Antrag 107/I/2021 Maßnahmen zur wirksamen Stärkung des Vermögenaufbaus zugunsten unterer und mittlerer Einkommen in Deutschland

Neben einer Veränderung der Ziele einer Wirtschaftspolitik, die in den letzten zwei Jahr­zehnten insbesondere aufsteigende Leistungsbilanzüberschüsse und eine über dem In­vestitionsniveau liegende Sparquote gesetzt und dadurch die Vermögensakkumulation reicherer Bevölkerungsschichten begünstigt hat, sind Maßnahmen zu definieren, die auf eine deutlich stärkere Vermögensbildung bei den finanziell schwächeren Bürgern zielt.

Wir sind der Meinung, dass dort anzusetzen ist, wo Hindernisse die Bildung von Vermögen erschweren, insbesondere wenn:

  • ein schwaches bis kein Sparpotential aufgrund eines niedrigen Einkommens vorhanden ist bzw.
  • der Zugang zur Anschaffung von Wohneigentum oder rentableren Geld­ver­mögens­anlagen aufgrund finanzieller Verhältnisse und persönlicher Kenntnisse erschwert wird.

 

Folgende Maßnahmen sollen in Betracht gezogen werden:

 

1. Stärkere Teilhabe der Mitarbeitenden an der Wertentwicklung der Unternehmen durch Ausgabe von Unternehmensanteilen an die Belegschaften

Fondsstrukturen können einen wesentlichen Beitrag zur Beteiligung der Belegschaften an der Wertentwicklung und dem Unternehmenserfolg bieten. Dedizierte Spezialfonds, z.B. in Form treuhänderischer Zwischengesellschaften, an denen die Mitarbeitenden beteiligt werden, würden in ihrer Rechnung die Anteile an den arbeitgebenden Unternehmen halten. Solche Lösungen, die im Ausland seit langer Zeit Anwendung finden, sollen auch in Deutschland Einsatz finden:

  • zur Herstellung einer effizienten Strukturierung des Beteiligungsangebots, das leichter an die Gesamtheit der Belegschaft gerichtet werden kann, sowie
  • zum besseren Schutz der Interessen der am Unternehmen beteiligten Belegschaften gegenüber ihren Arbeitgebern mit einer konsequenten Ausgestaltung der Anlegervertretung in den Gesell­schafts­organen wie z.B. in der Hauptversammlung

 

Die Wahrnehmung der Interessen der Mitarbeitenden durch die Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung sowie der tariflichen Bindung werden durch derartige Beteiligungsmodelle nicht berührt. Das durch eine Beteiligung des Arbeitnehmenden am Unternehmen zugleich übernommene Risiko (für den Ausfall der Beteiligung bei Insolvenz) soll durch Mitspracherechte u.a. in der Anlegervertretung gemindert werden.

 

Solche unter­neh­mensbezogene Lösungen sollen in der Weise ausgelegt werden, dass anderes, mit einer Mitarbeiterbeteiligung nicht verbundenes Wert­papiervermögen der Mitarbeitenden eingeschlossen und gefördert wird[1], Damit werden möglich:

  • eine Risikominimierung durch eine gute Streuung der Anlegerportfolien, die somit nicht nur aus Beteiligungen an einzelnen Unternehmen bestehen. Diese tragen mit sich m Extremfall das Risiko des Totalausfalls, insbesondere wenn es um Beteiligungen an Startups geht.
  • die Übertragung der Portfolioverwaltung auf professionelle und unabhängige Unternehmen, die u.a. die Funktion der Anlageentscheidung zur Entlastung oft überforderter AnlegerInnen übernehmen
  • Kostenvorteile für die investierten Mitarbeitenden dank der Nutzung von Skaleneffekten, welche zusätzlich breiter angelegte Anlagestrategien erlauben, die den einzelnen Investoren verwehrt wären

 

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist, dass Fondsstrukturen dazu geeignet sind, Steuervergünstigungen zugunsten ihren Beteiligten einzuführen, die auf eine Besserstellung der unteren und mittleren Einkommen zielen und somit den Vermögensbau stark zu fördern. Dabei wäre z.B. die steuerbefreite Wieder­anlage im Fonds denkbar, wie in anderen Ländern bereits möglich ist. Dort werden Erträge von der Einkommensteuer – meistens aber nicht von den Sozial­abgaben – befreit, solange sie im Fonds bleiben. Durch die Einschränkung auf solche Spezialfonds wird eine nicht sinnvolle Übertragung solcher Ausnahmen auf nicht zu vergünstigende Vermögen konsequent vermieden und die einheitliche Gestaltung des Steuergesetzes grundsätzlich bewahrt

Unternehmen sollten außerdem in die Lage versetzt werden, ihre Fondsangebote für die Mit­ar­bei­tenden zusammenzulegen, um Skalenvorteile besser zu nutzen. Die Fonds werden durch Zuführungen der Arbeitgeber und dessen Mitarbeiter gespeist.

 

2. Umverteilung von Unternehmensanteilen

Die Bundesrepublik Deutschland selbst soll einen Dachfonds initiieren (ein „Deutsch­lands­fonds“), an dem sich unternehmenseigene Beteiligungsprogramme an­schließen können.

Neben den somit im Fonds zusammenfließenden Beteiligungen sind zwei weitere wichtige Investitionsquellen zu aktivieren:

  • Wiederanlage von Erträgen aus dem Wertzuwachs von mit öffentlichen Mitteln finanzierten Innovationsunternehmen
    Innovation wird oft dank der Unterstützung durch den Staat möglich. Diese Unterstützung erfolgt in verschiedenster Weise, u.a. über die Verfügungs-stellung erheblicher Finanzmittel, insbesondere wenn das Unternehmensrisiko am höchsten ist und der privaten Finanzierung sehr enge Grenzen gesetzt sind – z.B. während der Startup-Phase eines Unternehmens.
    Wir fordern, dass der Bund bzw. die Länder am Wertzuwachs der durch öffentliche Mittel finanzierten Unternehmen in geeigneter Weise durch Übernahme von Kapitalbeteiligungen partizipieren und dass daraus entstehende Erträge in Form von Dividenden und Veräusserungsgewinnen in der Fondsstruktur reinvestiert werden, sodass sie der Allgemeinheit und insbesondere vermögensärmeren Gruppen zugute kommen können.
  • Ausgabe von Gratisaktien und -anteilen
    Darüber hinaus fordern wir die Ausgabe von Gratisaktien und -anteilen von Unternehmen in einem zu bestimmenden maximalen Rahmen zugunsten des skizzierten „Deutschlandsfonds“. Hierdurch wird unmittelbar eine Umverteilung von Vermögenswerten der UnternehmenseigentümerInnen zu Gunsten der arbeitnehmenden Teile der Gesellschaft erreicht.

 

3. Abbau der steuerlichen und kostentechnischen Nachteile für Gering- und Normalverdienende

Zur Verstärkung bestehender und künftiger Maßnahmen ist eine deutliche Anhebung der derzeitigen steuerlichen Anreize erforderlich, welches auch mit dem Ausland gleichzieht. Der derzeit geringe Freibetrag für den vergünstigten Bezug von Belegschaftsaktien (§ 3 Nr. 39 EStG) sollte von derzeit € 360/Jahr auf ein „europäisches“ Niveau“ gebracht werden (d.h. auf mindestens € 3.000/Jahr – eine Erhöhung des Freibetrags auf nur € 720 wird seit langer Zeit in der Koalition diskutiert und ist erwartet).

Eine entsprechende Erhöhung der Arbeitnehmer-Sparzulage gem. Fünftem Vermögensbildungsgesetz (20% von max. € 400, d.h. € 80 / Jahr) sollte ebenfalls vorgenommen werden.

 

4. Erleichterungen beim Kauf von selbstgenutztem Wohnraum für Gering- und Normalverdienende

Zur wirtschaftlichen Unterstützung des Kaufs von selbstgenutztem Wohnraum – ins­be­son­dere von Bürgerinnen und Bürgern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und Vermögen – sollen Erleichterungen eingeführt werden, z.B. durch die Befreiung von der Grund­er­werbsteuer in bestimmten Fällen. Darüber hinaus soll diesen vermögensarmen Gruppen weitere Ver­günstigungen in der Anschaffung, u.a. bei der Vermittlung der Wohnung zukommen. In Berlin können z.B. die Gesamttransaktionskosten ca. 15% des Kaufpreises eines Ob­jektes erreichen und stellen somit eine Hürde für finanzschwache, private Käuferinnen und Käufer dar. Private Käuferinnen und Käufer sind hier gegenüber Unternehmen besonders im Nach­teil, wenn man bedenkt, dass die auf der Basis von Prozentsätzen kalkulierten Kosten auf bereits hohe zu erbringende Summen zu berechnen sind während Unternehmen derartige Kosten über die Nutzung rechtlicher und steuerrechtlicher Konstruktionen begrenzen können. Wir wollen das Bürgerinnen und Bürger gezielt gegenüber in Wohnraum investierenden Unternehmen bevorzugt bzw. durch steuerrechtliche und fördertechnische Maßnahmen begünstigt werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Fassung der Antragskommission:
  • LPT I-2021 – vertagt
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Neben einer Veränderung der Ziele einer Wirtschaftspolitik, die in den letzten zwei Jahr­zehnten insbesondere aufsteigende Leistungsbilanzüberschüsse und eine über dem In­vestitionsniveau liegende Sparquote gesetzt und dadurch die Vermögensakkumulation reicherer Bevölkerungsschichten begünstigt hat, sind Maßnahmen zu definieren, die auf eine deutlich stärkere Vermögensbildung bei den finanziell schwächeren Bürgern zielt.

Wir sind der Meinung, dass dort anzusetzen ist, wo Hindernisse die Bildung von Vermögen erschweren, insbesondere wenn:

  • ein schwaches bis kein Sparpotential aufgrund eines niedrigen Einkommens vorhanden ist bzw.
  • der Zugang zur Anschaffung von Wohneigentum oder rentableren Geld­ver­mögens­anlagen aufgrund finanzieller Verhältnisse und persönlicher Kenntnisse erschwert wird.

 

Folgende Maßnahmen sollen in Betracht gezogen werden:

 

1. Stärkere Teilhabe der Mitarbeitenden an der Wertentwicklung der Unternehmen durch Ausgabe von Unternehmensanteilen an die Belegschaften

Fondsstrukturen können einen wesentlichen Beitrag zur Beteiligung der Belegschaften an der Wertentwicklung und dem Unternehmenserfolg bieten. Dedizierte Spezialfonds, z.B. in Form treuhänderischer Zwischengesellschaften, an denen die Mitarbeitenden beteiligt werden, würden in ihrer Rechnung die Anteile an den arbeitgebenden Unternehmen halten. Solche Lösungen, die im Ausland seit langer Zeit Anwendung finden, sollen auch in Deutschland Einsatz finden:

  • zur Herstellung einer effizienten Strukturierung des Beteiligungsangebots, das leichter an die Gesamtheit der Belegschaft gerichtet werden kann, sowie
  • zum besseren Schutz der Interessen der am Unternehmen beteiligten Belegschaften gegenüber ihren Arbeitgebern mit einer konsequenten Ausgestaltung der Anlegervertretung in den Gesell­schafts­organen wie z.B. in der Hauptversammlung

 

Die Wahrnehmung der Interessen der Mitarbeitenden durch die Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung sowie der tariflichen Bindung werden durch derartige Beteiligungsmodelle nicht berührt. Das durch eine Beteiligung des Arbeitnehmenden am Unternehmen zugleich übernommene Risiko (für den Ausfall der Beteiligung bei Insolvenz) soll durch Mitspracherechte u.a. in der Anlegervertretung gemindert werden.

 

Solche unter­neh­mensbezogene Lösungen sollen in der Weise ausgelegt werden, dass anderes, mit einer Mitarbeiterbeteiligung nicht verbundenes Wert­papiervermögen der Mitarbeitenden eingeschlossen und gefördert wird[1], Damit werden möglich:

  • eine Risikominimierung durch eine gute Streuung der Anlegerportfolien, die somit nicht nur aus Beteiligungen an einzelnen Unternehmen bestehen. Diese tragen mit sich m Extremfall das Risiko des Totalausfalls, insbesondere wenn es um Beteiligungen an Startups geht.
  • die Übertragung der Portfolioverwaltung auf professionelle und unabhängige Unternehmen, die u.a. die Funktion der Anlageentscheidung zur Entlastung oft überforderter AnlegerInnen übernehmen
  • Kostenvorteile für die investierten Mitarbeitenden dank der Nutzung von Skaleneffekten, welche zusätzlich breiter angelegte Anlagestrategien erlauben, die den einzelnen Investoren verwehrt wären

 

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist, dass Fondsstrukturen dazu geeignet sind, Steuervergünstigungen zugunsten ihren Beteiligten einzuführen, die auf eine Besserstellung der unteren und mittleren Einkommen zielen und somit den Vermögensbau stark zu fördern. Dabei wäre z.B. die steuerbefreite Wieder­anlage im Fonds denkbar, wie in anderen Ländern bereits möglich ist. Dort werden Erträge von der Einkommensteuer – meistens aber nicht von den Sozial­abgaben – befreit, solange sie im Fonds bleiben. Durch die Einschränkung auf solche Spezialfonds wird eine nicht sinnvolle Übertragung solcher Ausnahmen auf nicht zu vergünstigende Vermögen konsequent vermieden und die einheitliche Gestaltung des Steuergesetzes grundsätzlich bewahrt

Unternehmen sollten außerdem in die Lage versetzt werden, ihre Fondsangebote für die Mit­ar­bei­tenden zusammenzulegen, um Skalenvorteile besser zu nutzen. Die Fonds werden durch Zuführungen der Arbeitgeber und dessen Mitarbeiter gespeist.

 

2. Umverteilung von Unternehmensanteilen

Die Bundesrepublik Deutschland selbst soll einen Dachfonds initiieren (ein „Deutsch­lands­fonds“), an dem sich unternehmenseigene Beteiligungsprogramme an­schließen können.

Neben den somit im Fonds zusammenfließenden Beteiligungen sind zwei weitere wichtige Investitionsquellen zu aktivieren:

  • Wiederanlage von Erträgen aus dem Wertzuwachs von mit öffentlichen Mitteln finanzierten Innovationsunternehmen
    Innovation wird oft dank der Unterstützung durch den Staat möglich. Diese Unterstützung erfolgt in verschiedenster Weise, u.a. über die Verfügungs-stellung erheblicher Finanzmittel, insbesondere wenn das Unternehmensrisiko am höchsten ist und der privaten Finanzierung sehr enge Grenzen gesetzt sind – z.B. während der Startup-Phase eines Unternehmens.
    Wir fordern, dass der Bund bzw. die Länder am Wertzuwachs der durch öffentliche Mittel finanzierten Unternehmen in geeigneter Weise durch Übernahme von Kapitalbeteiligungen partizipieren und dass daraus entstehende Erträge in Form von Dividenden und Veräusserungsgewinnen in der Fondsstruktur reinvestiert werden, sodass sie der Allgemeinheit und insbesondere vermögensärmeren Gruppen zugute kommen können.
  • Ausgabe von Gratisaktien und -anteilen
    Darüber hinaus fordern wir die Ausgabe von Gratisaktien und -anteilen von Unternehmen in einem zu bestimmenden maximalen Rahmen zugunsten des skizzierten „Deutschlandsfonds“. Hierdurch wird unmittelbar eine Umverteilung von Vermögenswerten der UnternehmenseigentümerInnen zu Gunsten der arbeitnehmenden Teile der Gesellschaft erreicht.

 

3. Abbau der steuerlichen und kostentechnischen Nachteile für Gering- und Normalverdienende

Zur Verstärkung bestehender und künftiger Maßnahmen ist eine deutliche Anhebung der derzeitigen steuerlichen Anreize erforderlich, welches auch mit dem Ausland gleichzieht. Der derzeit geringe Freibetrag für den vergünstigten Bezug von Belegschaftsaktien (§ 3 Nr. 39 EStG) sollte von derzeit € 360/Jahr auf ein „europäisches“ Niveau“ gebracht werden (d.h. auf mindestens € 3.000/Jahr – eine Erhöhung des Freibetrags auf nur € 720 wird seit langer Zeit in der Koalition diskutiert und ist erwartet).

Eine entsprechende Erhöhung der Arbeitnehmer-Sparzulage gem. Fünftem Vermögensbildungsgesetz (20% von max. € 400, d.h. € 80 / Jahr) sollte ebenfalls vorgenommen werden.

 

4. Erleichterungen beim Kauf von selbstgenutztem Wohnraum für Gering- und Normalverdienende

Zur wirtschaftlichen Unterstützung des Kaufs von selbstgenutztem Wohnraum – ins­be­son­dere von Bürgerinnen und Bürgern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und Vermögen – sollen Erleichterungen eingeführt werden, z.B. durch die Befreiung von der Grund­er­werbsteuer in bestimmten Fällen. Darüber hinaus soll diesen vermögensarmen Gruppen weitere Ver­günstigungen in der Anschaffung, u.a. bei der Vermittlung der Wohnung zukommen. In Berlin können z.B. die Gesamttransaktionskosten ca. 15% des Kaufpreises eines Ob­jektes erreichen und stellen somit eine Hürde für finanzschwache, private Käuferinnen und Käufer dar. Private Käuferinnen und Käufer sind hier gegenüber Unternehmen besonders im Nach­teil, wenn man bedenkt, dass die auf der Basis von Prozentsätzen kalkulierten Kosten auf bereits hohe zu erbringende Summen zu berechnen sind während Unternehmen derartige Kosten über die Nutzung rechtlicher und steuerrechtlicher Konstruktionen begrenzen können. Wir wollen das Bürgerinnen und Bürger gezielt gegenüber in Wohnraum investierenden Unternehmen bevorzugt bzw. durch steuerrechtliche und fördertechnische Maßnahmen begünstigt werden.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: