Antrag 80/II/2021 Allgemeiner Gleichbehandlungsgesetz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll geändert werden.

 

Im Rahmen dieser anstehenden Änderungen soll
1. der in § 1 enthaltene Katalog auch ergänzt werden durch das Verbot der Benachteiligung im Hinblick auf die „Staatsangehörigkeit“.
2. Ein Verstoß gegen das AGG soll künftig von Amts wegen mit einem Bußgeld geahndet werden.
3. Die Fristen für zivilrechtliche Klagen sollen von zwei auf sechs Monate verlängert werden.

Empfehlung der Antragskommission:
Ablehnung (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

LPT II/2021: Überwiesen an ASJ

 

Stellungnahme ASJ zu Antrag 80/II/2021

 

Votum: Ablehnung

zu 1.

Die Erweiterung des Katalogs des AGG um das vorbehaltlose Merkmal „Staatsangehörigkeit“ ist nicht sachgerecht.

 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) normiert Ansprüche (z.B. Unterlassungs-, Beseitigungs-, Schadensersatzansprüche) gegen Arbeitgeber und Private, um nach dem Katalog des § 1 AGG „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Art. 3 Abs. 2 der Antidiskriminierungsrichtlinie, auf der das AGG beruht, nimmt die Staatsbürgerschaft als Diskriminierungsmerkmal bewusst aus.

 

Innerhalb der EU ist eine Benachteiligung wegen der Staatsangehörigkeit ohnehin bereits weitgehend ausgeschlossen. Für andere Drittstaatsangehörige sind Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit regelmäßig zugleich mittelbare Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass beispielsweise das Inserat, nur an Deutsche vermieten zu wollen, ein Verstoß gegen das AGG darstellt (vgl. Amtsgericht Augsburg; https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/wohnung-nur-an-deutsche-vermieter-muss-1000-euro-strafe-zahlen-16528221.html). Im Kern geht es in den Fällen um ethnische Diskriminierungen.

Die Aufnahme des vorbehaltlosen Merkmals der Staatsangehörigkeit führt zu verschiedenen Folgeproblemen und Abgrenzungsfragen, die die Antragstellerin nicht löst. Viele Regelungen knüpfen an die deutsche Staatsbürgerschaft an (Aufenthalts- und Asylrecht, Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit, Zugang zu öffentlichen Ämtern, Einreisebestimmungen, Wahlrecht usw.). Auch wenn das AGG für das Privatrecht und das Arbeitsrecht gilt, müssten bei der Aufnahme zahlreiche Ausnahmen geregelt werden, um eine ggf. auch verfassungsrechtlich gebotene gerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund der verschiedenen Regelungen vorzusehen. So kann beispielsweise ein Arbeitsvertrag mit einem/einer nichtdeutschen Arbeitnehmer*in aufenthaltsrechtlich verboten sein und Sanktionen für den Arbeitgeber verursachen. Es wäre daher widersprüchlich, ihn zum Schadensersatz zu verpflichten, wenn er einen  Arbeitsvertrag wegen der Staatsangehörigkeit ablehnt, ihn aber mit einem Bußgeld und den Kosten der Abschiebung zu belegen, wenn er den Arbeitsvertrag abschließt.

 

zu 2.

Das AGG normiert zivilrechtliche Ansprüche gegen Arbeitgeber und Private und betrifft Diskriminierungen im Arbeitsrecht oder im allgemeinen Zivilrecht. Als Sanktionen sieht das AGG Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche vor, die von der diskriminierten Person geltend gemacht werden können.

Eine Aufnahme eines Bußgeldtatbestands im AGG, das mit einer von Amts wegen erfolgenden Ahndung einher ginge, wäre systemwidrig. Geldbußen bzw. Bußgelder werden im Verwaltungsrecht durch Behörden grundsätzlich wegen der Verletzung von Verwaltungsunrecht verhängt. Die Bußgeldverfahren werden durch die Strafgerichte überprüft. Zudem findet bei Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip Anwendung, es ist nicht sachgerecht, die zivilrechtlichen Sanktionsmittel mit parallelen öffentlich-rechtlichen Sanktionen zu überfrachten. Für öffentliche Stellen gilt im Übrigen das LADG.

 

zu 3.:

Eine Klagefrist von zwei Monaten existiert nicht. Nach §§ 15 Abs. 4, 21 Abs. 5 AGG sind Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche grundsätzlich binnen zwei Monaten zunächst außergerichtlich geltend zu machen. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.

 

Vor den Arbeitsgerichten gilt gemäß § 61b Arbeitsgerichtsgesetz eine Klagefrist von drei Monaten, im Übrigen gilt eine dreijährige Verjährungsfrist für die gerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Diskriminierung. Die Fristen im AGG bzw. im ArbGG dienen der Rechtssicherheit, um in überschaubarer Zeit Ansprüche zu klären. Eine Verlängerung der Fristen ist auch angesichts der Beweiserleichterungen nach § 22 AGG für die diskriminierte Person nicht sachgerecht, eine generelle Klagefrist für zivilrechtliche Ansprüche nach 6 Monaten wäre eine Verschlechterung gegenüber der bestehenden Rechtslage.

 

Auch das Bundesarbeitsgericht hat am 18.5.2017 (8 AZR 74/16) die Vereinbarkeit der Fristen mit dem Unionsrecht bestätigt: „Die in § 15 Abs. 4 AGG bestimmte Ausschlussfrist ist – auch in ihrer Kombination mit der für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG maßgeblichen Klagefrist des § 61b ArbGG – mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar. Sie wahrt sowohl den unionsrechtlichen Grundsatz der Äquivalenz als auch den der Effektivität. § 15 Abs. 4 AGG verstößt auch nicht gegen das in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) bestimmte Verbot der Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus.“

 

 

Beschluss: Beschluss des Parteitages
Text des Beschlusses:

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll geändert werden.

Im Rahmen dieser anstehenden Änderungen soll
1. der in § 1 enthaltene Katalog auch ergänzt werden durch das Verbot der Benachteiligung im Hinblick auf die „Staatsangehörigkeit“.
2. Ein Verstoß gegen das AGG soll künftig von Amts wegen mit einem Bußgeld geahndet werden.
3. Die Fristen für zivilrechtliche Klagen sollen von zwei auf sechs Monate verlängert werden.

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: