-Technologie mit den inzwischen kaum noch überschaubaren zivilen Anwendungsmöglichkeiten des ursprünglich für militärische Zwecke entwickelten Internet.
Letztlich können aber die hier beschriebenen Dilemmata nicht im Rahmen der Denk- und Handlungslogiken der Rüstungs- und Rüstungsexportpolitik aufgelöst werden.
Kriegswaffen – dies gilt in besonderer Weise für die Waffenarten und Rüstungsgüter, um die es in diesem Antrag und in der aktuellen Debatte um die Rüstungsexportpolitik geht – sind von ihrem Wesen und intentional dafür bestimmt, in Kriegen, d.h. in Kriegsgebieten eingesetzt und in Gebieten, in denen bewaffnete Konflikte drohen, also in Spannungsgebieten beschafft und angehäuft zu werden.
Dies gilt um so mehr, wenn es sich um Waffen handelt, die für in bestimmten Regionen typischen Formen der Kriegführung angewandt und damit gebraucht, aber nicht in diesen Regionen selbst, sondern in bestimmten Industrieländern hergestellt werden. Insofern können diese Arten von Waffen ihre immanente Bestimmung und ihr Ziel nur dann erreichen, wenn die Lieferländer die von ihnen selbst aufgestellten Grundsätze, Kriterien und Verfahrensregeln zur Verhinderung oder Beschränkung der Rüstungslieferungen in diese Zielregionen systematisch verletzen oder so weich formulieren, dass sie Lieferungen gerade auch in die sensibelsten und problematischsten Regionen – z.B. an die am Jemen-Krieg beteiligten Länder – zulassen.
Eine Teillösung für diese Problematik bestünde darin, die Lieferung von für den Einsatz in diesen Regionen typischen Waffen oder noch besser schon die Produktion solcher Waffen vollkommen zu verbieten. Dieser Logik folgt das Exportverbot für „kleine und leichte Waffen“ an Drittstaaten, das wir hier ausdrücklich unterstützen, aber nicht „grundsätzlich“, sondern als „verbindliche Regel ohne jede Ausnahme“.
Aber nur ein umfassender Politikansatz einer globalen Friedenspolitik und des konsequenten Eintretens für eine normenbasierte internationale Ordnung kann den Spielraum für gewaltsame Lösungen von politischen und anderen Streitfragen und damit die Anwendung von Gewaltmitteln und damit indirekt auch die Anreize für Rüstungsexporte verringern. Es muss aber das immer wieder neu in den Blick genommene Ziel deutscher und europäischer Rüstungsexportpolitik sein, durch belastbare Vorgaben für eine restriktive Rüstungsexportpolitik und deren konsequente Umsetzung bessere Rahmenbedingungen für eine solche globale Friedens- und Ordnungspolitik sowie für eine erfolgreiche Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik zu schaffen.
Nur ein solcher Politikansatz kann dem Eigengewicht der Waffen die Perspektive einer Welt ohne Waffen oder wenigstens deutlich weniger Waffen und damit auch weniger Rüstungsexporten entgegensetzen.