Antrag 122/I/2023 Für Rechtsstaatlichkeit in der Einstellungspraxis im Schuldienst

§ 2 des sog. Berliner Neutralitätsgesetzes ist in der Praxis ein pauschales Kopftuchverbot und damit, wie vom Bundesverfassungsgericht bereits 2015 entschieden, verfassungswidrig.

 

Das Bundesverfassungsgericht stellte 2015 klar, dass eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens vorliegen muss. Bis heute gibt es keine wissenschaftlich fundierten Belege dafür, dass Lehrerinnen und Pädagoginnen mit Kopftuch an Berliner Schulen den Schulfrieden gefährden.

 

Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf, rechtsstaatliche Prinzipien durchzusetzen und eine Reformierung des § 2 des Gesetzes in die Wege zu leiten, damit eine verfassungskonforme und diskriminierungsfreie Einstellungspraxis gewährleistet werden kann und auf diese Weise dem strukturellen Rassismus und der strukturellen Benachteiligung von Kopftuch-tragenden Frauen entgegenwirkt wird.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: ASF, ASJ, FA V - Stadt des Wissens (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

LPT 23.05.2023: Wiedervorlage LPT I-2024

LPT I-2024: Überweisung FA V – Stadt des Wissens, SPD Frauen

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Stellungnahme FA V zum LPT II-2024:

Überarbeitung beider Anträge zur Formulierung von Umsetzungsschritten, die unter Berücksichtigung der Neutralitätspflichten des Staates und der gegebenen / erklärten Beeinträchtigungen unterschiedlicher Personengruppen durch die Einschränkung der öffentlichen Ausgestaltung erklärter religiöser Bekleidungsvorgaben ebenso wie durch die Konfrontation mit der öffentlichen Ausgestaltung erklärter religiöser Bekleidungsvorgaben durch andere, Empfehlungen für die verfassungskonforme und europarechtskonforme Ausgestaltung von allgemeingültigen Verordnungen und anderen Umsetzungsregelungen des Berliner Neutralitätsgesetzes.
Für die Überarbeitung dürfte sich die Bildung einer Fachausschuss und Arbeitsgemeinschaften übergreifende Arbeitsgruppe anbieten.

Begründung:

Die Zielsetzung beider Anträge, eine verfassungskonforme Umsetzung der Bestimmungen in § 2 des Berliner Neutralitätsgesetzes mit allgemeiner Wirkung und ohne besondere Berücksichtigung von Personengruppen mit bestimmten erklärten religiösen Bekleidungs-, bzw. Verhaltensvorgaben im öffentlichen Tätigkeitsbereich zu erreichen, wird durch die Forderung nach einer Abschaffung des Neutralitätsgesetzes nicht erfüllt. Da ohne gesonderte gesetzliche Regelungen die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Berechtigung der Bestimmung bzw. Untersagung von Bekleidungs- und Verhaltsvorschriften nach betrieblichen Regelungen den Ausgestaltungsaßstab bestimmen können, wird durch die Aufhebung des Gesetzes die in beiden Anträgen erklärte Zielsetzung, einer „diskriminierungsfreien Einstellungspraxis“ gerade nicht erreicht.

 

Stellungnahme AfB zum LPT I-2024:

Anders als im Antrag dargestellt, wurde das Berliner Neutralitätsgesetz nicht vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Auch das BAG hat unter Anwendung der verfassungsgerichtlichen Maßstäbe lediglich eine verfassungskonforme Auslegung angemahnt. Danach ist § 2 NeutrG, sofern das Tragen eines religiösen Kleidungsstücks nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist, verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Tragen des Kopftuchs innerhalb des Dienstes nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität verboten ist (BAG 8 AZR 62/19 LS). In Umsetzung dieses Schreibens hat die SenBJF (noch unter SPD-Führung) ein Rundschreiben erlassen, das die Umsetzung der Rechtsprechung sicherstellt. Insofern ist der Forderung durch Verwaltungspraxis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung hinreichend Rechnung getragen. Da der Antrag das Neutralitätsgesetz nicht generell für den Staatsdienst infrage stellt, ist eine Aufhebung nicht angezeigt. Der Antrag ist daher durch Verwaltungspraxis für erledigt zu erklären.