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Antrag 40/III/2016 Flexibles Ruhestandseintrittsalter für Berliner Polizisten

22.11.2016

Die SPD-Mitglieder des Senats und des Abgeordnetenhauses von Berlin werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass für Berliner Polizeibeamte eine flexible Ruhestandseingangsregelung geschaffen wird.

Antrag 39/III/2016 Keine Ausweitung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren durch die Hintertür!

22.11.2016

„Die Medizin für einen kranken Staat ist ein Soldat“

 

Die Wahrnehmung von Angriffen auf freiheitliche Gesellschaften äußert sich in der heutigen Medienlandschaft so, dass vermehrt Feindbilder konstruiert und mit den Ängsten der Menschen gespielt wird. Die Gewalttaten von München, Würzburg und Ansbach haben gezeigt, wie vorschnelleine Religion als Grund für mörderische Angriffe als Erklärungsmusterherangezogen und mit dem „internationalen Terror“ in Verbindung gebracht wurde. Ohne gründliche Prüfung wurden ein Erklärungsansatz gefunden, der anrechtspopulistische Äußerungen anknüpfte und die Täter*innen als radikalisierte Islamist*innen zeichnete, das nicht mit der Mitte des „deutschen“ Gesellschaftsmainstreams vereinbar war. Dabei verlief die Stigmatisierung und Verallgemeinerung der einzelnen Täter*innen stellvertretend für alle ähnlich Gläubigen. Die Religion und Herkunft der Attentäter*innen wurden zum Alleinstellungsmerkmal einer Teilung der Welt in gut vs. böse; friedlich vs. kriegerisch, das vermeintlich zu Schützende vs. Auszuschließende; Wir vs. Die. Eine solche Logik lehnen wir Jusos ab. Für uns stellen Menschen, nur weil sie aus einem bestimmten Land, einer bestimmten Religion oder eine bestimmte Kleidung tragen noch lange keine Bedrohung dar. Schon gar nicht, wenn dabei Politik auf dem Rücken derer gemacht werden, die vor Krieg, Zerstörung und Verfolgung zu uns kommen, um in Sicherheit hier ihre Ereignisse verarbeiten und ein würdiges Leben führen zu können. Die Debatte um innere Sicherheit hat außerdem eine Diskussion angestoßen, die die aktuelle öffentliche Sicherheit in Deutschland thematisierte und den Eindruck erweckte, die bestehenden Sicherheitsstrukturen müssten schnellstens verbessert werden. Neben Forderungen nach mehr Einsatzkräften und umfassender finanzieller sowie materieller Ausstattung hat auch sofort eine Diskussion über eine Ausweitung der Aufgaben der Bundeswehr begonnen. So forderte Bundesinnenminister de Maiziere bereits zu Beginn des Jahres die Unterstützung der Polizei durch die Bundeswehr im Innern.

 

Ein Einsatz der Bundeswehr ist bislang nur in einem bestimmten, durch das Grundgesetz festgeschriebenen Handlungsrahmen möglich, der aufgrund der historischen Erfahrung eine klare Trennung der Aufgabenbereiche von Polizei und Militär regelt, wobei erstere allein für die Innere Sicherheit zuständig ist. Nur in Ausnahmefällen, zu denen der a) Katastrophenfall sowie b) innere Notstand zählen, können die Streitkräfte zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung und zur Hilfeleistung angefordert werden, wenn die Polizei hierzu alleine nicht in der Lage ist. Die momentan von der Bundeswehr geleistete Unterstützung im Zuge der Geflüchtetenhilfe wird als Amtshilfe (Art 35 Abs. 1 GG) geleistet und stellt keinen Einsatz dar, da es im Rahmen dieser Hilfe auf eine technische Unterstützung wie Unterbringung, Versorgung oder Transport beschränkt und keine hoheitlichen Tätigkeiten umfasst. Den von mehreren Unionsinnenministern geforderten Einsatz von Bundeswehr im Inneren zu Terrorabwehr lehnen wir entschieden ab! Politische Bestrebungen, die de facto ein Aufweichen der verfassungsrechtlichen Grenzen bedeuten, sind reine Angstpolitik und als solche ebenfalls abzulehnen. Die als Reaktion auf den internationalen Terror propagierte Notwendigkeit bei „terroristischen Großlagen“ auf das Militär zurückgreifen zu können ist bereits möglich. So versetzte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen rund 100Feldjäger*innen in Alarmbereitschaft, um im Notfall auf die Ereignisse in München reagieren zu können. Ob ihr Vorgehen grundgesetzlich abgesichert gewesen wäre bleibt offen. Die Feldjäger*innen verließen jedenfalls ebenso wie die ebenfalls in Alarmbereitschaft gesetzten Sanitäter*innen und Hubschrauberbesatzungen  ihre Kaserne nicht. Doch warum gerade wenige hundert Militärpolizist*innen die bayerische Polizei, welche zudem von der GSG 9 der Bundespolizei und der österreichischen Antiterroreinheit unterstützt wurde, hätten helfen können, bleibt weiterhin unbeantwortet.

 

Eine Debatte über militärische Einsätze im Innern ist nichtzielführend. Eine Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches vom Militär, sowie der Einsatz im Inneren stärken nicht das Sicherheitsgefühl. Es ist auch stark zu bezweifeln, dass die Bundeswehr über eine bessere den Anforderungen des Inlandseinsatzes entsprechende Ausrüstung sowie Fähigkeiten verfügt. Das Aufgebot in München zeigt auch, dass die Landesbehörden mit Unterstützung der Bundespolizei die Situation schnell unter Kontrolle bekam. Die Bundeswehr ist für Inlandseinsätzenicht ausgebildet und konzipiert. Dies soll weiterhin Sache der Polizei bleiben!

 

Anstatt über den Einsatz von Soldat*innen im Inland zu diskutieren, sollten die Strukturen der polizeilichen Ausbildung und Ausstattung in den Fokus der politisch Zuständigen geraten und zielorientiert überholt werden. Angst ist kein guter politischer Ratgeber, sondern Ausdruck von Hilflosigkeit. Anstatt eine verunsicherte Gesellschaft der Abschottung und Überwachung herbeizureden und uns vom Populismus konservativer und rechter Politiker*innen treiben zu lassen, stehen wir für eine freie, offene und integrative Gesellschaft in der niemand zurückgelassen und ausgegrenzt wird. Herkunft, Religion, Geschlecht und Weltanschauung bewerten wir nicht nach Gefährdungspotentialen, sondern als Beitrag zu einem modernen, weltoffenen Staat. Die SPD und ihre Mitglieder dürfen nicht in den Chor der verunsicherten, kleinbürgerlichen Nationalist*innen einstimmen, die die Gesellschaft durch ihre Politik und Rhetorik der Angst immer weiter spalten.

 

Wir Jusos fordern daher:

  • keine Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren außerhalb des Katastrophenschutzes und der Amtshilfe
  • keine Umdeutung von Begrifflichkeiten, um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren durch neue Definitionen zu ermöglichen
  • die Einsatzfähigkeit der Polizei durch ausreichend Personal und eine auf Deeskalation ausgerichtete sowie Kommunikationskompetenz fördernde Ausbildung zu stärken
  • keine polizeilich-militärischen Übungen und Kooperationen

 

Antrag 38/III/2016 SPD sagt Nein zum Bundeswehreinsatz im Innern

22.11.2016

Die SPD steht zu ihrem Hamburger Programm, in dem das Nein zum  Einsatz der Bundeswehr im Innern ausdrücklich bekräftigt wird.

 

Deshalb lehnt die SPD das am 13. Juli  2016 von der Bundesregierung verabschiedete Weißbuch der Bundeswehr ab. Darin wird der Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, Terroranschläge als „besonders schwere Unglücksfälle“ zu definieren und die Bundeswehr im Innern ohne Zustimmung des Parlaments einzusetzen. Um der Terrorgefahr zu begegnen, verlangen wir stattdessen eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Polizei des Bundes und der Länder.

 

Außerdem lehnen wir die ebenfalls im Weißbuch vorgesehene Rekrutierung von EU-Bürgern als Soldaten in der Bundeswehr ab.

Antrag 37/III/2016 Das Extremismusdogma abschaffen – für die antifaschistische Alternative

22.11.2016

Die Zeit, in der wir gegen Extremismusdogmen kämpfen

Während die so bezeichnete „politisch motivierte Gewalt rechts” in Berlin 2015 mit rund 1.655 der polizeilich erfassten Straftaten weiterhin auf alarmierend hohem Niveau geblieben ist (Anstieg um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr), wird häufig und gerne über die polizeilich erfassten Straftaten der „politisch motivierten Gewalt links”, in Berlin 2015 waren es 1.059 Fälle (Rückgang um 23 Prozent), diskutiert. Der ehemalige Innensenator Frank Henkel (CDU) diskutierte im Wahlkampf jedoch vor allem über „linksextreme Straftaten“. Er versuchte das Hausprojekt Rigaer94 und die Kadterschmiede räumen zu lassen und eskalierte den Friedrichshainer Nordkiez.

 

Die Politik des Landes Berlin hat, dank des Integrationssenats, eine einmalige Förderlandschaft bei Projekten gegen Sog. Rechtsextremismus, Berliner Register, Rassismus und Antisemitismus. Die Landesantiskriminierungsstelle fördert zahlreiche Projekte wie die Mobile Beratung gegen Sog. Rechtsextremismus, das antifaschistische pressearchiv und bildungszentrum oder die Opferberatung ReachOut. Als die Bundesjugendministerin Kristina Schröder (CDU) allen geförderten Projekten eine Erklärung abverlangte, nicht mit „linksextremen“ Partner*innen zu kooperieren („Extremismusklausel“), übernahm das Land Berlin kurzerhand die Förderung dieser Projekte. Im laufenden Doppelhaushalt 2016-2017 wurden das Landesförderprogramm aufgestockt. Die neue Bundesjugendministerin Manuela Schwesig knüpfte mit dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ an die rotgrünen Bundesprogramme Civitas und Endimon der 2000er Jahre an. „Demokratie Leben“ enthält keine scharfe Extremismusklausel mehr und fördert Kommunen und zivilgesellschaftliche Programme im Kampf gegen Rechtsradikalismus. Zwar gibt es auch einen Fördertopf zur Arbeit mit sogenannten „linksaffinen Jugendlichen“, jedoch ist dieser gering und wird faktisch nicht abgerufen. Die Förderpolitik hat sich zum Guten gewendet. Jedoch ist das ihr häufig zu Grunde liegende Extremismusdogma nicht gebannt.

 

Dies erlebten wir häufig in Diskussionen um die Alternative für Deutschland. Die Alternative für Deutschland holte bei den Berlinwahlen etwa 12 Prozent der Stimmen. Mitnichten steht sie damit am „extremen Rand“ der Gesellschaft. Im Gegenteil, sie wurde in allen Gesellschaftsschichten und in allen Teilen der Stadt gewählt. Auch in acht andere Landesparlamente ist sie schon eingezogen. Die Beurteilung der Alternative für Deutschland folgt häufig entlang der Frage „wie extrem“ sie denn nun sei. Dies birgt in der politischen Auseinandersetzung enorme Risiken und wird zur subjektiven Betrachtung. Besser wäre eine Beurteilung der tatsächlichen Positionen in einzelnen Politikfeldern: Die Alternative für Deutschland ist eine zutiefst rassistische, sexistische, sozialchauvinistische, homophobe und nicht zuletzt antisemitische Partei.

 

Das Extremismusdogma

Der Kalte Krieg ist seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ vorbei – seine ideologischen Bausteine haben sich aber in die deutsche Politik eingebrannt. Bis heute pflegen konservative Kräfte ein Dogma. Es hat einen neuen Namen bekommen, aber beruht auf den gleichen Grundannahmen. Es geht um die Extremismustheorie, die konservative Vordenker*innen aus der Totalitarismustheorie geformt haben.

 

Die Extremismustheorie ist jedoch eigentlich keine Theorie, sondern ein Dogma. Wer es kritisiert, wird nämlich ganz schnell, selbst in dasselbige integriert – ähnlich wie bei Verschwörungs-“theorien“. Im Extremismusdogma gibt es nämlich eine ganz klare Trennung zwischen Gut und Böse. Gut sei die „Mitte der Gesellschaft“ – böse seien die „Extreme“, also vermeintliche Ränder. Sie sind zudem auf einer überholten Links-Rechts-Achse angeordnet. Ergänzt wird sie noch um einen angeblichen „Ausländerextremismus“.

 

Die Ränder haben für die Extremismusdogmatiker*innen einen riesigen Vorteil: Dort können sie alles hineinstecken, was in ihrer „Mitte“ nichts zu suchen haben soll. Folglich könne es in der „Mitte“ beispielsweise keinen Rassismus, Antisemitismus oder keine Homophobie in ihr geben, weil das den gesellschaftlichen „Rändern“ vorbehalten sei.

 

Der nächste große Vorteil für die Extremismusdogmatiker*innen ist es, dass sie sich die Mühe sparen zu differenzieren. Neonazis seien im Grunde wie Politiker*innen der Partei „Die Linke“ und Salafist*innen. So lassen sich linke Politikansätze zusätzlich diffamieren. Sie schrecken dabei auch nicht davor zurück, dass bis auf die Spitze zu treiben: Ein beschädigtes Wahlplakat samt Graffiti plus Sitzblockade werden schon einmal als „linke Gewalt“ mit rassistischen Morden in einen Topf geworfen. Solche obskuren Vergleiche werden leider nicht nur im Hinterzimmer der CSU, sondern ganz offiziell von der Bundesregierung angestellt. Jahr für Jahr wird „extremistische“ Gewalt Statistiken erfasst, die alles zusammenwerfen. Genauso wird die Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft mit dem Konzept des völkischen „Führerstaates“ zusammengeworfen.

 

Dieser Mix, der dann als „Extremismus“ erklärt wird, folgt einem Schema: Neonazistische Einstellungen und Gewalt wird verharmlost, indem sie mit linken Ideen und Gruppen gleichgesetzt werden. Diese werden im Gegenzug dämonisiert. Gerne benutzen die Agitator*innen des Extremismusdogmas des Hufeisens, bei dem sich bei Belieben die Ränder auch berühren könnten. Es erschreckt, dass selbst konservative Sozialdemokrat*innen diesen kalkulierten Unsinn in den Mund nehmen und beispielsweise von „rotlackierten Faschisten“ schwadronieren.

 

Die von der „Totalitarismustheorie“ schon eingeübte Praxis alle möglichen sich als links verstehenden Strömungen erst zusammen in einen Topf zu werfen und dann noch mit dem Nationalsozialismus gründlich zu vermengen. Das ist angesichts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Nationalsozialismus einfach nicht hinnehmbar.

 

Der Weg raus aus dem von extremismusdogmatischen Mainstream ist allerdings kein leichter. Ein Großteil der Menschen, die sich politisch verorten wollen, sieht sich in einer ominösen „Mitte“. Um diese „Mitte“ ist ein großes Illusionsgebäude aufgebaut worden: Sie sei gut, immer ausgeglichen, ehrlich und hart arbeitend. Schlussendlich ist dieses Konzept der „Mitte“ ein zutiefst konservatives, auf welches viele Sozialdemokrat*innen hereingefallen sind.

 

Das Extremismusdogma soll alle progressiven linken Ideen, die auf radikale Veränderungen angelegt sind, per se als gefährlich abstempeln. Wenn Gruppen Eigentum infrage stellen, wird dies vielfach schon als „extremistische“ Bestrebung ausgelegt. Die Forderung nach offenen Grenzen löst beim deutschen Gralshüter des Extremismusdogmas, dem sogenannten Verfassungsschutz, den „Extremismus“-Alarm aus. Selbst die sozialdemokratischen Positionen der Partei „Die Linke“ reichten ihr, um „Linken“-Politiker*innen zu beobachten.

 

Ein gefährliches Demokratieverständnis

Das Extremismusdogma ist außerdem ein Ausdruck eines autoritären Staatsverständnisses: Meinungen außerhalb der von staatlichen Akteur*innen definiert werden für nicht zulässig erklärt. Gesellschaftskritik wird deshalb unabhängig von ihrem inhaltlichen Kern direkt der Stempel des Bedrohlichen aufgedrückt. Das widerspricht jedoch eklatant einem demokratischen Grundverständnis: Das demokratische Ordnungssystem muss ständig weiterentwickelt werden. Es gibt keine vollendete Schablone, die nur noch umgesetzt werden muss. Vielmehr muss täglich eine kritische Reflexion stattfinden. Die Formen wie Parlamentarismus und ein Wirtschaftssystem erst recht nicht müssen dabei selbstverständlich immer wieder auf den Prüfstand. Nur so kann eine demokratische Gesellschaft verwirklicht werden – nicht nur eine Simulation dessen.

 

Vertreter*innen des Extremismusdogmas ignorieren im Gegenzug gesamtgesellschaftlich verbreitete Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit konsequent. Dies tun sie, obwohl mehrere Studien Jahr für Jahr belegen, wie stark diese Einstellungen in der deutschen Gesellschaft verankert sind.

 

Die „Mitte“-Studien widerlegen das Esxtremismusdogma

Die Forschung zu rechten Einstellungen hat sich in den vergangenen Jahren häufig am Modell der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit orientiert. Bedeutend sind daneben die „Mitte-Studien“, die früher von der Friedrich-Ebert-Stiftung und jetzt von Universität Leipzig umgesetzt werden. Ihnen liegt das Verständnis zugrunde, dass der „Rechtsextremismus (…) ein Einstelungsmuster (ist), dessen verbindendes Kennzeichen Ungerechtigkeitsvorstellungen darstellen“. Insbesondere Rassismus, Chauvinismus (ein nationalistisches und die deutsche Weltmacht befürwortendes Einstellungsmuster) und Antisemitismus sind dabei besonders verbreitete Einstellungsmuster.

 

In der repräsentativen Studie „Die enthemmte Mitte“ des Jahres 2016 stimmen bundesweit 20 Prozent rassistischen Positionen zu. Sogar 34 Prozent befanden, dass Deutschland „in einem gefährlichem Maße überfremdet“ wäre. Besonders hoch ist die Abwertung von Muslim*as sowie Sinti*zze und Rom*nja. Jede fünfte Person war bereit, sich mit Gewalt gegen „Fremde“ durchzustezen. Chauvinistische Positionen vertreten 17 Prozent. 5 Prozent befürworten eine rechtsautoritäre Diktatur und ebenso viele vertreten antisemitische Positionen. 11 Prozent halten den Einfluss der Jüdinnen*Juden für zu hochen. 3 Prozent haben eine eindeutige sozialdarwinistische Einstellung und 2 Prozent verharmlosen den Nationalsozialismus völlig. 25 Prozent finden Homosexualität unmoralisch, 36 Prozent lehnen Ehen zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Personen ab.

 

Das Dogma des Extremismus funktioniert also nicht. Im Gegenteil: wenn die Gesellschaft in Mitte und Ränder einteilten, bliebe nur die Feststellung, dass die Mitte selbst extreme Einstellungen vertritt.

 

Die Alternative: Theorie zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit

Der Kernproblem, das ein solidarisches zusammenleben gefährdet, ist das Ungleichwertigkeitsdenken. Dabei werden ganze Personengruppen abgewertet. Der Grundsatz „Jeder Mensch ist gleich viel wert“ wird negiert. Das geschieht in ganz unterschiedlichen Formen. Als Sammelbegriff für alle hat Wilhelm Heitmeyer den Begriff „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)“ vorgeschlagen. Er lassen sich damit Antisemitismus und Rassismus genauso fassen wie Sexismus, Obdachlosenfeindlichkeit, Abwertung von Menschen mit Behinderung, Etabliertenvorrechte. Die Liste der Formen ist veränderbar und ist nicht statisch. Allerdings sind Geschichtsrevisionismus, autoritäre Herrschaftsvorstellungen und Demokratiedistanz nicht einfach in diese Theorie zu integrieren. Die Leugung der Shoah beispielsweise gehört dazu. Jedoch sind sie mit dem Ungleichwertigekeitsdenken eng verbunden. Deshalb erfasst diese Theorie mehr als die „Extremismustheorie“ – außerdem interessiert sie sich für die gesamte Gesellschaft.

 

Der „Verfassungsschutz“ – Die Agentur des Extremismusdogma

Der fünfte Skandal nach der Anschlags- und Mordserie des NSU, der Unterstützung des NSU-Netzwerks durch den „Verfassungsschutz“, der Nicht-Aufklärung und des Schredderns von Akten besteht darin, dass der „Verfassungsschutz“ nun wieder Aufwind hat. Das geschieht, obwohl er sich von dem Extremismusdogma, das den institutionellen Rassismus in der Behörde Tor und Tür geöffnet hat, nicht gelöst hat. Vielmehr wirkt der „Verfassungsschutz“ mit ihren kruden Verfassungsschutzverständnis in die Öffentlichkeit und – was besonders gefährlich ist – in Schulen hinein.

 

Die AfD und das Extremismusdogma

Die „Alternative für Deutschland“ ist vielfältig in die „Neue Rechte“ und auch eine neonazistische Szene vernetzt. Sie ist jedoch keine neonazistische Partei. Aus Sicht der meisten Verfechter*innen des Extremismusdogmas ist sie damit keine „extremistische“ Partei. Schlussendlich macht sich der Rechtspopulismus in der deutschen Gesellschaft das Extremismusdogma geschickt zu nutze. Traditionell grenzten rechtspopulistische Parteigründungen wie ProDeutschland oder Die Freiheit sich symbolisch von „rechtsextremen“ Parteien ab. Es fand ein Art rechtspopulistischer Lernprozess statt, sodass es die AfD dies heute geschickter als ihre vorherigen Versuche tut. Durch die Dominanz des Extremismusdogmas in der deutschen Gesellschaft, herrscht bei vielen zivilgesellschaftlichen und politischen Akteur*innen Uneinigkeit darüber, wie mit der AfD umzugehen. Ihr systematisches Ungleichwertigkeitsdenken mit vielfältigen Formen des Rassismus, Antisemitismus und Sexismus trifft auf zu wenig Widerstand. Deshalb ist der Kampf gegen das Extremismusdogma zugleich ein Kampf gegen den Aufstieg des Rechtspopulismus.

 

Forderungen:

  • Keine Programm gegen „Extremismus“ mehr!
  • Die SPD muss sich klar vom „Extremismusdogma“ abgrenzen!
  • Keine „Extremismusklauseln“ mehr!
  • Polizeiliche Erfassung reformieren!
  • Verfassungsschutz abschaffen!

 

Stattdessen muss es eine breite Unterstützung antifaschistischer Initiativen geben, statt ihnen gegenüber den Generalverdacht auszusprechen. Darüber hinaus darf antifaschistisches Engagement nicht kriminalisiert werden. Wir als Landesverband unterstützen Aktionen des zivilen Ungehorsams im Kampf gegen Faschist*innen und Rassist*innen. Es ist eine Aufgabe der Politik, jedes Engagement, welches auf einen breiten Aktionskonsens trifft, zu fördern, um die leere Worthülse der wehrhaften Demokratie mit Leben zu füllen.

 

Die strategische Neuausrichtung der Bundesregierung, nun Ausländer-, Links- und Sog. Rechtsextremismus zu bekämpfen, könnte zudem von Rechtsradikalen als positives Signal wahrgenommen werden, zugleich aber Akteur*innen antifaschistischer Initiativen entmutigen.

 

Wir lehnen die Extremismusthese ab. Wir wenden uns gegen jede Form des Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Sexismus und Chauvinismus, egal von wem sie ausgeht! Wir fordern stattdessen:

  • die strukturelle Stärkung und finanzielle Förderung antifaschistischer Initiativen mit ihren zahlreichen, diversen Projekte in der außerschulischen Jugendarbeit und Bildung, Ausstiegshilfen, Beratung, in der Netzwerk- und Infrastrukturentwicklung und in der Opferhilfe!
  • mehr Programme der schulischen Bildung gegen Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus, Sexismus und andere nazistische Einstellungsmuster, auch durch Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechts. Politische Bildungsarbeit darf nicht von den ordnungspolitischen Vorstellungen des Verfassungsschutzes beeinflusst werden, sondern muss von der Zivilgesellschaft selbst getragen werden!
  • keine Kriminialisierung antifaschistischen Engagements wie in Dresden Anfang 2010. Antifaschistischer Widerstand ist keine Straftat, sondern unsere Pflicht!
  • die Unterstützung antifaschistischen Engagements!
  • die nachhaltige Verdrängung von Rechten aus den Parlamenten!

 

Antrag 61/I/2016 Keine Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den IS (sogenannter Islamischer Staat) in Syrien und/oder dem Irak und Mali

1.04.2016

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die aktive Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an Kriegseinsätzen gegen den IS (sog. Islamischer Staat) oder dessen Splittergruppen in Syrien, dem Irak und Mali verhindert wird.