Antrag 34/I/2022 Ein Gesetz für mehr Unternehmenstransparenz im digitalen Raum

Status:
Annahme mit Änderungen

Digitalunternehmen, also Unternehmen wie Online-Plattformen oder Soziale Medien, wie sie im europäischen Gesetz über digitale Dienste definiert sind, unterliegen bisher nur wenigen Transparenzpflichten über ihre Arbeit. Aus diesem Grund fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages sowie die Mitglieder der S&D Fraktion des Europäischen Parlaments dazu auf, neue Berichtspflichten für Digitalunternehmen zu schaffen. Diese neuen Berichtspflichten sollen schon bestehende Berichtspflichten in der DSGVO oder den neuen europäischen Gesetzen über digitale Dienste und Märkte ergänzen und weiter ausbauen. Um insbesondere Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten, sollen diese von den neuen Regelungen ausgenommen werden.

 

Im Einzelnen fordern wir:

  • Die europäische Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie muss um die Herausforderungen der Digitalisierung ergänzt werden. Durch Aufnahmen von Corporate Digital Responsibility (CDR) – Kriterien wollen wir für Digitalunternehmen neue Berichtspflichten zu ihrer Arbeit im digitalen Raum schaffen. Diese neuen Berichtspflichten sollen sich an den schon bestehenden Nachhaltigkeitsberichtspflichten orientieren. So sollen zukünftig mehr Informationen über die Arbeit dieser Unternehmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Digitalunternehmen sollten unter anderem darüber berichten, was sie für Verbraucherdaten sammeln, unter welchen Bedingungen ihre KI-Systeme funktionieren, wie divers ihre Entwicklungsteams sind oder welche Schulungsangebote sie zu diesen Themen für Mitarbeitende anbieten. Neben den Berichten sollten Digitalunternehmen auch etwaige Daten zur Verfügung stellen, damit die Berichte durch externe und unabhängige Dritte verifiziert werden können. Sollten die Berichte Mängel der Unternehmen in Bezug auf die Einhaltung der Berichtspflichten aufweisen, müssen diese zeitnah abgestellt werden. Nicht einhalten der Berichtspflichten oder Nicht-Abstellung von Mängeln muss streng sanktioniert werden.
  • Weiterhin müssen Digitalunternehmen interne Beauftragte ernennen, die Externen als Ansprechperson fungieren und die Berichtspflichten im Unternehmen durchsetzen und überwachen.
  • Digitalunternehmen müssen darüber hinaus im Zuge der neuen Regelung auch dazu verpflichtet werden, bei der Einführung und Entwicklung neuer digitaler Dienste und Produkte eine sogenannte Folgenabschätzung durchzuführen. In diesem Bericht sollten die Tragweite und mögliche entstehende Auswirkungen der neuen digitalen Dienste und Produkte auf die Gesellschaft analysiert werden. Die Folgenabschätzungen müssen öffentlich zugänglich und überprüfbar sein sowie Maßnahmen enthalten, wie potenzielle negative Auswirkungen neuer digitaler Dienste und Produkte vermindert werden können.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung FA VII (Konsens)
Fassung der Antragskommission:
Der Fachausschuss VII hat den Antrag zusammen mit den Antragsteller*innen beraten und empfiehlt die Annahme des Antrags in der geänderten Fassung:Der Landesparteitag möge beschließen:

Der Bundesparteitag möge beschließen:

 

Ein Gesetz für mehr Unternehmenstransparenz im digitalen Raum

 

Digitalunternehmen, also Unternehmen wie Online-Plattformen oder Soziale Medien, wie sie im europäischen Gesetz über digitale Dienste definiert sind, unterliegen bisher nur wenigen Transparenzpflichten über ihre Arbeit. Aus diesem Grund fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages sowie die Mitglieder der S&D Fraktion des Europäischen Parlaments dazu auf, neue Berichtspflichten für Digitalunternehmen zu schaffen. Diese neuen Berichtspflichten sollen schon bestehende Berichtspflichten in der DSGVO oder den neuen europäischen Gesetzen über digitale Dienste und Märkte ergänzen und weiter ausbauen und die europäische Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie erweitern.

 

Im Einzelnen fordern wir:

 

  • Die europäische Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie sollte um die Herausforderungen der Digitalisierung ergänzt werden. Durch Aufnahme von zusätzlichen Corporate Digital Responsibility (CDR) – Kriterien sollten für große Digitalunternehmen neue Berichtspflichten zu ihrer Arbeit im digitalen Raum geschaffen werden. Start-ups und kleinere sowie mittlere Unternehmen sind bereits von der CSR-Richtlinie ausgenommen, sodass für sie kein Mehraufwand entstehen würde. Die Berichtspflichten sollten sich dabei an den schon bestehenden Nachhaltigkeits­berichts­pflichten orientieren. Große Digitalunternehmen sollten insbesondere mehr Informa­tionen über den Umgang mit Daten der Öffentlichkeit zugänglich machen und so für mehr Transparenz gegenüber Verbraucher*innen sorgen. Dazu sollten sie unter anderem darüber berichten, was sie für Verbraucher*innendaten sammeln, wozu diese Daten eingesetzt werden, wie diese Daten gesichert werden und wie lange diese Daten gespeichert bleiben.
  • Darüber hinaus sollen Digitalunternehmen bereits im Rahmen der noch in Verhandlung befindlichen europäischen Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) Berichte über die Funktion ihrer KI-Systeme anfertigen. Diese sollten im Rahmen der oben genannten Berichtspflichten unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
  • Zusätzlich zu der Erfüllung der Berichtspflichten sollten große Digitalunternehmen auch etwaige Daten zur Verfügung stellen, damit die Berichte durch externe und unabhängige Dritte verifiziert werden können.
  • Weiterhin sollten Digitalunternehmen interne Beauftragte ernennen, die Externen als Ansprechperson fungieren und die Berichtspflichten im Unternehmen durchsetzen und überwachen.

 

Begründung:

 

Für uns Sozialdemokrat*innen ist klar, dass Unternehmen eine große gesellschaftliche Verantwortung tragen. Dieser Verantwortung können Unternehmen aber nur gerecht werden, wenn sie auch transparent agieren und Informationen der Öffentlichkeit preisgeben. Nur so ist es Beobachtenden möglich, Rückschlüsse auf das Handeln von Unternehmen zu ziehen. So gibt es bisher zum Beispiel kaum öffentlich verfügbare Informationen über den genauen Aufbau von Lieferketten von Unternehmen. Oftmals werden Produkte und Dienstleistungen entlang der Lieferkette unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen produziert, der Schutz von Arbeitnehmenden nicht eingehalten oder Schadstoffe in Luft und Umwelt entladen. Unternehmen beuten dabei immer wieder Mensch und Umwelt für ihre Gewinne aus. Begünstigt wird dieses kapitalistische Verhalten, da kaum Transparenzpflichten für Unternehmen bestehen. So können diese im Verborgenen tun und lassen, was sie wollen, ohne groß Konsequenzen für ihr Handeln zu spüren. Die Europäische Kommission will sich dieser Problematik mit einer neuen sogenannten “Corporate Social Responsibility” (CSR) Richtlinie annehmen. CSR steht dabei für eine soziale Verantwortung, die Unternehmen in Bezug auf die Gesellschaft und Umwelt haben. Dabei geht es primär darum, dass große sowie kapitalmarktorientierte kleine und mittelständige Unternehmen in jährlichen CSR-Berichten über konkrete Maßnahmen berichten müssen, die sie ergreifen, um die europäischen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten. Dabei müssen auch eine Vielzahl von Informationen (z.B. Informationen über vorhandenes Intellektuelles,- Human-, Soziales und Beziehungskapital im Unternehmen, Informationen über die strategischen Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens sowie Informationen über die unternehmerische Maßnahmen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens) der Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Dies soll auch der Politik ermöglichen, Maßnahmen einzuleiten, wenn Unternehmen nicht genug zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Dieser Ansatz stellt zwar einen guten Anfang dar, um gesellschaftliche Verantwortungsübernahme von Unternehmen einzufordern und diese auch zu beobachten, doch zeigt sich insbesondere durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende schnell voranschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche, dass ein bloßer Blick auf die ökologisch-nachhaltige Transformation nicht ausreichend ist. Vielmehr stellt der auf Basis des Hyperkapitalismus betriebene digitale Wandel unsere Gesellschaft vor neue große Herausforderungen.

 

Die Digitalisierung stellt Gesellschaft und Unternehmen vor große Herausforderungen

 

So werden durch Digitalunternehmen immer mehr persönliche Daten der Nutzenden gesammelt, ohne das es effektive Möglichkeiten gibt, dies zu unterbinden. Auf Basis dieser Daten werden Persönlichkeits- und Emotionsprofile erstellt, um zielgerichtete Werbung anzuzeigen und dadurch die Nutzenden zu Käufen zu animieren. Datenschutz und Datensicherheit spielen dabei für die wenigsten Unternehmen eine wichtige Rolle, wie die immer öfter auftretenden Leaks von sensiblen Daten zeigen. Neben dem Einsatz von Daten im Rahmen von personenbezogener Werbung werden diese auch zur Entwicklung von neuen Systemen Künstlicher Intelligenz eingesetzt. Zwar bergen diese Systeme einige Vorteile für Unternehmen, aber auch hier können die sozialen Kosten sehr hoch sein. Zum Beispiel replizieren diese Systeme häufig diskriminierende und klassifizierende Verhaltensmuster. So zeigte die Kindergeld-Affäre in den Niederlanden eindrucksvoll, wie von der Verwaltung eingesetzte KI-Systeme Personen mit Migrationshintergrund systematisch diskriminierten und zu Unrecht Kindergeldrückzahlungsforderungen an diese Familien gestellt wurden. Ein anderes Beispiel aus Österreich zeigt, dass in der Verwaltung eingesetzte KI-Systeme auch nach Geschlecht diskriminieren. So hat ein Arbeitsmarktservice in Österreich das Geschlecht “weiblich” als eine negative Eigenschaft für den Arbeitsmarkt bewertet und weiblich gelesene Personen dadurch systematisch an Jobs mit geringeren Qualifikationsanforderungen verwiesen. Neben der öffentlichen Verwaltung sind es auch insbesondere intransparente KI-Systeme privater Unternehmen, die Schaden für die Gesellschaft verursachen, wie die Facebook Leaks Ende 2021 eindrucksvoll gezeigt haben. Digitale Dienste und Produkte haben aber nicht nur eine direkte diskriminierende Wirkung auf ihre Nutzenden, sondern schließen häufig auch schon Personen von vornherein durch fehlende Barrierefreiheit aus. Inklusion muss daher auch bei der Entwicklung von digitalen Diensten und Produkten von Beginn an mitgedacht werden. Weiterhin zeigt sich auch mit Blick auf andere Nachhaltigkeitsaspekte, dass KI-Systeme häufig nicht das Halten, was sie oftmals Versprechen. So steigt der Ressourcen- und Rohstoffverbrauch von neuen digitalen Systemen stetig immer weiter an. Auch kommt es bei der Entwicklung solcher Systeme häufig zum Einsatz von prekären Beschäftigungsverhältnissen, um zum Beispiel Datensätze zu kurieren oder Ergebnisse zu überprüfen. Eine digitale und globale Arbeitswelt ermöglicht es Unternehmen, Arbeitskräfte für wenig Geld auf der ganzen Welt einzustellen. Da Unternehmen maßgeblich die Entwicklung von immer neuen digitalen Diensten und Produkten vorantreiben, tragen sie hierbei auch eine entscheidende Verantwortung, ihre digitalen Dienste und Produkte im Sinne der Nutzenden zu entwickeln und negative Einflüsse dieser zu vermeiden. Neben dieser gesellschaftlichen Verantwortung tragen Unternehmen auch eine Verantwortung ihren eigenen Mitarbeitenden gegenüber. Diese müssen auf die Herausforderungen der voranschreitenden Digitalisierung vorbereitet werden. Zum Beispiel bedarf es Schulungsangebote, um neue digitale Fähigkeiten zu erlernen. Auch müssen Mitarbeitende für die entstehenden sozialen Auswirkungen von neuen digitalen Diensten und Produkten sensibilisiert werden, um potenziell negative Auswirkungen schon in der Entwicklungsphase frühzeitig zu erkennen. Weiterhin müssen Arbeitgebende darauf achten, dass Diversität eine gelebte Praxis im Unternehmen darstellt. Nur so können neue Technologien darauf trainiert werden, bestehende diskriminierende Verhaltensmuster zu erkennen und diesen entgegenzuwirken.

 

Es braucht Transparenz und Verantwortungsübernahme durch Unternehmen

 

Es zeigt sich, dass die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, sehr weitreichend sind. Viel zu lange haben sich Unternehmen im digitalen Raum ungestört austoben können. Damit muss jetzt endlich Schluss sein! Neben einer sozialen Unternehmensverantwortung im analogen Raum bedarf es viel mehr auch einer Verantwortungsübernahme des eigenen unternehmerischen Handelns in Bezug auf die Digitalisierung. Dieses auch als “Corporate Digital Responsibility” (CDR) benannte Verhalten von Unternehmen stellt eine Erweiterung der CSR eines Unternehmens auf die digitale Welt dar. Genauso wie bei CSR steht auch bei CDR Transparenz im Vordergrund. Unternehmen, die sich eine CDR-Strategie geben, verpflichten sich, Maßnahmen umzusetzen, um die Herausforderungen des digitalen Wandels anzugehen und digitale Dienste und Produkte im Sinne der Gesellschaft zu entwickeln. Bedauerlicherweise gibt es im Gegenzug zu der CSR Richtlinie der europäischen Kommission noch keine gesetzlichen Vorgaben für CDR. Somit ist es den Unternehmen selbst überlassen, ob sie besonders verantwortungsvoll im digitalen Raum agieren oder nicht. Gerade aber bei den skizzierten Herausforderungen, die durch die Digitalisierung für unsere Gesellschaft entstehen, bedarf es strengen gesetzlichen Vorgaben für Unternehmen.

Beschluss: Beschluss des Parteitags
Text des Beschlusses:
Der Fachausschuss VII hat den Antrag zusammen mit den Antragsteller*innen beraten und empfiehlt die Annahme des Antrags in der geänderten Fassung:Der Landesparteitag möge beschließen:

Der Bundesparteitag möge beschließen:

Ein Gesetz für mehr Unternehmenstransparenz im digitalen Raum

 

Digitalunternehmen, also Unternehmen wie Online-Plattformen oder Soziale Medien, wie sie im europäischen Gesetz über digitale Dienste definiert sind, unterliegen bisher nur wenigen Transparenzpflichten über ihre Arbeit. Aus diesem Grund fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages sowie die Mitglieder der S&D Fraktion des Europäischen Parlaments dazu auf, neue Berichtspflichten für Digitalunternehmen zu schaffen. Diese neuen Berichtspflichten sollen schon bestehende Berichtspflichten in der DSGVO oder den neuen europäischen Gesetzen über digitale Dienste und Märkte ergänzen und weiter ausbauen und die europäische Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie erweitern.

Im Einzelnen fordern wir:

 

  • Die europäische Corporate Social Responsibility (CSR) Richtlinie sollte um die Herausforderungen der Digitalisierung ergänzt werden. Durch Aufnahme von zusätzlichen Corporate Digital Responsibility (CDR) – Kriterien sollten für große Digitalunternehmen neue Berichtspflichten zu ihrer Arbeit im digitalen Raum geschaffen werden. Start-ups und kleinere sowie mittlere Unternehmen sind bereits von der CSR-Richtlinie ausgenommen, sodass für sie kein Mehraufwand entstehen würde. Die Berichtspflichten sollten sich dabei an den schon bestehenden Nachhaltigkeits­berichts­pflichten orientieren. Große Digitalunternehmen sollten insbesondere mehr Informa­tionen über den Umgang mit Daten der Öffentlichkeit zugänglich machen und so für mehr Transparenz gegenüber Verbraucher*innen sorgen. Dazu sollten sie unter anderem darüber berichten, was sie für Verbraucher*innendaten sammeln, wozu diese Daten eingesetzt werden, wie diese Daten gesichert werden und wie lange diese Daten gespeichert bleiben.
  • Darüber hinaus sollen Digitalunternehmen bereits im Rahmen der noch in Verhandlung befindlichen europäischen Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) Berichte über die Funktion ihrer KI-Systeme anfertigen. Diese sollten im Rahmen der oben genannten Berichtspflichten unter Wahrung von Geschäftsgeheimnissen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
  • Zusätzlich zu der Erfüllung der Berichtspflichten sollten große Digitalunternehmen auch etwaige Daten zur Verfügung stellen, damit die Berichte durch externe und unabhängige Dritte verifiziert werden können.
  • Weiterhin sollten Digitalunternehmen interne Beauftragte ernennen, die Externen als Ansprechperson fungieren und die Berichtspflichten im Unternehmen durchsetzen und überwachen.

 

Begründung:

Für uns Sozialdemokrat*innen ist klar, dass Unternehmen eine große gesellschaftliche Verantwortung tragen. Dieser Verantwortung können Unternehmen aber nur gerecht werden, wenn sie auch transparent agieren und Informationen der Öffentlichkeit preisgeben. Nur so ist es Beobachtenden möglich, Rückschlüsse auf das Handeln von Unternehmen zu ziehen. So gibt es bisher zum Beispiel kaum öffentlich verfügbare Informationen über den genauen Aufbau von Lieferketten von Unternehmen. Oftmals werden Produkte und Dienstleistungen entlang der Lieferkette unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen produziert, der Schutz von Arbeitnehmenden nicht eingehalten oder Schadstoffe in Luft und Umwelt entladen. Unternehmen beuten dabei immer wieder Mensch und Umwelt für ihre Gewinne aus. Begünstigt wird dieses kapitalistische Verhalten, da kaum Transparenzpflichten für Unternehmen bestehen. So können diese im Verborgenen tun und lassen, was sie wollen, ohne groß Konsequenzen für ihr Handeln zu spüren. Die Europäische Kommission will sich dieser Problematik mit einer neuen sogenannten “Corporate Social Responsibility” (CSR) Richtlinie annehmen. CSR steht dabei für eine soziale Verantwortung, die Unternehmen in Bezug auf die Gesellschaft und Umwelt haben. Dabei geht es primär darum, dass große sowie kapitalmarktorientierte kleine und mittelständige Unternehmen in jährlichen CSR-Berichten über konkrete Maßnahmen berichten müssen, die sie ergreifen, um die europäischen Nachhaltigkeitsziele einzuhalten. Dabei müssen auch eine Vielzahl von Informationen (z.B. Informationen über vorhandenes Intellektuelles,- Human-, Soziales und Beziehungskapital im Unternehmen, Informationen über die strategischen Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens sowie Informationen über die unternehmerische Maßnahmen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens) der Öffentlichkeit bereitgestellt werden. Dies soll auch der Politik ermöglichen, Maßnahmen einzuleiten, wenn Unternehmen nicht genug zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Dieser Ansatz stellt zwar einen guten Anfang dar, um gesellschaftliche Verantwortungsübernahme von Unternehmen einzufordern und diese auch zu beobachten, doch zeigt sich insbesondere durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende schnell voranschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche, dass ein bloßer Blick auf die ökologisch-nachhaltige Transformation nicht ausreichend ist. Vielmehr stellt der auf Basis des Hyperkapitalismus betriebene digitale Wandel unsere Gesellschaft vor neue große Herausforderungen.

Die Digitalisierung stellt Gesellschaft und Unternehmen vor große Herausforderungen

So werden durch Digitalunternehmen immer mehr persönliche Daten der Nutzenden gesammelt, ohne das es effektive Möglichkeiten gibt, dies zu unterbinden. Auf Basis dieser Daten werden Persönlichkeits- und Emotionsprofile erstellt, um zielgerichtete Werbung anzuzeigen und dadurch die Nutzenden zu Käufen zu animieren. Datenschutz und Datensicherheit spielen dabei für die wenigsten Unternehmen eine wichtige Rolle, wie die immer öfter auftretenden Leaks von sensiblen Daten zeigen. Neben dem Einsatz von Daten im Rahmen von personenbezogener Werbung werden diese auch zur Entwicklung von neuen Systemen Künstlicher Intelligenz eingesetzt. Zwar bergen diese Systeme einige Vorteile für Unternehmen, aber auch hier können die sozialen Kosten sehr hoch sein. Zum Beispiel replizieren diese Systeme häufig diskriminierende und klassifizierende Verhaltensmuster. So zeigte die Kindergeld-Affäre in den Niederlanden eindrucksvoll, wie von der Verwaltung eingesetzte KI-Systeme Personen mit Migrationshintergrund systematisch diskriminierten und zu Unrecht Kindergeldrückzahlungsforderungen an diese Familien gestellt wurden. Ein anderes Beispiel aus Österreich zeigt, dass in der Verwaltung eingesetzte KI-Systeme auch nach Geschlecht diskriminieren. So hat ein Arbeitsmarktservice in Österreich das Geschlecht “weiblich” als eine negative Eigenschaft für den Arbeitsmarkt bewertet und weiblich gelesene Personen dadurch systematisch an Jobs mit geringeren Qualifikationsanforderungen verwiesen. Neben der öffentlichen Verwaltung sind es auch insbesondere intransparente KI-Systeme privater Unternehmen, die Schaden für die Gesellschaft verursachen, wie die Facebook Leaks Ende 2021 eindrucksvoll gezeigt haben. Digitale Dienste und Produkte haben aber nicht nur eine direkte diskriminierende Wirkung auf ihre Nutzenden, sondern schließen häufig auch schon Personen von vornherein durch fehlende Barrierefreiheit aus. Inklusion muss daher auch bei der Entwicklung von digitalen Diensten und Produkten von Beginn an mitgedacht werden. Weiterhin zeigt sich auch mit Blick auf andere Nachhaltigkeitsaspekte, dass KI-Systeme häufig nicht das Halten, was sie oftmals Versprechen. So steigt der Ressourcen- und Rohstoffverbrauch von neuen digitalen Systemen stetig immer weiter an. Auch kommt es bei der Entwicklung solcher Systeme häufig zum Einsatz von prekären Beschäftigungsverhältnissen, um zum Beispiel Datensätze zu kurieren oder Ergebnisse zu überprüfen. Eine digitale und globale Arbeitswelt ermöglicht es Unternehmen, Arbeitskräfte für wenig Geld auf der ganzen Welt einzustellen. Da Unternehmen maßgeblich die Entwicklung von immer neuen digitalen Diensten und Produkten vorantreiben, tragen sie hierbei auch eine entscheidende Verantwortung, ihre digitalen Dienste und Produkte im Sinne der Nutzenden zu entwickeln und negative Einflüsse dieser zu vermeiden. Neben dieser gesellschaftlichen Verantwortung tragen Unternehmen auch eine Verantwortung ihren eigenen Mitarbeitenden gegenüber. Diese müssen auf die Herausforderungen der voranschreitenden Digitalisierung vorbereitet werden. Zum Beispiel bedarf es Schulungsangebote, um neue digitale Fähigkeiten zu erlernen. Auch müssen Mitarbeitende für die entstehenden sozialen Auswirkungen von neuen digitalen Diensten und Produkten sensibilisiert werden, um potenziell negative Auswirkungen schon in der Entwicklungsphase frühzeitig zu erkennen. Weiterhin müssen Arbeitgebende darauf achten, dass Diversität eine gelebte Praxis im Unternehmen darstellt. Nur so können neue Technologien darauf trainiert werden, bestehende diskriminierende Verhaltensmuster zu erkennen und diesen entgegenzuwirken.

Es braucht Transparenz und Verantwortungsübernahme durch Unternehmen

Es zeigt sich, dass die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, sehr weitreichend sind. Viel zu lange haben sich Unternehmen im digitalen Raum ungestört austoben können. Damit muss jetzt endlich Schluss sein! Neben einer sozialen Unternehmensverantwortung im analogen Raum bedarf es viel mehr auch einer Verantwortungsübernahme des eigenen unternehmerischen Handelns in Bezug auf die Digitalisierung. Dieses auch als “Corporate Digital Responsibility” (CDR) benannte Verhalten von Unternehmen stellt eine Erweiterung der CSR eines Unternehmens auf die digitale Welt dar. Genauso wie bei CSR steht auch bei CDR Transparenz im Vordergrund. Unternehmen, die sich eine CDR-Strategie geben, verpflichten sich, Maßnahmen umzusetzen, um die Herausforderungen des digitalen Wandels anzugehen und digitale Dienste und Produkte im Sinne der Gesellschaft zu entwickeln. Bedauerlicherweise gibt es im Gegenzug zu der CSR Richtlinie der europäischen Kommission noch keine gesetzlichen Vorgaben für CDR. Somit ist es den Unternehmen selbst überlassen, ob sie besonders verantwortungsvoll im digitalen Raum agieren oder nicht. Gerade aber bei den skizzierten Herausforderungen, die durch die Digitalisierung für unsere Gesellschaft entstehen, bedarf es strengen gesetzlichen Vorgaben für Unternehmen.

Beschluss-PDF:
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