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Antrag 64/I/2021 Nichtraucher*innenschutz in Berliner Clubs endlich konsequent umsetzen - Für eine rücksichtsvolle und diverse Clubkultur

19.03.2021

Passivrauch besteht aus über 7000 chemischen Stoffen, von denen nachweislich hunderte giftig und mind. 70 krebserregend sind. Besonders gefährlich ist Passivrauch in Innenräumen, da er hier nicht oder nur teilweise abziehen kann und sich stattdessen in der Luft und den Einrichtungsgegenständen anreichert.

 

Die Studienlage zu Passivrauchen zeigt im Allgemeinen auf, dass hierbei ein erhöhtes Krebsrisiko vorhanden ist. Meta-Analysen ergaben, dass im Verhältnis zu Nichtrauchern ohne Aussetzung mit Zigarettenrauch ein 9,25% höheres Risiko, an Diabetes Mellitus Typ 2 zu erkranken, vorhanden ist. Ebenfalls gilt dies für das Schlaganfall-Risiko, bei dem sich das Gesamtrisiko bei Passivrauch um 45 % erhöht. Dies verdeutlicht, dass auch die passive Aufnahme von Zigarettenrauch schädliche und schwerwiegende Folgen haben kann. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum führt Passivrauchen zu über 3300 Toten pro Jahr.

 

Diese und viele weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Gefahren und Schäden des Passivrauchens sind seit Jahrzehnten bekannt und dennoch werden sie nach wie vor in erschreckendem Maße von der Politik vernachlässigt und ignoriert. Eine besondere Lage existiert in den Berliner Clubs, bei denen beispielsweise 2012 in Form einer Berliner Clubstudie massive Verstöße gegen das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz festgestellt wurden. Im Jahr 2019 lag Deutschland in Bezug auf wirksame Tabakkontrollen auf der „Tobacco Control Scale“ noch immer auf dem letzten Rang der
 europäischen Länder.

 

Seit 2012 hat sich an diesem Problem wenig geändert. Die meisten Clubs dulden/fördern weiterhin illegalerweise das Rauchen in ihren Innenräumen, während die Bezirksämter weitestgehend tatenlos zuschauen. Der mangelnde Nichtraucher*innenschutz in den Clubs hat wortwörtlich toxische Zustände zur Folge. Verrauchte Clubs und Bars sind die am stärksten luftverschmutzten öffentlichen Orte in ganz Berlin, da die Feinstaub- und weitere Schadstoffbelastung von Zigarettenrauch um ein Vielfaches höher als die von Autoabgasen liegt. Geltende Feinstaubgrenzwerte für den Außenbereich werden hier um ein Vielfaches überschritten. Jeder Atemzug in dieser giftigen Umgebung schadet dem Körper. Die erheblichen Gesundheitsgefahren des Passivrauchens betreffen dabei nicht nur nichtrauchende Menschen, sondern auch die Raucher*innen selbst, da sie dem toxischen Rauch doppelt (aktiv und passiv) ausgesetzt sind.

 

Das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz ist in seiner aktuellen Form seit 2009 in Kraft und sieht vor, dass die Tanzflächen generell rauchfrei sein müssen. Das Rauchen ist nur in ausgewiesenen und vollständig abgetrennten Nebenräumen (in denen nicht getanzt werden darf) gestattet. Ein Nichtraucherschutzgesetz, dass den erforderlichen Schutz abbildet gibt es in NRW schon seit 2013, es ist politisches Thema. Ziel des Gesetzes war es, den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens im kulturell relevanten Bereich der Clubs zu gewährleisten. Dieses Ziel wurde auch nach über 10 Jahren nicht erreicht. Das Gesetz ist in seiner jetzigen Form im Bereich des Nachtlebens gescheitert. Eine Gesetzesvorlage der SPD-geführten Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zur Verschärfung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes, die dem Berliner Abgeordnetenhaus bereits 2018 vorlag, wurde bis heute nicht beschlossen. Der Entwurf erkennt zwar teilweise das Gesetzesversagen an, geht jedoch nicht annähernd weit genug, um das Problem für die Zukunft zufriedenstellend zu lösen.

 

Der Grund, warum Nichtraucher*innenschutz von einigen noch immer nicht ernst genommen wird, hat viel mit Falschinformationen zur Gefährlichkeit von Passivrauchen zu tun (die Tabakindustrie verbreitete jahrzehntelang gezielt Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen). Außerdem besteht oft ein Missverständnis darüber, um was es beim Nichtraucher*innenschutz im Kern geht. Räumliche Rauchverbote haben nicht zum Ziel, Raucher*innen das Leben schwer zu machen, sondern die Gesundheit ALLER, insbesondere aber von Nichtkonsumierenden, zu schützen. Die Gewährleistung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und gesellschaftliche Teilhabe hat weder etwas mit Spießigkeit, noch mit staatlichem Kontrollwahn oder gar Gesundheitsfanatismus zu tun. Es ist schlichtweg wissenschaftlich und ethisch geboten. Es geht nicht um Verbote, sondern um Schutz! Die Wichtigkeit dieses Anliegens zeigt sich in den folgenden Teilaspekten:

 

Nichtraucher*innenschutz bedeutet Gesundheitsschutz

 

Mit dem Wissen, dass Rauchen in geschlossenen Räumen in erheblichem Maße für alle Anwesenden gesundheitsschädlich ist und jeden Tag in Deutschland statistisch gesehen über 9 Menschen durch Passivrauchen sterben, darf die Politik nicht untätig bleiben. Die evidenzbasierte und menschenrechtsorientierte Lösung zur Minderung dieser Fremd- und Eigenschädigung wäre die konsequente Umsetzung von Rauchverboten in den Innenräumen der Clubs, so wie es sich mittlerweile überall auf der Welt und in weiten Teilen Deutschlands durchgesetzt hat. Berlin darf nicht länger ein weißer Fleck auf der Landkarte des Nichtraucher*innenschutzes bleiben und muss seine Pflicht zur Umsetzung des WHO-Tabakrahmenübereinkommens von 2004 (Art. 8) und den Empfehlungen des Rates der EU über rauchfreie Umgebungen (2009/C 296/02) endlich ernst nehmen.

 

Ein Rauchverbot in den Club-Innenräumen bedeutet im Gegenzug auch, dass alternative (sicherere) Orte zum Rauchen geschaffen werden müssen, wie z.B. überdachte und ggf. beheizte Außenflächen. Es kann selbstverständlich weiterhin geraucht werden – nur eben nicht überall. Wenn die örtliche Verlegung des Rauchens (um wenige Meter nach draußen) die Gesundheit und Teilhabe anderer Menschen gewährleistet und schützt, dann ist das eine angemessene und verhältnismäßige Einschränkung der freien Entfaltung von Raucher*innen.

 

Nichtraucher*innenschutz bedeutet Arbeitsschutz

 

Ein besonderes Anliegen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung war und ist es, die Arbeitsbedingungen von Arbeiter*innen und Angestellten zu verbessern und körperliche sowie psychische Schäden in diesem Zusammenhang zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist es inakzeptabel, dass Menschen bei der Arbeit permanent hochgradig schadstoffbelastete Luft einatmen müssen. Deshalb sollten Angestellte im Berliner Nachtleben in besonderer Weise vor unfreiwilligem Rauchen geschützt werden.

 

Nichtraucher*innenschutz bedeutet Selbstbestimmung

 

Aufgeklärter und mündiger Drogengebrauch bedeutet in erster Linie körperliche Selbstbestimmung. Der Konsum einer Substanz ist unter freiheitlichen Bedingungen genauso legitim wie der Nicht-Konsum. Im Moment ist die clubkulturelle Erfahrung in Berlin jedoch an einen gezwungenen (passiven) Tabakkonsum gekoppelt. Wer an Clubkultur teilhaben will, muss zwangsläufig Tabak mit-rauchen. Um die derzeitige Situation mit einem Gedankenexperiment greifbar zu machen: Das wäre, als ob man beim Einlass sagen würde, dass du den Club nur dann betreten darfst, wenn du bereit bist, 4 Shots hochprozentigen Alkohol zu trinken. Die Entscheidung für oder gegen den Konsum einer Substanz, einschließlich möglicher Nebenwirkungen und Schäden, muss jedoch eine höchstpersönliche und emanzipierte Entscheidung sein. Dies ist umso wichtiger, je größer das Fremd- und Eigenschädigungspotential einer Substanz ist, was im Fall von Tabak in besonderem Maße zutreffend ist. So gehört Tabak nicht nur zu den suchterzeugendsten Substanzen überhaupt, sondern ist auch eine der tödlichsten. Allein in Deutschland sterben pro Jahr 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, was ca. 13 Prozent aller Tode entspricht. Gerade auch vor diesem ernsten Hintergrund muss die Entscheidung gegen das (passive) Rauchen akzeptiert und strukturell ermöglicht werden, indem Clubkultur rauchfrei erlebbar wird.

 

Nichtraucher*innenschutz bedeutet Awareness

 

Awareness-Konzepte sollen dazu führen, dass sich alle Menschen im Club wohl, frei und sicher fühlen können. Der derzeitige Mangel an Nichtraucher*innenschutz hat zur Folge, dass eben genau das nicht der Fall ist. Menschen fühlen sich berechtigterweise durch das unfreiwillige Passivrauchen unwohl und in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Legitime Gesundheits- und Selbstbestimmungsinteressen werden unter der bisherigen ‚Laissez-faire-Praxis‘ grob missachtet. Außerdem führt das Rauchen auf den Tanzflächen regelmäßig zu Verbrennungen an Haut und Kleidung. Auch diese Form der Belästigung/Schädigung wäre durch die Umsetzung eines Rauchverbots vermeidbar. Am Ende geht es um ein rücksichtsvolles, respektvolles und aufmerksames Miteinander im Club, was auch für den Tabakkonsum gelten muss.

 

Nichtraucher*innenschutz bedeutet Gleichstellung, Inklusion und Diversität

 

Die Berliner Clubs sind mehr als bloße Vergnügungsstätten. Sie sind Orte der sozialen Begegnung, des kulturellen Schaffens/Erlebens und nicht zuletzt auch ein Zufluchtsort/Safer Space für Personengruppen, die in der Mehrheitsgesellschaft mit Problemen zu kämpfen haben. Mangelnder Nichtraucher*innenschutz ist gesundheitsschädigend und ausgrenzend. Für manche Personengruppen (chronisch kranke Menschen wie Asthmatiker*innen, Allergiker*innen, Schwangere, Stillende, Menschen mit Krankheitsvorgeschichte, Ex-Raucher*innen oder einfach gesundheitsbewusste Menschen) stellt ein verrauchter Raum unter Umständen eine harte Barriere dar. Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie, müssen wir davon ausgehen, dass viele Menschen Langzeitschäden (Long Covid), insbesondere auch die Lunge betreffend, davontragen werden. Für all diese Menschen besteht bisher kein oder nur eingeschränkter Zugang zur Clubkultur. Auch Menschen, die auf Safer Spaces angewiesen sind, werden auf diese Weise potenziell ausgegrenzt. Ziel sollte es sein, Barrieren wie diese zu erkennen und abzubauen. Davon auszugehen, dass jeder Mensch fähig ist, verraucht-toxische Luft zu atmen, ist ableistisch. Die Berliner Clubs dürfen keine exklusiven Orte für Raucher*innen sein, sondern sollten allen Menschen prinzipiell offen stehen, unabhängig von körperlichen Einschränkungen oder der bewussten Entscheidung gegen Tabakkonsum.

 

Immer wieder werden Argumente vorgebracht, wonach ein konsequenter Nichtraucher*innenschutz angeblich zu einer hohen finanziellen Belastung der Clubs und so zu einer Schwächung der Clubkultur führen würde. Diese – vor allem von der Tabakindustrie produzierten Zweifel – wurden bereits in zahlreichen unabhängigen Studien widerlegt. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum hat diese Behauptung mit einer eigenen Studie widerlegt. Unabhängig davon dürfen Gesundheitsinteressen nicht durch ökonomische oder finanzielle Argumente ausgespielt werden.

 

Fast überall auf der Welt sind Clubs mittlerweile rauchfrei. Nur in Berlin soll das nicht möglich sein? Nichtraucher*innenschutz war und ist ein zutiefst progressives Anliegen, bei dem Menschenrechte, insbesondere Selbstbestimmungs- und Gleichstellungsüberlegungen, im Vordergrund stehen.

 

Berlin ist völlig zurecht für seine wertvolle und diverse Clubkultur bekannt und beliebt. Sie steht in einer wohl einmaligen Art und Weise für Freiheit und Hedonismus. Aber auch hier muss das Prinzip der Rücksichtnahme gelebt und die Grenzen anderer Menschen respektiert werden. Freiheit darf niemals zur Einbahnstraße werden. Deshalb sollte es uns ein dringliches und wichtiges Anliegen sein, die Berliner Clubkultur mithilfe eines konsequenten Nichtraucher*innenschutzes sicherer, rücksichtsvoller und gerechter zu gestalten!

 

 Unsere Forderungen lauten daher wie folgt:

  • Die wissenschaftlichen Evidenzen zum Passivrauchen müssen von der Berliner Politik endlich ernst genommen werden und effektive Schritte zum Schutz vor den erheblichen Gesundheitsgefahren unternommen werden. Leitlinien für den politischen Umgang mit der Passivrauchproblematik sollten die Forschungsergebnisse und Empfehlungen des Deutschen Krebsforschungszentrum sein. Tabakpolitik muss sich an der Wissenschaft und den Menschenrechten ausrichten ohne politische Einflussnahme der Tabakindustrie.
  • Die Berliner Senatsverwaltung muss sich explizit zu ihren Verpflichtungen im Rahmen der WHO-Tabakrahmenkonvention und den Empfehlungen des Rats der Europäischen Union über rauchfreie Umgebungen (2009/C 296/02) bekennen.
  • Die Berliner Clubs müssen vollständig als kulturelle Einrichtungen anerkannt werden und dementsprechend dann auch im Nichtraucher*innenschutzgesetz behandelt werden.
  • Das Berliner Nichtraucher*innenschutzgesetz muss dringend in folgenden Punkten novelliert werden:
  • Abschaffung der Ausnahmen für den Gastronomiesektor (Nebenraum- und Einraumregelung) in Bezug auf Clubs, denn diese sind ein Hauptgrund für das Vollzugschaos und die Wettbewerbsverzerrungen
  • Deutliche Anhebung des Strafmaßes, um das massive Vollzugsproblem in den Griff zu bekommen. Die in der derzeitigen Vorlage vorgesehenen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro sind nach wie vor deutlich zu gering angesetzt, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus müsste auch die gesetzliche Möglichkeit vorgesehen sein, einen Betrieb bei andauernder bzw. systematischer Missachtung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes kurzweilig oder permanent zu schließen. Sinnvoll wäre hier eine Stufenregelung, die noch moderate Bußgelder beim ersten Verstoß vorsieht, jedoch bei allen weiteren Verstößen wesentlich empfindlichere Bußgelder/Strafen (bis zum Entzug der Betriebserlaubnis) festsetzt. Der Verstoß gegen das Nichtraucher*innenschutzgesetz ist kein Bagatelldelikt und muss dementsprechend auch behandelt werden.
  • Gut sichtbare und unmissverständliche gesetzliche Kennzeichnungspflicht zum Rauchverbot in allen Innenräumen und den Außeneingängen, sodass Besucher*innen aufgeklärt werden und die Clubbetreiber*innen sich ihrer Verantwortung nicht mehr entziehen können.
  • Verpflichtung jedes Clubs zur Vorlage eines effektiven Nichtraucher*innenschutz- Konzepts, das mit der Berliner Clubkommission gemeinsam erarbeitet wird.
  • Niedrigschwellige Präventionsprojekte wie die Nachtbürgermeister*innen, insbesondere für jene Bezirke mit besonders viel Nachtleben. Generell muss es für Betroffene viel einfacher sein, sich gegen Verstöße gegen das Nichtraucher*innenschutzgesetz zur Wehr zu setzen. Deshalb sollte für jeden Bezirk eine zuständige Person für Nichtraucher*innenschutz ausgewiesen und kontaktiertbar sein.
  • Es müssen nachdrückliche Gespräche zu diesem Thema mit den Clubbetreibenden (insbesondere mit der Clubcommission Berlin als zentraler Interessenvertretung) geführt werden, die auf eine eigenverantwortliche Umsetzung des Nichtraucher*innenschutzgesetzes abzielen (sodass im besten Fall gar nicht erst groß kontrolliert werden muss). Es geht darum Akzeptanz zu schaffen und einen Mentalitätswandel beim Nichtraucher*innenschutz anzustoßen.
  • Eine breitangelegte Aufklärungskampagne zu den Gefahren des Passivrauchens, die sich auch gezielt an die Berliner Party-Szene und die Clubkommission richtet. Von Berlin geförderte drogenbezogene Projekte wie ‚Sonar Berlin‘ könnten hier sinnvoll eingebunden werden.

Antrag 70/I/2021 Antiziganismus und antiziganistisch motivierte Diskriminierung strukturell bekämpfen!

19.03.2021

Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja ist in unserer Gesellschaft tief verankert! Ein Beispiel: Am 6. Februar 2021 legten zwei Polizeibeamten einem Elfjährigen Handschellen an, verweigerten ihm den telefonischen Kontakt zu seiner Familie, drohten ihm und beleidigten ihn antiziganistisch. Der Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja und Menschen, die dafür gehalten werden, wird in Deutschland nach wie vor offen ausgelebt.

 

Betroffene erleben täglich Anfeindungen und Diskriminierung in der Öffentlichkeit, in den Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden, in Schulen, bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Gütern. Betroffene haben mit Stigmatisierungen und strukturellen Nachteilen zu kämpfen und erleben ständige Benachteiligungen und Ausgrenzung. Circa die Hälfte der Deutschen teilt antiziganistische Einstellungen.

 

Es bedarf nach wie vor der Aufklärung und Sensibilisierung zum antiziganistischen Rassismus. Daher fordern wir:

  • Aufklärung über (die Geschichte) von Sinti*zze und Rom*nja und Antiziganismus in Schulcurricula stärker anbinden, insbesondere der Porajmos, also der Völkermord und die Verfolgung von Sinti*zze und Rom*nja in Zeiten des Nationalsozialismus
  • Zusätzlich sollen Bildungs- und Begegnungsprojekte für Jugendliche sowie Projekte in der Erwachsenenbildung zur Geschichte und Kultur von Sinti*zze und Rom*nja verstärkt gefördert werden
  • Regelmäßige Sensibilisierungsmaßnahmen und Workshops in Bundes- und Landesbehörden, u.a. zur Entstehung, Erscheinungsformen, Auswirkungen sowie zur Bekämpfung von Antiziganismus
  • Zusätzliche Maßnahmen zur Unterbindung von Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja in Form von racial profiling (Anlasslose Polizeikontrollen anhand rassistischer Zuschreibungen) bei den Sicherheits- und Polizeibehörden
  • Zivilgesellschaftliche Interessensvertretungen von Betroffenen und gegen Antiziganismus benötigen strukturelle und finanzielle Unterstützung in der sozialen Arbeit, Empowerment, Präventions- und Bildungsarbeit
  • Politik „mit“ statt „über“ Betroffene: Einrichtung von Sinti*zze und Rom*nja-Beiräte auf Bundes- und Landesebene zur Beratung und Unterstützung von politischen Entscheidungen zur Teilhabe und Partizipation von Sinti*zze und Rom*nja. Berlin hat in der Novellierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes (PartIntG) einen guten Vorschlag gemacht.

Antrag 76/I/2021 Für ein echtes Transparenzgesetz

18.03.2021

Eine funktionierende demokratische Gesellschaft ist abhängig von der aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft durch die Bürger:innen. Grundvoraussetzung für die Teilhabe ist die Öffentlichkeit des staatlichen Handelns. Nur wer weiß, was Verwaltung und Politik tun, kann mitreden und aktiv werden. Eine bürger*innennahe Verwaltung handelt offen und nachvollziehbar – sie handelt transparent.

 

Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erlaubt den Berliner*innen seit 1999 auf Zugriff auf behördliche Informationen und Dokumente – allerdings nur auf Anfrage, verbunden mit Gebühren, langen Wartezeiten und weitgefassten Ausnahmen.

Die Initiative Volksentscheid Transparenz Berlin hat daher 2019 einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt, um das IFG zu einem Transparenzgesetz fortzuentwickeln. Das Transparenzgesetz soll öffentliche Stellen verpflichten, alle wichtigen Informationen aktiv, zeitnah und gebührenfrei auf einem zentralen Transparenzportal des Landes zu veröffentlichen. Berlin würde damit dem Beispiel Hamburgs folgen, das 2012 ein solchen Transparenzportal eingeführt hat.

 

Nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung in der 1. Phase des Volksbegehrens nimmt der Senat nun seit 14 Monaten die „rechtliche Prüfung des Entwurfs“ vor. Am 02. März 2021 hat der Senat einen eigenen Gesetzesentwurf für ein Berliner Transparenzgesetz beschlossen. Dieser bleibt deutlich hinter den Forderungen der Initiative zurück. Insbesondere folgende Punkte betrachten wir als kritikwürdig:

 

  •  Weitgehende Ausnahmen:

Die Grundidee eines Transparenzgesetzes ist, dass alle Information und Dokumente, die nicht eines besonderen Schutzes bedürfen, öffentlich zugänglich sein sollen. Der Entwurf des Senats sieht dagegen weitgehende Ausnahmen von der Transparenzpflicht vor. So sind Hochschulen und Bildungseinrichtungen komplett ausgenommen, ebenso der Verfassungsschutz und fast der komplette Arbeitsbereich der Berliner Polizei. Schutzbedürftige Dokumente dürften auch mit dem Gesetzesentwurf der Initiative unter Verschluss bleiben. Sicherheitsbehörden von vornherein von den Transparenzpflichten auszunehmen ist nicht notwendig und schwächt das Vertrauen der Zivilgesellschaft in diese.

 

  •  Hohe Gebühren und lange Fristen:

Ein Kritikpunkt am aktuellen IFG ist, dass häufig Gebühren fällig werden. Dies ist auch dem Alter des Gesetzes geschuldet, 1999 war die Zustellung von digitalen Dokumenten per E-Mail noch nicht verbreitet. Auf politische Information muss jedoch die Allgemeinheit Zugriff haben könne – unabhängig von der Größe des eigenen Geldbeutels. Im Sinne der sozialen Gerechtigkeit muss auf die Erhebung von Gebühren verzichtet werden.

 

Zudem haben Behörden mit dem Senatsentwurf ein Vierteljahr Zeit, um Anfragen zu beantworten. Gerade für tagespolitische Themen ist diese Frist viel zu lang, um eine schnelle Meinungsbildung und zivilgesellschaftliche Kontrolle durch die Öffentlichkeit sicherzustellen.

 

  •  Zwang zur Identifikation:

Antragsteller*innen die Zugang zu Informationen begehren, können künftig gezwungen werden, eine Kopie eines Ausweisdokuments beizufügen. Wir sehen dies kritisch. Anfragen werden häufig Journalist:innen oder Bürgerrechtler:innen, gestellt, die oftmals eines besonderen Schutzes bedürfen. Es darf keine Möglichkeiten geben, zu überwachen, wer wie oft Informationen anfragt. Zudem stellt der Zwang zur Identifizierung eine unnötige Hürde dar. Wenn ein Antrag auf Einsicht in Dokumente positiv beschieden wird, so sollten sie ohnehin für die Allgemeinheit zu Verfügung gestellt werden, unabhängig davon, wer den Antrag ursprünglich gestellt hat.

 

  •  Missbrauchsklausel:

Der Entwurf des Senats enthält eine sog. Missbrauchsklausel, nach der Informationen nicht herausgegeben werden müssen, wenn ein Antrag missbräuchlich gestellt werden würde. Das Argument der „missbräuchlichen Anfrage“ wurde in der Vergangenheit von einigen Behörden gebraucht, um berechtigte Informationsbegehren anzulehnen. Langwierige Gerichtsverfahren waren die Folge, in der in aller Regel die Antragssteller:innen am Ende recht bekamen.

Behörden dürfen die Beantwortung berechtigter Anfragen nicht durch Beruf auf „missbräuchliche Verwendung“ verzögern oder ablehnen. Sind Bürger:innen besonders häufig an Auskünften zu bestimmten Themen interessiert, so sollte dies für die Behörde ein Indikator sein, dass man der eigenen Pflicht zur aktiven Schaffung von Transparenz nicht zu Genüge nachgekommen ist.

 

  •  Keine Stärkung der Informationsfreiheit

Der Entwurf der Initiative sieht weitgehende Maßnahmen zur Stärkung der Informationsfreiheit vor. So soll z. B. die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes umfangreiche Kontrollfunktionen erhalten. Solche Maßnahmen fehlen im Entwurf des Senats komplett.

 

 Wir fordern daher:

  • Der Gesetzentwurf muss, gemeinsam im Dialog mit der Initiative Volksentscheid Transparenz, im parlamentarischen Verfahren so abgeändert wird, dass tatsächliche Transparenz geschaffen wird, insbesondere indem folgende Änderungen vorgenommen werden:
    •  Im Gesetz dürfen keine pauschalen Auschlüsse vom Auskunftsanspruch enthalten sein.
    •  Für Anfragen sollen generell keine Gebühren erhoben werden dürfen.
    •  Die Pflicht von Antragssteller*innen zur Identifikation darf nur im Zusammenhang mit der Herausgabe von personenbezogenen Daten bestehen.
    •  Die Frist in der Behörden einen Antrag entscheiden müssen soll auf maximal wenige Wochen begrenzt werden. Entsprechendes Stellen müssen geschaffen werden.
    •  Streichung von Klauseln die auf die Sanktion „missbräuchlicher Verwendung“ abzielen.
    •  Das Amt der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit muss gestärkt werden und als Aufsichtsbehörde für die Transparenzpflicht etabliert werden.
  • Der Senat die rechtliche Prüfung des Volksbegehrens umgehend abschließt.

 

Antrag 101/I/2021 Changing Climate - Changing Taxes: Für die sozial-ökologische Transformation die CO2-Steuer weiterentwickeln

18.03.2021

Mit dem Beginn der Covid-19 Pandemie im Frühjahr 2020 erlebten wir nicht nur eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit, die tausende Menschenleben kostete, für viele Personen schwere finanzielle Folgen hatte oder soziale Probleme verschärfte, sondern auch eine Dauerberichterstattung über die Pandemie. Eine andere globale Herausforderung, die dringendes Handeln in fast allen Lebensbereichen erfordert, geriet dabei fast schon in Vergessenheit. Die Folgen des Klimawandels und die damit einhergehenden Herausforderungen sind jedoch präsenter und dringender denn je. Die Temperaturen steigen weiter an, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre jagt einen jährlichen Höchstwert nach dem anderen und die Auswirkungen für die Menschen, die vom Klimawandel am meisten betroffen sind, werden immer drastischer. Steigende Meeresspiegel, Müllberge, Ressourcenkonflikte oder Wetterextreme dürften für niemanden mehr etwas neues sein.

 

Wir Jusos sehen uns in der Verantwortung gegenüber der Umwelt als auch den Menschen, die aufgrund eines globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems die Auswirkungen durch den Klimawandel zu spüren bekommen, tätig zu werden und so fortlaufend unsere Positionen zur Bekämpfung des Klimawandels auszuweiten und zu vertiefen. Eine Anpassung der Art, wie wir wirtschaften und mit begrenzten Ressourcen umgehen, muss daher hinterfragt und geändert werden. Eine Bepreisung des CO2 sowie der CO2 Äquivalenten, die wir tagtäglich produzieren, ist daher eine der zentralen Möglichkeiten, diesen Ausstoß zu senken. Ebenso sehen wir als Jusos die Pflicht, dass die Kosten einer solchen Umstellung nicht auf niedrige Einkommen abgelagert werden. Der Kampf gegen den Klimawandel ist im Kern ein sozialistischer Kampf, da wir die Folgen des menschengemachten Klimawandels nur durch eine gerechte Umverteilung und die Überwindung des Kapitalismus erreichen.

 

 Verbesserter Emissionshandel

Mit dem aktuell angewendeten Emissionshandel lassen sich in besonders stark emittierenden Sektoren CO2-Reduktionen erreichen. Die bisherigen Reduktionsziele der des EU-Emissionshandel (ETS) betrachten wir jedoch als zu wenig ambitioniert. Auch der Europäische Rechnungshof hat die Europäische Kommission bereits im September 2020 dazu aufgefordert, im Kampf für mehr Klimaschutz bei der Vergabe kostenloser Verschmutzungsrechte nachzuschärfen. Der europäische Emissionshandel umfasst derzeit nur 40% der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen, da viele Industrien und Unternehmen keine Emissionszertifikate emittiert werden. Oft werden auch Gewinne durch das Handeln von kostenlosen Zertifikaten in klimaschädliche Projekte, wie die Sanierung bestehender Braun- oder Steinkohlekraftwerke verwendet. Durch kostenlose Zertifikate lassen sich eine zu niedrige Nachfrage an Zertifikaten nicht vermeiden. Dies hat zur Folge, dass mit einem Zertifikatüberschuss und zu niedrigen CO2-Preis, eine Reduzierung der Emission nur schwerer möglich ist. Wir fordern daher eine drastischere Reduzierung aller auf den Markt verfügbaren Zertifikate, um die CO2 Produktion herunterzufahren und die durch den Verkauf erbrachte Erlöse für soziale und nachhaltige Projekte zu nutzen. Ein gut funktionierender EU-Emissionshandel reicht jedoch nicht aus, um unsere klimapolitischen Ziele zu erreichen, da er nur knapp die Hälfte der in der EU verursachten Treibhausgasemissionen ausmacht. Wir fordern daher unsere Positionen zu einer CO2-Steuer für die übrigen Sektoren ambitionierter und sozial-verträglicher zu gestalten, um unsere klimapolitischen Verpflichtungen einhalten zu können

 

Dynamisches Steuerkonzept

Der Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit betrug schon im Jahr 2016 ungefähr 1,1° C. Wenn wir nicht sofort handeln, sind die Chancen, die globale Erderwärmung bis 2100 selbst auf 2°C begrenzen, erschreckend gering. Die CO2-Steuer ist eine der wirkungsvollsten Instrumente, um die Einhaltung des 1,5° C Zieles des Pariser Klimaabkommens noch zu ermöglichen. Dazu muss die Steuer allerdings effektiv und hoch genug angesetzt werden, um einen spürbaren Unterschied auszumachen. Wir fordern daher ab sofort die Besteuerung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen mit 80€ pro emittierter Tonne C02, welche bis zum Jahr 2025 kontinuierlich auf 180€ pro Tonne und bis zum Jahr 2030 stetig auf 205€ pro Tonne CO2 ansteigen soll. Dieser Bepreisungsfahrplan deckt sich zu Teilen mit den Forderungen des Umweltbundesamtes und mehreren Umweltorganisationen. Der im Vergleich mit anderen Konzeptpapieren hohe Einstiegspreis stellt den besten Kompromiss zwischen einer effektiven umweltpolitischen Forderung und der Vermeidung einer Kostenverteilung auf den Schultern von Leuten mit niedrigem sozio-ökonomischen Status dar.

 

Wenig politische Themen haben so viel Dynamik wie die Klimadebatte. Um den aktuellen Stand der Forschung, neue nationale und internationale Entwicklungen und auch den sich stetig verändernden Konsens in Fachkreisen zu berücksichtigen, muss eine effektive CO2-Steuer flexibel und anpassbar sein. Wir fordern deshalb ein unabhängiges Expert*innengremium, welches, ähnlich wie die Mindestlohnkommission, die aktuelle Lage regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls Anpassungen der Bepreisungen der Steuer an die Bundesregierung weitergeben kann. Diesem Expert*innengremium sollen ausschließlich Wissenschaftler*innen (explizit keine Wirtschaftsvertreter*innen) angehören. Die Berechnung und Anpassung der Steuer muss rein im Interesse des Klimaschutzes stehen. Die Berechnung muss mathematisch nachvollziehbar und wissenschaftlich begründet sein. Zusätzlich würde dieses Gremium frühzeitig einen mittel- oder langfristigen Plan für die Zeit nach 2030 entwickeln und die folgende Bepreisung der Steuer der klimapolitischen Situation sowie die positiven Feedback- Loops der Erderwärmung entsprechend berücksichtigen.

 

 CO2-Kennzeichnung

Zusätzlich fordern wir eine konkret in Kilo angegebene Kennzeichnungspflicht des CO2 Fußabdrucks oder der CO2– Äquivalenz bei allen anderen Treibhausgasen auf allen in Deutschland vertriebenen Produkten, besonders aber bei Lebensmitteln und Alltagsprodukten. Diese Kennzeichnung kann auch noch durch ein farbiges Ampelsystem ergänzt werden. Damit werden nicht nur die Verbraucher*innen transparent in die Bemühungen einer CO2-Reduzierung involviert und die Kaufentscheidungen der Konsument*innen positiv zugunsten des Klimas beeinflusst, sondern wir erhoffen uns damit auch einen weiteren Ansporn für Hersteller*innen zu CO2-armen Produktionsmethoden. In Schweden wurde ein CO2-Kennzeichnungssystem mit konkreter Kilo-Angabe 2009 eingeführt, mit der Folge, dass sich klimafreundliche Produkte um 20 Prozent besser als vorher verkaufen.

 

Soziale und finanzielle Ausgleichsmaßnahmen

Dieses Konzept der CO2-Besteuerung mit einem Eingangssteuersatz von 80€ pro Tonne würde, bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 8,89 Tonnen pro Jahr und Einwohner*in Deutschlands und ohne die sukzessive Verhaltensanpassung zu berücksichtigen, bis 2025 jährlich ein zusätzliches Steueraufkommen von 59,1 Milliarden Euro ergeben. Die zusätzlichen Geldbeträge sollen allerdings nicht im Gesamthaushalt verbucht werden, sondern direkt und mehrgleisig der Umverteilung und dem Klimaschutz dienen, indem sie durch die konkreten Maßnahmen, die wir beschreiben, in den Sozial- und Umweltsektor fließen. Obwohl es vor allem Menschen mit höherem Einkommen sind, die CO2-intensivere Güter und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, müssen Menschen mit geringerem Einkommen den größeren Prozentsatz ihres Einkommens steuerlich zusätzlich aufwenden. Um also diese Menschen zu entlasten und zunächst bestimmten besonders betroffenen Gruppen den Übergang zu erleichtern, schlagen wir eine Reihe von sozialen Ausgleichsmaßnahmen vor, die für eine höhere Bepreisung von CO2 und CO2-Äquivalenten zwingend erforderlich sind. Als primären Ausgleichsmechanismus fordern wir eine sogenannte Klimadividende in Kombination mit Senkungen von Steuern, die untere Einkommensschichten überproportional belasten, wie beispielsweise eine deutliche und dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer. Die Klimadividende soll automatisch einmal im Jahr direkt an alle Bürger*innen ausgezahlt- und nach dem Einkommen gestaffelt werden. Je niedriger das Einkommen, desto höher die Klimadividende. So wird der Umverteilungsmechanismus der CO2-Steuer am deutlichsten sichtbar und greifbar. Dies hätte das Ziel, die Kosten für Individuen abzufedern und auch die öffentliche Unterstützung einer CO2-Bepreisung zu generieren. Eine dieser obsolet werdenden Abgaben ist die EEG-Umlage, welche Haushalte mit geringeren Einkommen überproportional belastet. Als Härtefallregelung unterstreichen wir weiterhin unsere Forderung nach einem erhöhten Mindestlohn auf mindestens 13,50 Euro pro Stunde, um so eine finanzielle Entlastung für niedrige Einkommen, die besonders von einer CO2-Steuer betroffen wären, zu gewährleisten. Fahrten von Pendler*innen zu und von ihrer Arbeitsstätte sollen vorerst von der Steuer ausgeschlossen sein. Die Lasten der Bekämpfung der Klimakrise dürfen nicht zu großen Teilen von Arbeitnehmer*innen getragen werden. Außerdem sollen Menschen in ländlichen Gebieten nicht aufgrund großer Entfernungen und schlechter ÖPNV-Anbindung benachteiligt werden. Arbeitgeber*innen, welche sich jedoch für klimafreundliche Fahrtgemeinschaftsangebote einsetzen sollen staatlich gefördert werden, um den Umstieg des Pendelns von Individualverkehr auf kollektive Beförderungsmethoden einzuleiten. Anstelle der Umlagen auf den Strompreis wollen wir Energieinvestitionen steuerlich finanzieren, um Verteilungsgerechtigkeit zu ermöglichen. Zusätzlich zu einer direkten und indirekten Steuerumverteilung sollen Teile der zusätzlichen Gelder auch in Sozialprojekte für betroffenen Bevölkerungsgruppen, lokale und internationale Nachhaltigkeitsprojekte und den Ausbau eines kostenlosen ÖPNV in ganz Deutschland investiert werden. Um Unternehmen zu einer CO2-armen Produktionsweise anzureizen, sollen vor allem kleine regionale Unternehmen, die besonders CO2-arm produzieren, subventioniert werden. Mit dieser Investitionsoffensive sollen diese transformationsbereiten Unternehmen gerade in den Anfangsjahren gefördert werden, damit sie sich finanziell bewähren können. Mit dieser Investitionsoffensive sollen diese transformationsbereiten Unternehmen gerade in den Anfangsjahren gefördert werden, damit sie sich finanziell bewähren können.

 

Ausgleiche sollen jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern nur da angewendet werden, wo Bemühungen gezeigt werden und eine Unterstützung notwendig ist. Um ein “Carbon Leakage”, sprich das Auslagern von Emissionen von CO2 und CO2-Äquivalenten in Drittstaaten, zu verhindern, sollen die Vorschriften für die Industrie verpflichtend werden sowie möglichst zeitnah im internationalen Kontext angewendet werden und eine gemeinschaftliche Antwort bieten. Die Ausweitung des EU- Emissionshandel auf mehr beteiligte Länder (aktuell 31 Länder), muss daher Priorität haben.

 

Um die Umgehung der CO2-Bepreisung, indem Güter von Drittstaaten importiert werden, in denen keine äquivalente CO2-Bepreisung herrscht, zu vermeiden, sollen Zölle bei Importen analog zu der von uns beschriebenen CO2-Steuer erhoben werden. Dies soll so lange geschehen, bis internationale Vereinbarungen greifen, die eine gemeinschaftliche CO2-Bepreisung vorsehen.

 

Der Klimawandel ist ein internationales Problem, welches internationale Anstrengungen erfordert. Eine Koordination, die mindestens auf europäischer Ebene angesiedelt ist, setzen wir als Ziel. Wir erkennen jedoch, dass dies innerhalb weniger Jahre schwierig umzusetzen ist. Wir fordern daher die sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder, MEPs und die nationalen Regierungen auf, sich für die Einführung einer ähnlichen Steuer in den EU-Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese mittelfristig auf europäischer Ebene weiter international koordiniert wird.

Antrag 14/I/2021 Feministische Stadtplanung: Eine Stadt für Alle!

18.03.2021

Einige Menschen nutzen den Raum in unseren Städten mehr und andere weniger. Bei feministischer Stadtplanung (“Gender Planning”) geht es darum, den Lebensraum an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen, die in ihm leben. Stadtplanung wurde lange Zeit für Männer von Männern gemacht, wodurch die Bedürfnisse des Großteiles der Nutzer*innen kaum berücksichtigt wurden. Durch eine Stadtplanung, die sich stärker an den Bedürfnissen von FLINT* Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binär, trans) orientiert, kann man dafür sorgen, dass sich alle Personen im öffentlichen Raum wohl fühlen. Die Kinderrechtsorganisation Plan International hat Anfang 2020 die “Safer City Maps” ins Leben gerufen. Hierbei konnten zwei Monate lang FLINT* Personen ihre Erlebnisse auf einer Online-Karte vermerken, mit dem Ziel, sichtbar zu machen wo und wie unsicher sich FLINT* Personen im städtischen Raum fühlen. Diese Übersicht zeigt, dass wir in Berlin einen weiten Weg vor uns haben, um den Stadtraum für alle Menschen fair und sicher zu gestalten.

 

Flächennutzung

 

Die Art und Weise der Nutzung von Boden oder auch Flächen auf dem Gebiet des Landes Berlin wird in Übereinstimmung mit dem Baugesetzbuch im Flächennutzungsplan des Landes Berlin beschrieben und vorgegeben. Der Flächennutzungsplan ist ein unter Beteiligung der Öffentlichkeit erstelltes und parlamentarisch legitimiertes Planungsinstrument und schafft die Voraussetzungen für die langfristige Daseinsvorsorge im gesamten Stadtgebiet Berlins.

 

Konkret gibt der Flächennutzungsplan die beabsichtigten städtebaulichen Entwicklungen vor, die sich aus den voraussehbaren Bedürfnissen ergeben. Gemeinden, Behörden und Bezirken dient er hierbei als bindende Vorgabe bei der Erstellung ihrer Bebauungspläne, da aus ihm direkt keine rechtlichen Konsequenzen folgen.  Die behördlichen Bebauungspläne entstehen immer unter Einbezug der Öffentlichkeit.

 

Grundlegend wird in den Plänen zwischen bebauten und unbebauten Flächen, gemischten, gewerblichen und Sonderbauflächen sowie Flächen für Einrichtungen des Gemeinbedarfs und der Ver- und Entsorgung sowie Verkehrswegen unterschieden.

 

Bei der Erstellung des Berliner Flächennutzungsplans werden darüber hinaus strategische Planungsziele verfolgt, die einer Nutzung der Standortvorteile der Metropole Berlin und einer nachhaltigen und klimagerechten Stadtentwicklung Rechnung tragen sollen. So ist es das Ziel, bestehenden Wohnraum im bebauten Stadtgebiet zu sichern und behutsam zu ergänzen, Arbeitsplätze in Bereichen guter öffentlicher Verkehrserschließung zu fördern, Freiräume und Grünflächen zu sichern, übergeordnete Gemeinbedarfs-Orte zu stärken und den öffentlichen Verkehr auszubauen sowie den Wirtschaftsverkehr in das Stadtgefüge zu integrieren.

 

Grundlegendes Problem einer jeden Betrachtung der Flächennutzungspläne bzw. einer Auswertung der Flächennutzungs- und Bebauungspläne ist, dass es zu diesen keine zugänglichen Daten gibt, die auf genderspezifische Aspekte eingehen und die die Nutzung der einzelnen Flächen durch verschiedene gesellschaftliche Gruppe darstellen.

 

Auffällig ist außerdem, dass die Sicherheit von FLINT* Personen, sowie Aspekte der Barrierefreiheit, keine besondere Beachtung im Rahmen der Erstellung der Flächennutzungspläne finden, da diese nur sehr undifferenziert von „Flächen für Einrichtungen des Gemeinbedarfs“ sprechen. Darüber hinaus werden diese Aspekte auch nicht in den strategischen Planungszielen mitgedacht, weshalb sie auch bei der weiteren Ausgestaltung der ausgeschriebenen Flächen keine Rolle spielen.

 

Wir fordern: 

 

  • Die Einführung eines Beteiligungsverfahrens zu der Erstellung der Bebauungspläne, durch welches sichergestellt werden muss, dass die bezirklichen Frauen-, Gleichstellungs- und Seniorenbeauftragten, sowie Frauenhäuser und Jugendämter eingebunden werden und Einfluss auf die Ausgestaltung der Bebauungspläne nehmen können.
  • Die Aufnahme der Aspekte der Barrierefreiheit, der Sicherheit von FLINT* Personen sowie der Repräsentation verschiedener Gruppen im städtischen Sozialgefüge in die Reihe der strategischen Planungsziele.
  • Die Entwicklung eines Konzeptes zur Stärkung der Anliegen und Bedürfnisse von FLINT*Personen im Rahmen der Bauleitplanung bei gleichzeitiger Beachtung der bezirklichen Autonomie.
  • Die paritätische Besetzung von Jurys in städtebaulichen Wettbewerben und architektonischen Wettbewerbsverfahren. Außerdem müssen weiblich geführte Architekturbüros oder Wettbewerbsvorschläge, an denen FLINT* Architekt*innen mitgewirkt haben, bei der Vorauswahl paritätisch berücksichtigt werden.

Öffentliche Nutzflächen

 

Die Gestaltung des öffentlichen Raums beeinflusst dessen Nutzbarkeit durch verschiedene Interessensgruppen und damit deren Alltag erheblich und hat daher so zu erfolgen, dass möglichst unterschiedliche Nutzungsansprüche erfüllt werden können. Im Folgenden wird besonders auf öffentliche Freiflächen eingegangen. Dies schließt öffentliche Straßenräume, öffentliche Plätze, öffentliche Parkanlagen und weitere Freiflächen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ein.

 

Unabhängig von Mobilitätsansprüchen und der vorausgehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung sollen hier besonders Detaillösungen betrachtet werden (Aufenthalts- und Nutzungsqualität), die spezifischen Zielgruppen den Alltag erleichtern können und somit Inklusion fördern. Obwohl Berlin bereits seit 2002 Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung auf der Agenda hat und der Fachfrauenbeirat schon in einige Projekte miteinbezogen wird, gilt es jetzt Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung von Einzelprojekten flächendeckend auf den öffentlichen Raum anzuwenden.

 

Der öffentliche Raum nimmt sowohl eine Kompensations- als auch Integrationsfunktion ein. Die Kompensationsfunktion soll soziales und sozioökonomisches Ungleichgewicht kompensieren. Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass Personen, denen kein Garten zur Verfügung steht, eine Freifläche für Sport, Spiel und Bewegung angeboten wird. Durch die Corona-Krise wird deutlich, wie wichtig diese Funktion des öffentlichen Raums ist, da viele private Einrichtungen nicht mehr zugänglich sind. Die Bedeutung öffentlicher Spielplätze für Kinder und Familien wächst mit der Schließung von Kitas und Schulen. Durch die Schließung von Konsumstätten, wie Restaurants und Bars oder Sportzentren, Fitnessstudios und Schwimmbädern ist der Druck auf das Angebot des öffentlichen Raums zusätzlich gewachsen. Häufig finden FLINT* Personen in solchen privaten Aufenthaltsstätten besonderen Schutz. So bietet die Berliner Bar und Clubszene für viele FLINT* Personen „safe spaces“, die der öffentliche Raum so nicht bietet. Ein weiteres durch die Corona-Krise verstärktes Problem, für das die Kompensationsfunktion des öffentlichen Raums ein Teil der Lösung darstellen könnte, ist häusliche Gewalt. Viele Menschen erfahren in Berlin und Deutschland häusliche Gewalt, davon sind vor allem Kinder und FLINT* Personen betroffen. Frauen stellen 81% der Opfer dieser Form von Gewalt dar. Wenn Schulen, Kitas und Freizeiteinrichtungen geschlossen sind und die Arbeit aus dem Homeoffice stattfindet, können Betroffene aus schwierigen oder bedrohlichen Situationen Zuhause schlechter entkommen. Wenn der öffentliche Raum jedoch so gestaltet ist, dass Menschen hier Zuflucht finden und Kontakt zu anderen Personen aufnehmen, können Risikosituationen teilweise reduziert werden.

 

Die Integrationsfunktion geht weiter als das bloße Angebot der Fläche und soll so gedacht werden, dass die Gestaltung möglichst viele Ziel- und Interessensgruppen im öffentlichen Raum integriert. Dafür müssen öffentliche Räume angstfrei (subjektiv als auch objektiv sicher), barrierefrei und möglichst divers nutzbar, gestaltet sein.

 

Um subjektive Sicherheit im öffentlichen Raum zu fördern, soll eine Verminderung von Angsträumen angestrebt werden. Durch die Adressierung physischer (bspw. Einsehbarkeit, Beleuchtung), sozialer (bspw. Anwesenheit unterschiedlicher Nutzer*innengruppen) und persönlicher Faktoren (bspw. Eigene Erfahrungen) kann gewünschte soziale Kontrolle, gute Orientierung und Einsehbarkeit gefördert werden und so das Sicherheitsgefühl gesteigert werden. Im Jahr 2019 wurden in Berlin 910 Fälle der Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe erfasst, wobei die Dunkelziffer deutlich höher ist. FLINT* Personen stellen den größten Anteil der Opfer dieser Formen von Gewalt dar. Daher muss nicht nur das subjektive Sicherheitsgefühl gesteigert werden, sondern muss faktisch dafür Sorge getragen werden, dass Berlins Straßenräume sicherer werden. Wir fordern eine strukturierte Analyse darüber, an welchen Orten besonders häufig sexualisierte Gewalttaten stattfinden, besonders gegenüber FLINT* Personen. Auf der Internetseite “Safer Cities Map” können FLINT* Personen eintragen, an welchen Orten ihnen übergriffiges Verhalten widerfährt. Bereits hier lassen sich Ballungsräume erkennen. Eine gezielte Erhebung von Daten in diese Richtung würde daher problematische Orte hervorheben, an denen dann gezielte Maßnahmen getroffen werden können, wie beispielsweise Sicherheitspersonal.

 

Barrierefreiheit als Kriterium für die Gestaltung von öffentlichen Räumen betrifft nicht nur mobilitätseingeschränkte Personen, sondern ebenso Personen mit Besorgungs- und Betreuungsaufgaben (bspw. Kinderwagen). Die Erschließung und Zugänglichkeit von Wegen und Aufenthaltsorten für hiervon betroffene Menschen muss daher im öffentlichen Raum gewährleistet sein. Daher fordern wir eine barrierefreie Zugänglichkeit zu allen Aufenthaltsorten an öffentlichen Plätzen und Parks sowie barrierefreie Straßenräume. Dies bedeutet nicht nur die Mobilität zu steigern, sondern die Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität von öffentlichem Raum zu garantieren. Ziel ist es, den Aufenthalts- und Mobilitätsradius aller Interessensgruppen zu erweitern.

 

Diversität in der Nutzungsmöglichkeit öffentlicher Flächen soll gewährleisten, dass die Interessen von FLINT* Personen und anderen diskriminierten Gruppen in der Gestaltung des öffentlichen Raums berücksichtigt werden. Der öffentliche Raum soll die Interessen aller Zielgruppen gleichermaßen abbilden. So haben Kinder und Jugendliche häufig ein ausgeprägteres Spiel-, Bewegungs- und Kommunikationsbedürfnis, welches häufig mit Lärm einhergeht, während andere Gruppen ein Rückzugs- und Ruhebedürfnis haben. Patriarchale Gesellschaftsstruktur und Erziehung führt dazu , dass sich Mädchen und FLINT* Personen im öffentlichen Raum häufig unwohler fühlen als andere Gruppen. Eine andere Strukturierung öffentlicher Räume, z.B. in Form von in kleinere Bereiche unterteilter Parkanlagen, hat gezeigt, dass sich dadurch nicht nur die Anzahl von Mädchen und FLINT* Personen im öffentlichen Raum (bspw. Parkanlagen, Sportplätze, Spielplätze), sondern auch die Zahl diverser „informeller Aktivitäten“ anderer Nutzer*innengruppen steigert. Dies zeigt, dass neben FLINT* Personen und Mädchen ebenso andere Interessensgruppen von Gender Mainstreaming in der Stadtplanung profitieren.

 

Öffentliche Straßenräume beinhalten Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen, Haupt- und Nebenstraßen, wobei der Fokus bei der Betrachtung öffentlicher Räume nicht auf Mobilität, sondern Aufenthalts- und Nutzungsqualität liegt. Der Fokus bei der Betrachtung öffentlicher Plätze liegt hier besonders auf öffentlichen Plätzen im Straßenraum.

 

Typische Methoden, um subjektiv sichere Straßen und öffentliche Plätze zu gestalten sind die klare Abgrenzung von öffentlichen und privaten Räumen, Belebung der Straße
 durch Erdgeschossnutzung und Fenster von Wohn- und Geschäftsgebäuden ausgerichtet zum Straßenraum (social eyes). Außerdem verbessert eine breitere Gestaltung von Fuß- und Gehwegen nicht nur die Mobilität, sondern auch das Sicherheitsgefühl, da Abstand gehalten werden kann und man nicht der direkten Konfrontation mit entgegenkommenden Personen ausgesetzt ist. Öffentliche Plätze sollen eine Integrationswirkung ausstrahlen und sind flexibel und nutzungsoffen zu gestalten. Dazu tragen Sicherheitsgefühl, eine gute Orientierung und Übersichtlichkeit und Barrierefreiheit bei. Wir fordern, dass diese Kriterien standardmäßig bei Neubau- und Umbauprojekten verbindlich erfüllt werden müssen.

 

Öffentliche Parkanlagen schließen freie Flächen, Sportplätze sowie Spielplätze mit ein. Außerdem können einige hier vorgebrachte Probleme und Detaillösungen auch auf Naherholungsgebiete und Kleingartenkolonien angewandt werden. Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die bei der Planung dieser Flächen berücksichtigt werden sollten. Darunter fallen beispielsweise die räumliche Struktur, Sicherheitsgefühl, Aktivitätsspektrum unterschiedlicher Nutzer*innen und empfehlenswerte Rahmenbedingungen.

 

Die räumliche Struktur muss ein differenziertes Raumkonzept sein mit funktionalisierten Zonen, die nutzungsoffen und vielseitig nutzbar und durch ein klares Wegenetz verbunden sind. Durch die Gliederung in Teilräume nehmen sowohl mehr Mädchen und FLINT* Personen am Leben in öffentlichen Parkanlagen teil als auch andere diskriminierte Gruppen. Die Gliederung in Teilräume kann durch die Ausgestaltung von Grenzen und optischen Anlaufpunkten wie Sitzmöbeln, Sport- oder Spielgeräten erfolgen. Wir fordern, dass besonders Fitnessanlagen und Sportplätze gezielt für FLINT* Personen bereitgestellt werden und auch deutlich so markiert werden.

 

Für das Sicherheitsgefühl ist eine gute Orientierung und Einsehbarkeit, die mit sozialer Kontrolle einhergeht, obligatorisch. Damit dies auch in der Dämmerung oder bei Dunkelheit gewährleistet ist, muss genügend Beleuchtung garantiert sein. Besonders Frauen leiden unter der Angst vor Übergriffen und können so nicht das volle Aktivitätsspektrum ausschöpfen. Beispielsweise nutzen weniger Frauen die Abendstunden, um im Park joggen zu gehen, wenn dieser nur schlecht beleuchtet ist. Daher fordern wir die Erarbeitung einer Beleuchtungsstrategie für Parkanlangen und Naherholungsgebiete, die sowohl Angsträume beseitigt, als auch die Umwelt schützt. Außerdem verhindert eine ausreichende Ausstattung mit Sanitäranlagen und gute Zugänglichkeit von Toiletten, dass besonders Mädchen und FLINT* Personen, sich für den Toilettengang in dunkle und schlecht einsehbare Ecken zurückziehen müssen. Deshalb wird im gesamten öffentlichen Raum der barrierefreie Zugang zu Toiletten gefordert. Diese Forderung geht damit einher, dass bei der Planung öffentlicher Toiletten mehr Fläche für Toiletten für FLINT* Personen bereitgestellt wird, da diese mehr auf die Nutzung öffentlicher Toiletten angewiesen sind. Wir fordern, dass im Rahmen einer Kampagne der Stadt Berlin außerdem ein Modell ähnlich dem Konzept “Die Netten Toiletten” eingeführt wird. Hier können Gaststätten einheitliche Sticker an ihren Türen anbringen, die signalisieren, dass dort die Toilette genutzt werden kann. Des Weiteren fordern wir, dass FLINT* Personen nicht weiterhin durch kostenpflichtige Toiletten diskriminiert werden, wenn Männertoiletten kostenlos bereitgestellt werden. Männertoiletten müssen ebenso wie Toiletten für FLINT* Personen mit Wickeltischen ausgestattet werden. Auch ist zu gewährleisten, dass geschlechtsneutrale Toiletten bereitgestellt werden, um nicht-binären Personen einen sicheren Raum für den Toilettengang zur Verfügung zu stellen. Um der Umsetzung dieser Forderungen Sorge zu tragen, fordern wir abschließend, dass öffentliche Toiletten auch an hoch frequentierten Räumen staatlich gemanagt werden.

 

Öffentliche Parkanlagen sollen ein breites Spektrum an Aktivitäten bieten. Ein diverses Angebot von Spielmöglichkeiten, wie wegbegleitende und integrative Spielgeräte und Sportmöglichkeiten, wie offen und multifunktional angeordnete Ballspielflächen, soll zur Verfügung stehen. Dies bedeutet, dass Spielgeräte zum einen den Nutzungsanspruch von Mädchen erfüllen und zum anderen gegendert sind, damit sich diese ebenso angesprochen fühlen wie Jungen (Beispiel: Pirat*innenschiff). Teilbereiche sind möglichst in Sichtbeziehung anzuordnen, besonders Hauptaufenthaltsorte von Mädchen sollen gut einsehbar sein. Neben einem breiten Aktivitätsspektrum sollen auch Rückzugsbereiche vorhanden sein. Wir fordern die Umsetzung dieser nutzer*innenspezifischen Gestaltungsrichtlinien bei einer Umgestaltung oder Neugestaltung von Parkanlagen zusätzlich zu der Partizipation von Bürger*innen auf Bezirksebene im Planungsprozess.

 

Berlin hat im Bereich Gender Mainstreaming schon viele Pilotprojekte erfolgreich umsetzen können, die beispielsweise in dem Handbuch „Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung“ von 2011 vorgestellt werden. Obwohl dieses Handbuch einige sehr relevante Aspekte von Gender Planning enthält, ist die Umsetzung dieser Leitlinie bisher nicht verbindlich. Wir fordern daher ein auf Grundlage dieses Handbuches ausgearbeitetes Leitbild zu Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung, das von den Bezirken bei Neubauprojekten verbindlich anzuwenden ist und tiefer geht als die seit 2005 anzuwendende „Gender-Checkliste“. Da auf Bezirksebene die Ausführung und Detaillösungen für neue Bauvorhaben beschlossen werden, muss zudem gewährleistet werden, dass hier Bürger*innen aktiv im Planungsprozess partizipieren und ihre Nutzungsansprüche einbringen können.

 

Wir fordern: 

  • Eine strukturierte Datenerhebung und -analyse darüber, an welchen Orten besonders häufig sexualisierte Gewalttaten stattfinden, besonders gegenüber FLINT* Personen
  • Barrierefreie Zugänglichkeit zu allen Aufenthaltsorten an öffentlichen Plätzen und Parks sowie barrierefreie Straßenräume
  • Klare Abgrenzung von öffentlichen und privaten Räumen, Belebung der Straße durch Erdgeschossnutzung und Fenster von Wohn- und Geschäftsgebäuden ausgerichtet zum Straßenraum (social eyes), um die subjektive Sicherheit zu erhöhen
  • Nutzungsoffene und flexibel gestaltete öffentliche Plätze, die eine Integrationswirkung ausstrahlen
  • Fitnessanlagen und Sportplätze, die gezielt für FLINT* Personen bereitgestellt werden und auch deutlich als solche markiert sind
  • Ausreichende Beleuchtung von öffentlichen Plätzen, Straßenräumen, Parkanlagen und Naherholungsgebieten
  • Toiletten im öffentlichen Raum
    • Im gesamten öffentlichen Raum barrierefreien Zugang zu Toiletten
    • Bei der Planung öffentlicher Toiletten mehr Fläche für Toiletten für FLINT* Personen, da diese mehr auf die Nutzung öffentlicher Toiletten angewiesen sind
    • Eine Kampagne der Stadt Berlin, die ein Modell ähnlich dem Konzept “Die netten Toiletten” einführt, bei dem Gaststätten einheitliche Sticker an ihren Türen anbringen können, die signalisieren, dass bei diesen die Toilette genutzt werden kann
    • und im Gegenzug eine geringfügige Aufwandsentschädigung erhalten
    • Die kostenlose Bereitstellung von öffentlichen Toiletten für FLINT* Personen, wenn Männertoiletten kostenlos bereitgestellt werden
    • Die Ausstattung von Männertoiletten mit Wickeltischen
    • Die Bereitstellung von geschlechtsneutralen Toiletten, um nicht-binären Personen einen sicheren Raum für den Toilettengang zur Verfügung zu stellen
    • Das staatliche Management von öffentlichen Toiletten, um die vorausgehenden Forderungen kontrolliert umsetzen zu können
  • Öffentliche Parkanlagen, die ein breites Aktivitätsspektrum bedienen bzgl. Spiel- und Sportmöglichkeiten abbilden und die Unterteilung von Parkanlagen in viele Teilbereiche, die in einer übersichtlichen Wegevernetzung und Sichtbeziehung angeordnet sind
  • Ein ausgearbeitetes Leitbild zu Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung auf Landesebene, das von den Bezirken bei Neubauprojekten verbindlich anzuwenden ist und tiefer geht als die seit 2005 anzuwendende „Gender-Checkliste“
  • Die aktive Partizipation und das Vortragen von Nutzungsansprüchen von
     Bürger*innen im Planungsprozess von Bauvorhaben auf Bezirksebene

 

Mobilität

 

Mobilität bedeutet die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Schon aus einem demokratischen Anspruch heraus muss sie allen zugänglich sein und ist Teil einer sozialen Daseinsvorsorge.

 

In Berlin werden, sowie in nahezu allen Städten, Verkehrs- und Mobilitätsdaten nicht nach Geschlecht differenziert. Eine Bundesweite vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie aber zeigt, noch immer legen Männer weniger und dafür längere Strecken zurück, Frauen hingegen viele kurze Wege. Im Bundesverkehrsministerium kann man mit diesen Daten allerdings offenbar nur wenig anfangen. Diese Daten erfahren scheinen bisher keine Berücksichtigung vom Bundesverkehrsministerium. Deutschland hatte bisher noch nie eine Bundesverkehrsministerin. 2019 startete das Bundesverkehrsministerium eine Kampagne, in der sich Frauen in Fahrradhelm und Spitzenunterwäsche auf einem Bett räkeln. Das ist das Gegenteil von feministischer Verkehrspolitik.

 

Es müssen ausreichend geschlechtsspezifische Verkehrs- und Mobilitätsdaten erfasst werden, denn diese Informationen sind entscheidend um ein Verkehrssystem zu planen, dass allen gleichermaßen dient. Die Wege von FLINT* Personen sind deutlich komplizierter als die von Männern. Während sie in der Regel und häufig mit dem Auto ihren Arbeitsweg zurücklegen, also morgens in die Stadt und abends wieder hinausfahren, umfasst der Alltag von FLINT* Personen meist viele kurze Wegstrecken. Teilzeitbeschäftigung ist ein überwiegend weibliches Phänomen und FLINT* Personen erledigen 75% der weltweiten Care-Arbeit. Das beeinflusst ihre Bedürfnisse bei der Fortbewegung. FLINT* Personen gehen im Allgemeinen weiter und länger zu Fuß. Zum Teil wegen ihrer Care-Aufgaben, aber auch, weil sie im Durchschnitt ärmer sind und seltener ein eigenes Auto besitzen.

 

Zu Fuß Gehende sind die am wenigsten geschützten und langsamsten Verkehrsteilnehmer. FLINT* Personen haben durchschnittlich weniger Zeit und haben als zu Fuß gehende auch noch die längsten Wege. Eine Planung, die sich auf den Autoverkehr fokussiert und Fußgängerwege lediglich um diesen herumbaut, führt zu räumlicher Diskriminierung und Zeitenteignung. Zu Fuß gehende brauchen direkte und durchgehende Wege und mehr Querungsmöglichkeiten an von Autos dominierten Straßen. Die Wege von Zu Fuß Gehenden dürfen bei der Planung nicht hinter anderen Verkehrsteilnehmern anstehen, sondern müssen vorrangig beachtet werden. Um zu verhindern, dass die Wege der Fußgänger*innen durch Falschparker*innen gefährdet oder behindert werden, müssen diese verstärkt geschützt werden, weshalb wir eine erhöhte Kontrolle und Ahndung von Parksündern, vor allem rund um Wohngebiete, Kitas, Einkaufsläden, Schulen und Krankenhäusern fordern. Wo ohne Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer*innen möglich, sollen bauliche Maßnahmen zum Schutz vor Falschparker*innen getroffen werden. Andernfalls werden bestehende Ungleichheiten verstärkt. Ampelzeiten für Fußgänger*innen sind, wo dies notwendig ist, zu verlängern, um denjenigen Zeit zu geben, die dem Tempo der Stadt nicht schritthalten können. Die Bedürfnisse von zu Fuß Gehenden sind bei der Ampelschaltung vorrangig mit denen von Autofahrer*innen zu werten.

 

Flächengerechtigkeit bedeutet auch breitere Gehwege. Sie sind besonders wichtig für
 jene, die mit einem Kinderwagen oder weiteren Kindern unterwegs sind, einen Rollstuhl
 oder Rollator benutzen. Bei der Planung von neuen Wegen muss außerdem auf sichere
 Bodenbeläge geachtet werden. Pflastersteine mögen zwar schön aussehen, aber sie
 erschweren vielen, insbesondere älteren Menschen, die auf Gehhilfen angewiesen sind,
 den Alltag.

 

Barrierefreiheit kommt bei der Stadtplanung stets gleich mehreren Gruppen zugute. So sind abgeflachte Bordsteinkanten für Rollstuhlfahrer*innen, für Ältere und für Menschen, die mit Kinderwagen unterwegs sind, wichtig. Treppen dürfen keine Fortbewegungshindernisse darstellen und müssen um Rampen ergänzt werden. Auch bei Baustellenführungen muss auf barrierefreie Wege geachtet werden. Damit Wege von allen Menschen genutzt werden können, sind Orientierungshilfen, vorrangig an besonders gefährlichen Stellen, zu erbauen und bei zukünftigen Bauplanungen stets zu integrieren.

 

Zu Fuß Gehende brauchen einen besonderen Schutz, denn sie sind im Straßenverkehr die Verletzbarsten. Ausreichende Beleuchtung an allen Gehwegen verbessert nicht nur das Sicherheitsgefühl von FLINT* Personen und allen, die auf der Straße Opfer von Übergriffen werden, sondern beugen auch Unfälle vor. Bei der Planung von Gehwegen sollte zukünftig darauf geachtet werden, dass diese durch belebte Gegenden führen. Die „dunkle, abgelegene Gasse“ ist für viele, insbesondere FLINT* Personen, keine Alternative und somit kein angemessener Fußgängerweg. Zu Fuß Gehende brauchen auch einen besonderen Wetterschutz, in Form von funktionierender Entwässerung und Sonnenschutz. Mehr Bäume und weniger versiegelte Flächen in der Stadt haben dabei gleich mehrere Nutzen. Beim Schneeräumen sind Fußwege zu priorisieren.

 

Die wenigen verfügbaren Daten zur Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs zeigen, dass dieser überwiegend von FLINT* Personen genutzt wird. In Frankreich etwas sind zwei Drittel der Fahrgäste im ÖPNV FLINT* Personen. Politische Entscheidungen, die das Autofahren gegenüber dem ÖPNV attraktiver und günstiger machen, treffe somit vor allem FLINT* Personen. Obwohl die meisten Fahrgäste in Bussen FLINT* Personen sind, entsprechen ihre Fahrpläne dagegen meist den Bedürfnissen von Männern. Wie in vielen Städten ist auch das Berliner Verkehrsnetz eher strahlenförmig aufgebaut und entspricht somit nicht den Bedürfnissen von Frauen* mit ihren vielen, kurzen Wegen. Orthogonal verlaufende Buslinien, also wie ein „Spinnennetz“, werden diesen eher gerecht und sind daher anzustreben. Auch an weniger stark frequentierten Orten müssen Busse fahren, Dort sind vermehrt Kleinbusse einzusetzen.

 

Bei der Auswahl von Bushaltestellen ist besonders auf die Nähe zu Kindergärten, Schulen, Supermärkten, Apotheken und Krankenhäusern zu achten. Haltestellen sollten vorzugsweise an belebten Orten, Gebäuden und Eingängen liegen. Wichtige Kriterien für Haltestellen sind, dass sie hell, einsehbar, sicher und wettergeschützt sind.

 

Während der Nachtstunden fordern wir flexible Haltemöglichkeiten. So können längere Fußwege vermieden werden. Im öffentlichen Raum fühlen sich FLINT* Personen vor allem nachts unsicherer als Männer, was zur Einschränkung der Mobilität von FLINT* Personen führt. Fast jede zweite Frau fühlt sich nachts sowohl in Bussen und Bahnen unsicher, daher fordern wir zusätzlich den Einsatz von Nachttaxen für FLINT* Personen. FLINT* Personen sollen in Berlin zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr bei jeder Taxifahrt einen städtischen Zuschlag erhalten. Vorbildcharakter hat München, wo es dieses Angebot bereits gibt. Eine enge Zusammenarbeit der Stadt Berlin mit den Taxiunternehmen ist eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung des Projekts. Die Anstellung weiblicher Taxifahrer*innen ist zu fördern, ein Konzept für sichere Taxifahrten für FLINT* Personen zu erarbeiten.

 

Berlins S- und U-Bahnstationen sind noch immer nicht alle barrierefrei.  Aktuell sind bei der U-Bahn rund 80 Prozent der Bahnhöfe mit Aufzügen ausgestattet. Bei der S-Bahn sind innerhalb Berlins mehr als 93 Prozent der Haltestellen barrierefrei. Wir fordern 100% bis 2025 und unterstützen das Pilotprojekt Mobilitätsgarantie, welches bei Ausfall von Fahrstühlen oder da, wo sie noch nicht vorhanden sind, mit einem Shuttle Service aushelfen soll.

 

Bei der zukünftigen Planung von weiteren U- und S-Bahnstationen und -linien sind geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Fortbewegung zu beachten. Bestehende Haltestellen sind sicherer und attraktiver zu gestalten. Wir fordern an allen Stationen eine ausreichende Beleuchtung und digitale Anzeigetafeln. Außerdem eine stärkere Präsenz von Personal, vor allem in den Nachtstunden.

 

Weiter fordern wir in Berlins Bahnen und Bussen die verstärkte Kontrolle und Durchsetzung des Alkoholverbots. Alkoholkonsum mindert die Impulskontrolle von Menschen und trägt somit erheblich zur Entstehung von Bedrohungssituationen bei. Der Konsum von Alkohol im ÖPNV macht diesen für jene unattraktiver, die auf ihn im Alltag angewiesen sind und trägt zu dessen Verschmutzung bei. Das Verbot muss konsequent kontrolliert werden.

 

Nicht zuletzt hat die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig der Fahrradverkehr in Berlin ist, wenn die Nutzung des ÖPNV wegfällt. 40% der FLINT* Personen benutzen das Fahrrad täglich bzw. mehrmals die Woche. Die Zahl der Fahrradfahrer*innen weiter an und muss dementsprechend auch noch mehr in den Fokus der Berliner Verkehrspolitik rücken. Während die Anzahl der Pkw in Berlin weiter steigt, ist Studien zufolge lediglich ein Drittel der derzeit 1,2 Mio. Autos wirklich nötig, um die Bedürfnisse der Berliner*innen zu erfüllen. Mit dem Mobilitätsgesetz haben wir 2018 in Berlin bereits einen guten Schritt in die richtige Richtung getätigt, jedoch spielt die Gleichstellung der Geschlechter nur minimal eine Rolle.  Fahrradfahrer*innen sind mitunter die vulnerabelsten Verkehrsteilnehmer*innen und bedürfen besonderen Schutz.
Am häufigsten wird das Rad von FLINT* Personen für kurze Erledigungen bzw. zum Einkaufen genutzt. Um dies mit dem Fahrrad sicher erledigen zu können, benötigen wir eine bessere räumliche Trennung zwischen Radfahrer*innen, PKW-Fahrer*innen und Fußgänger*innen im vorhandenen Verkehrsraum. Vom Straßenverkehr abgegrenzte und farblich markierte Fahrradwege müssen konsequent und bezirksübergreifend umgesetzt werden.

 

Um die Nutzung des Fahrrads für die täglichen Erledigungen attraktiver zu gestalten, benötigen wir ausreichend sichere, gut beleuchtete und wettergeschützte Fahrradabstellanlagen vor allem bei Kitas, Kindergärten, Schulen, Einkaufsläden, Apotheken und Krankenhäuser. In besonders belebten Bereichen der Stadt fordern wir mehr finanzielle Mittel der Bezirke für die Planung von Fahrradparkhäusern. Um die Sicherheit der Nutzer*innen zu gewährleisten, müssen Fahrradparkhäuser mit ausreichend erreichbaren Alarmknöpfen ausgestattet werden.

 

Mit dem Ziel, die Parkplatzsituation an die wachsende Anzahl von – vor allem bei jungen Familien beliebten – Lastenrädern anzupassen, fordern wir die verpflichtende Installation von Lastenradparkplätzen überall dort, wo bereits Parkplätze vorhanden sind. Außerdem fordern wir bei der zukünftigen Planung von Radwegen und Fahrradparkplätzen die Berücksichtigung von E-Fahrrädern und Sonderbau-Fahrrädern. Sowohl Handfahrräder, Rollstuhlfahrräder und Dreirad-Fahrräder benötigen oft mehr Platz auf den Straßen und Parkplätzen. Vor allem rund um Einkaufsläden, Apotheken und Krankenhäuser, als auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gilt dies verstärkt zu berücksichtigen.

Um die sichere Fortbewegung und Teilhabe aller am Straßenverkehr zu gewährleisten, fordern wir ein allgemeines Tempolimit von 30km/h in Berlins Innenstadt.

 

Zum motorisierten Individualverkehr gehören sowohl Pkw und Krafträder als auch Mietfahrzeuge, Carsharing und Taxis. Der MIV ist trotz aller mit ihm einhergehender Probleme aktuell vor allem in Bezirken von Bedeutung, in denen tägliche Besorgungen nicht oder nur sehr schwer zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt werden können und viele Menschen leben, die auf den MIV als Fortbewegungsmittel angewiesen sind. Um jedoch zu ermitteln, wer wirklich auf den MIV angewiesen ist und wie er genutzt wird, fehlen Studien über die tatsächliche, nach Geschlechtern differenzierte Nutzung des MIV in Berlin. So ist der derzeit einzige Anhaltspunkt die Zahl der zugelassenen Pkw, welche stark nach Bezirken variiert.

 

Um die Mobilität aller zu verbessern und Menschen, die kein eigenes Auto besitzen, Zugang zu dieser Mobilitätsform zu gewähren, fordern wir die Förderung flächendeckender Car-Sharing Modelle in ganz Berlin. Insbesondere die Außenbezirke, die bisher nicht am Angebot teilnehmen können, werden dadurch besser angebunden. Parallel dazu fordern wir die Errichtung von Mobilitätsstationen. Car-Sharing- Angebote sollen nur noch zugelassen werden, wenn sie ebenfalls auch die Gebiete außerhalb des S-Bahn-Rings abdecken.

 

In Parkhäusern und auf Parkplätzen haben sich Frauen*parkplätze im Bereich der Stadtplanung als wirkungsvolles Instrument herausgestellt, um Sicherheit und Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum für beide Geschlechter zu verwirklichen. Wir fordern den verstärkten Ausbau, überall dort, wo es zu wenig Frauen*parkplätze gibt und die stärkere Kontrolle dieser. Ebenso muss die Präsenz von Sicherheitspersonal in Parkhäusern ausreichend gegeben sein.

 

Wir fordern: 

  • Eine ausgeweitete Erfassung von geschlechtsspezifischen Verkehrs- und Mobilitätsdaten
  • Mehr Querungsmöglichkeiten an von Autos dominierten Straßen. Außerdem müssen verkehrsberuhigte Straßen ausgebaut werden
  • Eine erhöhte Kontrolle und Ahndung von Parksünder*innen, vor allem rund um Wohngebiete, Kitas, Einkaufsläden, Schulen und Krankenhäusern
  • Eine Verlängerung der Ampelzeiten für Fußgänger*innen , wo dies notwendig ist
  • Breitere Gehwege und die Nutzung von sicheren Bodenbelägen
  • Den flächendeckenden Ausbau von Rampen an allen Treppen
  • Mehr Orientierungshilfen an Gehwegen und Radwegen
  • Den Einsatz von Wetterschutz, in Form von funktionierender Entwässerung und Sonnenschutz auf stark frequentierten Gehwegen
  • Die Priorisierung von Gehwegen und Radwegen beim Schneeräumen
  • Den Ausbau des Busnetzes um Orthogonal verlaufende Buslinien
  • Flexible Haltemöglichkeiten der Busse in den Nachtzeiten
  • Den Einsatz von vergünstigten Nachttaxen für FLINT* Personen. Dabei soll durch eine Kooperation zwischen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. sichergestellt werden, dass Fahrerinnen geschult und sensibilisiert sind auf die besondere Gefahr, die für FLINT*Personen besteht, wenn sie nachts alleine reisen.
  • 100% barrierefreie S- und U-Bahnstationen bis 2025
  • Flächendeckend ausreichend Beleuchtung und digitale Anzeigetafeln an den ÖPNV- Haltestellen
  • Verstärkte Präsenz von Sicherheitspersonal in den Nachtstunden
  • Ein Alkoholverbot im ÖPNV
  • Vom Straßenverkehr abgegrenzte und farblich markierte Fahrradwege müssen konsequent und bezirksübergreifend umgesetzt werden
  • Flächendeckend sichere, gut beleuchtete und wettergeschützte Fahrradabstellanlagen
  • Mehr finanzielle Mittel für den Bau von Fahrradparkhäusern mit Alarmknöpfen
  • Die Schaffung von Lastenradparkplätzen überall dort, wo bereits Parkplätze vorhanden sind.
  • Die Berücksichtigung von Sonderbaufahrrädern (z.B. Handfahrräder) in der weiteren Planung.
  • Ein Tempolimit von 30km/h für den gesamten Innenstadtverkehr
  • Die Förderung von stationären Carsharing-Angeboten in den Außenbezirken
  • Die weiter Schaffung von neuen Frauenparkplätzen, überall dort, wo es zu wenige gibt und die verstärkte Kontrolle

 

Sicherheit im öffentlichen Raum

 

Für FLINT* Personen stellt der öffentliche Raum aufgrund von alltäglicher sexualisierter Gewalt einen Hürdenlauf da. Ein subjektives Unsicherheitsgefühl auf dem Heimweg oder bei Dunkelheit gehört für viele Betroffene zum Alltag. Leider kommt es immer wieder zu Vorfällen, die dieses Gefühl bestätigen. In einer Stadt sollten sich Personen egal welchen Geschlechtes zu jeder Tageszeit sicher fühlen. Dafür lassen sich neben entsprechenden Beleuchtungskonzepten weitere Maßnahmen treffen.

 

Die Schaffung von Safe Spaces ist wichtig, da hierdurch Betroffene im Fall einer akut bedrohlichen Situation im öffentlichen Raum Ansprechpartner*innen und sichere Orte zur Verfügung haben. Dies kann beispielsweise durch Programme wie „Luisa ist hier“ (entwickelt in Münster) garantiert werden. Gastronomiebetrieben und Geschäften wird die Möglichkeit zu einer Personalschulung gegeben, welche darauf abzielt, Personal auf den Umgang mit Personen in einer bedrohlichen Lage vorzubereiten. Betroffene können sich beispielsweise mit der Frage „Ist Luisa hier?“ an Thekenpersonal wenden, welches die betroffene Person dann aus der Situation begleitet und bei Bedarf Hilfe organisiert. Wir fordern ein solches Programm zur Schaffung sicherer Orte im öffentlichen Raum auch für das Land Berlin zu entwickeln. Darüber hinaus fordern wir die Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten für FLINT* Personen in allen Einrichtungen der öffentlichen Hand.

 

Wir benötigen eine App für mehr Sicherheit auf dem Heimweg. Denn insbesondere der Heimweg bei Dunkelheit gehört für viele Menschen zu den gravierendsten Unsicherheitsfaktoren in ihrem Alltag. Heimweg-Apps können eine Möglichkeit darstellen das Unsicherheitsgefühl zu verringern und schnelle Hilfe in Notsituationen zu garantieren. Dort können Personen angeben, wenn sie sich auf dem Heimweg befinden und im Notfall einen Notruf auslösen, der dann an Privatkontakte oder Sicherheitsbehörden inklusive des Aufenthaltsortes verschickt wird. Wir fordern die Förderung der Entwicklung einer solchen Heimweg-App durch das Land Berlin. Allgemein sollte sich die Smart-City-Strategie der Stadt Berlin mit dem Einsatz digitaler Technologien zur Förderung der Sicherheit von FLINT* Personen im öffentlichen Raum befassen. Dabei muss absolut sichergestellt sein, dass der Zugriff auf diese Bewegungsdaten durch Dritte nicht möglich ist.

 

Wir fordern:  

  • Die Etablierung eines Programms zur Schaffung von Safe Spaces im öffentlichen Raum, in der Gastronomie sowie im Einzelhandel
  • Die Entwicklung von Schutzkonzepten für FLINT* Personen in allen Einrichtungen der öffentlichen Hand
  • Die Entwicklung einer Heimweg-App durch das Land Berlin
  • Die Einbindung der Sicherheitsbedürfnisse von FLINT* Personen in die Smart-City- Strategie der Stadt Berlin

 

 

Barrierefreiheit

 

Nur eine barrierefreie Stadt ist auch eine Stadt für alle. Barrierefreiheit ist nicht nur für Menschen mit Behinderungen wichtig, sondern auch für ältere und hochaltrige Menschen, Menschen mit Kindern oder Menschen, die ältere oder pflegebedürftige Personen versorgen. Intersektionale feministische Stadtplanung muss dafür sorgen, dass mehrfach diskriminierten Menschen ein gleichberechtigter Zugang ermöglicht wird.

 

Die Stadt Berlin hat mehrere Handbücher und Richtlinien für eine barrierefreie bzw. barrierearme Bauweise erstellt, die sehr detailliert auf die Bedürfnisse von behinderten oder bewegungseingeschränkten Menschen eingehen. Doch die Realität vor unserer Haustür sieht oft anders aus. Bei der Planung von neuen Quartieren, Kiezen und Neubauvorhaben können aktuelle Barrierefreiheitsrichtlinien gut eingehalten werden. Der barrierefreie Umbau von existierenden öffentlichen Räumen, Gebäuden oder der Transportinfrastruktur lässt zu wünschen übrig. Auch wenn die Betreiber*innen des Öffentlichen Personennahverkehrs bemüht sind, ihre Transportmittel barrierefrei zu machen, so ist der Abstand zwischen Bahn und Bahnsteigkante immer noch ein Hindernis, das Rollstuhlfahrer*innen oft nicht ohne Hilfe überwinden können. Öffentliche Gebäude und Plätze müssen gut ausgeschildert sein und sind oft nur an die Bedürfnisse von normal Gehenden angepasst. Auch Stadtpläne und Fahrinformationen sind für Menschen mit einer niedrigeren Augenhöhe oft nicht nutzbar. Vor allem in älteren Stadtteilen besteht oft ein Konflikt zwischen Barrierefreiem Umbau und Denkmalschutz. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass mindestens die Hotspots barrierefrei erreichbar und miteinander vernetzt sind. Menschen mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen müssen Altstädte so zugänglich gemacht werden, dass eine Aufenthaltsqualität auch ohne Hilfe möglich ist. In Einkaufszonen häufen sich Werbeschilder und Fahrräder auf den Gehwegen und schränken den Bewegungsraum zusätzlich ein.

 

Sehbehinderte und Blinde Menschen sehen nicht das Gleiche, werden aber in einen Topf geworfen. Sie stellen unterschiedliche Anforderungen an den öffentlichen Raum. Vor allem sehbehinderte und blinde FLINT* Personen mit und ohne Kinder werden damit in eine Situation gebracht, in der sie sich zwingend Hilfe holen müssen und ggf. von sehenden Menschen diskriminiert werden. Damit sich Menschen mit Sehbehinderungen gefahrlos und ohne Hilfe im öffentlichen Raum bewegen können, muss Sichtbares besonders gut sichtbar sein.

 

Für Blinde muss Sichtbares hör- und/oder tastbar sein. Das lässt sich beispielsweise durch tastbare Orientierungselemente umsetzen, aber auch hörbare Ampelsignale, tastbare Beschriftungen und gut hörbare Durchsagen.

 

Es ist kein Geheimnis, dass die Bevölkerung immer älter wird. 2019 waren laut Angaben des Statistischen Bundesamts 72,9 % der über 90-Jährigen in Deutschland Frauen*. Hochaltrigkeit ist also vor allem weiblich*. Ältere und Hochaltrige Menschen haben besondere Bedürfnisse bezüglich Barrierefreiheit. Insbesondere ältere und hochaltrige Menschen mit Uterus und mit urologischen Einschränkungen benötigen eine gut ausgebaute, gepflegte, kostenlose und gut erreichbare Toiletteninfrastruktur. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat mit ihrer Checkliste zu „age friendly cities“ einen Leitfaden bereitgestellt, mit denen öffentliche Räume altersfreundlich umgestaltet werden können. Ein altersfreundlicher Umbau von Kommunen bedeutet eine längere Selbstständigkeit und Autonomie für ältere und hochaltrige Menschen, mit denen auch ein verringerter Bedarf an professioneller Unterstützung verbunden sein kann.

 

Wir fordern:  

  • Hinweisschilder und Notausgangkennzeichnungen müssen auf Augenhöhe für alle Menschen in dieser Stadt gebracht werden
  • Barrierefreier Umbau von denkmalgeschützten öffentlichen Räumen
  • Beim Neubau von Quartieren muss auf ausreichend breite Gehwege geachtet werden, während auf bestehenden Wegen ein Verbot für das Aufstellen von Werbeschildern gelten muss. Für Fahrräder sind gesonderte Abstellflächen bereitzustellen, beispielsweise durch die Umwidmung einzelner Parkplätze Im öffentlichen Raum müssen genügend Kontraste geschaffen, Informationen gut lesbar gemacht und für gute Beleuchtungsverhältnisse gesorgt werden
  • Hindernisse, z.B. Dekoelemente auf dem Boden oder Blumentöpfe, müssen gut sichtbar, hörbar oder fühlbar gekennzeichnet werden
  • Die Sicherstellung von gut tastbaren und hörbaren Orientierungselementen im Straßenverkehr
  • Einen Umbau Berlins zur altersfreundlichen Kommune nach WHO Standard durch das Land Berlin. Die Bezirke können das Land bei der Identifizierung von Orten mit besonderer Dringlichkeit unterstützen
  • Die Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer und hochaltriger Menschen bei der Stadtentwicklung, z.B. Fußgängerüberwege für langsam Gehende, spezielle Angebote, gepflegte Toiletteninfrastrukturen und Sitzmöglichkeiten in Parks und Einkauf-Hotspots