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Antrag 77/II/2015 Automatische Auskunft bei Datenspeicherung einführen

16.10.2015

Die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wird dazu aufgefordert, sich für eine Änderung des §42 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) einzusetzen und somit eine automatische Auskunft über Speicherung personenbezogener Daten in den polizeilichen Dateien einzuführen. Diese Auskunft soll die Bezeichnung des Speicherorts, den Anlass der Speicherung sowie die gespeicherten Daten umfassen. Ebenfalls ist dem Auskunftsschreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen.  Über alle Veränderungen und Löschungen müssen die Betroffenen automatisch informiert werden.

Antrag 172/I/2015 Für eine Hauptstadt der Versammlungsfreiheit!

15.05.2015

Die Versammlungsfreiheit – Eckpfeiler der Demokratie

„Eines der elementarsten Menschenrechte ist die Versammlungsfreiheit und das muss sie auch bleiben. Im Grundgesetz (GG) wird sie in Art. 8 als Grundrecht abgesichert.“  Sie ist kein Übel, sondern eine Bedingung der Demokratie. Mit allen Mittel muss sie geschützt werden und darf nur bei scherwiegenden Gründen minimal eingeschränkt werden. Hürden, die die Teilnahme erschweren oder einschränken könnten, dürfen nicht aufgebaut und – wenn möglich – müssen sie aktiv beseitigt werden. Dieser Aufgabe sind alle Verfassungsorgane verpflichtet.

 

Die Versammlungsfreiheit ist aber kein selbstverständlich gesichertes Recht: So musste 1985 das Bundesverfassungsgerichts angerufen werden. In dem bekannten Brokdorf-Urteil stellte es klar, dass keinesfalls leichtfertig Hand an die Versammlungsfreiheit gelegt werden darf. Seit dem (und schon davor) beschäftigen sich aber immer wieder Gerichte damit, dass Behörden unzulässig Versammlungen einschränkten.

 

Die nicht gewährleistete Versammlungsfreiheit

Jüngere Beispiele: Den „Mahngang Täterspuren“ des Bündnisses „Dresden nazifrei“ verboten das Dresdner Ordnungsamt faktisch, indem sie sie ihn willkürlich verlegten, um den Neonazis Raum für ihre menschenverachtende Propaganda zu schaffen. Die konservative „Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)“ titelte „Teheran, Damaskus, Minsk – Dresden“. 2013 erklärte das Verwaltungsgericht Dresden die Verlegung für rechtswidrig. Hinzu kam eine massive Repressionswelle, die Menschen vom Protest gegen Neonazis abhalten sollte. Dafür überzogen sächsische Behörden einzelne Personen mit haltlosen Strafanzeigen und stellten alle Demonstrierenden (per Funkzellenabfrage) unter einen Generalverdacht strafbarer Handlungen.

 

Ebenso skandalöse Fälle spielten sich 2012 und 2013 in Frankfurt ab: Im ersten Jahr verboten die hessischen Behörden alle Versammlungen des Bündnisses „Blockupy“. Im zweiten Jahr kesselte die Polizei willkürlich einen Teil der Großdemonstration ein, sodass der restliche Demonstrationszug daran gehindert war, den Weg fortzusetzen. So sollte Kritik an der aktuellen Wirtschaftspolitik und dem Kapitalismus unterbunden werden. Zudem mussten die Demonstrierenden unverhältnismäßig lange ausharren. Diese Eskalationslinie setzte die Polizei 2015 fort.

 

Nein zu Abfilmen von Demonstrationen, polizeilicher Vorratsspeicherung und „Unterbindungsgewahrsam“

Berlin schlägt momentan die gleiche gefährliche Richtung ein: So wurde es 2014 der Polizei erlaubt, Demonstrationen – ohne das eine Straftat vorliegt – grundlos abzufilmen. (Schon bei der ersten Anwendung am 1. Mai verstieß die Polizei gegen die Einschränkung, indem sie nicht alle Veranstaltungsleiter*innen über ihre Filmaufnahmen informierte.) Erklärtermaßen soll diese Regelung in kommendes Versammlungsgesetz übernommen werden. Selbst der Landesverfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Abfilmen Menschen davon abhalten kann, für ihre Positionen zu demonstrieren. Das ist für uns und laut Beschluss des Landesparteitags für die Berliner SPD nicht hinnehmbar! Schon seit mehreren Jahren speichert die Berliner Polizei in einer Datenbank personenbezogene Daten von Versammlungsanmelder*innen. Diese polizeiliche Vorratsspeicherung lehnen wir entschieden ab! Sie könnten Menschen davon abhalten, eine Versammlung überhaupt erst anzumelden. Zudem soll der sogenannte „Unterbindungsgewahrsam“ von zwei Tagen auf vier Tage verdoppelt werden. Für uns ist es nicht mit einem Rechtsstaat und einer Demokratie hinnehmbar, dass Menschen ohne Verdacht einer Straftat inhaftiert werden, sodass sie nicht an Versammlungen teilnehmen können!

 

Für ein progressives Landesversammlungsgesetz

Berlin steht als größte Stadt der Bundesrepublik Deutschlands und als die Bundeshauptstadt besonders im Fokus: Hier wird am besten demonstriert, weil ihr viele Adressat*innen des Protestes sitzen. Dieser Verantwortung muss die Berliner Landespolitik gerecht werden. Seit der Föderalismusreform von 2006 hat jedes Bundesland die Möglichkeit, ein eigenes Versammlungsgesetz zu erlassen – ansonsten gilt das Bundesversammlungsgesetz 1953 weiter.

Einige Bundesländer haben genau das in Angriff genommen. Das Ergebnis: gruselig, bedenklich und verfassungs-„feindlich“. Bekannte Beispiele des Scheiterns sind Sachsen, Bayern und Niedersachsen. Die Bundesländer nutzten ihre neue Kompetenz meist dazu, das Versammlungsrecht weiter einzuschränken. Das widerspricht dem sozialdemokratischen Politikverständnis. Berlin sollte jetzt vorangehen und in der kommenden Legislaturperiode das erste progressive Versammlungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorlegen!

 

Was macht ein progressives Versammlungsgesetz aus und was muss unternommen werden?

 

a) Die Bannmeilen müssen abgeschafft oder so weit wie möglich verkleinert werden. Die Nähe zum Objekt der Demonstration muss gesichert sein, das heißt nicht weiter als 50 Meter Entfernung. Es darf außerdem keine überschneidenden Bannmeilen geben – wie es beim Berliner Abgeordnetenhaus und dem Bundesfinanzministerium der Fall ist. Die Schutzbereiche um Gedenkstätten müssen selbstverständlich erhalten bleiben.

 

b) Die Internetwache der Berliner Polizei sorgt grundsätzlich für leicht durchzuführende Versammlungsanmeldungen. Es darf jedoch nicht sein, dass beispielsweise in Form von Sondernutzungsanträgen weitere Anmeldungen notwendig werden, wenn Bahnhofsvorplätze oder andere öffentliche Orte von den Anmeldungen berührt sind. Eine zentrale Stelle (mit entsprechender Website) muss als One-Stop-Agency fungieren. Sobald sie Zeitpunkt und geplanter Verlauf der Versammlung erhalten hat, muss sie selbst alle weiteren Schritte erledigen. Die angemeldete Veranstaltung wird sofort in einem Art Veranstaltungskalender veröffentlicht. Zukünftig muss die Pflicht entfallen, erst eine Veranstaltung anzumelden, bevor sie beworben werden darf. Diese Regelung ist überflüssig. Die Anmeldefristen dürfen sich nur noch nach einem festgelegten, möglichst kurzen Zeitaufwand für Information der Öffentlichkeit, verkehrstechnische Maßnahmen oder Ähnliches richten. Hierbei darf sich die aktuelle Frist nicht verlängern.

 

c) Die Auflagen haben ein überbordendes Ausmaß angenommen. Dazu wird der Versammlungsleitung noch mit horrenden Straften bei Verstößen gedroht. Auflagen müssen auf ein Minimum reduziert werden. Sie schrecken wiederum ab, überhaupt das Recht eine Demonstration anzumelden zu nutzen. So dürfen beispielsweise Demonstrationsrouten nur mit Einwilligung der Versammlungsleitung geändert werden. Generell müssen die Rechte der Anmelder*innen und der Versammlungsleitung ausgebaut und ihre Pflichten abgebaut werden. Für einzelne Handlungen auf Demonstrationen können sie nicht verantwortlich gemacht werden, sondern ausschließlich der*die jeweilige Demonstrierende. Das momentane Verständnis ihrer Rolle erinnert mehr an einen autoritären Obrigkeitsstaat. Verpflichtende Anmeldegespräche sind folgerichtig ebenso abzuschaffen wie die Auflage, Ordner*innen zu stellen. Jedoch sollen Anmelder*innen die Möglichkeit behalten, Ordner*innen anzumelden. Trotz des grundsätzlichen Abbaus von Auflagen muss eine neue Regelung in das Versammlungsgesetz integriert werden, dass ein Durchgreifen bei rassistischen, antisemitischen, antiziganistischen, LGBTIQ*-feindlichen und sonstigen Äußerungen, die in den Bereich der gruppenbezogen Menschenfeindlichkeit fallen, ermöglicht werden. So muss es die Möglichkeit geben, Teilnehmer*innen, die sich entsprechend geäußert haben, von der Versammlung auszuschließen. Bei wiederholten Verstößen und systematischer Weigerung der Veranstalter*innen gegen diese Verstöße vorzugehen, muss auch eine Auflösung der Versammlung in Betracht gezogen werden können.

 

d) Die Daten zu Demonstrierenden, mitgeführten Sachen oder zu den Anmelder*innen dürfen nicht gespeichert werden. Es gibt keinerlei Gründe, warum Menschen bei der Ausübung dieses Grundrechtes erfasst werden müssen. Wieder besteht die Gefahr eines abschreckenden Generalverdachts. Es dürfen auf dem Weg zur Versammlung oder auf ihr selbst keine Personalien festgestellt werden, wenn keine Straftat vorliegt. So muss es der Polizei auch untersagt sein, Personen auf ihren Aufenthaltsstatus hin zu überprüfen.

 

e) Es dürfen keine angemeldeten Kundgebungen oder Versammlungen (beispielsweise von Neonazis) mehr verheimlicht werden. Gegendemonstrationen dürfen weder untersagt oder unterbunden werden. Denn die Demonstrationsfreiheit beinhaltet das Recht auf Gegendemonstration. Vielmehr muss darauf geachtet werden, dass das Versammlungsrecht nicht zu menschenverachtender Propaganda missbraucht wird. Der Gegenprotest muss in Hör- und Sichtweite stets aktiv durch die Polizei ermöglicht werden (50-Meter-Regel). Blockaden, auch Blockaden auf Versammlungsstrecken, werden nicht als Straftat verfolgt.

 

f) Das Vermummungsverbot muss ebenso wie Reglungen zur „Passivbewaffnung“ ersatzlos aufgehoben werden. Es wird häufig willkürlich gehandhabt und von der Polizei nicht selten als Vorwand genutzt, um eine Demonstration zu behindern. Das Recht auf anonyme Meinungsäußerung wiegt weit mehr als der polizeiliche Wunsch nach Strafverfolgung. Folglich existiert das Vermummungsverbot in kaum einer Demokratie der Welt. Menschen müssen beispielsweise in Folge von Demonstrationen für Arbeitnehmer*innenrechten, gegen Homophobie oder gegen Neonazis mit negativen Folgen rechnen.

 

g) Die Vorfeldkontrollen stellen alle Versammlungsteilnehmer*innen unter Generalverdacht. Wir lehnen sie ab. Weil ein Demonstrationszug in der Regel weder permanent von Polizist*innen eingekesselt wird noch das erstrebenswert wäre, sind die Vorfeldkontrollen rein symbolisch und bringen keine Mehrwert für die Sicherheit. Sie sind deshalb auch ein unnötiger Aufwand für die Polizist*innen.

 

h) Die Teilnahme darf niemanden untersagt werden, sondern muss im Sinne des Grundrechtes aktiv ermöglicht werden. Reiseverbote, willkürliche Platzverweise oder „Unterbindungsgewahrsam“ sind weder verhältnismäßig noch mit dem Grundrecht vereinbar. Gleiches gilt für Gefährder*inansprachen, die betreffende Personen von einer Teilnahme abhalten soll.

 

i) Alle Polizist*innen, auch diejenigen, die im Rahmen der Amtshilfe aus anderen Bundesländern nach Berlin entsendet werden, haben bei der Begleitung von Versammlungen gut sichtbare und leicht erkennbare Kennzeichnungen zu tragen sowie ihre Kennzeichnungsnummern auf Anfrage unverzüglich herauszugeben. Die Berliner Polizei hat hierfür Kennzeichnungsnummern vorrätig zu halten und soll eine Liste darüber führen, an welche*n Beamt*in die Nummer ausgegeben wurde.

 

j) Eine Abschaffung der bisher in einem anderen Gesetz geregelten Übersichtsaufnahmen

 

k) Bild- und Tonaufnahmen dürfen durch die Polizei nur dann angefertigt werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass von Teilnehmer*innen der Versammlung eine erhebliche Gefahr für besonders geschützte Rechtsgüter, insbesondere Leib, Leben, körperliche Unversehrtheit oder Sachen von bedeutendem, historischem oder gesellschaftlichem Wert ausgeht.

 

l) Der Einsatz von Pfefferspray darf nur in Ausnahmefällen erfolgen und ist nur zulässig, wenn kein milderes Vorgehen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben anwendbar ist. Jeder einzelne Einsatz ist zu protokollieren und bedarf einer nachträglichen Prüfung. Es soll grundsätzlich nur zur Selbstverteidigung der Beamt*innen eingesetzt werden und insbesondere nicht als sogenanntes Riot Control Agency. Vor dem Pfefferspray-Einsatz, der immer von der Einsatzleitung begründet angeordnet werden muss, müssen Orte für medizinische Versorgung eingerichtet und verständlich bekannt gegeben werden.

 

m) Der Unterbringungsgewahrsam gehört abgeschafft. Eine Inhaftierung von Menschen aufgrund des Verdachtes der Möglichkeit einer Straftatbegehung verstößt nicht nur gegen unser Menschenbild, sondern auch gegen den dem Strafrecht immanenten Grundsatz, keine Strafe ohne Straftat und dem Resozialisierungsgedanken.

 

Das Berliner Landesversammlungsgesetz muss versammlungsfreundlich angelegt werden und damit am Grundrecht orientiert. Häufig vorgeschobene Sicherheitsbedenken stehen in keinem Verhältnis zum hohen Gut der Versammlungsfreiheit und sind meist unbegründet. Damit wollen wir wieder eine sozialdemokratische Innenpolitik stärken.

 

Antrag 175/I/2015 Aus Hamburger Fehlern lernen: Sonderrechtszonen ablehnen!

15.05.2015

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses auf, die Einrichtung von Sonderrechtszonen in Berlin strikt abzulehnen. Die Aufhebung der Berliner Freimengen-Regelung in Bezug auf den Besitz von Cannabis im Görlitzer Park oder Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen haben dafür gesorgt, dass in Berlin aus guten Gründen gefundene Regelungen nicht mehr an jedem Ort gleichermaßen Gültigkeit besitzen. Wir halten diesen Umstand insbesondere nach den Erfahrungen der Hamburger „Gefahrengebiete“ rechtspolitisch für nicht wünschenswert und erwiesenermaßen auch für nicht zielführend. Die gewünschten Effekte haben sich nachweislich nicht eingestellt, stattdessen wird andernorts dringend benötigtes Personal zur Durchsetzung des Sonderrechts gebunden und es stellen sich massive Verdrängungs- und Verlagerungstendenzen in andere Stadtteile ein, was sogar von Polizeigewerkschaften energisch moniert wird.

 

Die Verdrängung vermeintlicher oder tatsächlicher gesellschaftlicher Probleme an weniger prominente Orte unserer Stadt sollte niemals Teil sozialdemokratischer Innen- und Rechtspolitik sein, da sie Missstände nicht behebt sondern nur zu verstecken versucht.