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Antrag 174/II/2022 Für Medien ohne Kapitalismus: Öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftssicher und gerecht finanzieren

10.10.2022

Nach dem zweiten Weltkrieg, in dem Propaganda über die neu aufkommenden Massenmedien eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des menschenfeindlichen und antisemitischen Weltbildes der Nationalsozialist*innen hatte, wurde das Rundfunksystem in Deutschland neu aufgebaut. Nach dem Vorbild der britischen BBC entstand auch in der Bundesrepublik ein duales Rundfunksystem. Das bedeutet, dass es neben kapitalistisch finanzierten Medienunternehmen auch Rundfunkmedien gibt, die nicht primär den Logiken des Kapitalismus unterworfen sind, sondern größtenteils durch die Öffentlichkeit finanziert werden.

 

Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird vertraglich zwischen den Bundesländern in einem Staatsvertrag geregelt. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auch in der Medienbranche wurde dieser 2020 als Medienstaatsvertrag neu abgeschlossen – früher hieß es nur Rundfunkstaatsvertrag. In diesem Medienstaatsvertrag wird die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definiert als “Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen”. Damit wird an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk höhere gesellschaftliche und demokratische Ansprüche gestellt als an privatwirtschaftlich finanzierte Medienunternehmen.

 

Zu Beginn des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschränkte sich das Angebot vor allem auf Radiosender sowie das Fernsehprogramm der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland). Zur Umsetzung des rechtlichen Auftrags wurde das Angebot stetig ausgeweitet. Mittlerweile umfasst es diverse Fernsehprogramme, Radiosender, sowie Angebote wie funk, die ausschließlich im Internet ausgestrahlt werden.

 

Mit dieser Ausweitung und der gestiegenen Konkurrenz durch private Rundfunkanbieter*innen sowie den zunehmenden feindlichen Bewegungen gegen freie Medien und deren Berichterstattung – insbesondere gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – entbrennen immer wieder Diskussionen über die Sinnhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese machen sich ebenfalls oft an der Finanzierung fest, sowie an der angeblich mangelnden Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen klaren rechtlichen Auftrag durch die Bundesländer bekommt, ist er dennoch unabhängig von politischer Einflussnahme. Dies ergibt sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Staatsferne des Rundfunks sowie die Pressefreiheit schützt. Zwar gibt es immer wieder – berechtigte – Kritik an der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien, wie dem ZDF-Fernsehrat, in dem auch Politiker*innen vertreten sind. Dennoch ist die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig von politischer – und auch weitestgehend auch kapitalistischer – Einflussnahme.

 

Diese Staatsferne zeigt sich auch in der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt wird. Die Höhe des finanziellen Bedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird von der Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgelegt. Die Kommission, deren Mitglieder unabhängige Sachverständige sind und von den Regierungschef*innen der Länder berufen werden, gibt den Regierungen der Bundesländer alle zwei Jahre Auskunft über die finanzielle Situation der Bundesländer. Dabei gibt sie abwechselnd einen Zwischenbericht oder eine Empfehlung zur Beitragshöhe ab. Die Beitragshöhe wird nach der Empfehlung der KEF durch die Landesparlamente verabschiedet. Allerdings wird auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk teilweise (unter zehn Prozent) durch Werbung und Sponsoring mitfinanziert. Somit werden ca. 90 Prozent der Einnahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus den Gebühren der Allgemeinheit generiert.

 

Wer diese Gebühr entrichten muss, hat sich in der Vergangenheit ebenfalls geändert. Zunächst musste die Gebühr nur entrichtet werden, wenn es ein Rundfunkgerät in einem Haushalt gab. Durch die Digitalisierung und der Tatsache, dass die meisten Menschen mindestens ein Endgerät zur Verfügung haben, um Rundfunk zu empfangen, wurde dies 2010 in eine Haushaltspauschale – unabhängig von der Anzahl der Rundfunkgeräte – umgestellt. Seit 2013 muss jeder Haushalt in Deutschland den gleichen Rundfunkbeitrag errichten. Ausnahmen gibt es dabei u.a. für Sozialhilfeempfänger*innen, sowie Bafög-Empfänger*innen, Empfänger*innen der Grundsicherung. Menschen, die Wohngeld beziehen oder Arbeitslosengeld I sind allerdings zur Entrichtung der Gebühr verpflichtet. Zwar gibt es die Möglichkeit einen Härtefallantrag zu stellen. Das Problem, dass alle – unabhängig vom Einkommen – die gleiche Gebühr entrichten müssen, bleibt dennoch. Für Menschen mit geringem Einkommen können die monatliche Abgabe von 18,36€ durchaus eine massive finanzielle Belastung darstellen, während es für andere überhaupt kein Problem darstellt.

 

Trotz dieser Ungerechtigkeit in der Finanzierung ist für uns klar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein zentraler Pfeiler der Demokratie ist. Ohne freie Medien ist ein demokratischer Diskurs und demokratische Entscheidungen nicht möglich. Anders als private Rundfunkanbieter muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht um ausbleibende Finanzierung fürchten, wenn kritisch über Wirtschaftsthemen berichtet wird oder bestimmte Einschaltquoten verfehlt werden. Durch die öffentliche Finanzierung wird darüber hinaus eine Themen- und Programmvielfalt sichergestellt, die im privat-finanzierten Rundfunk aufgrund des Drucks der Einschaltquoten keinen Bestand hätten. Durch die sichergestellte Finanzierung wird außerdem Journalist*innen die Möglichkeit gegeben, langfristig und investigativ zu recherchieren. So können seriöse Informationen generiert werden, die insbesondere in den heutigen Zeiten, in denen Fake News zur Tagesordnung gehören, von besonderer Relevanz sind. Wir sprechen uns entschieden gegen neoliberale Ideen aus, die die Privatisierung oder Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordern. Diese Tendenzen sind allerdings durchaus ernst zu nehmen. So wird nach Willen der britischen Regierung die BBC ab 2027 nicht mehr über Gebühren finanziert, sondern durch Abonnements und Teilprivatisierung. Auch in Deutschland kam es 2020 zu einem Eklat, als sich der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU) gegen die von der KEF beschlossene Erhöhung der Rundfunkgebühr stellte und dies nicht im Landtag zur Abstimmung brachte. Erst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde der Beitrag vorläufig erhöht.

 

Wir erkennen an, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in Deutschland nicht frei von Fehlern ist. Anstatt ihn aber aufgrund seiner ungerechten Finanzierung abschaffen zu wollen, wollen wir die Finanzierung reformieren, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerechter und unabhängiger zu finanzieren. So wollen wir sicherstellen, dass der wichtige Beitrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Demokratie leistet, auch weiter geleistet werden kann.  

 

Die offensichtlichste Lösung wäre es, den Rundfunkbeitrag in eine Steuer umzuwandeln. Dies ist allerdings nicht möglich, da eine ‘normale’ Steuer, gegen die in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene und enorm wichtige Staatsferne des Rundfunks verstoßen würde. Allerdings gibt es in Deutschland bisher eine ‘Steuer’, deren Höhe ebenfalls nicht von der Politik festgelegt wird – die Kirchensteuer. Die Höhe dieser wird seitens der jeweiligen Religionsgemeinschaft selbst festgelegt und von den Finanzämtern gegen eine Gebühr eingezogen. Diesen Weg wollen wir auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einschlagen. Die Einflussnahme des Staates ist dabei weiterhin so gering wie möglich zu halten. Besonders vor dem Hintergrund, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Allgemeinheit finanziert wird und eine tragende Säule unserer Demokratie ist, ist Vorwürfen von Missbrauch der Rundfunkgelder entschieden nachzugehen. Dies betrifft insbesondere die aktuelle Situation um die ehemalige Intendantin des rbb, Patricia Schlesinger. Die mutmaßliche Ausgabe von Rundfunkgeldern für private Luxusessen und teure Dienstwägen ist nicht hinzunehmen. Hier bedarf es einer nachhaltigen Aufklärung der Vorwürfe sowie einer Analyse und einer Reflexion der Prozesse, die die Nutzung und Verteilung von finanziellen Mitteln im rbb genehmigen und kontrollieren sollen. Es muss klar sein, dass die größtmögliche Transparenz in der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks notwendig ist. Die Gelder, die durch die Rundfunkbeiträge generiert werden, müssen zwingend transparent, verantwortungsbewusst und bedarfsgerecht verteilt werden.

 

Konkret fordern wir daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Landesparlamente auf, darauf hinzuwirken, dass

 

  • die KEF den Rundfunkbeitrag zukünftig als Prozentzahl in Relation zum Einkommen festlegt wird. Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ist entsprechend zu ändern.
  • die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so zu gestalten, dass zukünftig eine Finanzierung ohne Werbe- und Sponsoringeinnahmen möglich ist.
  • die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch zukünftig sichergestellt wird.
  • ein transparenter, verantwortungsvoller und bedarfsgerechter Umgang mit den Beitragsgeldern gewährleistet wird.

Antrag 166/II/2022 Predictive Policing in Europa verbieten

10.10.2022

Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) finden nicht nur auf Plattformen wie Facebook oder TikTok Anwendung, sondern werden auch vermehrt von staatlichen Institutionen eingesetzt. Dabei werden sich oftmals mehr Effizienz und schnellere Verwaltungsabläufe erhofft. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass der Einsatz von KI-Systemen mit großen Risiken verbunden ist. Damit KI-Systeme Vorhersagen treffen können, müssen sie mithilfe von Daten trainiert werden. Diese Daten entstammen aber einer bereits verzerrten und ungerechten Realität, in der Diskriminierung und Rassismus alltäglich sind. KI-Systeme, die dann auf Basis verzerrter und diskriminierender Datensätze trainiert werden, reproduzieren diese Verhaltensweisen dann auch in ihrer Anwendung. Auch gibt es kaum nachträgliche Überprüfungen solcher Systeme, noch werden Systeme derzeit in Hinblick auf mögliche Diskriminierungspotenziale entwickelt.

 

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen diese Probleme. So wurde unter anderem in den Niederlanden ein KI-System von Behörden eingesetzt, um zu ermitteln, welche Empfänger*innen von Kindergeldzahlungen diese veruntreuten. Auf Basis dieser Einschätzungen wurden dann Rückzahlungsforderungen an die ermittelten Personen übermittelt, ohne dass diese Einschätzung noch einmal von einem Menschen überprüft wurde. Nach einigen Jahren stellte sich dabei aber heraus, dass viele Rückzahlungsforderungen ungerechtfertigt gestellt wurden, da das System nicht funktionierte. Auch traf das eingesetzte System vor allem diskriminierende Entscheidungen gegenüber Kindergeldempfänger*innen mit Migrationshintergrund und Empfänger*innen aus finanziell schwächeren Haushalten. Diese Gruppen wurden deutlich häufiger beschuldigt, Kindergeld veruntreut zu haben. Durch die falschen Rückzahlungsforderungen wurden diese Gruppen in starke finanzielle Not getrieben. Als weiteres Beispiel dient ein KI-System, welches durch die spanische Polizei seit 2007 eingesetzt wird. Dieses System erstellt eine Einschätzung darüber, wie gefährdet Frauen in ihrem eigenen privaten Umfeld sind, wenn sie eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei aufgeben. Die Idee dahinter war, dass die Polizei bei sehr schlimmen Fällen schneller eingreifen kann. Jedoch war auch dieses System zutiefst diskriminierend und hat die Gefährdungslage von Frauen systematisch als zu niedrig eingeschätzt, um direkt aktiv zu werden. Dadurch konnte vielen Frauen nicht adäquat geholfen werden. In beiden Fällen führte der Einsatz von fehlerhaften KI-Systemen durch öffentliche Behörden zu massiven negativen Auswirkungen auf Bürger*innen, insbesondere benachteiligter Gruppen.

 

Wie das Beispiel der spanischen Polizei zeigt, ist der Einsatz von KI-Systemen durch Polizei- und Justizbehörden besonders riskant. In diesem Bereich werden derzeit vor allem Systeme entwickelt, die Vorhersagen über mögliche Straftaten oder besonders kriminalitätsbehaftete Orte erstellen. Solche Systeme werden auch als “Predictive Policing” Systeme bezeichnet. Neben dem spanischen KI-System werden solche Systeme bereits im Vereinigten Königreich, den Niederlanden, den USA und auch in Deutschland eingesetzt. So setzt die Polizei NRW ein KI-System ein, um zu beurteilen, an welchen Orten in naher Zukunft Straftaten begangen werden könnten. Die Polizeipräsenz wird dann an diesen Orten erhöht. Auch die Bundespolizei setzt ein KI-System ein, um das individuelle Gewaltrisiko von Gefährder*innen einzuschätzen und dadurch mögliche terroristische Anschläge vorherzusagen. Auswertungen zeigten dabei bereits, dass diese Systeme nahezu wirkungslos sind und es keinen nachweisbaren Effekt auf die Sicherheit oder die Vereitelung von Straftaten gibt. Dennoch werden diese Systeme weiterverwendet.

 

Neben der Wirkungslosigkeit solcher Systeme kommt es auch zu einem schweren Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte. Wie bereits gezeigt, sind KI-Systeme häufig fehleranfällig und diskriminieren Personen aufgrund ihres Aussehens, ihres Migrationsstatus oder ihrer sozioökonomischen Herkunft. Wenn dann falsche polizeiliche oder juristische Entscheidungen aufgrund von falschen KI-gestützten Entscheidungen getroffen werden, könnte dies für die Betroffenen sehr schwerwiegende Folgen haben. Darüber hinaus besteht ein Unterschied zwischen einer statistischen Vorhersage darüber, ob oder wo eine Straftat stattfinden könnte, und dem Ausüben einer Straftat. Es wird lediglich eine Vermutung aufgestellt. Insbesondere bei Systemen, welche das Risiko von Individuen beurteilen, können solche Systeme zu einem Einschnitt der Unschuldsvermutung führen.

 

Da der Einsatz von KI-Systemen mit Risiken verbunden ist, wird auf europäischer Ebene derzeit die weltweit erste Regulierung von KI-Systemen verhandelt. Bis Ende des Jahres soll der Verordnungsentwurf in die allgemeine Ausrichtung gehen und nächstes Jahr finalisiert werden. Im Rahmen der KI-Verordnung werden bestimmte KI-Systeme aufgrund ihres unannehmbaren Risikos verboten und andere aufgrund eines hohen Risikos stark reguliert. Bisher sind “Predictive Policing”-Systeme lediglich als Hochrisikosysteme definiert. Somit wäre der Einsatz solcher Systeme auch weiterhin in der EU erlaubt. Dies steht im starken Kontrast mit den aufgezeigten Risiken sowie Fehleranfälligkeit solcher Systeme.

 

Daher fordern wir:

 

“Predictive Policing”-Systeme sollen im Rahmen der Verhandlungen zur KI-Verordnung europarechtlich verboten werden. Der Einsatz solcher Systeme durch deutsche Behörden oder im Auftrag dieser muss unverzüglich eingestellt werden. Auch der Verkauf oder die Verfügbarmachung von Predictive Policing Software muss verboten werden.

Antrag 157/II/2022 Kolonialverbrechen nicht unter den Teppich kehren – für eine feministische, dekoloniale Erinnerungskultur in Berlin

10.10.2022

Noch immer tut sich Deutschland schwer mit der Aufarbeitung seiner kolonialen Vergangenheit. Zwar hat die Bundesregierung 2021 nach über 100 Jahren den deutschen Völkermord an den Herero, Nama, Damara und San anerkannt, aber noch immer ist die deutsche Kolonialzeit nicht abschließend aufgearbeitet und ebenso wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent.

 

Schließlich wurden Völkermorde nicht nur im heutigen Namibia, sondern auch im heutigen Tansania (z.B. gegen den Maji-Maji-Aufstand) begangen. Zudem fanden zahlreiche grausame völkerrechtswidrige Verbrechen in Kamerun (z.B. mit der ‚Pazifizierung‘ des Binnenlandes), in Togo (durch Ausbeutung und Zerstörung ganzer Orte), im Südpazifik (z.B. mit der Niederschlagung des Sokehs-Aufstand) oder in Kiautschou (z.B. mit der Gewalt gegen den „Boxeraufstand“ / Aufstand der Yihetuan) statt.

 

Anstatt an die Opfer dieser Verbrechen zu erinnern, erinnert Berlins Stadtbild noch immer lieber an die Täter – Der Nachtigal-Platz und der Nettelbeck-Platz (Nachtigal war der Reichskommissar von “Deutsch-Westafrika” und dabei an Verbrechen beteiligt. Nettelbeck war am Sklavenhandel beteiligt und ein Unterstützer des deutschen Kolonialismus) in Mitte sind nur einige Beispiele von vielen.

 

Das ist eine Tatsache, die wir nicht hinnehmen können und fordern daher eine kritische Auseinandersetzung mit deutschen Kolonialgeschichte im öffentlichen Raum. Gerade Berlin als Hauptstadt des ehemaligen Deutschen kolonialen Reiches und Veranstaltungsort der sogenannten „Kongo- Konferenz“ von 1884/85, bei der die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Weltmächten ausgehandelt wurde, muss seiner historischen Verantwortung gerecht werden. Es darf seine Kriegsverbrechen nicht unter den Teppich kehren, sondern muss an diese im öffentlichen Raum erinnern. Es geht darum, dauerhaft auf den physischen und psychischen Schmerz sowie die lebenslange Traumatisierung von Kriegsopfern allgemein und insbesondere von Frauen und nicht-binären Personen durch sexualisierte Gewalt in Kriegen aufmerksam zu machen. 

 

Denn es waren oftmals Frauen, die während den Verbrechen sexuellen Missbrauch erfahren haben, welche als Sklavinnen ausgebeutet wurden. Dabei ist das Schicksal meist noch weniger im Fokus des allgemeinen und wissenschaftlichen Diskurses. Dieses Schicksal dieser Frauen und queeren Personen in den Kolonien sichtbar zu machen, begreifen wir daher als wichtigen Beitrag einer feministischen, dekolonialen Erinnerungskultur.

 

Daher fordern wir die SPD-Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten und im Senat auf, neben den Umbenennungen der entsprechenden Straßen und Plätze, mehrere dezentrale Denk- und Mahnmale in Berlin umzusetzen. Diese Denk- und Mahnmale sollen vor allem auch die Perspektive von Mädchen, Frauen und nicht-binären Personen aufgreifen, da bisher die koloniale Vergangenheit hauptsächlich aus einer männlichen Perspektive gedacht wird. Diese weiblichen und queeren Perspektiven müssen außerdem bei der Planung des bereits geforderten Zentralen Mahnmals mit Dokumentationszentrum in Berlin mitbedacht werden. An der Gestaltung und Planung dieses zentralen und der weiteren, dezentralen Mahnmale sollten Interessenvertretungen von Betroffenen sowie Organisationen wie Decolonize Berlin beteiligt werden.

 

Doch Denk- und Mahnmäler allein reichen nicht aus. Es bedarf einer ganzheitlichen feministischen dekolonialen Erinnerungskultur. Diese muss in der Schule beginnen. Doch zurzeit ist es noch nicht mal verpflichtend den deutschen Kolonialismus im Unterricht zu thematisieren. Stattdessen ist dieses Thema ein Wahlmodul, wodurch viele Kinder und Jugendliche die Schule verlassen, ohne überhaupt zu wissen, dass Deutschland eine koloniale Vergangenheit hat und Verbrechen begangen hat. Es fehlt dadurch ein Verständnis, warum wir in rassistischen Strukturen leben und aufwachsen. Denn diese Strukturen wurden maßgeblich in der Kolonialzeit erbaut.

 

Doch selbst wenn die Völkermorde, Verbrechen und Unterdrückungen in der Kolonialzeit thematisiert werden, wird dies meist nur aus einer männlichen Perspektive mit “männlichen” Quellen getan. Dass Frauen und queere Personen jedoch in der Kolonialzeit Täterinnen, aber vor allem Opfer waren, wird nicht behandelt.

 

Daher fordern wir die SPD Mitglieder der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten auf und im Senat auf, zusätzlich eine Berücksichtigung der deutschen Kolonialvergangenheit – insbesondere aus feministischer Perspektive – im Rahmenlehrplan und der Lehrkräfteausbildung. Denn nur dadurch kann unsere rassistische und patriarchale Geschichte und Gegenwart verstanden werden 

Antrag 132/II/2022 Mental Health ins 21. Jahrhundert holen!

10.10.2022

Die Covid-Pandemie scheint in den Augen vieler Menschen in Deutschland bereits überwunden zu sein, doch viele folgende Probleme stehen noch vor uns.

 

Während im ersten Lockdown im Jahre 2020 noch im Vordergrund stand, die Inzidenz von Covid-Fällen zu senken, wurden bereits im zweiten Lockdown vermehrt Stimmen laut, die vor psychischen Folgen von Isolation und weiteren Infektionsschutzmaßnahmen warnten. Aus damaliger Sicht war es dennoch zunächst wichtiger, die Inzidenz zu senken und sich zunächst auf Menschen fokussiert, die akut an COVID erkrankt sind.

 

Im Jahre 2022 treten nun die psychischen Folgen in den Vordergrund, unsere psychotherapeutische Infrastruktur ist aber kaum bis gar nicht auf diese Belastungen vorbereitet. Aus diesem Grund ist es jetzt an der Zeit, an den notwendigen Stellschrauben zu drehen, damit der Leidensdruck bei Betroffenen so gering wie möglich und die Versorgung so gut wie möglich ist.

 

In Zeiten fortschreitender Digitalisierung muss auch Therapie digital funktionieren können!

 

Seit September 2020 dürfen neben Rezepten für Arzneimittel auch sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGa) verschrieben werden. Digitale Gesundheitsanwendungen sind Apps, die für eine bestimmte Erkrankung, unter anderem psychische Erkrankungen, verschrieben werden dürfen und so auch von den gesetzlichen Krankenkassen (kurz: GKV) übernommen werden müssen.

 

Viele dieser Apps basieren auf therapeutischen Interventionen, die wissenschaftlich fundiert sind. Aber trotzdem ist die Verwendung der DiGa noch eher eine Seltenheit. An dieser Stelle möchten wir auch unterstreichen, dass die Übernahme der Kosten für DiGa ein großer Fortschritt ist, dennoch sollte dabei immer die Effektivität dieser Anwendungen überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Linderung von psychischer Symptomatik wirklich eintritt. Wir erwarten, dass Projektgelder und Übernahmen nur für Anwendungen gewährleistet werden, die aktuellen Forschungserkenntnissen entsprechen.

 

Neben der DiGa gibt es aber auch einen großen Graubereich an Internetseiten oder Apps, die einen forenähnlichen Charakter haben und in denen unqualifizierte Menschen Ratschläge geben und damit andere Menschen, die auf professionelle Hilfe angewiesen sind, gefährden. In diesen Foren geben teils nicht lizensierte oder geschulte Privatpersonen unprofessionelle und der Gesundheit häufig schadende Empfehlungen. In diesen Foren braucht es eine verpflichtende Einordnung der
Beiträge als keine Behandlungsvorschläge, sondern Ratschläge von Privatpersonen. Zusätzlich sollten
offizielle Beratungsangebote der Ärztekammern oder Krankenkassen verlinkt werden, ähnlich zu Corona-Informationen in social media. So bleibt die Möglichkeit, Erfahrungsberichte und Meinungen zu teilen, aber die notwendige Einordnung findet statt. Durch die weiterhin zu starke Stigmatisierung vieler Erkrankungen ist ein Austausch über Erkrankung und Behandlung vielen Menschen nur im anonymen digitalen Raum möglich.

 

Dass sich die Beschwerden von Menschen aufgrund von gesellschaftlichen Stigmata von Psychotherapie verschlechtern, darf nicht zugelassen werden!

 

Aus diesem Grund fordern wir die Bundesregierung und das Gesundheitsministeriumauf, …

 

  • einen Ausbau der DiGa und eine Schulung von Ärzt*innen und Therapeut*innen über die Verschreibung von DiGa, zu unterstützen
  • die konsequente Verfolgung von Foren, die gefährlichen und lebensbedrohlichen Rat geben und den Ausbau von alternativen Onlineangeboten, die durch medizinisch geschultes Personal betreut werden
  • die Aufhebung der freien Preisfindung von DiGas im ersten Jahr und stattdessen die direkte Preisverhandlung, um die Leistungsausgaben zu senken und das Missverhältnis in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Nutzennachweis auszugleichen. Oft bewegen sich aktuell die Bepreisungen weit über den Preisen, die außerhalb des DiGa-Verfahrens gefordert werden und konventionell vergütet werden
  • einen größeren Fokus auf digitalen personalisierten Therapieangeboten mit lizensierten und professionellen Therapeut*innen zu legen
  • mehr Angebote im E-Mental-Health-Bereich anzubieten bzw. zu fördern, sodass die Infrastruktur in der Zukunft besteht
  • Der IT-Sicherheit und dem Datenschutz der DiGa höchste Priorität einzuräumen und zu kontrollieren
  • Die DiGa darf Therapeut*innen nicht ersetzen. Wir unterstreichen unsere Forderungen, mehr Therapieplätze in Deutschland zu schaffen

Antrag 208/II/2022 Mehr Klimaschutz durch mehr Gender Empowerment!

10.10.2022

Es ist uns bereits seit geraumer Zeit klar, dass die Folgen des Klimawandels in besonderem Maße FINTA treffen. Sie sind es nämlich, die während und nach Klimakatastrophen in besonderer Weise betroffen sind, da sie mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben, weil sie sich um Angehörige und Kinder kümmern und deren Flucht mitorganisieren müssen bzw. diese nicht zurücklassen wollen oder können. Zudem wird ihnen, wie bei dem Bildungszugang im Allgemeinen, häufiger das Erlernen von Überlebenstechniken wie z.B. Schwimmen und Erstversorgung verweigert. Dies betrifft auch die Effektivität von Warnsystemen für diese Bevölkerungsgruppen. Außerdem können die Folgen des Klimawandels sowohl Beschleuniger für eine revisionistische Politik sein, die die Rechte von FINTA einschränkt, als auch Begünstigter für häusliche Gewalt oder sexualisierte Gewalterfahrungen auf der Flucht.

 

Jedoch lässt sich nicht nur eine Ungleichheit in Bezug auf die Folgen des Klimawandels beobachten, sondern ebenfalls in der Entwicklung und Umsetzung von Lösungsstrategien. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein höherer FINTA-Anteil und mehr Diversität in Entscheidungsgremien und Führungspositionen einen positiven Einfluss auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft haben. Neben einer feministischen Außenpolitik brauchen wir also auch ganz klar eine dezidiert feministische Klimapolitik. Auch wenn Erdbeben, Dürren und Überschwemmungen nicht per se genderspezifisch sind, müssen wir die weitreichenden Folgen und Nachwirkungen beachten, um die Notwendigkeit von feministischen Perspektiven im Klima-Kontext herauszustellen.

 

Die heutige Datenlage zeigt eindeutig positive Korrelationen zwischen dem Global Gender Gap Index oder dem Gender Inequality Index und dem Environmental Performance Index. Kurz gesagt: Wie gerecht oder ungerecht Länder in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter sind, beeinflusst entschieden, welchen positiven oder negativen Beitrag die Klimapolitik des Landes für die ganze Welt hat.  In einem Zeitraum von 30 Jahren konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung des Women’s Political Empowerment Index um einen Punkt mit einer Reduktion der CO2-Emissionen von über 11% einher ging. Diese persönliche Korrelation erklären wissenschaftliche Studien dadurch, dass

 

  1. Länder mit hohem parlamentarischen FINTA-Anteil eher internationale Umweltabkommen ratifizieren
  2. FINTA gewöhnlich ressourcenschonender und emmissionsärmer produzieren und
  3. FINTA durchschnittlich einen kleineren ökologischen Fußabdruck haben als Männer.

 

Wir als Jusos sind ebenfalls der Meinung, dass die Emanzipation von FINTA und die Bekämpfung des Klimawandels in geeigneten Bereichen für Lösungsstrategien kombiniert werden können und sollten.

 

Wir fordern daher, dass in der deutschen Klimapolitik Gender Empowerment und Diversity Bestandteil der Strategie zur Bekämpfung anerkannt und gefördert werden. Das soll sich insbesondere in der Kommunikation zur Öffentlichkeit und in der Verteilung von finanziellen Mitteln und in öffentlichen Vergaben äußern.